Krisenkommunikation auf Corporate Websites versus Online-Nachrichtenseiten. Welche Wirkung haben personalisierte und nicht-personalisierte Kommunikation?


Fachbuch, 2019

124 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abstract

1 Einleitung

2 Die Stimme des Unternehmens: Public Relations
2.1 PR per Definition, ihre Funktionen und Ziele
2.2 Im Fokus der PR: Reputation, Vertrauen und Glaubwürdigkeit
2.3 Mehr Medien, weniger Journalismus? Entwicklung der Medienlandschaft
2.4 Die Wahl des Kanals: Media Relations vs. Corporate Media
2.5 Die Wahl des Sprechers: Medientrend Personalisierung

3 Die Stimme der Krise: Krisenkommunikation
3.1 Die Krise – und was die Krise ausmacht
3.2 Die Krise meistern – mit Hilfe der Krisenkommunikation

4 Theorie à Empirie: Forschungsfragen und Hypothesen

5 Methode: Der Weg zu Erkenntnis
5.1 Wahl der Methode: Darum ein Experiment
5.2 Das ist drin: Material, Aufbau und Durchführung

6 Ergebnisse: Was wirkt wie?
6.1 Welche Wirkung der Kanal hat (FF1)
6.2 Welche Wirkung die Personalisierung hat (FF2)
6.3 Interaktionseffekte zwischen Kanal und Personalisierung (FF3)
6.4 Weitere Ergebnisse

7 Diskussion und Fazit

Literatur

Anhang: Online-Fragebogen mit integriertem Stimulus

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Sanktionen des Deutschen Presserats von 1986 bis 2017

Abbildung 2 Abgrenzung des Krisenbegriffs

Abbildung 3 4-Phasen-Modell des Krisenkommunikationsmanagements

Abbildung 4 Zusammenhang Attribution und Kommunikationsstrategie

Abbildung 5 Erweitertes SCCT-Modell

Abbildung 6 Übersicht der Experimentalgruppen

Abbildung 7 Ausschnitt manipulierter Stimulus

Abbildung 8 Ausschnitt manipulierter Stimulus

Abbildung 9 Bewertung der Glaubwürdigkeit des Berichts (Kanal).

Abbildung 10 Bewertung des Vorfalls (Kanal).

Abbildung 11 Bewertung der Reaktion des Unternehmens (Kanal).

Abbildung 12 Reputation des Unternehmens (Kanal).

Abbildung 13 Bewertung der Glaubwürdigkeit des Berichts (Personalisierung).

Abbildung 14 Bewertung des Vorfalls (Personalisierung).

Abbildung 15 Bewertung der Reaktion durch das Unternehmen (Personalisierung).

Abbildung 16 Bewertung der Reputation des Unternehmens (Personalisierung).

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Übersicht möglicher Krisenursachen

Tabelle 2 Typologie der Krisenkommunikationsstrategien

Tabelle 3 Reliabilitätstest der Multi-Item-Skalen

Tabelle 4 Faktorenladungen der explorativen Faktorenanalyse mit Varimax-Rotation der Bewertung des Vorfalls

Tabelle 5 Faktorenladungen der explorativen Faktorenanalyse mit Varimax-Rotation der Bewertung der Reputation

Abstract

Wenn Unternehmen sich mit einer Krise konfrontiert sehen, haben sie manchmal die Wahl, wer zum Sprachrohr des Unternehmens wird und ob sie sich über die eigenen Kanäle oder über journalistische Kanäle an die Öffentlichkeit wenden. Bisherige Studien zu den Bereichen fanden zumeist außerhalb des Krisenkontextes statt. Die vorliegende Masterarbeit hat diese Faktoren in einem Online-Experiment mit Befragung im 2x2-Design mit 253 Versuchsteilnehmern untersucht. In Form von Corporate Publishing vs. Media Relations sowie personalisierter vs. nicht-personalisierter Krisenkommunikation wurden mögliche Effekte auf die Rezipienten erforscht. Dabei wurde die Wirkung anhand der Variablen Glaubwürdigkeit des Berichts, Bewertung des Vorfalls, Bewertung der Reaktion des Unternehmens sowie dessen Reputation nach dem Vorfall gemessen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Experimentalgruppen sowohl beim Faktor Kanal als auch mit Blick auf die Personalisierung nicht signifikant voneinander unterscheiden. Somit hat es innerhalb des Experiments keinen Unterschied gemacht, ob die Probanden einen Bericht über einen journalistischen oder unternehmenseigenen Kanal gelesen haben und auch nicht, von wem die Aussagen im Text stammten. Auf Basis der Ergebnisse werden Implikationen für weiterführende Forschung diskutiert.

When confronted with a crisis, companies sometimes have the choice of who will become the company’s spokesperson and whether they will address the public through their own channels or through journalistic channels. Previous studies in these fields have mostly taken place outside the crisis context. The present study examined these factors in an online experiment with a survey in 2x2 design with 253 test participants. Possible effects on recipients were researched in the form of corporate publishing vs. media relations and personalised vs. non-personalised crisis communication. The impact was measured using the variables credibility of the report, evaluation of the incident, evaluation of the response by the company and its reputation after the incident. The results show that the experimental groups do not differ significantly from each other with regard to both the channel factor and personalization. Thus, it made no difference within the experiment whether the experimentees read a report via a journalistic or company-owned channel, and it also made no difference from whom the statements in the text originated. Based on the results, implications for further research will be discussed.

1 Einleitung

Ganz egal ob Start-up in Berlin, Mittelständler im Ruhrgebiet oder Großkonzern bei Stuttgart – eine Krise kann jedes Unternehmen treffen, früher oder später, leicht oder hart. Krisen sind allgegenwärtig und ein jeder wird bei den Stichwörtern Krise und Unternehmen eine der großen Krisen der Vergangenheit oder Gegenwart vor Augen haben: Volkswagen und die Dieselaffäre, Facebook und der Cambridge Analytica-Skandal, Mercedes Benz und der Elch-Test, Shell und der Öltank Brent Spar, um an dieser Stelle nur eine Auswahl zu nennen. Denn irgendwo gibt es immer eine Krise. Dabei ist kein Unternehmen immun gegen die Gefahren durch eine Krise, die eine Organisation im Ganzen schädigen, im schlimmsten Falle gar zerstören kann.

Eine wissenschaftliche Studie in 43 europäischen Ländern hat ergeben, dass sich etwa 70 Prozent der Kommunikationspraktiker[1] mindestens einmal im Jahr mit einer Krise konfrontiert sehen (Verhoeven, Tench, Zerfass, Moreno & Vercic, 2014). Es scheint demnach, dass es zumeist keine Frage ist, ob es zu einer Krise kommt, sondern wann und wie schlimm diese ausfallen wird. Ist die Krisensituation eingetroffen, gerät die Organisation negativ in den Fokus der Öffentlichkeit und muss hierauf entsprechend reagieren. Kunden, Geschäftspartner, Investoren und Angestellte wollen ebenfalls informiert werden. Auf diese Situation zu reagieren und Schaden vom Unternehmen abzuwenden ist zum Großteil die Aufgabe der Unternehmenskommunikation, durch die die Organisation nach Innen und Außen kommuniziert. Neben der Frage Was kommuniziert wird, stellt sich für die Kommunikatoren an dieser Stelle auch die Frage Wie es kommuniziert wird.

In der kommunikationswissenschaftlichen Forschung stellt die Frage nach dem Was bzw. dem Inhalt der Kommunikation in Krisenzeiten ein bereits weit erforschtes Feld dar. Die „Krisenstrategien in Abhängigkeit von der Verantwortungsübernahme“ (Coombs, 2006, S. 182), deren konkreter Einsatz sowie die Wirkung auf die Rezipienten sind Gegenstand zahlreicher Studien (z.B. Arendt, LaFleche & Limperopulos, 2017; Coombs & Holladay, 2008; van der Meer, 2014; Park, 2017; Pavelka, 2015) und können als allgemein anerkannt bezeichnet werden.

Die Frage nach dem Wie stellt sich als weitaus umfangreicher dar, da hier eine Vielzahl an Faktoren berücksichtigt werden muss. Von zentraler Bedeutung und im Fokus dieser Arbeit sind die Wahl des Kommunikationskanals, über den die Inhalte der Strategie kommuniziert werden und die Wahl des Sprechers, der die Inhalte vermittelt.

Die Wahl des Kanals als einer von zwei zentralen Faktoren dieser Studie ist in der wachsenden Bedeutung des Corporate Publishings begründet. Früher haben Unternehmen hauptsächlich klassische Pressearbeit eingesetzt. Die Unternehmenskommunikation hat ihre Anspruchsgruppen hierbei über den Weg der zweistufigen Kommunikation mit Hilfe der Massenmedien als Multiplikatoren erreicht. Nachrichten über ein Unternehmen wurden somit über die klassischen Medien verbreitet. Insbesondere durch die Digitalisierung sind Unternehmen heute mehr denn je in der Lage, ihre Inhalte selbst reichweitenstark zu publizieren und mit ihren Anspruchsgruppen direkt in Kontakt zu treten (Kleinert, 2008, S. 27-28; Seeger, 2007, S. 5). Das kann für Unternehmen einerseits ein großer Vorteil sein, da sich die journalistische Medienlandschaft seit Jahren in einer negativen Entwicklung befindet, die sich in finanziell schlechten Verhältnissen der Verlagshäuser äußert (Schulz-Bruhdoel & Fürstenau, 2013, S. 20; Schweiger, 2013, S. 51). Die Redaktionen reagieren zum Teil mit einer vermehrten Boulevardisierung und Skandalisierung ihrer Berichterstattung, was wiederum zu einem Risiko für Unternehmen führen kann (Imhof, 2014, S. 86; Steinke, 2018, S. 43). Andererseits wird den unternehmenseigenen Medien im Vergleich zu journalistischen Medien eine geringere Glaubwürdigkeit auf Rezipientenseite zugeschrieben und die Glaubwürdigkeit ist insbesondere im Krisenkontext von großer Bedeutung. Weiter werden die Hauptziele des Corporate Publishings in den Bereichen Kundenbindung, Imageaufbau und Absatzförderung verortet (Mast, Spachmann & Georg, 2017, S. 200; Weichler, 2007, S. 444). Dadurch stellt sich die Frage, ob sich das Corporate Publishing überhaupt für den Einsatz in der Krisenkommunikation eignet.

