Machine Learning in industriellen Dienstleistungen. Ein Vorgehensmodell


Thèse de Master, 2018

78 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffliche Grundlagen und Forschungsstand zu relevanten Vorgehensmodellen
2.1 Industrieunternehmen und deren Dienstleistungen
2.1.1 Eigenschaften von Industrieunternehmen
2.1.2 Charakterisierung industrieller Dienstleistungen am Beispiel vorausschauender Instandhaltung
2.2 Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen
2.2.1 Einordnung und Definition des Begriffs ‚künstliche Intelligenz‘
2.2.2 Maschinelles und überwachtes Lernen als Bestandteil von industriellen Dienstleistungen
2.3 Vorgehensmodelle zur Einführung von maschinellem Lernen in industriellen Dienstleistungen
2.3.1 Abgrenzung des Begriffs ‚Vorgehensmodell‘ und Auswahl des Modelltyps
2.3.2 Relevante Vorgehensmodelle, Ansätze und Rahmenwerke im Forschungskontext

3 Analyse von Vorgehensmodellen
3.1 Methodik zur Analyse der betrachteten Vorgehensmodelle
3.2 Rahmenwerk zu Bewertung und Vergleich der Modelle
3.3 Beschreibung und Analyse der Vorgehensmodelle
3.3.1 Prozessmodelle zur Dienstleistungsentwicklung
3.3.2 Modelle zur Durchführung von Projekten des maschinellen Lernens
3.3.3 Ansätze zur Einführung von künstlicher Intelligenz oder maschinellem Lernen in die Instandhaltung
3.4 Vergleich der Vorgehensmodelle und Ableitung der Ergebnisse für die Konzeption des Vorgehensmodells

4 Konzeption und Evaluation des Vorgehensmodells
4.1 Methodik zur Konzeption und Evaluation
4.2 Konzeption des Vorgehensmodells
4.2.1 Vorüberlegungen zu Aufbau, Ablauf und Eigenschaften des Vorgehensmodells
4.2.2 Entwicklung des Vorgehensmodells
4.3 Evaluation des neu konzipierten Vorgehensmodells

5 Zusammenfassung und Ausblick
5.1 Zusammenfassung und kritische Würdigung der Arbeit
5.2 Ausblick

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Einordnung der Begriffe ‚künstliche Intelligenz‘, ‚maschinelles Lernen‘ und ‚tiefes Lernen‘

Abbildung 2: Vereinfachte Darstellung des evolutionären Prozessmodells

Abbildung 3: Phasen des Prozessmodells zur Serviceentwicklung

Abbildung 4: Elemente des Service Engineering

Abbildung 5: Cross-Industry-Standard-Process-for-Data-Mining-Prozessmodell

Abbildung 6: Schritte des Knowledge-Discovery-in-Databases-Modells

Abbildung 7: Roadmap für die Implementierung von künstlicher Intelligenz in der Wartung

Abbildung 8: Reifegrad-Modell zur Einführung einer vorausschauenden Wartung

Abbildung 9: Aufbau und Ablauf des Vorgehensmodells

Abbildung 10: Vorgehensmodell zur Einführung von maschinellem Lernen in industriellen Dienstleistungen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Überblick über Forschungsarbeiten zum Forschungskontext

Tabelle 2: Analyse Prozessmodell zur Serviceentwicklung

Tabelle 3: Analyse des Modells zum industriellen Service Engineering

Tabelle 4: Analyse des Cross-Industry-Standard-Process-for-Data-Mining-Modell

Tabelle 5: Analyse des Knowledge-Discovery-in Databases-Modell

Tabelle 6: Vergleich der herangezogenen Vorgehensmodelle im Forschungskontext der industriellen Dienstleistungen

Tabelle 7: Vergleich der herangezogenen Vorgehensmodelle im Forschungskontext des maschinellen Lernens

Tabelle 8: Informationsqualitätsmerkmale

Tabelle 9: Übersicht der Aufgaben der einzelnen Phasen I

Tabelle 10: Übersicht der Aufgaben der einzelnen Phasen II

Tabelle 11: Übersicht der Qualitätseigenschaften

Tabelle 12: Übersicht der verfeinerten Qualitätseigenschaften

Tabelle 13: Evaluation der Qualität des konzipierten Vorgehensmodells

Tabelle 14: Evaluation der pragmatischen Qualität des konzipierten Vorgehensmodells

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

In der heutigen Zeit stehen Unternehmen vor zahlreichen Herausforderungen. Sie müssen sich ständig mit neuen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen auseinandersetzen und dazu befinden sie sich mitten in der nächsten industriellen Revolution. Der Begriff ‚Industrie 4.0‘ ist allgegenwärtig.

Mit diesem Begriff ziehen weitere Herausforderungen in die Unternehmenswelt ein. Dazu zählen die Vernetzung von Maschinen oder Sensoren, das Thema Blockchain sowie der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI). Für Unternehmen ist es von Bedeutung, sich einen Überblick zu den Entwicklungen zu verschaffen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Unternehmen aus der Industrie setzen sich daher zunehmend mit dem Thema KI auseinander und erkennen Potenziale für ihre eigenen Dienstleistungen.

Eine Einsatzmöglichkeit von KI bietet bspw. der Bereich des Supply-Chain-Managements (SCM). Mithilfe der KI können Unternehmen umfangreiche und vielfältige Datensätze aus unterschiedlichen Quellen wie z. B. aus Sensoren an Kundenstandorten, Endverbrauchergeräten etc. verarbeiten, um eine bessere Transparenz innerhalb der Lieferkette zu erreichen (vgl. Accenture 2018). Untersuchungen zeigen, dass maschinelle Lernalgorithmen in allen Phasen der Lieferkette, aber hauptsächlich bei der Planung von Transportaktivitäten verwendet werden (vgl. Bousqaoui, Achchab und Tikito 2017, 5).

Einen weiteren Anwendungsfall stellt der Bereich der Instandhaltung bzw. Wartung dar. Durch den Einsatz von KI lässt sich die Anlagennutzung nachweislich verbessern, da Wartungsarbeiten vorausschauend durchführbar sind (vgl. McKinsey 2017, 8). Untersuchungen zeigen zudem, dass KI Unternehmen aus der Industrie dabei unterstützt, die Auslastungsraten der Maschinen zu maximieren (vgl. Plastino und Purdy 2018, 18).

