Im Proömium zu seinem im Jahr 1961 erschienenen Roman „Sobre héroes y tumbas“ beschreibt der argentinische Romancier Ernesto Sábato sein zentrales Anliegen – die Erforschung jenes „oscuro laberinto que conduce al secreto central de nuestra vida“. Damit markiert er a priori den Roman als Kombination von kunstvoller Fiktion und existentieller Philosophie. Doch zählt der Roman „Sobre héroes y tumbas“ zu denen des so genannten lateinamerikanischen Booms, die einerseits weltliterarischen Ruhm erlangten und sich andererseits vehement von den aus Europa vorgegeben, modernen Erzählmodellen mit dem Primat der Form distanzierten, um mit der nueva novela eine spezifisch eigene literarische Kunstrichtung zu kreieren. Obwohl eine Charakterisierung des Romans viele mögliche Nuancierungen gestattet und demnach nicht eindeutig bestimmbar erscheint, ist m. E. der Modus des erinnernden Erzählens sein wesentliches Charakteristikum und bildet das Fundament zur Entfaltung verschiedenster Zusammenhänge. Mittels der Erinnerung bestreiten die Figuren den Weg in das „Labyrinth“ ihres inneren Gedächtnisses und konstruieren vielfältige Assoziationen, deren Bezüge sowohl auf der Geschichtsebene als auch auf der Erzählebene generiert werden. Inwiefern die narrative Externalisation der erinnerten Erlebnisse, Empfindungen, Wünsche, Interessen oder Erwartungen in die Außenwelt das Geheimnis des Lebens zu enthüllen vermag und welche Funktionen die Erinnerung in „Sobre héroes y tumbas“ im Einzelnen genau einnimmt, soll im Zuge dieser Arbeit erörtert und expliziert werden. In dieser Hinsicht wird vorab die Handlung auf der Geschichtsebene resümiert, so dass die Analyse der Erzählsituation in seiner Originalität des erinnernden Erzählens zum Plot des Romans in Relation gesetzt werden kann. Im Anschluss sollen drei Thesen der Funktion des mehrschichtigen Erinnerungsgefüges eruiert und anhand der Protagonisten sowie der argentinischen Eigentümlichkeit plausibilsiert werden, um zu einem abschließenden Urteil über die Erinnerungsstruktur des Romans zu gelangen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Resümee der histoire
- Analyse der Erzählsituation und Erinnerungsstruktur
- Funktionen des erinnernden Erzählens
- Enigmatisierung der Erzählsituation
- Erinnerung als Prozess individueller Schicksalsbewältigung
- Martíns Initiation - Verzweiflung und Hoffnung
- Erinnerung als Konnex zwischen argentinischem und individuellem Bewusstsein
- Alejandra - Geheimnis und Fluch
- Konklusion
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert Ernesto Sábato´s Roman „Sobre héroes y tumbas“ und untersucht die Funktion des erinnernden Erzählens. Das zentrale Anliegen ist es, die komplexe Erinnerungsstruktur des Romans zu entschlüsseln und ihre Bedeutung für die Charakterentwicklung der Protagonisten und die Darstellung der argentinischen Geschichte aufzuzeigen.
- Das Geheimnis der Erinnerung: Wie funktioniert die Konstruktion des inneren Gedächtnisses der Figuren?
- Die Macht der Vergangenheit: Wie wirkt sich die Erinnerung auf die Gegenwart der Figuren aus?
- Die argentinische Geschichte: Wie werden die historischen Ereignisse in die individuelle Lebensgeschichte der Figuren eingeblendet?
- Die Suche nach Identität: Wie finden die Figuren in der Erinnerung ihre eigene Identität?
- Das Verhältnis von Liebe und Tod: Wie wird das Motiv der Liebe mit dem Thema des Todes verbunden?
Zusammenfassung der Kapitel
Der Roman beginnt mit einem Polizeibericht, der den Mord an Alejandra Vidal Olmos an ihrem Vater beschreibt. Im Haupttext erleben wir die Geschichte der Liebe zwischen dem jungen Martín und Alejandra. Martíns Suche nach Alejandra führt ihn in ein Labyrinth von Erinnerungen und Geheimnissen. Durch seine Begegnungen mit Alejandra und deren Familie wird er mit der Geschichte Argentiniens und den traumatisierenden Folgen der Vergangenheit konfrontiert.
Kapitel 1-2 beschreiben die erste Begegnung zwischen Martín und Alejandra und Martíns Suche nach dem Mädchen. In Kapitel 3 treffen Martín und Alejandra wieder zusammen und erleben eine intensive, aber auch schwierige Beziehung. Kapitel 4-6 erzählen die Geschichte von Alejandras Familie und ihrem Geheimnis. Kapitel 7-9 stellen die Geschichte Argentiniens im 20. Jahrhundert dar und zeigen die Auswirkungen der Vergangenheit auf die Gegenwart.
Schlüsselwörter
Der Roman „Sobre héroes y tumbas“ ist ein komplexes Werk, das eine Vielzahl von Themen und Schlüsselbegriffen berührt. Einige der wichtigsten Themen sind Erinnerung, Identität, Geschichte, Liebe und Tod. Weitere Schlüsselbegriffe sind Argentinien, Buenos Aires, Psychoanalyse, Existenzialismus, Surrealismus, und Politik.
- Quote paper
- Anita Glunz (Author), 2005, Funktionen des erinnernden Erzählens in Ernesto Sábato: „Sobre héroes y tumbas“, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46474