Die Wahl des zweiten in dieser Studie untersuchten Faktors ist durch eine vermehrte Personalisierung in der Berichterstattung begründet. Damit ist gemeint, dass das oberste Management, etwa der CEO, in den Medien als Sprecher des Unternehmens auftritt. Die Tendenz zur Personalisierung kam vor etwa 30 Jahren auf und wird mitunter als einer der prägendsten Medientrends der letzten Jahrzehnte bezeichnet (Bentele & Fähnrich, 2010, S. 52). Für Organisationen soll durch den Einsatz dieser Strategie das Top-Management zum Gesicht des Unternehmens und der Wiedererkennungswert erhöht werden. Aber auch die journalistischen Medien nutzen diesen Trend, um ihre Berichterstattung ansprechender zu gestalten (Bentele & Fähnrich, 2010, S. 52; Talanow, 2015, S. 39-40). In Studien zur Wirkung des Sprechers wurden bereits Effekte auf Rezipienten nachgewiesen. Jedoch wurden diese selten im Krisenkontext durchgeführt oder hatten andere Ausprägungen im Zentrum des Erkenntnisinteresses, wie etwa die Wirkung des Geschlechts des Sprechers auf das Publikum (z.B. Crijns, Claeys, Cauberghe & Hudders, 2017; Maiorescu, 2016). Somit stellt sich die Frage, ob die Personalisierung im Rahmen der Krisenkommunikation von Unternehmen einen Vorteil für die Organisation darstellen kann.

Aus der großen Bedeutung der Krisenkommunikation für Unternehmen, den Trends Corporate Publishing und Personalisierung sowie der bisherigen Forschung ergibt sich folgende forschungsleitende Frage:

Welche Effekte auf die Rezipienten haben Corporate Publishing-Medien – im Gegensatz zu journalistischen Medien – und Personalisierung – im Gegensatz zur Nicht-Personalisierung – innerhalb der Krisenkommunikation von Unternehmen?

Um diese Frage zu beantworten wurde ein Online-Experiment mit Befragung im 2x2-Design durchgeführt, an dem 253 Versuchsteilnehmer teilgenommen haben. In diesem wurden den Probanden jeweils einer von vier Stimuli (Corporate Publishing vs. Journalismus, personalisiert vs. nicht-personalisiert) vorgelegt und die Wirkung durch anschließende Fragen gemessen.

Für die Einführung in die Thematik wird zunächst der Bereich Public Relations (PR) dargelegt (Kapitel 2). Innerhalb dieses Kapitels wird auf die Funktionen und Ziele der PR eingegangen, die Konstrukte Reputation und Glaubwürdigkeit erörtert, die Entwicklung der journalistischen Medienlandschaft aufgezeigt[2] und zuletzt auf die Faktoren Kanal bzw. Corporate Publishing und die Strategie der Personalisierung eingegangen. Anschließend werden Krisen und die Krisenkommunikation von Unternehmen beleuchtet (Kapitel 3), um nachfolgend aus der dargelegten Theorie die Forschungsfragen und Hypothesen abzuleiten (Kapitel 4). Im Anschluss wird die methodische Umsetzung des Experiments sowie die Durchführung und Stichprobe erörtert (Kapitel 5), bevor die Ergebnisse der einzelnen Forschungsfragen dargestellt werden (Kapitel 6). Zum Schluss werden innerhalb des Fazits die Ergebnisse diskutiert, das methodische Vorgehen kritisch hinterfragt und Ableitungen für weiterführende Forschung vorgenommen (Kapitel 7).

2 Die Stimme des Unternehmens: Public Relations

Um sich den Begriffen Media Relations, Corporate Media, Personalisierung und Krisenkommunikation als Teil der folgenden Studie theoretisch zu nähern, ist eine stringente Verwendung des PR-Begriffs im Hinblick auf durch ihn beschriebene Aufgaben, Funktionen und Ziele notwendig. Um dies zu leisten, wird zunächst ein Überblick über die wissenschaftlichen Zugänge gegeben, die PR definiert und ihre Aufgaben und Funktionen erörtert. Anschließend werden die Konstrukte Reputation, Vertrauen und Glaubwürdigkeit ins Auge gefasst und für die Studie definiert. Darüber hinaus wird die Entwicklung der journalistischen Medienlandschaft aufgezeigt und die PR-Bereiche Media Relations und Corporate Media erläutert und gegenübergestellt, bevor auf die Personalisierung als Trend in der PR und in der Medienberichterstattung eingegangen wird.

2.1 PR per Definition, ihre Funktionen und Ziele

Die Wissenschaft und ihre einzelnen Disziplinen nähern sich der PR und ihren Funktionen mit Hilfe verschiedener Ansätze, die jeweils ein anderes Forschungsinteresse in den Mittelpunkt rücken. Gesellschaftsorientierte (systemtheoretische) Ansätze knüpfen die PR eng an die Existenz einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaftsordnung. Dabei nimmt sie eine zentrale Funktion im Kontext demokratischer Gesellschaften ein und fragt nach der Funktion, die PR für die Gesellschaft hat. In diesem Kontext wird die PR als Teil des publizistischen Systems und als ein spezifischer Typ öffentlicher Kommunikation gesehen, die relevante und durchsetzungsfähige Themen her- und bereitstellt (Ronnenberger, 2014, S. 61; Jarren & Röttger, 2008, S. 23f.; Schweiger, 2013, S. 25). Gesellschaftsorientierte Ansätze dominierten lange Zeit die PR-Forschung in Deutschland, wurden in der jüngeren Vergangenheit jedoch durch organisationsbezogene Ansätze ergänzt oder gar ersetzt. Diese wiederum betrachten PR als eine Kommunikationsfunktion von Organisationen und rücken ihre Funktion im organisatorischen Kontext in den Fokus. Diese Perspektive auf die PR weist in den USA eine lange Tradition auf, während sie in Deutschland erst ab den 1990er Jahren an Bedeutung gewonnen hat (Röttger, 2000, S. 26; Schmidt, 2013, S. 19). Eine dritte PR-Perspektive fasst marketingorientierte Ansätze ins Auge. Diese lassen sich insbesondere in den Wirtschaftswissenschaften finden und fragen ebenfalls nach Funktionen und Leistungen der PR aus Organisationssicht – allerdings mit dem zentralen Unterschied, dass diese Perspektive die Kommunikationsfunktion in erster Linie als Marketingfunktion und kommunikationspolitisches Instrument zur Steigerung des Organisa­tions- und Produktimages versteht. Innerhalb dieses Verständnisses erfüllt PR eine absatzsteigernde Funktion und die PR stellt dabei lediglich eines von mehreren Elementen im Marketing-Mix dar (Röttger, 2000, S. 54; Schmidt, 2013, S. 19; Seegers, 2007, S. 4). Die vorliegende Arbeit betrachtet PR aus organisationsbezogener Perspektive, da die Kommunikationsfunktionen für Unternehmen Gegenstand der Untersuchung sind und der Erkenntnisgewinn nicht im Marketingbereich bzw. innerhalb der Wirtschaftswissenschaften zu verorten ist.

Viele PR-Definitionen – viele unbrauchbar

In Abhängigkeit verschiedener disziplinärer Perspektiven und Ansätze existieren für die PR viele Begriffe und es entstehen weitere, wie Organisationskommunikation, Meinungspflege, Kommunikationsmanagement, Öffentlichkeitsarbeit, Vertrauenswerbung oder Unternehmenskommunikation, um an dieser Stelle nur eine Auswahl zu nennen. Die Anzahl der Begriffe für die PR wird jedoch von der Bandbreite an Definitionen noch weit übertroffen. Röttger, Preusse und Schmitt (2014) sprechen gar von „einer fast babylonischen Sprachverwirrung, bei der identische Begriffe nicht immer das gleiche bezeichnen“ (S. 18). Bentele (1998, zitiert nach Fröhlich, 2008, S. 97) systematisiert die PR-Definitionen anhand ihrer Quelle in Alltagsperspektive, Berufs- oder Berufsfeldperspektive und wissenschaftliche Perspektive. Sowohl für die Wissenschaft als auch für die Praxis sind Definitionen aus der Alltagsperspektive, formuliert von Laien, unbrauchbar. Definitionen aus Berufs- bzw. Berufsfeldperspektive werden von PR-Praktikern vorgenommen und basieren zumeist auf ihrer beruflichen Erfahrung. Die Definitionen beinhalten in der Regel die Beschreibung von Instrumenten, Zielen und Aufgaben der PR. Mit Blick auf den wissenschaftlichen Nutzen liegt das Problem vor, dass es in Abhängigkeit spezifischer und individueller professioneller Erfahrungen zu einer Vielzahl an heterogenen Definitionen kommt (Fröhlich, 2008, S. 98, Röttger et al., 2014, S. 19-20). Mit den standespolitischen Definitionen von Berufsverbänden, führt Szyszka (1999, zitiert nach Fröhlich, 2008, S. 98) eine Unterkategorie der Praktiker-Definitionen ein, die jedoch ebenfalls nicht den Anspruch wissenschaftlicher Definitionen erfüllen, da sie einen stark normativen und idealistischen Charakter aufweisen.

Fröhlich (2008, S. 99) beschreibt den Anspruch an wissenschaftliche Definitionen durch Allgemeingültigkeit, keine Verwendung von Meinungen oder Tätigkeitsbeschreibungen sowie den Gebrauch eindeutiger Begriffe. In Anlehnung an Grunig und Hunt (1984, S. 6) kann PR daher folgendermaßen definiert werden: PR ist das strategische sowie operative Managen von Kommunikation zwischen einer Organisation und ihren Stakeholdern[3] durch die Organisation. Die Begriffe Public Relations, Öffentlichkeitsarbeit, Kommunikationsmanagement und Unternehmenskommunikation werden im Folgenden synonym verwendet.