Beide Anwendungsbereiche verwenden KI in Form von maschinellem Lernen (ML). Durch den Einsatz von ML kann im Bereich SCM, wie bereits erwähnt, eine höhere Transparenz der Lieferkette erzielt werden. Im Bereich der vorausschauenden Instandhaltung (VI) unterstützt ML die menschliche Entscheidungsfindung, indem es Muster in Fabrikdaten entdeckt, die dem Menschen verborgen bleiben (vgl. Harvard Business Review 2016). Weitere Untersuchungen zeigen, dass der Einsatz von ML im Servicebereich der Instandhaltung, die Wartung und Auslastung von Anlagen verbessert (vgl. Li, Hongfei et al. 2014, 25).

Die genannten Studien (s. o.) belegen die Bedeutung von KI bzw. ML für die Industrie. Allein für die Bereiche SCM und VI ergeben sich durch den Einsatz von ML Vorteile für Unternehmen. Es liegen allerdings Ursachen vor, die zum Scheitern von KI- oder ML-Projekten führen. Das Problem besteht häufig darin, dass Unternehmen oft ohne vorherige Planung und definierte Prozesse Projekte durchführen (vgl. Gartner 2017). Zudem scheitern ML-Projekte oft daran, dass sich beim Anwenden von ML eine Reihe von Problemen ergeben. Diese Probleme sind in der Regel unvorhersehbar, können nur mit einem hohen Kostenaufwand gelöst werden und führen direkt zum Ausfall. Herausforderungen im Rahmen von ML-Projekten stellen z. B. der Umgang mit Big Data oder die Korrektheit der Ergebnisse dar (vgl. Dyck 2018, 423 f.).

Es ist daher für die erfolgreiche Umsetzung von IT-Projekten zu empfehlen, ein Vorgehensmodell zu verwenden. Dieses bietet die Beschreibung eines koordinierten Ansatzes bei der Durchführung des Projekts und definiert sowohl die Eingabe, die für die Ausführung einer Tätigkeit erforderlich ist, als auch die Ausgabe, die als Ergebnis einer Aktivität erzeugt wird (vgl. Marquardt 2003, 921). Zudem werden durch die Anwendung eines Vorgehensmodells Prozesse im Projekt transparenter, planbarer und kontrollierbarer, was sich wiederum positiv auf die Qualität der Ergebnisse des Projekts auswirkt.

Die Probleme bei ML-Projekten liegen somit einerseits in einem Mangel an Vorgehensmodellen und anderseits in der Komplexität sowie der Verarbeitung erheblicher Datenmengen. Um diese Probleme systematisch und zielgerichtet angehen zu können, bedarf es eines Vorgehensmodells, das Unternehmen bei dieser Herausforderung einen grundsätzlichen Plan und definierte Prozesse zur Verfügung stellt und zudem die genannten Problemfelder adressiert. Die Verwendung des Vorgehensmodells muss unabhängig vom jeweiligen Anwendungsfall erfolgen, um so eine Grundlage für unterschiedliche KI- bzw. ML-Projekte zu erhalten.

Es wird deutlich, dass die Entwicklung eines Vorgehensmodells für ML-Projekte eine untergeordnete Rolle spielt. Daraus ergibt sich eine Forschungslücke, die im Zuge der vorliegenden Arbeit bearbeitet werden soll. Ziel ist die Konzeption eines Vorgehensmodells zur Einführung von ML in industriellen Dienstleistungen.

Im Rahmen einer Literaturstudie wird der Forschungsstand im Hinblick auf bestehende Vorgehensmodelle zur Einführung von ML in industriellen Dienstleistungen dargestellt. Anschließend werden Vorgehensmodelle analysiert, die zur Konzeption des Vorgehensmodells herangezogen werden können. Dabei orientiert sich diese Arbeit an folgender Leitfrage: Wie muss ein Vorgehensmodell konzipiert sein, um eine erfolgreiche Einführung von maschinellem Lernen in industriellen Dienstleistungen zu ermöglichen? In diesem Kontext sollen darüber hinaus folgende weitere Forschungsfragen (F) untersucht werden:

- F1: Welche Ansätze, Rahmenwerke oder Vorgehensmodelle aus der wissenschaftlichen Literatur können für die Einführung von maschinellem Lernen in industriellen Dienstleistungen herangezogen werden?
- F2: Wie lassen sich die relevanten Ansätze, Rahmenwerke oder Vorgehensmodelle analysieren und vergleichen?
- F3: Wie können die Erkenntnisse aus herangezogenen Vorgehensmodellen zusammengeführt werden, um ein wissenschaftlich fundiertes Vorgehensmodell zur Einführung von ML in industriellen Dienstleistungen zu konzipieren?
- F4: Wie lässt sich das neu konzipierte Vorgehensmodell evaluieren?

Zur Beantwortung der Forschungsfragen ist die Arbeit in fünf Kapitel gegliedert. In der Einleitung wird die Forschungslücke beschrieben und die Zielsetzung dargestellt. Außerdem beinhaltet die das erste Kapitel den Aufbau der Arbeit.

Im Grundlagenteil wird ein umfassender Wissenstand zum Themenbereich KI und ML aufgebaut. Auch der Industriebegriff sowie industrielle Dienstleistungen werden abgegrenzt. Des Weiteren wird der Begriff Vorgehensmodell abgegrenzt, ein Modelltyp für die Konzeption des Vorgehensmodells vorgestellt und der aktuelle Forschungsstand zu Vorgehensmodellen im dargestellten Forschungskontext aufgearbeitet und vorgestellt.

Im ersten Hauptteil der Arbeit werden zunächst die Anforderungen an das Vorgehensmodell vorgestellt und anschließend die verwendeten Vorgehensmodelle beschrieben, analysiert und verglichen.

Der zweite Hauptteil der Arbeit beschreibt die Konzeption des Vorgehensmodells. Dazu werden die Ergebnisse aus dem vorangegangenen Teil berücksichtigt und die Vorüberlegungen zum Vorgehensmodell dargestellt. Anschließend folgt die Herleitung des Modells. In diesem Abschnitt erfolgt zudem die Evaluierung des neu konzipierten Vorgehensmodells.

