Im Jahr 1914 erschienen in vier Folgen in der Nouvelle Revue Française die « Caves du Vatican » von André Gide unter der Gattungsbezeichnung der ‘sotie’. Die spätmittelalterlich humoristische Dramenform, die diese Bezeichnung geprägt hat, findet ihren Anknüpfungspunkt bei Gide in den gesellschaftskritischen und satirischen Tendenzen. In einem Moment der politischen, ökonomischen und religiösen Krise, die von einem Wertewandel erfasst wird, soll das dabei entstehende „Chaos“ in der Stilhaltung der sotie komisch kompensiert werden. Der Titel weist bereits auf ein angelegtes Spannungsverhältnis zwischen dem Heiligen und dem Profanen hin. Die Caves symbolisieren die Nachtseiten des Vatikans, d. h. die verborgenen Auswirkungen, die die katholische Weltanschauung bedingt. Inwiefern deren Darstellung nun dem beschriebenen Modell der sotie entspricht, soll im Laufe der Arbeit untersucht werden. Im zweiten Kapitel wird die Beschreibung der verschiedenen religiösen Elemente und Anschauungen zu einer Analyse ihrer Darstellung in den Caves du Vatican führen und deren jeweilige Funktion im Hinblick auf den Modus der sotie beleuchtet werden. Die religiöse Kritik soll im Rahmen der histoire interpretiert und auch auf der sekundären Ebene des discours untersucht werden. Die Ergebnisse werden in dem Kontext des entworfenen Mikrokosmoses der Caves du Vatican als monde subverti charakterisiert und im dritten Kapitel geordnet. Die Frage nach der Auflösung der sotie wird am Ende der Arbeit zur Diskussion gebracht und soll zu einer abschließenden Bewertung der satirischen Glaubenskritik im Hinblick auf die ironische Verknüpfung mit dem Textganzen führen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Darstellung religiöser Elemente im Kontext des Romans und der Zeit der Jahrhundertwende
- 2.1 Anthime Armand-Dubois versus das Universum des Glaubens
- 2.2 Biblische Anspielungen und Umkehrungen
- 2.3 Lafcadio und der acte gratuit
- 3. Satirische Glaubenskritik und ihre Funktion
- 3.1 Inversionen und korrosiver Humor
- 3.2 Das Spiel mit der Wahrscheinlichkeit und die Position der Erzählinstanz
- 3.3 Kritik ohne Alternative?
- 4. Bibliographie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht André Gides "Les Caves du Vatican" im Hinblick auf seine satirische Glaubenskritik und die Verwendung der "sotie" als literarische Form. Sie analysiert die Darstellung religiöser Elemente im Kontext des Romans und der Jahrhundertwende, beleuchtet die ironische Kritik an Glaubenssystemen und untersucht die Funktion der "sotie" im Roman.
- Die "sotie" als literarische Form und ihre Anwendung in "Les Caves du Vatican"
- Darstellung religiöser Elemente und Anschauungen im Roman
- Satirische Kritik an Glauben und gesellschaftlichen Normen
- Die Ambivalenz der Figuren und ihre Rolle in der Erzählung
- Der Einfluss des historischen Kontextes der Jahrhundertwende auf den Roman
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema ein und beschreibt den Roman "Les Caves du Vatican" als "sotie," eine spätmittelalterliche Dramenform, die sich bei Gide in gesellschaftskritischen und satirischen Tendenzen manifestiert. Sie hebt das Spannungsverhältnis zwischen Heiligem und Profanem hervor, welches durch den Titel bereits angedeutet wird. Die Arbeit kündigt an, die Darstellung religiöser Elemente zu analysieren und deren Funktion im Hinblick auf die "sotie" zu beleuchten. Die religiöse Kritik soll sowohl auf der Ebene der Geschichte als auch des Diskurses untersucht werden.
2. Darstellung religiöser Elemente im Kontext des Romans und der Zeit der Jahrhundertwende: Dieses Kapitel situiert die Handlung von "Les Caves du Vatican" historisch im Kontext des Pontifikats von Leo XIII. und der gesellschaftlichen und religiösen Umbrüche der Jahrhundertwende. Es analysiert den Einfluss des historischen Kontextes auf die fiktive Erzählung, indem es die historische Grundlage der Intrige des Protos beleuchtet und die gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklungen der Zeit diskutiert. Die Gegenbewegung zum Positivismus und der "renouveau catholique" werden als wichtiger Hintergrund für die Darstellung der religiösen Anschauungen im Roman beschrieben. Der Einfluss von Gides protestantisch-calvinistischer Herkunft auf sein religiöses Denken wird ebenfalls erörtert.