Keine Organisation ohne Legitimation

Als Kommunikationsfunktion von Organisationen ist die zentrale Funktion von PR die Legitimation der Organisationsinteressen und des Organisationshandelns gegenüber allen Bezugsgruppen, da ohne Legitimität die licence to operate [4] in Frage gestellt wird (Bentele, Bohse, Hitschfeld & Krebber, 2015, S. 16; Röttger et al., 2014, S. 127). Eine zentrale Rolle nimmt hierbei die Öffentlichkeit ein. Die Sicherung und Steigerung der Freiheitsgrade organisationaler Entscheidungen – als eine grundlegende Voraussetzung für den Erfolg einer Organisation – sind in der heutigen ausdifferenzierten Medien- und Informationsgesellschaft immer mehr von öffentlichen Aushandlungs- und Meinungsbildungsprozessen geprägt. Die Legitimität durch PR basiert dabei hauptsächlich auf der Durchführung von Beobachtungs- und Interaktionsprozessen zwischen der Organisation und ihrer Umwelt. Die Kommunikationsbeziehungen zwischen Organisation und Personen bzw. anderen Organisationen der Umwelt sollen gefördert und stabilisiert werden (Röttger et al., 2014, S. 23-24). Um dies zu ermöglichen, sollen durch die PR bei den Rezipienten wirkungsvolle Wahrnehmungsmuster geprägt und ihnen Deutungsmuster angeboten werden, beispielsweise in Form von Images oder Marken. Dabei ist sie in erster Linie den Normen und Werten sowie der Logik der Organisation verpflichtet. Beobachtung und Steuerung geschehen aus organisationaler Perspektive, sind intentional, strategisch, persuasiv und interessengeleitet. Für den Aufbau langfristiger und stabiler Beziehungen zu ihren Anspruchsgruppen muss sich die PR aber auch an den Werten, Normen und Logiken ihrer Stakeholder orientieren und Anpassungsleistungen auf beiden Seiten initiieren (ebd., S. 24).

Für den Aufbau und Erhalt der licence to operate sowie die PR im Allgemeinen wird in der Literatur immer wieder die Wichtigkeit öffentlichen Vertrauens hervorgehoben. Dieses erlangt eine Organisation bzw. ihre Unternehmenskommunikation durch konsistente, wahrheitsgemäße und offene Kommunikation und Handlungen (Bentele et al., 2015, S, 16; Szyszka, 2008, S. 172-173). Neben dem Vertrauen nehmen hierbei auch die Faktoren Reputation und Glaubwürdigkeit eine elementare Rolle ein.

2.2 Im Fokus der PR: Reputation, Vertrauen und Glaubwürdigkeit

„We can afford to lose money – even a lot of money. But we can’t afford to lose reputation – even a shred of reputation.“

(Warren Buffet, zitiert nach Schwalbach, 2015, S. 3)

Die zuvor angesprochene Herstellung von Legitimation durch Kommunikation meint an dieser Stelle „Nachvollziehbarkeit organisationaler Standpunkte und Positionen zu ermöglichen und hierfür bei Beobachtern um Akzeptanz nachzusuchen“ (Szyszka, 2009, S, 144). Reputation und Images sind in diesem Zusammenhang jeweils ein verdichteter Ausdruck von Meinungen über ein Unternehmen und seine Leistungen, die sich auf einer Skala von Akzeptanz und Nicht-Akzeptanz als Qualität gewährten Vertrauens ausdrücken (ebd.). In der Kommunikationswissenschaft stellen Image und Reputation somit spezifische Wissens- und Einstellungskonzepte dar, die die Legitimation eines Unternehmens ebenso beeinflussen wie beispielsweise der Absatz oder der Aktienkurs (Hoffjann, 2015, S. 181).

Über den Stellenwert der Reputation für Organisationen herrscht Einigkeit in Wissenschaft und Praxis. Bei genauerer Betrachtung werden jedoch Differenzen in Bezug auf das Konstrukt Reputation sowie insbesondere auf das Zusammenspiel mit den thematisch eng verknüpften Begriffen Image, Vertrauen und Glaubwürdigkeit deutlich. Verwenden einige Autoren Image und Reputation sowie Glaubwürdigkeit und Vertrauen teils synonym, grenzen andere Autoren die Begriffe klar voneinander ab (Herger, 2006, S. 184; Hoffjann, 2015, S. 181). Daher werden sie im Folgenden definiert, voneinander abgegrenzt und zueinander in Bezug gesetzt. Im Mittelpunkt stehen die Funktionen bzw. die Wirkung und der Stellenwert für die Unternehmenskommunikation.

Von Bildern zum Gesamtbild: Image und Reputation

Zunächst wird eine Begriffsbestimmung des Images vorgenommen, um dieses anschließend von der Reputation abzugrenzen. Die Grundlage für das Image einer Organisation bildet deren Corporate Identity. Diese Identität beinhaltet unter anderem das Erscheinungsbild von Gebäuden und Produkten, das Verhalten am Markt und die Kommunikation mit internen sowie externen Stakeholdern und wird vom Unternehmen selbst bestimmt und gestaltet. Auf Basis dieses Selbstverständnisses soll ein positives und einheitliches Unternehmensimage nach innen und außen transportiert werden (Ruisinger & Jorzik, 2013, S. 24).

Das Unternehmensimage ist Teil der Wahrnehmungswelt der Stakeholder und bildet sich aus den verschiedenen Eindrücken, die ein Individuum von einem Unternehmen direkt sowie über Kommunikation mit Dritten, insbesondere den Medien, erhält. Diese Erfahrungen ergeben im Zusammenspiel mit vorliegenden Einstellungen und Werten das Bild und die Dispositionen eines Individuums zum Unternehmen. Neben dem Wissen (kognitive Komponente) über eine Organisation spielt somit auch die Einstellung zu der Organisation (affektive Komponente) eine Rolle. Demnach existieren zu einer Organisation eine Vielzahl von Images, die sich je nach Individuum aufgrund persönlicher Eigenschaften – zumindest in Nuancen – voneinander unterscheiden (Hoffjann, 2015, S. 182; Schmid & Lyczek, 2008, S. 82). Darüber hinaus stellen Images eine wichtige Teilursache des Verhaltens dar sowie eine durch Erfahrungen beeinflusste Bereitschaft auf ein Objekt (Imageträger) in relativ konstanter Weise zu reagieren (Schmid & Lyczek, 2008, S. 82). Mit anderen Worten kann das Image bildlich als individuell wahrgenommenes Gesicht einer Organisation bezeichnet werden. Es repräsentiert die Wahrnehmung der Realität auf individueller Ebene. Informationen, Eindrücke, Meinungen, Einstellungen und Assoziationen einzelner Personen über ein Objekt manifestieren sich in dessen Image. Dieses kann wiederum zustimmend, ablehnend, ambivalent oder auch neutral sein (Herger, 2006, S. 185; Hoffjann, 2015, S. 182).

Neben der synonymen Verwendung von Image und Reputation (Furbank, 1970, S. 52) wird die Reputation von einigen Autoren neben Bekanntheitsgrad und spezifischem Profil als Teilaspekt des Images verstanden (Avenarius, 1993, S. 19). Diese Arbeit folgt einem dritten Verständnis, in dem die Reputation über das Image hinausgeht und sich erst aus der Vielzahl individueller Images ergibt. Auf den Punkt gebracht formulieren Schmid und Lyczek (2006): „Während Image bezeichnet, was ich vom Unternehmen denke, ist Reputation das, was ,man‘ (die Gruppe, die anderen) von einem Unternehmen denkt“ (S. 86; Hervorh. im Original). Reputation stellt somit die Summe der vielen individuellen Images dar. Dies bedeutet, dass eine Person ein negatives Image zu einem Unternehmen haben kann (z.B. aufgrund schlechter Erfahrungen), das Unternehmen jedoch eine gute Reputation besitzt (Hoffjann, 2015, S. 183).

Weiter impliziert Reputation eine soziale Rangordnung bewerteter Akteure. Ein Objekt genießt eine bessere Reputation als ein anderes Objekt. Dahingegen können sich Images auf Einzelsegmente beziehen, die dem jeweiligen Individuum wichtig sind (Eisenegger, 2005, S. 23). Eine weitere Abgrenzung betrifft die Reputations- bzw. Imageträger: Reputation bezieht sich auf Individual- und Kollektivakteure (z.B. Personen und Organisationen), wohingegen Individuen auch zu nicht-körperhaften Objekten (z.B. politische Ideen) Images haben können (Hoffjann, 2015, S. 184).

Eisenegger und Imhofs (2009, S. 245.) Ansatz, in Anlehnung an Habermas Drei-Welten-Konzept, unterscheidet in drei basale Reputationstypen: funktionale, soziale sowie expressive Reputation. Die funktionale Reputation in der objektiven Welt bezieht sich auf das Prüfkriterium der Zweckrationalität eines Akteurs, also ob er in der Erreichung bestimmter Zwecke erfolgreich ist. Das Handeln eines Reputationsträgers wird somit an den Leistungszielen der Funktionssysteme (z.B. Wirtschaft, Politik, Medien, Wissenschaft etc.) bemessen. Funktionale Reputation erlangen Akteure demnach, wenn sie über Erfolg und Fachkompetenz verfügen und dem Zweck dienen, für den sie geschaffen wurden (ebd., S. 256; Hoffjann, 2015, S. 184).

Zum Erlangen sozialer Reputation in der normativen Welt müssen sich Akteure in der Welt sozialer Normen und Werte bewähren. Das Beurteilungskriterium Wertrationalität beinhaltet innerhalb eines normativen Kontextes, inwieweit das Handeln eines Reputationsträgers legitim erscheint. Dieser Reputationstyp, der gesamtgesellschaftliche Geltung beansprucht, bewertet Legitimität sowie Integrität und „ist solange intakt, wie das Streben nach funktionalem Erfolg nicht mit gesellschaftlichen Normen und Werten in Konflikt gerät“ (Eisenegger & Imhof, 2009, S. 247). Im Vergleich wiegt der Verlust sozialer Reputation schwerer als der Verlust funktionaler Reputation, da sich negativ bewertete funktionale Komponenten korrigieren lassen und die Reputation somit schneller wiederhergestellt werden kann. Wahrgenommene Defizite im sozialen Kontext, die Verletzung von Normen und Werten oder moralische Fehler hingegen prägen den Ruf nachhaltiger. Eisenegger und Imhof zufolge lässt sich die soziale Reputation meist nur unter Anwendung radikaler Maßnahmen (z.B. Schuldeingeständnis) wiederherstellen. Hinzukommend sind die Aufmerksamkeit und die Diskursbeteiligung in dieser Welt größer: Kognitive Diskurse verlangen handlungsbereichsspezifisches Wissen, wohingegen die gesamte Bandbreite an Stakeholdern in der Lage ist sich an ethischen Auseinandersetzungen über Recht und Unrecht zu beteiligen (ebd.; Hoffjann, 2015, 184-185).