Das abschließende Kapitel beginnt mit der Zusammenfassung der Arbeit. Die kritische Würdigung veranschaulicht die Einschränkungen und Probleme des Vorgehensmodells. Die Arbeit schließt mit einem Ausblick.

Nach der Darstellung der Problemstellung und Zielsetzung sowie des Aufbaus dieser Arbeit befasst sich das nachfolgende Kapitel mit den für den weiteren Verlauf erforderlichen Begriffsdefinitionen.

2 Begriffliche Grundlagen und Forschungsstand zu relevanten Vorgehensmodellen

Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt die Konzeption eines Vorgehensmodells zur Einführung von ML in industriellen Dienstleistungen. Zunächst sollen jedoch in diesem Kapitel die begrifflichen Grundlagen der Arbeit festgelegt und der Forschungsstand zur dargestellten Herausforderung aufgearbeitet werden. Im ersten Abschnitt wird in einem ersten Schritt der Industrie- und Dienstleistungsbegriff definiert. Daraufhin wird im zweiten Abschnitt der Begriff KI eingeordnet und vom Teilbereich ML abgegrenzt. Der letzte Abschnitt befasst sich zunächst mit den Grundlagen zu Vorgehensmodellen, um anschließend den Forschungsstand zu Vorgehensmodellen zur Integration von ML in industriellen Dienstleistungen aufzuzeigen. Zielsetzung des Kapitels ist einerseits die Abgrenzung der verwendeten Hauptbegriffe, um so ein einheitliches Verständnis für die Arbeit zu erhalten. Andererseits veranschaulicht das Kapitel den Forschungsstand zu Vorgehensmodellen zur Integration von ML in industriellen Dienstleistungen.

2.1 Industrieunternehmen und deren Dienstleistungen

In diesem Abschnitt werden die Begriffe ‚Industrieunternehmen‘ und ‚industrielle Dienstleistungen‘ definiert. Ziel ist es, einen Überblick zu den auseinandergehenden Definitionen zu veranschaulichen und daraus die entsprechenden Definitionen für die Arbeit abzuleiten. Zunächst wird der Industriebegriff abgegrenzt und werden die Eigenschaften von Industrieunternehmen vorgestellt. Anschließend wird der Begriff ‚Dienstleistungen‘ definiert.

2.1.1 Eigenschaften von Industrieunternehmen

Um eine Definition für den Begriff ‚Industrie‘ festzulegen, orientiert sich die Arbeit an nachfolgendem Ansatz nach Schweitzer (1994). Demzufolge ist unter dem Begriff ‚Industrie‘ die gewerbliche Sachgüterproduktion im Fabriksystem zu verstehen (vgl. Schweitzer 1994, 19).

Des Weiteren stellt sich die Frage, was unter einer Unternehmung zu verstehen ist. In der Literatur und im Rechtswesen bestehen zahlreiche unterschiedliche Ansätze und Einordnungen zu diesem Begriff. Känel (2018) beschreibt Unternehmen bzw. Unternehmungen als marktwirtschaftlich handelnde Wirtschaftseinheiten, die wirtschaftlich und juristisch selbstständig sind und die über eine ausreichende, auf eingebrachten bzw. erwirtschafteten Eigenmitteln basierende finanzielle Eigenständigkeit verfügen (vgl. Känel 2018, 15).

Nach Darstellung der einzelnen Begriffe ‚Industrie‘ und ‚Unternehmung‘ folgt die Definition des Begriffs ‚Industrieunternehmen‘ für diese Arbeit, die sich ebenfalls an Schweitzer (1994) orientiert. Eine Industrieunternehmung ist demnach eine technische, soziale, wirtschaftliche und umweltbezogene Sektion der gewerblichen Sachgüterproduktion im Fabriksystem mit der Herausforderung der Fremdbedarfsdeckung, selbstständigen Entscheidungen und eigenen Risiken (vgl. Schweitzer 1994, 20).

Das bedeutet, dass Industrieunternehmen Sachgüter wie z. B. Maschinen an Kunden verkaufen, die mit diesen Maschinen wiederum Güter produzieren, um diverse Bedürfnisse zu befriedigen. Dafür ist es entscheidend, dass die Maschinen zuverlässig arbeiten. Darüber hinaus bieten Industrieunternehmen ihren Kunden weitere Dienstleistungen wie z. B. Wartungsarbeiten an, um Ausfallzeiten zu minimieren. Eine genauere Betrachtung des Dienstleistungsbegriffs folgt im nächsten Unterkapitel.

2.1.2 Charakterisierung industrieller Dienstleistungen am Beispiel vorausschauender Instandhaltung

Warum Dienstleistungen auch für industrielle Unternehmen von Bedeutung sind, zeigen Untersuchungen zu Dienstleistungen im industriellen Umfeld. So ergab die Untersuchung von Huimin, Yezhuang und Yang (2011), dass sich die Wettbewerbsfähigkeit und Geschäftsleistung von Unternehmen verbessern, die eine Dienstleistungsorientierung beinhalten ‒ im Gegensatz zu Geschäftsmodellen, die z. B. auf Produktmontage und Komponentenfertigung basieren (vgl. Huimin, Yezhuang und Yang 2011, 4).

Eine allgemeingültige Definition des Begriffs ‚Dienstleistung‘ liegt nicht vor. In der Literatur überschneiden und widersprechen sich die Definitionen des Dienstleistungsbegriffs teilweise (vgl. Kleinaltenkamp 2001, 32). Zudem finden sich für Dienstleistungen von Unternehmen der Industrie unterschiedliche Bezeichnungen in der Literatur (vgl. Homburg und Garbe 1996, 255). Darüber hinaus bestehen Schwierigkeiten bei der Abgrenzung einer Dienstleistung vom Sachgut und durch die Heterogenität des Dienstleistungssektors (vgl. Engelhardt und Schwab 1982, 503).

Einen deckungsgleichen Ansatz zum Dienstleistungsbegriff sieht die Literatur in der Immaterialität und Integration des externen Faktors (vgl. Corsten 2001, 56); (Homburg und Garbe 1996, 255 ff.); (Maleri und Frietzsche 2008, 17 ff.); (Meffert und Bruhn 2009, 16 f.).

