Zusammenfassung für die Vorbereitung auf das Abitur im Leistungskurs Deutsch

Spracherwerbstheorien, Sprachphilosophien, Interpretationshilfen relevanter Werke


Abstract, 2019

47 Pages, Grade: 15,0

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

1 Inhaltsfeld Sprache
1.1 Sprachursprungstheorien
1.1.1 Süßmilch (1756): Göttlicher Ursprung der Sprache
1.1.2 Stufen der Sprachentstehung nach Condillac
1.1.3 Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache
1.2 Spracherwerbstheorien
1.2.1 Nativismus (Noam Chomsky & Steven Pinker)
1.2.2 Behaviorismus (Skinner)
1.2.3 Interaktionismus (Bruner)
1.3 Stufen des kindlichen Spracherwerbs
1.4 Arten des Spracherwerbs
1.5 Sprachgeschichtlicher Wandel
1.5.1 Ursachen des Sprachwandels
1.5.2 Arten des Bedeutungswandels
1.5.3 Aktuelle Veränderungsprozesse im Deutschen
1.6 Mehrsprachigkeit
1.6.1 Code-Switching
1.7 Sprachvarietäten und ihre gesellschaftliche Bedeutung
1.8 Verhältnis von Sprache, Denken und Wirklichkeit
1.8.1 Sprache als Weltansicht (Wilhelm von Humboldt)
1.8.2 Die Sapir-Whorf-Hypothese
1.8.3 Die Sprachphilosophie Jean Piagets
1.8.4 Der linguistische Universalismus

2 Inhaltsfeld Texte
2.1 Faust I – Der Tragödie erster Teil
2.1.1 Johann Wolfgang von Goethe Kurzbiographie
2.1.2 Der historische Faust
2.1.3 Personenkonstellation
2.1.4 Handlung/ Szenenübersicht
2.1.5 Aufbau des Dramas
2.1.6 Charakterisierung
2.1.7 Rolle der Frau im 18. Jahrhundert am Beispiel Fausts
2.1.8 Menschenbilder: Gott und Mephisto
2.1.9 Wette/Pakt
2.1.10 Die Gretchen Frage
2.2 Die Marquise von O
2.2.1 Inhalt
2.2.2 Charakterisierung
2.2.3 Traumdeutung – Schwan Symbol
2.2.4 Interpretation und Analyse
2.2.5 Die Identitätskrise der Marquise
2.2.6 Psychoanalytische Anmerkungen
2.2.7 Stil und Sprache
2.3 Der Sandmann
2.3.1 Inhalt
2.3.2 Charakterisierung/ Figurenkonstellation
2.3.3 Motive
2.4 Das Haus in der Dorotheenstraße
2.4.1 Inhalt
2.4.2 Aufbau der Novelle
2.4.3 Charakterisierung
2.4.4 Inter pre tationsansätze

1 Inhaltsfeld Sprache

1.1 Sprachursprungstheorien

1.1.1 Süßmilch (1756): Göttlicher Ursprung der Sprache

- Alle Sprachen haben ihre Regeln der Vollkommenheit und Ordnung
- Die Sprache ist nicht durch einen Zufall oder vom Menschen selbstgeschaffen, sondern ist das Werk Gottes, das Werk der Vernunft (Gottes Geschenk)
- Die Entstehung von Sprache setzt Vernunft und Klugheit voraus.

1.1.2 Stufen der Sprachentstehung nach Condillac

- Schreie und Bewegungen sind mit jenem Gefühl verbunden, durch das sie entstanden sind (§2)
- Schreie und Bewegungen dienen reflektiert zur Mitteilung von Gefühlen: Durch Schreie untermalte Gebärdensprache als Ursprungssprache (§3/§5)
- Parallele Weiterentwicklung von Verstand und Sprache (§4)
- Aus natürlichen Schreien werden durch Verweis auf Dinge Namen (willkürlich) gebildet (§6) (Konventionstheorie)
- Die neu gebildete Lautsprache setzt sich gegenüber der Gebärdensprache durch (§8)