Die expressive Reputation ist in der subjektiven Welt verortet. Hier wird die individuelle Welt des Akteurs selbst Gegenstand der Reputationszuweisung, da sie danach fragt welche emotionale Attraktivität und Authentizität vom charakteristischen Wesen des Akteurs ausgeht. Es herrscht somit keine kognitive (objektive Welt) oder normative (soziale Welt) Bewertungsrationalität vor, sondern emotionale Geschmacksurteile. Der Reputationsträger äußert Expressionen aus seiner subjektiven Welt mit der Absicht bei Dritten attraktiv zu erscheinen. Die expressive Reputation manifestiert sich in einer affektuellen Einstellung zum Reputationsträger und lässt sich u.a. an Indikatoren zugestandener oder abgesprochener Faszination, Attraktivität, Sympathie, Authentizität sowie Einzigartigkeit ablesen (Eisenegger & Imhof, 2014, S. 247-248; Hoffjann, 2015, S. 184-185).

Die drei Reputationstypen zusammen betrachtend wird deutlich, dass Akteure für eine gute Reputation den funktionalen sowie sozial-normativen Erwartungen entsprechen sollten, während sie sich innerhalb der expressiven Dimension durch eine attraktive und authentische Identität von Anderen (unternehmerische Wettbewerber, politische Rivalen usw.) abgrenzen (Hoffjann, 2015, S. 185). Im Mittelpunkt der nachfolgenden Studie steht insbesondere die soziale Reputation und das Beurteilungskriterium der Wertrationalität, da diese bei der Krise besondere Aufmerksamkeit erfährt (siehe Kapitel 3.1).

Die bisherige Begriffsbestimmung hat die Interdependenz zwischen Reputation und Vertrauen bereits angedeutet: Die Reputation eines Akteurs korreliert mit dem Vertrauen des Reputationsgebers. Reputation und Vertrauen sind somit „zwei Seiten einer Medaille bzw. eines Anerkennungsprozesses“ (Eisenegger & Imhof, 2009, S. 249).

Die riskante Vorleistung: Vertrauen

Luhmann (2014) bezeichnet Vertrauen als (kommunikativen) „Mechanismus zur Reduktion von Komplexität“ und als „riskante Vorleistung“ (S. 27-28). In diesem Zusammenhang spielen bei der Vertrauensbildung und -erhaltung Erwartungen in zukünftige Ereignisse – die wiederum auf der Kenntnis vergangener Ereignisse bzw. Erfahrungen basieren – eine zentrale Rolle. Insbesondere in Situationen doppelter Kontingenz erlangt das Vertrauen eine besondere Bedeutung. Dies meint Situationen, in denen den beteiligten Akteuren mehrere Handlungsalternativen zur Verfügung stehen und Unsicherheit über die tatsächliche zukünftige Handlung des Gegenübers besteht. Vertrauen besitzt somit eine Problemlösungskraft in sozialen Situationen, die sich durch die Unwissenheit in Bezug auf das zukünftige Handeln anderer Akteure kennzeichnet (Bentele & Seidenglanz, 2008, S. 346; Röttger et al., 2014, S. 151). Oder mit anderen Worten: Ein Individuum entscheidet sich bei mehreren Möglichkeiten für diejenige, der es das meiste Vertrauen entgegenbringt. Somit reduziert Vertrauen die Unsicherheit, die durch die eigene und fremde Handlungskontingenz entsteht. Jedoch wird keine absolute Sicherheit geschaffen. Dieses weiterhin bestehende Risiko wird von Luhmann (2014) als „riskante Vorleistung“ (S. 27-28) beschrieben (Röttger et al., 2014, S. 151).

Der Stellenwert von Vertrauen scheint in der heutigen modernen Informations- und Mediengesellschaft höher denn je zu sein. Dies ist dadurch bedingt, dass der größte Anteil der Wirklichkeitswahrnehmung des Weltgeschehens durch öffentliche Kommunikation vermittelt wird. Da medienvermittelte Informationen für den einzelnen Rezipienten in der Regel nicht direkt und unmittelbar prüfbar sind – zumindest nicht ohne einen erheblichen Aufwand für den Einzelnen – gewinnt öffentliches Vertrauen eine immer höhere Relevanz. Öffentliches Vertrauen bezieht sich zum einen auf die Zuschreibung von unterschiedlich ausgeprägtem Ver- oder Misstrauen öffentlicher Akteure. Zum anderen wird die Möglichkeit der Beobachtung dieser Akteure durch die PR mitgesteuert und innerhalb der Öffentlichkeit erst hergestellt. Es bezieht sich demnach auch auf die Mechanismen öffentlicher Kommunikation, durch die Vertrauen in Akteure konstituiert wird (Bentele & Seidenglanz, 2008, S. 346). Innerhalb dieses Prozesses des öffentlichen Vertrauens existieren verschiedene Vertrauensfaktoren (z.B. Sachkompetenz, Problemlösungskompetenz, Kommunikationsadäquatheit, kommunikative Konsistenz, kommunikative Transparenz, gesellschaftliche Verantwortung, Verantwortungsethik), die bei starker Ausprägung hohe Vertrauenswerte erzeugen. Eine geringe Ausprägung bzw. das Nicht-Vorhandensein eines oder mehrere Elemente führt hingegen zu Misstrauen. Vertrauensverluste werden in erster Linie durch Diskrepanzen verursacht, die auf verschiedenen Ebenen zu verorten sind. So z.B. Diskrepanzen zwischen Information und tatsächlichem Sachverhalt, zwischen Aussagen und tatsächlichem Handeln oder zwischen Normen und Aussagen oder Handlungen (ebd., S. 355-356).

Glaubwürdigkeit

Für die PR ist neben dem Vertrauen insbesondere die Glaubwürdigkeit von großer Bedeutung, da kommunikative Botschaften nur dann ihr Ziel erreichen und einen Einfluss entwickeln können, wenn sie von den Rezipienten geglaubt und als wahr erachtet werden. Bentele und Seidenglanz (2015, S. 412) definieren Glaubwürdigkeit als eine Eigenschaft, die Menschen und Organisationen oder deren kommuni­kativen Produkten von den Rezipienten in Bezug auf etwas (Ereignisse, Sachverhalte etc.) zugeschrieben wird. Dabei impliziert Glaubwürdigkeit ein motivationales Element: die prinzipielle Bereitschaft, Aussagen anderer als richtig anzuerkennen. Somit ist Glaubwürdigkeit eine von Rezipienten attribuierte Eigenschaft und keine direkte Eigenschaft des Kommunikators – also subjektiv und nicht objektiv bestimmbar. Glaubwürdigkeit wird in Anlehnung an Wirth (1999, S. 55) folgendermaßen definiert: Glaubwürdigkeit ist die prinzipielle Bereitschaft, Botschaften eines bestimmten Objektes als zutreffend zu akzeptieren.

Grundlegend lassen sich in der Kommunikation sechs Hierarchiestufen von Bezugsobjekten für Glaubwürdigkeitsattributionen unterschieden (Schweiger, 1999, S. 91): Mediengattung (TV, Zeitung, Website/Blog[5] usw.), Subsystem einer Mediengattung (journalistische/unternehmenseigene Website usw.), Medienprodukt (Spiegel-Online, ARD usw.), redaktionelle Einheit (Artikel, Sendung usw.), Urheber/Akteur (Unternehmen, Politiker usw.) sowie Präsentator (Verfasser, Sprecher usw.). Die Glaubwürdigkeit der einzelnen Stufen muss dabei nicht zwangsläufig korrelieren. So kann ein Individuum die Mediengattung Websites für eher weniger glaubwürdig halten, die Website von Spiegel-Online als Medienprodukt jedoch für sehr glaubwürdig und einen einzelnen Artikel auf der Seite wiederum für nicht glaubwürdig. Allerdings ist ein Glaubwürdigkeitstransfer durch Selektionsheuristiken möglich. Individuen nutzen beispielsweise die Glaubwürdigkeit eines Medienproduktes als Indikator für eine redaktionelle Einheit. Innerhalb der Hierarchiestufen kann es somit zu vertikalen Transfereffekten in beide Richtungen kommen: Wird beispielsweise ein Präsentator als sehr glaubwürdig erachtet, kann dadurch auch die Glaubwürdigkeit der redaktionellen Einheit oder des Medienproduktes gesteigert werden. Auf der anderen Seite sind auch horizontale Transfereffekte möglich, wenn beispielsweise der Printausgabe eines Magazins eine hohe Glaubwürdigkeit zugesprochen wird und diese ungeprüft auf die Website des Magazins übertragen wird (ebd., S. 91-94). Während in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung lange Zeit hauptsächlich die Mediengattungen im Zentrum des Forschungsinteresses standen (ebd., S. 94; Wirth, 1999, S. 47), sind für die vorliegende Arbeit insbesondere die Stufen Medienprodukt und Urheber/Akteur relevant.

Im Rahmen der Forschung wird Glaubwürdigkeit entweder direkt abgefragt, was aus forschungsökonomischen Gründen verständlich, aus methodischer Sicht jedoch nicht zufriedenstellend ist, oder anhand mehrerer Faktoren ermittelt. Die Verwendung von multiplen Indikatoren wird empfohlen, da Zufallsfehler statistisch eliminiert werden können und eine höhere Validität gegeben ist. Jedoch existieren in der Glaubwürdigkeitsforschung verschiedene Konstrukte, wodurch die Faktoren bzw. Glaubwürdigkeitsdimensionen in den Studien in Bezug auf Anzahl und eingesetzte Items variieren (Wirth, 1999, S. 47). Im Folgenden wird sich an den Glaubwürdigkeitsdimensionen von Meyer (1988) orientiert, die in einigen Studien bereits auf Validität überprüft wurden. Zudem bezieht sich Meyer auf die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung von Zeitungen, womit ein Bezug zur späteren Studie hergestellt wird, da ein journalistischer Text verwendet wird. Meyers (1988, S. 574) Glaubwürdigkeitsdimensionen lauten trustworthiness, accuracy, fairness, tells the whole story und bias. Diese Faktoren werden im Rahmen der nachfolgenden Studie in Vertrauenswürdigkeit, Genauigkeit, Fairness, Informationstiefe und Unvoreingenommenheit übersetzt.