Immaterialität bedeutet, dass das Ergebnis einer Dienstleistung nicht körperlich ist (vgl. Hilke 1991, 13). Der Begriff ‚Immaterialität‘ ist eng mit dem Begriff ‚Intangibilität‘ verbunden, woraus sich weitere Eigenschaften ergeben. Dienstleistungen sind nicht hör-, sicht- oder fühlbar (vgl. Zeithaml, Bitner und Gremler 2006, 4). Dies hat zur Folge, dass die Kunden den Kauf von Dienstleistungen als risikoreicher empfinden als den Kauf von Sachgütern (vgl. Haller 2010, 7).

Eine weitere Eigenschaft von Dienstleistungen ist die Integration des externen Faktors. Ohne die Mitwirkung eines Kunden ist es nicht möglich, eine Dienstleistung zu erbringen (vgl. Engelhardt, Kleinaltenkamp und Reckenfelderbäumer 1993, 403). Der Kunde teilt dem Dienstleistungsgeber bspw. mit, welche Dienstleistung beauftragt wird, welche Spezifikationen eine Anlage hat oder wer für eine Anlage verantwortlich ist. Das Ausmaß der Mitwirkung des Kunden variiert abhängig von der beauftragten Dienstleistung (vgl. Maleri und Frietzsche 2008, 105).

Die o. g. Studien zeigen das uneinheitliche Bild zum Begriff ‚Dienstleistung‘. Für diese Arbeit gilt die nachfolgende Definition nach Homburg und Garbe (1996), die auf industrielle Dienstleistungen ausgerichtet ist. Demnach sind Dienstleistungen im industriellen Kontext als immaterielle Leistungen zu verstehen, die ein Hersteller von Investitionsgütern seinen Kunden zur Steigerung des Absatzes seiner Sachgüter anbietet (vgl. Homburg und Garbe 1996, 255).

Um die Definition des Dienstleistungsbegriffs anhand der Services der VI zu veranschaulichen, wird zunächst der Begriff der VI definiert, um VI anschließend auf Grundlage der Dienstleistungsbestandteile ‚Immaterialität‘ und ‚Integration des externen Faktors‘ zu erläutern.

Zum Begriff ‚VI‘ bietet die Literatur ebenfalls keine einheitliche Definition (vgl. Mobley 2002, 4). VI wird auch als Condition-Based Maintenance (CBM), Online Monitoring oder Risk-Based Maintenance bezeichnet (vgl. Hashemian und Bean 2011, 3480). Um eine Definition festzulegen, orientiert sich diese Arbeit an den nachfolgenden zwei Ansätzen.

Nach Jardine, Lin und Banjevic (2006) handelt es sich bei CBM bzw. VI um ein Wartungsprogramm, das Wartungsmaßnahmen basierend auf den Informationen empfiehlt, die durch die Zustandsüberwachung erfasst werden. VI versucht demnach unnötige Wartungsaufgaben zu vermeiden, indem Wartungsmaßnahmen nur dann ergriffen werden, wenn ein abweichendes Verhalten eines physischen Guts vorliegt (vgl. Jardine, Lin und Banjevic 2006, 1484).

Der zweite Ansatz nach Krishnamurthy et al. (2005) bildet VI als allgemeinen Begriff ab, der auf Technologien angewendet wird, um den Zustand eines in Betrieb stehenden Ausrüstungsgegenstands (z. B. einer Anlage) zu überwachen und zu bewerten. VI ermöglicht es so dem Benutzer, die meisten bevorstehenden Ausfälle im Voraus zu erkennen, solange die Analyse mit ausreichender Häufigkeit durchgeführt wird (vgl. Krishnamurthy et al. 2005, 64).

Aus diesen Definitionen ergibt sich, dass VI als Dienstleistung zu bewerten ist. Ziel von VI ist es demnach, Ausfälle von Anlagen zu vermeiden, indem proaktiv Wartungsmaßnahmen eingeleitet werden. Dies hat für den Kunden eine höhere Verfügbarkeit der Anlage zur Folge. Die Verfügbarkeit der Anlage stellt den immateriellen Bestandteil einer Dienstleistung dar. Der zweite Bestandteil, die Integration des externen Faktors, ist Voraussetzung für den Service der VI, da der Kunde dem Dienstleister bspw. die Zustandsdaten der Anlage zur Verfügung stellen muss. Im nächsten Schritt sollen die Begriffe ‚KI‘ und ‚ML‘ betrachtet werden.

2.2 Künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen

Die Begriffe ‚KI‘ und ‚ML‘ gewinnen in sämtlichen Branchen zunehmend an Bedeutung, so auch in der Industrie. In diesem Unterabschnitt werden zunächst die Begriffe ‚KI‘ und ‚ML‘ erläutert. Ziel ist es, den Begriff ‚KI‘ einzuordnen und anschließend ML zu beschreiben. Um den Bereich ML detailliert zu betrachten, erfolgt eine Veranschaulichung des überwachten Lernens.

2.2.1 Einordnung und Definition des Begriffs ‚künstliche Intelligenz‘

Wie bei den vorangegangenen Begriffen bestehen auch für den Begriff ‚KI‘ verschiedene Ansätze, nach denen KI definiert werden kann. Bevor ausgewählte Definitionen veranschaulicht werden, erfolgt eine kurze Einführung zu den Begriffen ‚künstlich‘ und ‚Intelligenz‘.

Der Begriff ‚künstlich‘ umfasst allgemein ein Abbild, das nach einem natürlichen Vorbild angelegt, gefertigt oder geschaffen wird. Dieses Abbild wird mit chemischen und technischen Mitteln nachgebildet. Erfolgreich umgesetzte Beispiele dafür sind künstliche Organe oder Lichtquellen. Die Schaffung einer künstlichen Intelligenz befindet sich dagegen noch in der Entwicklung. Bekannte Beispiele stellen Watson (IBM) oder der Google Assistant (Alphabet bzw. Google) dar.

Unter dem Begriff ‚Intelligenz‘ finden sich in der Literatur zahlreiche Ansätze und Definitionen. Kail und Pellegrino (1989) stellen heraus, dass dem Begriff ‚Intelligenz‘ in der Literatur zwei unterschiedliche Kerngedanken zugrunde liegen. Zum einen wird dieser in Zusammenhang mit intelligenten Handlungen, zum anderen mit geistigen Prozessen verwendet (vgl. Kail und Pellegrino 1989, 12).