2.1 Anthime Armand-Dubois versus das Universum des Glaubens: Dieser Abschnitt konzentriert sich auf die zentrale Figur Anthime Armand-Dubois, dessen Doppelname bereits seine Ambivalenz zwischen Glauben und Unglauben symbolisiert. Die Beschreibung von Anthime als Freimaurer und gleichzeitig als nach Rom "berufene" Person verdeutlicht seine ambivalente Position. Der Vergleich mit seinem christgläubigen Schwager Julius unterstreicht diese Ambivalenz und zeigt Anthimes Beharren auf individueller Glaubensfreiheit ("libre pensée"). Der Kommentar des Erzählers relativiert die scheinbare Klarheit der Situation und verstärkt den Eindruck einer komplexen, mehrschichtigen Erzählung.
Schlüsselwörter
Les Caves du Vatican, André Gide, Sotie, Satirische Glaubenskritik, Jahrhundertwende, Religiöse Elemente, Ironie, Positivismus, Katholizismus, Ambivalenz, Mikrokosmos, Histoire, Discours.
Häufig gestellte Fragen zu André Gides "Les Caves du Vatican"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert André Gides Roman "Les Caves du Vatican" im Hinblick auf seine satirische Glaubenskritik und die Verwendung der "sotie" als literarische Form. Sie untersucht die Darstellung religiöser Elemente im Kontext des Romans und der Jahrhundertwende und beleuchtet die ironische Kritik an Glaubenssystemen.
Welche Themen werden im Roman behandelt?
Der Roman behandelt die Darstellung religiöser Elemente und Anschauungen, satirische Kritik an Glauben und gesellschaftlichen Normen, die Ambivalenz der Figuren und deren Rolle in der Erzählung sowie den Einfluss des historischen Kontextes der Jahrhundertwende.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: 1. Einleitung, 2. Darstellung religiöser Elemente im Kontext des Romans und der Zeit der Jahrhundertwende (mit den Unterkapiteln 2.1 Anthime Armand-Dubois versus das Universum des Glaubens, 2.2 Biblische Anspielungen und Umkehrungen, 2.3 Lafcadio und der acte gratuit), 3. Satirische Glaubenskritik und ihre Funktion (mit den Unterkapiteln 3.1 Inversionen und korrosiver Humor, 3.2 Das Spiel mit der Wahrscheinlichkeit und die Position der Erzählinstanz, 3.3 Kritik ohne Alternative?) und 4. Bibliographie.
Was ist eine "sotie" und welche Rolle spielt sie im Roman?
Die "sotie" ist eine spätmittelalterliche Dramenform, die sich bei Gide in gesellschaftskritischen und satirischen Tendenzen manifestiert. Die Arbeit untersucht die Anwendung dieser Form in "Les Caves du Vatican" und ihre Funktion in der Darstellung der religiösen Kritik.
Welche zentrale Figur wird analysiert?
Ein Schwerpunkt liegt auf der Analyse der zentralen Figur Anthime Armand-Dubois, dessen Doppelname seine Ambivalenz zwischen Glauben und Unglauben symbolisiert. Seine ambivalente Position als Freimaurer und gleichzeitig als nach Rom "berufene" Person wird im Detail untersucht.
Welcher historische Kontext wird berücksichtigt?
Die Arbeit situiert die Handlung von "Les Caves du Vatican" historisch im Kontext des Pontifikats von Leo XIII. und der gesellschaftlichen und religiösen Umbrüche der Jahrhundertwende. Der Einfluss des historischen Kontextes, einschließlich des "renouveau catholique" und der Gegenbewegung zum Positivismus, auf die Darstellung religiöser Anschauungen wird analysiert.
Welche Schlüsselwörter charakterisieren die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Les Caves du Vatican, André Gide, Sotie, Satirische Glaubenskritik, Jahrhundertwende, Religiöse Elemente, Ironie, Positivismus, Katholizismus, Ambivalenz, Mikrokosmos, Histoire, Discours.
Wie wird die religiöse Kritik im Roman dargestellt?
Die religiöse Kritik wird sowohl auf der Ebene der Geschichte als auch des Diskurses untersucht. Die Arbeit analysiert die ironische Kritik an Glaubenssystemen und beleuchtet die Funktion der "sotie" im Roman in diesem Zusammenhang.
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- Anita Glunz (Author), 2004, André Gide, Les Caves du Vatican - eine sotie des Glaubens?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46626