2.3 Mehr Medien, weniger Journalismus? Entwicklung der Medienlandschaft

Die derzeitige Diskussion im EU-Parlament über das sogenannte Leistungsschutzrecht kann als negativer Höhepunkt der Entwicklung des europäischen und deutschen Medienmarktes gesehen werden. Im Kern geht es bei diesem Gesetz auf EU-Ebene um die Stärkung des Urheberrechts für Verlage, die das alleinige Recht zur Veröffentlichung ihrer journalistischen Artikel besitzen. Anbieter digitaler Dienste, wie etwa Suchmaschinen, Nachrichten-Aggregatoren oder auch Social Media-Angebote sollen durch das Leistungsschutzrecht dazu verpflichtet werden für die Nutzung journalistischer Inhalte eine Gebühr an die Urheber bzw. die Medienhäuser zu entrichten. Die Folgen für die Internet-Nutzer wären weitreichend: Wird das Bereitstellen bzw. allein das Verlinken fremder Inhalte zu kostenintensiv und das Geschäftsmodell nicht mehr lukrativ, würden Online-Anbieter ihre Dienste einstellen. Darüber hinaus wären Plattformen, auf denen Nutzer uneingeschränkt Inhalte selbst veröffentlichen können, nahezu gezwungen Upload-Filter einzusetzen, damit keine urheberrechtlich geschützten und somit gebührenpflichtigen Inhalte zur Verfügung gestellt werden. Nicht nur Verbraucherschützer und Internet-Aktivisten, sondern auch hochrangige Politiker unterschiedlicher Richtungen melden sich lautstark zu Wort; gegen die geplante Urheberrechtsreform und gegen die Folgen in Form einer Zensur[6] (Beuth, 11. September 2018; Fanta, 12. September 2018; Hegemann, 12. September 2018).

Doch muss die Situation der Verlage als wirtschaftliche Organisationen in diesem Zusammenhang berücksichtigt werden. Seit dem Allzeit-Hoch im Jahr 2000 befindet sich die deutsche Medienwirtschaft in einer Dauerkrise. Die Folgen eines veränderten (digitalen) Medien- und Nachrichtenkonsums seit den 1990er Jahren zeigen sich bereits seit geraumer Zeit. Das Internet bietet den Nutzern mit all seinen Angeboten kostenlose Informationen zu allen Themenbereichen und zumeist auch in jeglicher Form aufbereitet. Immer weniger Beachtung erfahren daher die klassischen analogen Medien, die folglich an Reichweite und Umsatz einbüßen. So sanken die Anzeigenerlöse von Zeitungen und Zeitschriften zwischen 1993 und 2013 um etwa 50 Prozent (Schulz-Bruhdoel & Fürstenau, 2013, S. 20).

Im Online-Bereich der Medienhäuser sieht es nicht viel besser aus. Die allgemein steigenden Online-Werbeeinnahmen landen zum größten Teil bei den Tech-Konzernen wie z.B. Google und Facebook (Schweiger, 2013, S. 50). Dies liegt insbesondere an den Rezipienten. Diese nutzen vermehrt Nachrichten-Aggregatoren, Suchmaschinen und soziale Netzwerke für den Nachrichtenkonsum, wodurch diese ihre Einnahmen steigern. Die Dienste produzieren ihre Inhalte in der Regel nicht selbst, sondern „bringen die Inhalte ihrer Nutzer sowie Inhalte externer Quellen zusammen und vermitteln damit zwischen Nutzern und Informationsquellen“ (Schweiger, Weber, Prochazka & Brückner, 2019, S. 1). Die Nutzung dieser Vermittler ist weit verbreitet: Laut dem Reuters Institute Digital News Report 2018 gaben zum Zeitpunkt der Umfrage 31 Prozent der Befragten in Deutschland an, in der vergangenen Woche Social Media für den Nachrichtenkonsum genutzt zu haben (Newman et al., 2018, S. 11). Nach dem Hauptweg gefragt, über den man in der letzten Woche auf Nachrichten gestoßen ist, gaben sechs Prozent Aggregatoren, 23 Prozent Social Media und 24 Prozent Suchmaschinen an (weltweit/Probanden aus 36 Ländern) (ebd., S. 14). Somit sind es 2018 bereits 53 Prozent der Rezipienten, die ihre Nachrichten über die Vermittler konsumieren.

Hinzu kommen die Einnahmenrückgänge auf dem Lesermarkt sowie der Zusammenbruch des Kleinanzeigenmarktes, der immer weiter durch Online-Portale ersetzt wird. Die Konsequenzen sind fehlende Ressourcen in den Redaktionen. Durch rückläufige Einnahmen wird an Personal und Zeit, insbesondere für Recherche gespart, woraus Einbußen in den Bereichen Qualität und journalistische Autonomie resultieren. Diese Entwicklung kann im schlimmsten Falle darin gipfeln, dass eine umfassende und kritische Berichterstattung nicht mehr geleistet werden kann und die Daseinsberechtigung eines Mediums infrage gestellt wird (Puppis, Künzler & Jarren, 2012, S. 14; Schweiger, 2013, S. 50-52). Das Problem dieser Entwicklung: Journalismus, der konstitutiv für die Demokratie ist und eine öffentliche Aufgabe erfüllt, ist ebenso Teil eines Geschäftsmodell von Medienunternehmen. Diese zwei Aspekte passen nicht immer und nicht ideal zusammen (Meier, 2013, S. 233).

Die aufgezeigte Entwicklung ist zum Teil auch das Ergebnis einer zunehmenden Ausdifferenzierung des Mediensystems im Zusammenhang mit einer verstärkt individualisierten Mediennutzung. Das Informationsbedürfnis der Rezipienten wandelt sich immer mehr zu einem thematischen und gruppenbezogenen Informationsbedürfnis, in Kombination mit situativer Informationssuche. Klassische Medien (auch online) sind allerdings noch immer in erster Linie auf ungerichtete Informationsbedürfnisse ausgelegt und bieten weiterhin hauptsächlich eine ritualisierte Mediennutzung (Prochazka & Schweiger, 2016, S. 1).

Der Wettbewerb um Reichweiten wird insbesondere im Online-Bereich immer intensiver, auch durch neue Gegenspieler der klassischen Medien. Durch die Digitalisierung ist nun nahezu jeder in der Lage Nachrichten auch mit minimalen technischen und finanziellen Mitteln zu produzieren und zu verbreiten. Der Kampf um die Aufmerksamkeit der Rezipienten wurde besonders durch sogenannte alternative Medienangebote härter. Alternativmedien sind kein neues Phänomen, jedoch erregen sie durch die Digitalisierung vermehrt Aufmerksamkeit. Insbesondere da derlei Angebote häufig optisch professionell und ansprechend aufbereitet sind. Alternative Medien sind Formen öffentlicher Kommunikation, die sich aus der Kritik an etablierten Medien und deren Berichterstattung bildeten und sich hinsichtlich Ökonomie, Organisation, publizistischem Selbstverständnis sowie Themen und ihrer Aufbereitung von den klassischen Medien abgrenzen (Raabe, 2013, S. 17; Schweiger, 2017, S. 42-43). Die klassischen Medien stehen (insbesondere online) somit nicht mehr nur im Wettbewerb mit der bekannten Konkurrenz, sondern vermehrt auch mit alternativen Medienangeboten.

Sensationsjournalismus als Reaktion der Medien

Zum Teil reagieren die Redaktionen auf die gegenwärtige Situation ihrerseits mit Sensationsjournalismus sowie einer vermehrten Skandalisierung[7] und Boulevardisierung ihrer Berichterstattung. So hält Imhof (2014, S. 86) fest, dass die Zahl der Skandalisierungen seit den 80er Jahren stark zugenommen hat und sich weiter erhöht. Im Kampf um Aufmerksamkeit und Reichweite wird das Bedürfnis einiger Zuschauer nach Society- und Skandalthemen befriedigt (ebd.). „Dem sich ändernden Publikumsgeschmack folgend sind neue Formen des Infotainments entstanden, die die Trennlinie zwischen Boulevard und journalistischer Hochebene zunehmend haben verschwinden lassen“ (Steinke, 2018, S. 43). Diese Tendenz prägt nach Mast (2018, S. 512) die gesamte Medienlandschaft, insbesondere im Online-Bereich. Als Resümee einer Studie zu Erfahrungen von Pressesprechern mit Rechercheanfragen von Journalisten folgern Mast und Spachmann (2015) unter anderem: „Der Wettbewerb um Aufmerksamkeit verschärft sich Monat für Monat. […] Im Journalismus geht es immer mehr darum, eigene Themen zu setzen, Scoops[[8] ] zu landen und attraktive Geschichten für das Publikum zu produzieren“ (S. 142).

Ein Blick in die Datenbank des Deutschen Presserats scheint einen vermehrten Sensationsjournalismus zu bestätigen. Die von den Beschwerdeausschüssen verhängten Sanktionen gegen einzelne Medienangebote steigen seit 32 Jahren kontinuierlich an: von 102 in den Jahren 1986-1989 auf 590 in den Jahren 2014-2017[9]. Öffentliche Rügen für sich betrachtet, als härteste Sanktion, vermehrten sich im gleichen Zeitraum von 33 auf 124 (Trägerverein des Deutschen Presserats e.V., 2019; siehe Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 Sanktionen des Deutschen Presserats von 1986 bis 2017

(Eigene Darstellung).

Der Sensationsjournalismus betrifft allerdings nicht nur die Qualität der Medienberichterstattung. Auf der Jagd nach Scoops, mit dem Willen als Erster eine neue aufmerksamkeitserregende Geschichte zu präsentieren, bringen Journalisten durch die zunehmende Skandalisierung und Boulevardisierung insbesondere öffentliche Personen und Organisationen bzw. dessen Reputation in Gefahr. Innerhalb einer Studie von Mast und Spachmann (2015, S. 122) gaben 42 Prozent der Pressesprecher von Unternehmen an, dass Journalisten mindestens einmal im Jahr falsche oder aus dem Zusammenhang gerissene Informationen über ihre Organisation verbreiten. Dabei sei darauf hingewiesen, dass die befragten Pressesprecher die Probleme nicht ausnahmslos in einer zunehmenden Skandalisierung sehen, sondern unter anderem auch in den Rahmenbedingungen in den Redaktionen (z.B. Zeitdruck; siehe oben) sowie im Rechercheverhalten der Journalisten (z.B. mangelndes Fachwissen) (ebd. S. 120).