Darüber hinaus liegen konkrete Bedeutungen des Begriffs ‚Intelligenz‘ vor. Intelligenz lässt sich demnach als Erkenntnisvermögen, als Urteilsfähigkeit oder als das Erfassen von Möglichkeiten beschreiben. Intelligenz umfasst zudem auch die Fähigkeit, Zusammenhänge zu begreifen und Einsichten zu gewinnen sowie über eine geistige Auffassungskraft zu verfügen (vgl. Westhoff 1985, 33 f.).

Nach Erläuterung der Begriffsbestandteile ‚künstlich‘ und ‚Intelligenz‘ erfolgt ein Überblick der Definition des Begriffs ‚KI‘. Nach Simmons und Chappell (1988) ist unter dem Begriff ‚KI‘ zu verstehen, dass sich das Verhalten einer Maschine als intelligent bezeichnen lässt, wenn diese sich analog zu einem Menschen verhält (vgl. Simmons und Chappell 1988, 14). Diese Definition zielt demzufolge auf die Verhaltensweisen von Mensch und Maschine ab.

Winston (1992) hingegen hebt speziell das Berechnungspotenzial hervor und sieht KI demnach als das Studium der Berechnungen, die es ermöglichen, zu verstehen, zu argumentieren und zu handeln (vgl. Winston 1992, 5).

Der Ansatz nach Nilsson (2003) fokussiert sich auf das Verhalten und beschreibt KI als intelligentes Verhalten in Artefakten, d. h. als Wahrnehmen, Argumentieren, Lernen, Kommunizieren und Handeln in komplexen Umgebungen (vgl. Nilsson 2003, 1).

Darüber hinaus bietet Rich (1988) einen vereinfachten Ansatz, der allerdings langfristig gilt. KI stellt dem Autor zufolge die Studie darüber dar, wie Computer dazu gebracht werden können, Dinge zu tun, bei denen Menschen im Moment besser sind (vgl. Rich 1988, 1).

Diese knappe Aufzählung verdeutlicht die vielfältigen Abgrenzungen zum Begriff ‚KI‘ in der Literatur. Zur Festlegung einer Definition für diese Arbeit soll der Ansatz nach Lämmel und Cleve (2012) herangezogen werden. Demnach ist KI ein Teilgebiet der Informatik, das versucht, menschliche Arbeitsweisen der Problemlösung auf Datenverarbeitungsanlagen nachzubilden, um auf diesem Wege neue oder effizientere Lösungen für Aufgaben zu erreichen (vgl. Lämmel und Cleve 2012, 13).

Die Eignung dieses Ansatzes ergibt sich aus dem Versuch, einerseits menschliche Arbeitsweisen nachzubilden und andererseits effizientere Lösungen für Aufgabenstellungen zu erhalten. In Kapitel 2.1.2 wurde der Begriff ‚industrielle Dienstleistung‘ am Beispiel der VI dargestellt. In diesem Zusammenhang besteht ebenfalls das Ziel, mittels einer KI bessere bzw. effizientere Lösungen im Bereich der Instandhaltung zu erzielen.

Nachdem eine Definition für den Begriff ‚KI‘ vorliegt, folgt die Einordnung der Begriffe ‚KI‘, ‚ML‘ sowie ‚Deep Learning‘ bzw. ‚tiefes Lernen‘ (TL). Bei KI handelt es sich um einen Begriff, der auf algorithmische Lösungen für komplexe Probleme hinweist (vgl. Chio und Freeman 2018, Kapitel 1). Daraus ergibt sich, dass sich der Begriff ‚KI‘ als Oberbegriff klassifizieren lässt. Das Themenfeld ML ist ein zentraler Baustein der KI, da dieses Vorhersagen liefert (vgl. Chio und Freeman 2018, Kapitel 1). Zum Beispiel müssen Objekte bewertet werden, um vorherzusagen, wann ein Objekt ausfällt. Ein weiterer Begriff, der oft im Kontext von ML verwendet wird, ist TL. Dabei handelt es sich um eine Teilmenge von ML, bezogen auf eine bestimmte Klasse von mehrschichtigen Modellen, die Schichten einfacherer statistischer Komponenten verwenden, um Daten darzustellen (vgl. Chio und Freeman 2018, Kapitel 1). Abbildung 1 zeigt die Klassifizierung und Zusammenhänge zwischen den Begriffen ‚KI‘, ‚ML‘ und ‚TL‘. Demnach ist KI als Oberbegriff zu verstehen, der das Themenfeld ML umfasst, dem wiederum der Bereich TL zugeordnet werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Einordnung der Begriffe ‚künstliche Intelligenz‘, ‚maschinelles Lernen‘ und ‚tiefes Lernen‘

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Chio und Freeman (2018) , Kapitel 1

Die Abgrenzung des Begriffs ‚KI‘ zeigt, wie vielfältig die Definitionen ausgeprägt sind. Diese Arbeit orientiert sich am Ansatz nach Lämmel und Cleve (2012), da dieser insbesondere auf die Nachbildung von Arbeitsabläufen abzielt, um diese effektiver zu gestalten. Nachdem eine Definition für den Begriff ‚KI‘ vorliegt und die Begriffe ‚KI‘, ‚ML‘ und ‚TL‘ eingeordnet wurden, folgt die Definition des Begriffs ‚ML‘.

2.2.2 Maschinelles und überwachtes Lernen als Bestandteil von industriellen Dienstleistungen

Auch zum Begriff ‚ML‘ bestehen in der Literatur zahlreiche unterschiedliche Definitionen. Kernelement von ML stellt dabei die Lernfähigkeit eines Computers dar, die unabhängig von Programmcodes gegeben ist.

Gemäß Mitchell (1997) lässt sich ML demnach als ein Computerprogramm beschreiben, das aus der Erfahrung E in Bezug auf eine Klasse von Aufgaben T und Leistungsmaß P lernt, wenn seine Leistung bei Aufgaben in T, wie durch P gemessen, sich mit der Erfahrung E verbessert (vgl. Mitchell 1997, 2).

