Das Verhalten von Anlegern auf Kapitalmärkten ist traditionell durch die neoklassische Kapitalmarkttheorie idealtypisch beschrieben, definiert und postuliert worden. Diese ist durch vollkommene Märkte und rational handelnde Individuen gekennzeichnet. Mit der Zeit häuften sich allerdings Zweifel, ob die neoklassische Theorie wirklich geeignet ist, das tatsächlich beobachtbare Verhalten zu erklären. Angriffspunkt für Kritik waren zunächst die Annahmen, welche als unrealistisch bezeichnet wurden. Verteidiger der Annahmen, wie Friedman, machten darauf aufmerksam, dass eine Theorie nicht an ihren Annahmen gemessen werden sollte, sondern an ihrer Eignung, die Realität zu beschreiben.
Empirische Beobachtungen der letzten Jahrzehnte belegen eindeutig, dass das Anlegerverhalten auf realen Kapitalmärkten teilweise in scharfem Kontrast zum traditionellen Postulat steht und nicht hinreichend mit dem neoklassischen Instrumentarium erklärt werden kann. Um eine größere Realitätsnähe zu erzeugen wurden zunächst Modelle entwickelt, die dazu gedacht waren, die neoklassische Sicht zu erweitern, indem sie verschiedene Prämissen des vollkommenen Kapitalmarktes (z. B. hinsichtlich Steuern, Transaktionskosten…) aufhoben. Diese Ansätze werden in der vorliegenden Arbeit weitgehend unter den externen Ursachen,die das Anlegerverhalten beeinflussen, subsumiert. Es handelt sich dabei um erste Schritte hin zu einer stärker positiv ausgerichteten Sichtweise, wobei aber die „sensible“ Annahme der Rationalität noch nicht „angetastet“ wird. Des Weiteren wurden deskriptive (Gegen-)Theorien entwickelt um reales Verhalten greifbar zu machen. Diese berücksichtigen Erkenntnisse aus der Psychologie und Soziologie zum menschlichen Verhalten bzw. Entscheidungsverhalten. Die Forschungsrichtung, die sich genau dadurch auszeichnet, hat sich unter dem Namen Behavioral Finance etabliert. Im Mittelpunkt dieser neuen Disziplin steht die unvollkommene Rationalität von Menschen und deren Implikationen auf den Kapitalmarkt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 2. Die Neoklassische Kapitalmarkttheorie – Zentrale Annahmen und Aussagen
- 2.1 Homo oeconomicus – der rational wirtschaftende Mensch
- 2.1.1 Vollkommene Rationalität
- 2.1.2 Axiome des rationalen Handelns
- 2.1.3 Präferenzen
- 2.1.4 Nutzenfunktion
- 2.2 Kapitalmarkttheorie (i. e. S.)
- 2.2.1 Das Capital Asset Pricing Model (CAPM)
- 2.2.2 Die Hypothese der Informationseffizienz
- 3. Entwicklung und Etablierung einer „Positiven“ Betrachtungsweise
- 3.1 Externe Ursachen und dadurch induziertes Verhalten
- 3.1.1 Transaktionskosten
- 3.1.2 Steuern
- 3.1.3 Marktsegmentierung
- 3.1.4 Weitere Einflussfaktoren
- 3.1.5 Abgrenzungsschwierigkeiten
- 3.2 Intrinsische Ursachen/Beweggründe und dadurch induziertes Verhalten
- 3.2.1 CAPM Erweiterungen
- 3.2.2 Deskriptive Entdeckungen und Erklärungsnöte der Neoklassik
- 3.2.2.1 Quasi-Rationalität
- 3.2.2.2 Axiome oder heuristics and biases?