Vertrauen und Glaubwürdigkeit im Journalismus

Als weiterer Punkt zur Entwicklung der Medienlandschaft sei der Rückgang des Vertrauens in den Journalismus zu nennen. Spätestens seit dem Umsturz in der Ukraine Ende 2013 stehen die etablierten Medien immer wieder in der Kritik. Die Berichterstattung über die Vorgänge in der Ukraine und insbesondere zur Krim-Annexion wurde von vielen Menschen als einseitig und faktenvernachlässigend empfunden. Dass diese Vorwürfe nicht gänzlich unberechtigt waren und Fehler gemacht wurden räumten einige etablierte Medien im Nachhinein ein und Studien konnten eine unausgewogene Berichterstattung überregionaler Medien zum Teil nachweisen (Firme & Krüger, 2018, S. 187-188). Ein aktuelles Beispiel für Fehltritte der Medien, die zu einem Vertrauensverlust führen können, ist die Affäre um den Journalisten Claas Relotius. Der Spiegel-Redakteur, der auch für anderen Medien tätig war und Träger vieler Journalistenpreise ist, hat in den vergangenen Jahren etwa 55 Artikel im Spiegel veröffentlicht. Ende 2018 kam heraus, dass er in mehreren seiner Artikel Geschichten oder Teilaspekte erfunden oder verzerrt hat. Betroffen sind in diesem Fall keine tagesaktuellen Nachrichten, sondern größere Reportagen für das Dokumentationsressort. Somit ist der Kreis der getäuschten Rezipienten kleiner, der Aufschrei in der Öffentlichkeit bleibt jedoch groß. Insbesondere, da mit dem Spiegel ein etabliertes Magazin mit hoher Reichweite und ausführlichen Kontrollmechanismen, mit denen das Magazin wirbt, betroffen ist (Höges, 21. Dezember 2018; Meier, 19. Dezember 2018). Welt -Redakteur Christian Meier (19. Dezember 2018) zufolge habe dies nicht nur Folgen für das Magazin: „Die Glaubwürdigkeit des ‚Spiegel‘ ist nun angekratzt […]. Auch die Glaubwürdigkeit des Journalismus ist beschädigt“ (Absatz 16; Hervorh. im Original).

Aktuelle Umfragen zur Glaubwürdigkeit des Journalismus und dem Medienvertrauen in Deutschland zeigen den Status quo auf. Laut einer Studie des Instituts für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz finden mit 42 Prozent weniger als die Hälfte der Befragten, dass den Medien eher/voll und ganz vertraut werden könne (Schemer et al., 2018, S. 2). Eine Umfrage von infratest dimap (2018) im Auftrag des WDR fragt nach der Glaubwürdigkeit der Informationen deutscher Medien: 52 Prozent bewerten die Informationen als glaubwürdig. Erscheinen diese Werte auf den ersten Blick niedrig, weisen Langzeitstudien allerdings keinen erheblichen Vertrauensverlust in die Medien in der jüngeren Vergangenheit auf. Mit Blick auf das Eurobarometer, regelmäßig durch die Europäische Kommission in Auftrag gegeben, ist der Trend hier gegenläufig: Während im Jahr 2000 noch 59 Prozent der Deutschen der Presse eher nicht trauen und nur 30 Prozent der Presse eher trauen, hat sich das Verhältnis bis 2017 stark verschoben. Im vergangenen Jahr gaben 41 Prozent an, sie würden der Presse eher nicht trauen und 56 Prozent würden ihr eher trauen (European Commission, 2018).

Als letzter Punkt, der für die Relevanz dieser Arbeit von großer Bedeutung ist, sei das Rezipientenverhalten zu nennen. Wie zu Beginn des Kapitels erwähnt, werden Nachrichten vermehrt nicht nur online, sondern auch über Vermittler wie Aggregatoren, Suchmaschinen oder soziale Netzwerke aufgesucht. Diese Anbieter vermitteln die Inhalte der Medien an die Nutzer, wodurch diesen Informationen verschiedener Quellen auf einem Kanal angeboten werden. Neben den bereits dargelegten wirtschaftlichen Folgen für die Medienhäuser seien an dieser Stelle noch die Folgen für die Nutzer zu nennen. Denn es stellt sich die Frage, ob sich die Rezipienten im Nachhinein erinnern von welcher Quelle die aufgenommenen Informationen stammen, wenn alle Nachrichten auf einem Kanal dargestellt werden. Kalogeropoulos, Fletcher und Nielsen (2018), die auch am Reuters Institute Digital News Report 2018 mitgewirkt haben, führten zu dieser Fragestellung eine Studie durch. Im Frühjahr 2017 wurde über einen Monat das Browserverhalten von Personen in Großbritannien analysiert und die Probanden online befragt. Zehn bis 48 Stunden nachdem ein Proband eine Nachricht angeklickt hatte, wurden diesem Fragen zur Nachricht gestellt. Wenn der Versuchsteilnehmer sich mit Hilfe der Überschrift an die Nachricht erinnern konnte (95%), wurde dieser gefragt, ob er sich an die Quelle bzw. die Nachrichtenmarke erinnern kann (ebd., S. 8-9). Hierdurch konnte aufgezeigt werden, dass der Weg zur Nachrichten-Quelle entscheidend ist: Von den Nutzern, die direkt auf eine Quelle (z.B. Nachrichten-Website) zugegriffen haben konnten sich 81 Prozent an diese erinnern. Sind die Rezipienten über den Newsfeed sozialer Netzwerke (hier ausschließlich Facebook und Twitter) zu der Nachricht gelangt konnten sich lediglich 47 Prozent an die Quelle erinnern. Noch geringer ist der Anteil bei Personen, die ihre Nachrichten über Suchmaschinen rezipiert haben. Hier konnten sich nur 37 Prozent an die Quelle der Nachricht erinnern (ebd., S. 10). Demnach führen Nachrichten-Aggregatoren und Suchmaschinen dazu, dass die Quelle einer Nachricht für die Rezipienten im Nachhinein weniger präsent ist. Dies ist von großem Interesse, da die Glaubwürdigkeit einer Information in enger Verbindung zu der Quelle steht.

Die zusammengetragenen Punkte geben nur einen Ausschnitt der Entwicklung der journalistischen Medienlandschaft wieder und deuten kausale Zusammenhänge der einzelnen Aspekte lediglich an. Für die Relevanz der nachfolgenden Studie ist dies jedoch ausreichend.

2.4 Die Wahl des Kanals: Media Relations vs. Corporate Media

Die Unternehmenskommunikation als Ganzes vereint unter ihrem Dach unterschiedliche Aufgabenfelder, die jeweils andere Zielgruppen sowie Funktionen fokussieren und sich verschiedener Medien, Kanäle und Instrumente bedienen. Übergeordnet kann zwischen der internen Kommunikation mit Stakeholdern innerhalb der Organisation und der externen Kommunikation mit Stakeholdern außerhalb der Organisation unterschieden werden. In der für diese Arbeit relevanten externen Unternehmenskommunikation können Organisationen eingeschränkt zugängliche, fremde Medien einsetzen, z.B. Presse, Rundfunk, Nachrichten-Websites etc., oder sie schaffen ihre eigenen Medien und Kanäle, z.B. Kundenzeitschrift, Events, Unternehmenswebsite etc. (Mast, 2016, S. 163). Ersteres meint die Media Relations, bei denen die Unternehmenskommunikation ihre Anspruchsgruppen über den Weg der zweistufigen Kommunikation, mit Hilfe der Massenmedien als Multiplikatoren erreicht. Letzteres wird als Corporate Publishing bezeichnet, wobei Unternehmen ihre Stakeholder durch eigene Medien direkt ansprechen[10] (Kleinert, 2008, S. 27-28; Seeger, 2007, S. 5).

Die PR hat somit die Wahl, über welche Medien und Kanäle mit ihren Anspruchsgruppen kommuniziert. Die Entwicklung und die Bedeutung der zwei Bereiche mitsamt ihren Funktionen werden im Folgenden dargelegt und gegenübergestellt. Die Begriffe Pressearbeit und Media Relations auf der einen sowie Corporate Publishing und Corporate Media auf der anderen Seite werden synonym verwendet.

Unternehmenskommunikation im Wandel

Die PR hat seit Ende des vergangenen Jahrhunderts einen enormen Wandel durchgemacht. Zuvor wurde von Organisationsseite fast ausschließlich klassische Pressearbeit geleistet. Hierbei ist es das Ziel der Unternehmenskommunikatoren, die journalistischen Medien dahingehend zu beeinflussen, dass sie möglichst viel und positiv über ein Unternehmen berichten. Schulz-Bruhdoel (2007, S. 400) definiert Pressearbeit folgendermaßen:

Pressearbeit verwirklicht oder unterstützt die Kommunikation von Unternehmen […] dadurch, dass unabhängigen Massenmedien […] gezielt Informationen angeboten werden, die von diesen als reichweitenstarken und glaubwürdigen Mittlern veröffentlicht werden sollen und so die jeweiligen Leser bzw. Nutzer als die eigentlich relevanten Bezugsgruppen erreichen.

Die Digitalisierung veränderte neben der journalistischen Medienlandschaft (siehe Kapitel 2.3) auch die Unternehmenskommunikation und ihre kommunikativen Möglichkeiten. Organisationen und andere Akteure können nun leichter zu bzw. mit ihren Anspruchsgruppen kommunizieren, ohne den Umweg über die Journalisten zu nehmen. Als Konsequenz haben in der jüngeren Vergangenheit nahezu alle größeren Unternehmen ihr eigenes internes und externes Medienangebot erheblich erweitert. So etablierte sich neben der klassischen Pressearbeit der Bereich Corporate Publishing, „[…] ein Instrument der Unternehmenskommunikation, das sich der Mittel des Journalismus bedient, um die Aufmerksamkeit von Zielgruppen zu erreichen, die für das Unternehmen relevant sind“ (Weichler, 2007, S. 444). Dabei ziele das Corporate Publishing hauptsächlich auf Kundenbindung, Imageaufbau sowie Absatzförderung ab (ebd.). Häufig wird beim Corporate Publishing daher „eine Heile-Welt-Berichterstattung praktiziert“ (Kleinert, 2008, S. 125; Hervorh. im Original), denn Konflikte und Selbstkritik sind nur selten Inhalt der unternehmenseigenen Medien.