Als Beispiel führt der Autor Schach an, dies lässt sich jedoch auch anhand der in Kapitel 2.1.2 vorgestellten Dienstleistung VI erläutern. Für den Service der VI ergibt sich z. B. die Aufgabe T, Ausfallzeiten von Bauteilen einer Anlage zu bestimmen. Dazu ist eine Erfahrung E bzgl. der Lebensdauer von Bauteilen einer Anlage erforderlich. Die korrekt eingeschätzte Lebensdauer zeigt die Leistungsmessung P an. Wenn nun ein Computer auf Grundlage der Erfahrungen (E) die Lebensdauer von Bestandteilen einer Anlage besser einschätzt und somit den Prozentsatz (P) erhöht, so hat im Hinblick auf die Lebensdauer eines Bestandteils einer Anlage (Aufgabe T) ein Lernprozess stattgefunden.

Die Literatur setzt oft die Begriffe ‚ML‘ und ‚Data Mining‘ gleich oder verknüpft diese (vgl. Witten et al. 2017, 4 ff.). Um für den Begriff ‚Data Mining‘ eine Definition festzulegen, orientiert sich diese Arbeit an nachfolgendem Ansatz nach Mitchell (1999). Demnach befasst sich der Bereich Data Mining mit der Frage, wie historische Daten am besten genutzt werden können, um allgemeine Regelmäßigkeiten aufzudecken und den Entscheidungsprozess zu verbessern (vgl. Mitchell 1999, 31). In der Literatur herrscht zudem Einigkeit darüber, dass aus historischen Daten Erkenntnisse zu gewinnen sind, um den Entscheidungsprozess zu verbessern.

Gemäß Russell und Norvig (2012) lassen sich vier Typen des maschinellen Lernens unterscheiden: überwachtes Lernen, nicht überwachtes Lernen, halb überwachtes Lernen sowie verstärkendes Lernen (vgl. Russell und Norvig 2012, 811).

Studien zeigen, dass sich VI anhand des überwachten Lernens umsetzen lässt (vgl. Cipollini et al. 2018, 274 ff.); (vgl. Kampker et al. 2018, 196 ff.). Da bereits industrielle Dienstleistungen am Beispiel von VI dargestellt wurden und sich das überwachende Lernen zur Umsetzung von VI heranziehen lässt, erfolgt nun eine kurze Einführung zum überwachten Lernen.

Überwachende Algorithmen werden zur Erkennung von Anomalien in Datensätzen eingesetzt. Bei der Anomalie-Erkennung handelt es sich um einen Prozess, im Zuge dessen Ausreißer im Datensatz gefunden werden. Als Ausreißer sind Datenobjekte zu verstehen, die sich von anderen Datenobjekten abheben und nicht dem erwarteten Verhalten in einem Datensatz entsprechen (vgl. Kotu und Deshpande 2015, 329). Zusammengefasst hat das überwachende Lernen die Aufgabe, aus Trainingsbeispielen, die sich aus Eingaben-Ausgaben-Paaren zusammensetzen, eine Funktion abzuleiten, die eine Zuweisung von Eingaben zu Ausgaben vornimmt (vgl. Russell und Norvig 2012, 811).

Das überwachte Lernen lässt sich anhand der Wetter-Problematik nach Witten et al. (2017) veranschaulichen. In diesem Beispiel ist eine Menge an Instanzen gegeben, die mit den Eingabe-Attributen Aussicht, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Windstärke in Beziehung stehen. Das Zielattribut stellt dabei die Information dar, ob es möglich ist, ein Spiel zu spielen oder nicht. Dies wird anhand einer Zuweisung gelernt, aus der die Gegebenheiten im Hinblick auf Aussicht, Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Windstärke abgeleitet werden. Auf Grundlage der Information ergibt sich die Empfehlung, ob der Spieler das Spiel aufnehmen sollte oder nicht (vgl. Witten et al. 2017, 10 ff.).

Das Problem des überwachten Lernens lässt sich gemäß Russell und Norvig (2012) formal wie nachfolgend beschrieben darstellen. Gegeben ist eine Trainingsmenge mit Beispielen, die jeweils aus den Eingabe-/Ausgabe-Paaren bestehen. Jedes wurde durch eine unbekannte Funktion generiert. Es ist eine Funktion zu finden, die sich der wahren Funktion annähert (vgl. Russell und Norvig 2012, 811).

In diesem Unterabschnitt wurde der Begriff ‚ML‘ abgegrenzt und gezeigt, dass insbesondere das überwachte Lernen für industrielle Dienstleistungen im Bereich VI von Bedeutung ist.

Die vorangegangenen Abschnitte umfassten die Definitionen zu Industrieunternehmen, industriellen Dienstleistungen sowie KI und ML. Wie in der Einleitung beschrieben, scheitern ML-Projekte oftmals aufgrund von fehlenden Prozessen oder Plänen. Inwiefern ein Mangel an Vorgehensmodellen zur Einführung von ML in industriellen Dienstleistungen besteht, untersucht der folgende Abschnitt.

2.3 Vorgehensmodelle zur Einführung von maschinellem Lernen in industriellen Dienstleistungen

Vorgehensmodelle sind insbesondere in der Informatik weit verbreitet. So finden in der Softwareentwicklung Wasserfallmodelle, iterative oder agile Ansätze Anwendung. Ein allgemeingültiges Vorgehensmodell zur Einführung von ML in industriellen Dienstleistungen liegt jedoch nicht vor. Der nachfolgende Abschnitt grenzt zunächst den Begriff ‚Vorgehensmodell‘ ab und stellt den Modelltyp vor, der für die Konzeption des Vorgehensmodells im Rahmen dieser Arbeit als Grundlage dient. Anschließend wird der aktuelle Forschungsstand zur Problemstellung aufgearbeitet.

2.3.1 Abgrenzung des Begriffs ‚Vorgehensmodell‘ und Auswahl des Modelltyps

Nach Schwarze (2000) beschreibt ein Vorgehensmodell die Art und Weise, nach der die Teilaufgaben einer Systementwicklung durchgeführt werden, wobei der Fokus vorwiegend auf die logische oder zeitliche Abfolge der Aufgaben gelegt wird (vgl. Schwarze 2000, 164).

