„Und ich gestehe, dass diese ‚Nachrichten-Novellen‘, die plötzlich aus einem Schweigen von zweieinhalb Jahrhunderten aufgestanden sind, mehr Fasern in mir aufgerüttelt haben als das, was man gewöhnlich die Literatur nennt […]“. So äußert sich Michel Foucault in „Das Leben der infamen Menschen“ über die Ruhmlosen, die Ausgeschlossenen und nimmt diese in seinen Diskurs auf. Um Ausschluss, Belebung und Einschluss geht es auch bei Baudelaire in vielen Gedichten von Les Fleurs du mal. Foucault hatte vor, Dokumente aus dem französischen Internierungswesen des 17. und 18. Jahrhunderts in einer Anthologie zusammenstellen: „Einzigartige Leben, die - ich weiß nicht durch welchen Zufall - befremdende Gedichte geworden sind: dies wollte ich in einer Art von Herbarium zusammentragen.“
Dieser Satz könnte auch im Vorwort von Les Fleurs du mal stehen. Hier findet sich ebenfalls eine Art Herbarium, eine Sammlung von Gedichten, die als moralisch verwerflich bezeichnet wurden, bestimmte Düfte verbreiten und andere angeblich krank machen können. Um eine Ausbreitung solcher Düfte zu vermeiden, erfolgte ein Ausschluss, der im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit steht. Wie nimmt die Dichtung Baudelaires die Ausgeschlossenen, die Verstoßenen in den Diskurs wieder auf? Die Grundfrage lautet: Ist der Topos des Ausschlusses ein Paradoxon, weil er gleichsam einschließt?
Die Apostrophe ist ein rhetorisches Mittel zur Wiederbelebung, zur Anrede von Abwesenden und Ausgeschlossenen. Barbara Johnson behauptet, die Apostrophe habe etwas mit Mutterschaft zu tun. Ist dies zu belegen? Sind auch die Prozessakten als Apostrophe und als eine „verdeckte Operation“ im Sinne von Johnson zu sehen? Der Prozess, in dem Baudelaire wegen Gotteslästerung und Beleidigung der öffentlichen Moral angeklagt wurde, endete mit dem Ausschluss von sechs Gedichten. Im dritten Teil dieser Arbeit wird dargelegt, warum das Gedicht „Lesbos“ eine Umkehr des Ausschlusses darstellt. Interessant ist, herauszufinden, ob Struktur und Inhalt einander wiederspiegeln und welche Bedeutung Sappho und die lesbische Liebe haben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Das Infame in der Dichtung
- Der Topos des Ausschlusses bei Baudelaire
- Die Apostrophe als spezielle Form der Rhetorik
- Barbara Johnson: Apostrophe und Mutterschaft
- Moesta et errabunda: die Apostrophe wird selbst Thema
- Der Prozess als Apostrophe
- Die Anklage: ein „mal entendu“
- Ausschluss, Belebung und Einschluss
- Lesbos: Umkehr des Ausschlusses
- Strukturelle Rückkehr zum Anfang
- Sappho und das „noir mystère“
- Die Apostrophe als spezielle Form der Rhetorik
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht den Topos des Ausschlusses in Baudelaires Gedichten, insbesondere in Les Fleurs du mal. Sie analysiert, wie Baudelaire Ausgeschlossene und Verstoßene in seinen poetischen Diskurs integriert und ob der Ausschluss selbst ein Paradoxon darstellt, indem er gleichzeitig einschließt.
- Die Apostrophe als rhetorisches Mittel der Wiederbelebung und Anrede Ausgeschlossener.
- Die Rolle des Prozesses gegen Baudelaire und der daraus resultierenden Zensur.
- Die Analyse des Gedichts „Lesbos“ als Beispiel für eine Umkehrung des Ausschlusses.
- Das Verhältnis von Struktur und Inhalt in Baudelaires Gedichten.
- Die Bedeutung von Sappho und lesbischer Liebe im Kontext des Ausschlusses.