Die aufgezeigte Entwicklung hat mitunter auch Auswirkungen auf den Stellenwert der beiden Bereiche. In der Literatur wird die Medienarbeit häufig nach wie vor als zentrales Aufgabenfeld der PR angesehen (Röttger et al., 2014, S. 193; Schulz-Bruhdoel & Fürstenau, 2013, S. 13). Studien zu den Bereichen und ihrer Relevanz sind jedoch nicht ganz so eindeutig. Eine Studie des Fachgebiets für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim untersuchte 2014 im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Pressesprecher, inwieweit die verschiedenen Bereiche es ermöglichen, wesentliche Ziele und Aufgaben der Unternehmens-PR zu erfüllen (Mast, 2016). Von den knapp über 1.000 befragten Pressesprechern stimmen 93 Prozent zu, dass sie über journalistische Angebote bzw. Media Relations ihre relevanten Stakeholder erreichen. Jedoch liegt Corporate Media mit 92 Prozent nur knapp dahinter. Bei der Frage, ob es sich um wirkungsvolle Kommunikationskanäle handelt, stimmten bei den Media Relations 92 Prozent zu, während Corporate Media zehn Prozentpunkte weniger aufweist. Auch bei der Frage nach der Glaubwürdigkeit liegen die Media Relations vorne: 98 Prozent geben an, dass klassische Medien von den relevanten Zielgruppen als glaubwürdig angesehen werden. Die unternehmenseigenen Medien kommen hier immerhin auf 91 Prozent. Der große Vorteil von Corporate Publishing konnte bei Planbarkeit und Kontrolle ausgemacht werden. 95 Prozent der Pressesprecher halten die eigenen Medien für planbare und gut kontrollierbare Kanäle, während nur 60 Prozent diese Eigenschaften den klassischen Medien zusprechen (ebd.; S. 365-367). Die Studie kommt somit zu dem Ergebnis, dass die klassischen Medien und somit die Media Relations für die PR nicht an Bedeutung verlieren. Als Hauptgründe lassen sich die hohe Reichweite sowie die hohe Glaubwürdigkeit der journalistischen Medien aufführen. In den Bereichen Planung und Kontrolle sowie Wirksamkeit der Medien hingegen haben die unternehmenseigenen Medien die Vorteile auf ihrer Seite oder die Unterschiede zwischen den Bereichen sind nur marginal.

Die Ergebnisse des European Communication Monitors 2014 deuten zum Teil in eine andere Richtung. Nur noch etwa 76 Prozent der befragten PR-Praktiker schätzen Media Relations für klassische Medien als wichtigen Kommunikationskanal ein. Nach der Bedeutung in naher Zukunft gefragt, sinkt dieser Wert auf ca. 42 Prozent, jedoch nur auf Media Relations im Print Bereich bezogen. Die Autoren unterscheiden in Print-, Radio-/TV- und Online-Medien. Während Radio/TV und insbesondere Print an Bedeutung verlieren, erreicht die Prognose für die zukünftige Online-Pressearbeit knapp über 90 Prozent (Zerfaß, Tench, Verčič, Verhoeven & Moreno, 2014, S. 89). Demzufolge werden Media Relations von den PR-Praktikern weiterhin als wichtiger Bereich gesehen, wobei lediglich eine Verschiebung der Relevanz von Offline zu Online zu beobachten ist.

Im Bereich der Wirtschaftskommunikation veranschaulicht eine Gemeinschaftsstudie des Fachgebiets für Kommunikationswissenschaft und Journalistik der Universität Hohenheim und der ING-DiBa AG die allgemeine Glaubwürdigkeit, die den Aussagen öffentlicher Akteure zugeschrieben wird. Diese Studie untersucht nicht die Bereiche der PR, jedoch Unternehmenskommunikation und Journalismus als Vermittler der Inhalte. Mast, Spachmann und Georg (2017) fanden heraus, dass Aussagen von Journalisten allgemein als glaubwürdiger erachtet werden als solche von Unternehmen. 53 Prozent der Befragten glauben den Aussagen von Journalisten voll und ganz oder eher[11], wohingegen es in Bezug auf Unternehmen 40 Prozent sind. Innerhalb des Journalismus gibt es allerdings auch in dieser Studie große Differenzen: Journalisten von Fernsehen und Radio schneiden mit 66 Prozent am besten ab, wohingegen Journalisten im Internet – die im Rahmen der folgenden Untersuchung im Mittelpunkt stehen – lediglich auf 38 Prozent kommen und somit hinter den Unternehmen rangieren (ebd., S. 200).

Zurückkommend auf die Frage nach dem Kanal, ist diese für die Unternehmenskommunikation an die jeweiligen Umstände gebunden. Neben den Faktoren Glaubwürdigkeit und Vertrauen in Kommunikation und Medium spielen auch Planbarkeit und Kontrolle der Inhalte eine wichtige Rolle. Dies gilt insbesondere in Zeiten, in denen der Journalismus als Vermittler nicht nur Mittel zum Zweck ist, sondern durch Sensationsjournalismus auch eine erhöhte Gefahr für die Unternehmensreputation darstellen kann (siehe Kapitel 2.3).

Die Vorteile von Corporate Publishing sind in erster Linie die Planbarkeit und Kontrolle der Inhalte, was auch im European Communication Monitor 2014 herausgestellt worden ist. Die Inhalte können auf die Bedürfnisse der jeweiligen Zielgruppe zugeschnitten und das Unternehmen nach innen und außen entsprechend des gewünschten Images dargestellt werden. Durch die neuen Kommunikationsmöglichkeiten, insbesondere online, können Unternehmen nun selbst als Kommunikatoren auftreten und müssen nicht mehr den Umweg über die journalistischen Medien nehmen. Der Vorteil der Abkürzung liegt darin, dass Inhalte nicht mehr durch die Redaktionen geprüft, selektiert und geändert werden (Neuberger & Quandt, 2010, S. 68). Der Nachteil von Corporate Media ist der große Vorteil der klassischen Pressearbeit: Die Glaubwürdigkeit des unabhängigen Journalismus als Vermittler der Botschaften. Da diese bei den klassischen Medien noch immer höher eingeschätzt wird als bei den unternehmenseigenen Medien (siehe oben), scheinen Organisationen weiterhin auf den Journalismus und somit auf die Media Relations angewiesen zu sein. Dies scheint auch noch in Zeiten zu gelten, in denen der Journalismus um das Vertrauen der Bürger kämpfen muss, die Glaubwürdigkeit der Berichterstattung vermehrt infrage gestellt wird und die ökonomischen Einflüsse diese Entwicklung immer weitertreiben.

2.5 Die Wahl des Sprechers: Medientrend Personalisierung

Neben der Wahl des Kanals stellt sich innerhalb der PR-Planung die Frage nach dem Sprecher als Teil einer kommunikativen Maßnahme. Sprecher meint in diesem Kontext die Person[12], die innerhalb eines Beitrags zu Wort kommt. Somit ist der Sprecher im Kontext der Objektträger von Glaubwürdigkeit (siehe Kapitel 2.2) mit der Hierarchiestufe Urheber/Akteur gleichzusetzen und bezieht sich nicht auf den Präsentator.

Die Wahl des Sprechers ist bedingt an die Wahl des Kanals gebunden. Während das Unternehmen im Rahmen des Corporate Publishing die Inhalte und somit auch den Sprecher selbst bestimmt, ist es im Bereich Media Relations für die Unternehmenskommunikation für gewöhnlich nicht möglich einen direkten Einfluss auf die Auswahl des Sprechers zu nehmen. Jedoch lässt sich die Wahl von PR-Seite aus indirekt steuern, etwa indem sich eine ausgewählte Person öffentlich äußert oder den Redaktionen persönliche Statements der Person angeboten werden, wie z.B. direkte Zitate in Pressemitteilungen. Die Frage nach dem Sprecher ist auch immer eine Frage der intendierten Kommunikationswirkung, da verschiedene Sprecher unterschiedlich wirken. So kann es einen Unterschied machen, ob sich zu einem Thema der Unternehmenssprecher, ein Angestellter oder ein Vorstandsmitglied zu Wort meldet. Untersuchungen in diesem Bereich beziehen sich oft auf körperliche oder verbale Attribute des Sprechers. Crijns und Kollegen (2017, S. 143-148) untersuchten in einer experimentellen Studie mit 20 Studenten mit dem Faktor Empathie des Publikums, wie das Geschlecht des Unternehmenssprechers die Wirkung der Krisenkommunikation beeinflusst. Den Ergebnissen zufolge wirkt es sich positiv aus, wenn Unternehmenssprecher und Publikum auf das Geschlecht bezogen (größtenteils) übereinstimmen. Für die Praxis hat dies Relevanz, wenn die (Haupt-)Zielgruppe der kommunikativen Maßnahmen überwiegend homogen ist. Darüber hinaus ergibt sich jedoch auch das Ergebnis, dass neben inhaltlichen und verbalen Aspekten, auch visuelle Faktoren Effekte verursachen (ebd.).

Diese Arbeit untersucht in Bezug auf die Auswahl des Sprechers den CEO als Teil einer personalisierten Berichterstattung. Im Folgenden stehen daher die Faktoren hierarchische Position im Unternehmen und Bekanntheit des Sprechers im Fokus.

Ein Gesicht zum Unternehmen – durch Personalisierung

Die Tendenz zur Personalisierung als Strategie in der Unternehmenskommunikation kam vor etwa 30 Jahren auf und wird mitunter als einer der prägendsten Medientrends der letzten Jahrzehnte bezeichnet (Bentele & Fähnrich, 2010, S. 52). Das Top-Management großer und zum Teil auch mittelständischer Unternehmen, vor allem die CEOs, sollen zum Gesicht der Organisation werden und prägen somit die öffentliche Wahrnehmung des gesamten Unternehmens. Probleme, Herausforderungen und Leistungen eines Unternehmens können in der öffentlichen Wahrnehmung hinter den Personen in der Unternehmensspitze zurücktreten. Weiter können Organisationen durch die Personalisierung ihren Wiedererkennungswert erhöhen oder auch ihr Image schärfen (Blumenfeld & Gillenberg, 2007, S. 11; Talanow, 2015, S. 19).