Bei einem Vorgehensmodell handelt es sich zudem gemäß Heinrich, Roithmayr und Heinzl (2004) formal um den modellierten Prozess zur Lösung eines Problems (vgl. Heinrich, Roithmayr und Heinzl 2004, 704). Es ist daher sinnvoll, dass der Entwicklungsprozess in Projektphasen unterteilt wird. Diese Teilung in übersichtliche, zeitliche aufeinander folgende Teilaufgaben, die durch die Festlegung von Phasenzielen (sog. Meilensteinen) ermöglicht werden, verringert die Komplexität des IT-Projekts. Der Projektablauf lässt sich dabei in folgende fünf Phasen einteilen:

1. Vorphase: Durchführung von Vorbereitungen für das Projekt,
2. Analysephase: Analyse der Problemstellung,
3. Entwurfsphase: Konzeption eines Entwurfs,
4. Realisierungsphase: Umsetzung des Entwurfs,
5. Abschlussphase: Abschluss des Projektes (vgl. Stahlknecht und Hasenkamp 2005, 218)

In der Literatur werden zudem verschiedene Modelltypen von Vorgehensmodellen unterschieden. Die Konzeption des Vorgehensmodells in Kapitel 4.2 dieser Arbeit erfolgt auf Basis des evolutionären Modells und des Prototyping-Modells, die sich sinnvoll miteinander kombinieren lassen (vgl. Balzert 2008, 561 f.). Die Analyse von Kiebach et al. (1992) zu Projekten, die nach dem Prototyping-Modell vorgehen, zeigt, dass sich insbesondere in Verbindung mit einer evolutionären Entwicklungsstrategie, Vorteile für die Qualität des Produkts, aber auch des Entwicklungsprozesses ergeben (vgl. Kiebach et al. 1992, 77 f.).

Die Entscheidung für die Kombination dieser beiden Modelle liegt diesen Erkenntnissen zugrunde. Positiv für den Auftraggeber ist zudem, dass dieser in kurzer Zeit einsatzfähige Produkte bzw. Prototypen erhält, die sich testen und in enger Abstimmung mit den Entwicklern optimieren lassen. Die sich dadurch verändernden Anforderungen können in den nachfolgend beschriebenen Varianten eingebunden werden. Auftragnehmer und -geber arbeiten bis zur Erreichung eines Produktes, das die Anforderungen erfüllt, an dem Projekt (vgl. Balzert 2008, 530 ff.).

Ausgangspunkte des evolutionären Prozessmodells bilden die Kern- und Mussanforderungen des Auftraggebers, die den Produktkern definieren (Definieren Version X). Dieser wird anschließend stufenweise in mehreren Iterationen entwickelt (Entwerfen Version X). Nach erfolgreicher Entwicklung der Version folgt die Implementierung der Version (Implementieren Version X). Die erste einsatzfähige Version wird als Nullversion bezeichnet und gleichzeitig als Grundlage für die weiteren Modelle verwendet (Einsatz Version X). Abbildung 2 zeigt den Ablauf des evolutionären Prozessmodells. Es bietet in den Phasen ‚Entwerfen Version X´ und ‚Implementierung Version X´ Rückkopplungen zur vorhergegangenen Phase. Zudem können Rückkopplungen aus der ‚Phase Einsatz Version X´ direkt zur ersten Phase ‚Definieren Version X´ erfolgen (vgl. Balzert 2008, 529 f.).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Vereinfachte Darstellung des evolutionären Prozessmodells

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Balzert 2008, S. 530

Prototyping hingegen bedeutet, in einem frühen Stadium der Systementwicklung Modelle (Prototypen) des zukünftigen Anwendungssystems zu erstellen und damit zu experimentieren. Dieser Ansatz erfordert ein Verständnis der Softwareentwicklung und hat Auswirkungen auf den gesamten Entwicklungsprozess. Prototyping schafft auf der einen Seite eine Kommunikationsbasis für die Diskussion zwischen allen am Entwicklungsprozess beteiligten Gruppen. Auf der anderen Seite ermöglicht es eine Herangehensweise an das Software-Design basierend auf Experimenten und Erfahrungen (vgl. Budde 1992, 33 ff.).

Es lassen sich dabei mehrere Arten von Prototypen unterscheiden. Ein Ansatz, der sich auch für die Herausforderung dieser Arbeit eignet, ist der Prototyp im engeren Sinne. Dieser wird erstellt, um dem Auftraggeber bspw. die Benutzeroberfläche oder Teile der Funktionen vorzustellen. Es handelt sich dabei um ein provisorisches ablauffähiges Softwaresystem (vgl. Balzert 2008, 539).

Vorgehensmodelle beschreiben die Tätigkeiten, die im Rahmen eines Projekts durchzuführen sind und legen darüber hinaus den Projekt-Rahmen von der Vor- bis zur Abschlussphase fest. Dies gilt ebenso für Projekte, die die Einführung von ML in industriellen Dienstleistungen betreffen. Für diese Arbeit wird eine Kombination aus dem evolutionären und dem Ansatz des Prototyping als Grundlage für die Konzeption des Vorgehensmodells verwendet, da sich so die Qualität des Produkts verbessern lässt, was für die betrachtete komplexe Herausforderung erforderlich ist.

2.3.2 Relevante Vorgehensmodelle, Ansätze und Rahmenwerke im Forschungskontext

Dieser Unterabschnitt geht auf bereits bestehende Vorgehensmodelle zur Einführung von ML in industriellen Dienstleistungen ein. Ziel ist es zu begründen, inwiefern die Modelle für diese Arbeit von Relevanz sind. Eine detaillierte Beschreibung und Analyse der Modelle erfolgen in Kapitel 3.3.

In der Literatur liegen zwei für diese Arbeit relevante Ansätze zur Integration von ML bzw. KI in die industrielle Dienstleistung VI vor. Mushiri, Hungwe und Mbohwa (2017) stellen ein auf KI basierendes Modell zur Optimierung der herkömmlichen Instandhaltungsstrategien vor. Die Roadmap des Modells zeigt die einzelnen Schritte, die notwendig sind, um KI im Bereich der Instandhaltung zu integrieren: Optimierung der aktuellen Wartungsstrategien, Einführung VI, Implementierung VI, kontinuierliche Verbesserung (vgl. Mushiri, Hungwe und Mbohwa 2017, 1485 ff.). Nienke et al. (2017) hingegen gehen nach einem Reifegrad-Modell vor, um VI im Bereich des Energiemanagements 4.0 zu implementieren. Dabei werden die Schritte Sichtbarkeit, Transparenz, Prognostizierbarkeit und Selbstoptimierung vorgenommen (vgl. Nienke et al. 2017, 6).