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Das Infame in der Dichtung: Die Einleitung stellt den Kontext der Arbeit dar und führt in die Thematik des Ausschlusses und der Wiederaufnahme Ausgeschlossener in den Diskurs ein. Sie bezieht sich auf Michel Foucaults Werk „Das Leben der infamen Menschen“ und dessen Fokus auf die Ruhmlosen und Ausgeschlossenen. Die Arbeit untersucht, wie Baudelaire in Les Fleurs du mal mit dem Thema des Ausschlusses umgeht und ob dieser Ausschluss durch die poetische Form ein Paradoxon darstellt, das gleichzeitig Einschluss bedeutet. Die zentrale Forschungsfrage wird formuliert: Ist der Topos des Ausschlusses ein Paradoxon, weil er gleichsam einschließt?
Der Topos des Ausschlusses bei Baudelaire: Dieses Kapitel bildet den Hauptteil der Arbeit und analysiert verschiedene Aspekte des Themas des Ausschlusses bei Baudelaire. Es untersucht die Apostrophe als rhetorisches Mittel, die Rolle des Prozesses gegen Baudelaire, und das Gedicht „Lesbos“ als Beispiel für eine Umkehrung des Ausschlusses. Es werden verschiedene theoretische Ansätze, insbesondere die Arbeiten von Barbara Johnson zur Apostrophe, herangezogen, um die komplexe Beziehung zwischen Ausschluss und Einschluss in Baudelaires Werk zu beleuchten. Die Kapitel untersuchen die verschiedenen Facetten des Ausschlusses, seine Wirkung auf die Dichtung und seine paradoxe Natur.
Schlüsselwörter
Charles Baudelaire, Les Fleurs du mal, Apostrophe, Ausschluss, Einschluss, Paradox, Rhetorik, Prozess, Zensur, Sappho, lesbische Liebe, Barbara Johnson, Michel Foucault.
Häufig gestellte Fragen zu: Analyse des Ausschlusses in Baudelaires "Les Fleurs du Mal"
Was ist der zentrale Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit analysiert den Topos des Ausschlusses in Charles Baudelaires Gedichten, insbesondere in "Les Fleurs du Mal". Sie untersucht, wie Baudelaire Ausgeschlossene und Verstoßene in seinen poetischen Diskurs integriert und ob der Ausschluss selbst ein Paradoxon darstellt, indem er gleichzeitig einschließt.
Welche Methoden werden in der Analyse verwendet?
Die Analyse konzentriert sich auf die Apostrophe als rhetorisches Mittel der Wiederbelebung und Anrede Ausgeschlossener. Sie untersucht die Rolle des Prozesses gegen Baudelaire und der daraus resultierenden Zensur. Das Gedicht "Lesbos" dient als Beispiel für eine Umkehrung des Ausschlusses. Die Arbeit bezieht theoretische Ansätze, insbesondere von Barbara Johnson zur Apostrophe, mit ein, um die komplexe Beziehung zwischen Ausschluss und Einschluss zu beleuchten.
Welche konkreten Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt folgende Themen: Die Apostrophe als rhetorisches Mittel, die Rolle des Prozesses gegen Baudelaire und die daraus resultierende Zensur, die Analyse des Gedichts "Lesbos", das Verhältnis von Struktur und Inhalt in Baudelaires Gedichten, die Bedeutung von Sappho und lesbischer Liebe im Kontext des Ausschlusses und die paradoxe Natur des Ausschlusses.
Welche Schlüsselfiguren und Werke werden erwähnt?
Die Arbeit bezieht sich auf Charles Baudelaire ("Les Fleurs du Mal"), Barbara Johnson (zur Apostrophe), Michel Foucault ("Das Leben der infamen Menschen") und Sappho.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit und worum geht es in diesen?
Die Arbeit besteht aus einer Einleitung, die den Kontext und die Forschungsfrage ("Ist der Topos des Ausschlusses ein Paradoxon, weil er gleichsam einschließt?") darstellt. Das Hauptkapitel analysiert verschiedene Aspekte des Ausschlusses bei Baudelaire (Apostrophe, Prozess, "Lesbos"). Die Arbeit schließt mit einem Fazit.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Charles Baudelaire, Les Fleurs du mal, Apostrophe, Ausschluss, Einschluss, Paradox, Rhetorik, Prozess, Zensur, Sappho, lesbische Liebe, Barbara Johnson, Michel Foucault.
Welche Forschungsfrage wird gestellt?
Die zentrale Forschungsfrage lautet: Ist der Topos des Ausschlusses ein Paradoxon, weil er gleichsam einschließt?
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- Birgit Kaltenthaler (Author), 2019, Der Topos des Ausschlusses bei Baudelaire, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/465590