- 3.2.2.2.1 Paradoxa
- 3.2.2.2.2 Übersicht der psychologischen Effekte
- 3.2.2.2.3 Evolution und Quasi-Rationalität
- 3.2.2.2.4 Spezifische Heterogenitäten
- 3.2.2.3 Ausprägungen der Präferenzen
- 3.2.2.3.1 Relative Bewertung und Zeitinkonsistenz
- 3.2.2.3.2 Fairness
- 3.2.2.3.3 Spezifische Heterogenitäten
- 3.2.2.4 Die „Nutzenfunktion“ der Prospect Theory
- 3.2.2.5 Arten der Erwartungsbildung
- 3.2.3 Die Behavioral Portfolio Theory und das Diversification Puzzle
- 3.2.4 Von den Anomalien zur Preisbildung: Noise Trading-Modelle
- 3.2.4.1 Quasi-rationales Noise Trading
- 3.2.4.1.1 Gruppen-interaktives Verhalten
- 3.2.4.1.1.1 Unbestimmtes Noise Trading Verhalten
- 3.2.4.1.1.1.1 Von Röckemann eingeordnete Ansätze
- 3.2.4.1.1.1.2 Neu zugeordnete Ansätze
- 3.2.4.1.1.2 Positive Feedback Trading
- 3.2.4.1.1.2.1 Von Röckemann eingeordnete Ansätze
- 3.2.4.1.1.2.2 Neu zugeordnete Ansätze
- 3.2.4.1.1.3 Overconfidence
- 3.2.4.1.2 Individuell anomales Verhalten
- 3.2.4.1.2.1 Von Röckemann eingeordnete Ansätze
- 3.2.4.1.2.2 Neu zugeordnete Ansätze
- 3.2.4.2 Absichtliches (rationales?) Noise Trading
- 4. Socially Responsible Investment (SRI)
- 4.1 Begriffsbestimmung und Erscheinungsformen
- 4.2 Der Anlegertyp
- 4.3 Performance: Neoklassische Prophezeiungen und Empirie
- 4.4 Erklärungsansätze zur Kursbildung
- 4.4.1 Marktsegmentierung und SRI
- 4.4.2 Noise Trading und SRI
- Das Verhalten von Anlegern und seine Abweichung von neoklassischen Annahmen
- Die Bedeutung moralischer Präferenzen bei Investitionsentscheidungen
- Psychologische Faktoren, die das Anlegerverhalten beeinflussen
- Die Auswirkungen von „Noise Trading“ auf die Kapitalmärkte
- Die Entwicklung und Bedeutung von „Socially Responsible Investment“ (SRI)
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit dem Verhalten von Anlegern auf Kapitalmärkten. Dabei steht die Frage im Vordergrund, inwieweit sich das Verhalten von Anlegern von den Annahmen der neoklassischen Kapitalmarkttheorie unterscheidet. Die Arbeit untersucht die Rolle von moralischen Präferenzen und psychologischen Faktoren bei der Entscheidungsfindung von Anlegern.
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 1: Einführung
Die Einleitung stellt die Thematik der Diplomarbeit vor und erläutert die Motivation für die Forschungsarbeit. Sie gibt einen Überblick über den Aufbau der Arbeit und die behandelten Themengebiete.
Kapitel 2: Die Neoklassische Kapitalmarkttheorie – Zentrale Annahmen und Aussagen
Dieses Kapitel präsentiert die zentralen Annahmen und Aussagen der neoklassischen Kapitalmarkttheorie. Es werden wichtige Konzepte wie der „Homo oeconomicus“ und das Capital Asset Pricing Model (CAPM) erläutert und die Hypothese der Informationseffizienz behandelt.
Kapitel 3: Entwicklung und Etablierung einer „Positiven“ Betrachtungsweise
In Kapitel 3 werden alternative Modelle und Theorien vorgestellt, die das Verhalten von Anlegern besser erklären können. Es werden externe Einflussfaktoren wie Transaktionskosten, Steuern und Marktsegmentierung betrachtet, sowie intrinsische Ursachen und Beweggründe analysiert. Der Fokus liegt auf den Konzepten der Quasi-Rationalität und der Prospect Theory.
Kapitel 4: Socially Responsible Investment (SRI)
Dieses Kapitel beleuchtet das Konzept des „Socially Responsible Investment“ (SRI). Es werden die Begriffsbestimmung, Erscheinungsformen und der Anlegertyp sowie die Performance und Erklärungsansätze zur Kursbildung im Kontext von SRI diskutiert.
Schlüsselwörter
Anlegerverhalten, Kapitalmärkte, Neoklassische Kapitalmarkttheorie, Homo oeconomicus, Rationalität, CAPM, Informationseffizienz, Psychologische Faktoren, Moralisches Verhalten, Noise Trading, Socially Responsible Investment (SRI), Marktsegmentierung, Prospect Theory
- Citation du texte
- Thomas Kugler (Auteur), 2005, Anlegerverhalten auf Kapitalmärkten unter besonderer Berücksichtigung moralisch motivierter Präferenzen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46668