Die Möglichkeiten durch Personalisierung betreffen jedoch nicht nur die Unternehmen, sondern auch die Redaktionen journalistischer Medien, die die Personalisierungsvorstöße der PR zulassen und auch häufig von sich aus auf diese Aufbereitungsform zurückgreifen. Dabei ist die Personalisierung im Journalismus kein neues Phänomen. In der Nachrichtenwertforschung ist Personalisierung bereits seit den 1960er Jahren fester Bestandteil des Katalogs der Nachrichtenwerte. Der verwandte Nachrichtenfaktor Prominenz hat sich spätestens seit den 1990er Jahren etabliert (Talanow, 2015, S. 39). Dabei ist zu beachten, dass Journalisten ihre Ereignisse und Meldungen nicht nur nach den vorhandenen Nachrichtenfaktoren auswählen. Nachrichtenfaktoren können auch durch die Journalisten zugewiesen und instrumentalisiert werden, um bestimmte Aspekte hervorzuheben oder ihre Inhalte ansprechender zu gestalten (ebd., S. 39-40.). Im Wirtschaftsbereich beispielsweise meint dies, dass Personen zu Deutungsmustern wirtschaftlicher Sachverhalte werden. Weiter werden die Akteure benutzt, um sie mitsamt ihren Verantwortlichkeiten sichtbar zu machen und für Journalisten ist es eine Möglichkeit ihre (insbesondere wirtschaftlichen) Inhalte spannend und verständlich aufzubereiten (Eisenegger & Konieczny-Wössner, 2010, S. 117; Mast, 2016, S. 388).

Eine inhaltsanalytische Untersuchung zum Stellenwert von Managern in der Berichterstattung fand heraus, dass Manager als Thema der Unternehmensberichterstattung hinter Geschäftspolitik und Unternehmensstrategie, Geschäftszahlen sowie Branchenthemen auf Platz vier rangieren. Dabei dominieren persönliche Eigenschaften der Personen innerhalb der Berichterstattung über die Manager (Mast, 2012, S. 221). Die personalisierte Berichterstattung innerhalb des Wirtschaftsmagazin-Journalismus haben Ringsletter und Kollegen (2007, zitiert nach Talanow, 2015, S. 86) untersucht. Die als überraschend bezeichneten Ergebnisse verdeutlichen den vermehrten Einsatz in diesem Bereich: Im Managermagazin kommen auf 85 Prozent der Seiten Prominente vor, in der Wirtschaftswoche immerhin auf 59 Prozent der Seiten. Die Werte sind dabei insbesondere beim Managermagazin nah an bzw. sogar über denen der Illustrierten Bunte (76%) und Gala (84%), die mit den Wirtschaftsmagazinen verglichen wurden (ebd.).

Eine Längsschnittstudie von Brettschneider und Vollbracht (2010) zeigt die Entwicklung auf. Meinungsführende deutsche Medien sowie zwei internationale Wirtschaftstitel wurden auf personalisierte Berichterstattung über die DAX30-Unternehmen untersucht. Als Ergebnis kann ein kontinuierlicher Anstieg festgehalten werden: In den Jahren 2002 bis 2007 stieg der Anteil an Managementthemen von 14 auf 21 Prozent. Zudem fand eine Verschiebung der Akteure in der Berichterstattung statt. So wurde innerhalb der personalisierten Berichterstattung weniger über ein Unternehmen (2002: 81%; 2007: 67%) und mehr über den CEO (2002: 10%; 2007: 14%) sowie andere Vorstandsmitglieder (2002: 8%; 2007: 19%) berichtet (ebd., S. 140-142).

Da diese Arbeit den bewussten Einsatz des Vorstandsvorsitzenden bzw. des CEOs in der Kommunikation in den Mittelpunkt der Studie stellt, wird die Personali­sierung mit der CEO-Kommunikation verknüpft, die Zerfaß und Sandhu (2006) folgendermaßen definieren: „Als CEO-Kommunikation bzw. Executive-Kommunikation werden […] alle systematisch geplanten, durchgeführten und evaluierten Kommunikationsaktivitäten der obersten Führungsebene […] einer Organisation mit internen und externen Bezugsgruppen bezeichnet“ (S. 52). Im Rahmen dieser Arbeit werden interne Stakeholder nicht berücksichtigt und Personalisierung meint im Folgenden, dass der Vorstandsvorsitzende geplant, also bewusst, als Sprecher in der externen Kommunikation auftritt bzw. von den Medien in die Berichterstattung aufgenommen wird. Lässt sich die journalistische Berichterstattung zwar nicht direkt beeinflussen, kann sie wie bereits oben dargelegt von der Unternehmenskommunikation indirekt beeinflusst werden.

Die Personalisierungs-Vorteile auf Unternehmensseite sind die damit verbundenen Möglichkeiten: Führungskräfte sind wichtige Imageträger nach innen und außen und auch Träger der Kommunikation. Sie transportieren Werte, Visionen und Kernbotschaften zu den Stakeholdern. Für einige Zielgruppen ermöglichen die Manager Identifikation. Sie geben einem Unternehmen ein persönliches Gesicht und stellen für die Medienberichterstattung einen Nachrichtenfaktor dar. Die Nachteile liegen meist in der Person selbst bzw. in einem möglichen Fehlverhalten. Falls Aussagen und Handlungen nicht übereinstimmen, die Führungskräfte weitreichende Fehler begehen oder Protagonisten in Skandalen darstellen, leiden Glaubwürdigkeit und Vertrauen, Image und Reputation darunter. Durch die Personalisierung und die dadurch enge Verbindung zur Organisation, ist in diesen Fällen auch das Unternehmen unmittelbar betroffen (Nessmann, 2007, S. 835).

[...]


[1] Für eine bessere Lesbarkeit wird die gewohnte männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Dies impliziert keine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts, sondern soll im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral zu verstehen sein.

[2] Die Entwicklung der journalistischen Medienlandschaft ist innerhalb des PR-Kapitels verortet, da die Bereiche unmittelbar miteinander in Verbindung stehen und sich Entwicklungen in den jeweiligen Bereichen gegenseitig beeinflussen.

[3] Stakeholder sind alle internen sowie externen Anspruchsgruppen einer Organisation, wie z.B. Kunden und Geschäftspartner, Medien/Journalisten, Mitarbeiter, die allgemeine Öffentlichkeit und weitere. Im Folgenden findet keine Differenzierung der Begriffe Stakeholder, Anspruchsgruppen und Bezugsgruppen statt.

[4] Die license to operate wird an dieser Stelle als übergeordnete „gesellschaftliche Akzeptanz“ (Mast, 2016, S. 5) des Unternehmens übersetzt.

[5] Das Internet wird – anders als viele Autoren es einordnen ­– in diesem Zusammenhang nicht als Mediengattung bzw. Medium verstanden, sondern als Plattform auf der viele Medien (z.B. Soziale Netzwerke, Websites, Foren, Suchmaschinen) bereitgestellt werden.

[6] Das EU-Parlament hat seine Position bereits im September 2018 beschlossen. Jedoch kam es aufgrund von Uneinigkeiten zwischen den EU-Mitgliedsstaaten zu mehreren Verschiebungen bei der Abstimmung über das Leistungsschutzrecht. Mit einer finalen Abstimmung über die Gesetzesreform ist voraussichtlich nicht vor Mai 2019 und somit nach Abschluss der vorliegenden Arbeit zu rechnen (Beuth, 05.02.2019).

[7] Es sei darauf hingewiesen, dass Journalisten mit der Skandalisierung von Missständen (verantwortungsbewusst umgesetzt) ihre Aufgabe als vierte Gewalt wahrnehmen, indem sie Verantwortliche in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft kritisieren und kontrollieren (Kepplinger, 2012, S. 199; Mast, 2018, S. 253). Im Rahmen dieser Arbeit wird lediglich eine ausufernde Skandalisierung im Medienwettbewerb um Aufmerksamkeit um jeden Preis negativ bewertet.

[8] Ein Scoop ist eine exklusive Meldung/Bericht, die ein Medium vor anderen Medien veröffentlicht. In der Regel basieren diese Meldungen auf eigenen Recherchen und werden von anderen Medien übernommen (Mast, 2018, S. 253.

[9] Die frei zugängliche Datenbank des Deutschen Presserats ermöglicht lediglich eine Abfrage der Daten ab dem Jahr 1985. Weitere Faktoren, die diese Entwicklung beeinflussen (z.B. vereinfachte Möglichkeit zum Einreichen von Beschwerden durch einen Online-Dienst), werden an dieser Stelle nicht berücksichtigt.

[10] Einige Autoren der Kommunikationswissenschaft verstehen Corporate Publishing als Teil der Media Relations (z.B. Mast, 2016, S. 355). Die vorliegende Arbeit folgt diesem Verständnis nicht und grenzt die Bereiche inhaltlich klar voneinander ab.

[11] An dieser Stelle sei auf die Studien zum Journalismus in Kapitel 2.3 hingewiesen, die bei ähnlichem Untersuchungsgegenstand ähnliche Werte erreichen.

[12] Dies schließt auch mehrere Personen ein. Für eine bessere Lesbarkeit und mit Blick auf die anschließende Studie wird lediglich der Singular benutzt.

Ende der Leseprobe aus 124 Seiten

Details

Titel
Krisenkommunikation auf Corporate Websites versus Online-Nachrichtenseiten. Welche Wirkung haben personalisierte und nicht-personalisierte Kommunikation?
Autor
Jahr
2019
Seiten
124
Katalognummer
V465353
ISBN (eBook)
9783960956488
ISBN (Buch)
9783960956495
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wirkung, Wirkungsforschung, Kommunikation, Kommunikationsmanagement, Kommunikationswissenschaft, Krise, Krisenkommunikation, Unternehmenskommunikation, PR, Reputation, Image, Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Forschung, Experiment, Umfrage, Public Relations, Unternehmen, Konzern, Corporate Website, Website, Newsside, Nachrichtenseite, Journalismus, Personalisierung, CEO Kommunikation, Media Relations, Corporate Media, Krisenmanagement, Authentizität
Arbeit zitieren
David Möller (Autor:in), 2019, Krisenkommunikation auf Corporate Websites versus Online-Nachrichtenseiten. Welche Wirkung haben personalisierte und nicht-personalisierte Kommunikation?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465353

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