1.1.3 Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache

- Hauptthese: Sprache ist daraus entstanden, dass der Mensch seine Umwelt reflektiert. – Die intrinsische Fähigkeit und Bestrebung des Menschen seine Wahrnehmungen und Eindrücke zu reflektieren, also zu erkennen, selektieren und festzuhalten, sind zum Ausgangspunkt für die menschliche Sprache geworden.
- Die Sprache ist aus der Onomatopoesie entstanden. – Bei der Wahrnehmung von signifikanten Lauten und Geräuschen, besinnt sich die „Seele an eine [deutliche] Idee“. Oft sind, laut Herder, die Laute der Eindruck, der am stärksten „hervorsprang“. Die Nachahmung von Naturlauten hat verbale Kommunikation hervorgebracht (heute auch: Wau-Wau- oder Ding-Dong-Theorie).
- Der Mensch hat eine wache Seele und ist so in der Lage sein Umfeld objektiv zu betrachten und zu reflektieren. – Der Mensch wird nicht wie die Tiere nur von seinen Instinkten und Trieben geleitet, sondern kann sich bewusst dazu entscheiden etwas zu betrachten.
- Der Mensch braucht keine kommunizierende Umgebung oder die Fähigkeit Laute zu bilden, um Sprache zu entwickeln. Sprache findet vor allem innerseelisch statt. - Selbst ein Stummer kann Sprache bilden. Ein einzelner Mensch auf einer einsamen Insel würde laut Herder auch Sprache entwickeln (Inseltheorie). Er braucht dazu nur die Fähigkeit die lebende Natur wahrzunehmen.
- „Der Mensch erfand sich selbst die Sprache.“ – Die menschliche Sprache zeugt von Menschlichkeit und kann deshalb nicht von einem übernatürlichen Wesen dem Menschen gegeben sein. (-> „Bau und Grundriss, ja selbst der ganze Grundstein dieses Palastes verrät Menschheit.“)
- Herder als „Kind seiner Zeit“, d.h. der Aufklärung, des Sturm und Drangs und der sich ankündigen Klassik: großes idealistisches Menschenbild (Mensch als Krone der Schöpfung), der Mensch erschafft sich Sprache Kraft seines Menschengenius, die Natur als Lehrmeister (-> weist ihn als Stürmer und Dränger aus)
- Kreationistische Darstellung/religiöse Konnotation: Der Mensch ist als vollkommenes Wesen auf die Welt gekommen und hat sich nicht erst entwickelt -> noch nicht ganz von der Religion gelöst (typisch Sturm und Drang)
- Herder sieht die Sprache als kreativen, ästhetischen Akt.

1.2 Spracherwerbstheorien

1.2.1 Nativismus (Noam Chomsky & Steven Pinker)

- gewissen Sprachkenntnisse kommen von innen, sind angeboren
- ein Input muss vorhanden sein, damit Sprache sich einstellt
- Output ist größer als Input
- Vorwissen über Sprache genetisch angelegt à ansonsten wäre solch ein schnelles, müheloses und sicheres Erlernen der Sprache nicht möglich
- Input wäre viel zu dürftig, zu verwirrend und zu unzuverlässig, als dass ein Kind ihm ein so hochkomplexes Regelwerk entnehmen könnte (Grammatik) à Grundregeln müssen angeboren sein

- Chomsky: Mensch verfügt über ein eigenes Sprachorgan à linke Großhirnrinde, ein Areal um das Borca-Zentrum, dessen Ausfall die Sprachproduktion nachweislich zum Erliegen bringt à dieses Sprachorgan besitzt nur der Mensch, es erzeugt die Syntax der menschlichen Sprache à angeborene Universalgrammatik
- rekursive Regel machen eine Sprache kreativ à Syntax der sprechenden Menschenaffen ist rudimentär, dass es überhaupt keinen Zweck hat, darin nach etwaigen rekursiven Regeln zu suchen
- extreme Position des Nativismus: Grundregeln der Grammatik seinen in einem Sprachorgan angelegt, Spracherwerb sei ein langsames Reifen dieser Regel; sprachspezifisch, also nur auf das Verständnis und die Produktion von Sprache zugeschnitten

1.2.2 Behaviorismus (Skinner)

- alles Leistungen sind auf Lernvorgänge zurückzuführen à alles wird durch Lernen erworben
- nichts ist ererbt außer ein universaler Lernmechanismus
- Kinder lernen Sprache, weil sie Sprache von Erwachsenen imitieren
- richtige Imitationen werden belohnt und dadurch verstärkt
- Selbstverstärkung durch den größeren Erfolg, den sie bescheren