Auch wenn sich diese beiden Modelle auf die Integration von KI in den Bereich Instandhaltung fokussieren, so umfassen die einzelnen Schritte dieser Modelle jedoch nicht die in Kapitel 2.3.1 vorgestellten Phasen eines Vorgehensmodells. Aus diesem Grund sollen im Folgenden Vorgehensmodelle betrachtet werden, die ebenfalls als Grundlage für die Konzeption eines Vorgehensmodells zur Einführung von ML in industriellen Dienstleistungen dienen können und zugleich die Phasen der Vor- bis Abschlussphase beinhalten. Dafür eignen sich Vorgehensmodelle aus dem Bereich der Dienstleistungsentwicklung und Modelle zum Bereich ML.

Zunächst werden bestehende Vorgehensmodelle zur Dienstleistungsentwicklung auf ihre Eignung geprüft. Die Studie von Freitag (2013) zeigt, dass die Kombination von Sachgütern und Dienstleistungen für produzierende Unternehmen zunehmend von Bedeutung ist, um neue Geschäfts- und Industriemodelle zu finden. Das vorgeschlagene Prozessmodell umfasst sieben Phasen, von der Service-Idee bis zur Service-Evolution. Zudem handelt es sich um ein Vorgehensmodell, das auf die Industrie ausgerichtet ist, um Dienstleistungen aufzubauen und einzuführen (vgl. Freitag 2013, 33 ff.). Dieses Modell ist somit von Relevanz für diese Arbeit, da industrielle Dienstleistungen betrachtet werden und sämtliche Schritte von der Idee bis zur Evolution enthalten sind, die sich den beschriebenen Phasen in Kapitel 2.3.1 zuordnen lassen.

Als weiteres Modell ist das Service-Engineering-Modell nach Luczak et al. (2006) für die Gestaltung von Industriedienstleistungen zu nennen. Das Modell umfasst die Dienstleistungsplanung, -konzeption und -umsetzung. Die Ergebnisse der einzelnen Phasen sind die formulierte und ausgewählte Dienstleistungsidee, das umsetzbare Gesamtkonzept, sowie die Einführung der neuen Dienstleistung (vgl. Luczak et al. 2006, 444 ff.). Das Modell ist ebenso auf die Entwicklung industrieller Dienstleistungen ausgerichtet und somit relevant für den Bereich der Dienstleistungsentwicklung.

Des Weiteren sollen Modelle zur Lösung von ML-Problemen herangezogen werden. Dazu zählt bspw. das Cross-Industry-Standard-Process-for-Data-Mining (CRISP-DM)-Modell nach Shearer (2000). Es organisiert den Data-Mining-Prozess in sechs Phasen: Geschäftsverständnis, Daten verstehen, Datenaufbereitung, Modellierung, Bewertung und Bereitstellung. Diese Phasen unterstützen Organisationen dabei, den Data-Mining-Prozess zu verstehen und eine Roadmap bereitzustellen, die bei der Planung und Durchführung eines Data-Mining-Projekts zu beachten ist (vgl. Shearer 2000, 13). Wie in Kapitel 2.2.2 erläutert, sind die Begriffe ‚ML‘ und ‚Data Mining‘ (DM) als Synonyme zu betrachten. Da in dieser Arbeit ein ML-Problem im Vordergrund steht und der CRISP-DM-Ansatz zur Lösung von ML-Problemen geeignet ist, ist dieser für die nachfolgende Konzeption eines Vorgehensmodells ebenfalls relevant.

Ein weiteres zu berücksichtigende Modell ist das Knowledge-Discovery-in-Databases (KDD)-Modell nach Fayyad, Piatetsky-Shapiro und Smyth (1996). Ziel des KDD-Modells ist es, durch Wissensentdeckung in Datenbanken Muster aus großen Datenmengen zu extrahieren. Diese Muster sollten über die Eigenschaften verfügen, für einen großen Teil der Daten gültig zu sein und bisher unbekannte, potenziell nützliche und leicht verständliche Beziehungen innerhalb der Datenbank zu beschreiben (vgl. Fayyad, Piatetsky-Shapiro und Smyth 1996, 40 f.). Das Modell filtert somit Zusammenhänge aus Datenmengen heraus, die für industrielle Dienstleistungen, in die ML integriert werden soll, von hoher Bedeutung sind. Die Ergebnisse der Auswertungen bieten so einen größeren Nutzen für die Dienstleistung. Aufgrund dieser Eigenschaften des Modells ist auch der KDD-Ansatz für diese Arbeit als relevant einzustufen. Tabelle 1 fasst die vorgestellten, für diese Arbeit relevanten Ansätze nochmals zusammen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Überblick über Forschungsarbeiten zum Forschungskontext

Quelle: Eigene Darstellung, 2018

Der Forschungsstand umfasst insgesamt sechs Ansätze, die für die vorliegende Arbeit relevant sind. Es liegt jedoch zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit kein Vorgehensmodell vor, dass die Herausforderung dieser Arbeit umfassend betrachtet. Dieser Abschnitt veranschaulichte darüber hinaus den Begriff ‚Vorgehensmodell‘ und legte einen Modelltyp für die Konzeption des Vorgehensmodells fest. Zusammengefasst enthält Kapitel 2 die Begriffsdefinitionen der Arbeit und zeigt den aktuellen Forschungsstand auf. Die vorgestellten Modelle in Kapitel 2.3.2 werden im folgenden Kapitel detailliert beschrieben, analysiert und verglichen, um eine Grundlage für die Konzeption eines Vorgehensmodells zu legen.

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Fin de l'extrait de 78 pages

Résumé des informations

Titre
Machine Learning in industriellen Dienstleistungen. Ein Vorgehensmodell
Université
University of Hagen  (Fakultät für Wirtschaftswissenschaft (WIWI))
Note
2,0
Auteur
Année
2018
Pages
78
N° de catalogue
V465505
ISBN (ebook)
9783668927711
ISBN (Livre)
9783668927728
Langue
allemand
Mots clés
KI, ML, Vorgehensmodell, Prozessmodell, Künstliche Intelligenz, Machine Learning, Predictive Maintenance
Citation du texte
Felix Lammers (Auteur), 2018, Machine Learning in industriellen Dienstleistungen. Ein Vorgehensmodell, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465505

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