1.2.3 Interaktionismus (Bruner)

- Sprache, in der Erwachsene mit Kindern kommunizieren, unterscheidet sich konsequent und systematisch von der Erwachsenensprache
- Sprache zwischen Erwachsenen und Kindern ist in ihrem Komplexitätsgrad auf das Niveau des Kindes abgestimmt
- vereinfachte Sprache abgestimmt auf Lernvermöge und stellt das Kind nicht vor unmögliche Aufgaben
- Spracherwerb vollzieht sich in der Interaktion zwischen Mutter und Kind dem Kind wir die Sprache angeboten und abgefordert, die auf die jeweilige Verarbeitungskapazität seines Gehirns abgestimmt ist
- Nachweisbarkeit dieser Theorie ist nicht möglich, da man überprüfen müsste, ob ein Kind ebenso schnell und leicht eine Sprache erwirbt, wenn es ausschließlich Erwachsenensprache hört

1.3 Stufen des kindlichen Spracherwerbs

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.4 Arten des Spracherwerbs

simultan: Kind lernt auf natürliche Art und Weise gleichzeitig zwei oder mehrere Sprachen

sukzessiv: unterschiedliche Sprachen werden zu unterschiedlichen Zeiten erworben

natürlich: kein Sattfinden von formalem Unterricht

gesteuert: eine Sprache wird im Unterricht erlernt

symmetrisch: mehrere Sprachen werden gleich gut beherrscht

asymmetrisch: mehrere Sprachen werden unterschiedlich gut beherrscht

1.5 Sprachgeschichtlicher Wandel

1.5.1 Ursachen des Sprachwandels

Gesellschaftliche Ursachen

- Kulturkontakt: Wenn Sprecher miteinander in Kontakt treten, üben oft Laute, Grammatik und Wortschatz der einen Gruppe einen Einfluss auf die Sprache der jeweils anderen Gruppe aus.
- kulturelle Entwicklung: Der lexikalisierte Wortschatz einer Epoche gibt Auskunft über kulturelle Vorstellungen. Das Wort Fräulein spiegelt Veränderungen der gesellschaftlichen Struktur: bis in 18./ 19. Jahrhundert war das Wort der unverheirateten adeligen Dame vorbehalten, dann wurde es auf bürgerliche unverheiratete Mädchen ausgedehnt, bis die lexikalisierte Unterscheidung verheiratet/ unverheiratet Ende des 20. Jahrhunderts nicht mehr als zeitgemäß aufgefasst wurde.
- neue Ideen und Dinge: Laufend wurden neue Ideen formuliert und neue Dinge entwickelt. Die Sprache reagiert darauf und schafft neue oder veränderte Bezeichnungen. Zugleich werden Ideen und Dinge ungebräuchlich und ihre Bezeichnungen verschwinden.
- Sozialprestige: Menschen gleichen ihre Sprache oft bewusst oder unbewusst jener Personen an, mit denen sie sich identifizieren oder sie bewundern. Neuere soziolinguistische Untersuchungen haben gezeigt, wie systematische Veränderungen mit dem Sozialprestige zusammenhängen. Dies kann eine Tendenz zu Formulierung bedeuten, die einen hohen gesellschaftlichen Stand zu verraten scheinen, es kann aber auch ein verdecktes Prestige angestrebt werden, wie z.B. bei von Männern gewählten Formulierungen, deren Eigenschaften wie Härt und Männlichkeit unterstellt werden.
- Tendenz zur beschönigenden Umschreibung: um den Zuhörer zu schonen, wurden im 19. Jahrhundert der Sprache gewisse Tabus auferlegt, die zur beschönigenden Umschreibung führten, die heute kaum noch als Beschönigung erkennbar sind: unpässlich (leicht krank), einen Vogel haben (verrückt sein), entschlafen (sterben). Ähnlich verhält es sich mit sozialen Aufwertungen bestimmter Tätigkeiten: z.B. statt dienen nun aufwarten, betreuen, helfen, mitarbeiten oder Fremdwörter wie assistieren und Service.
Sprachliche Ursachen
- Lexikalisierung bildhafter Ausdrü>∙ Bedarf an stärkeren Ausdrücken (Hyperbel und Litotes): Die Tatsache, dass mache Wörter durch häufigen Gebrauch abgenutzt wirken, führt zu einem Bedarf an neuen, stärkeren Ausdrücken, besonders in affektgebundenen Situationen. Verstärkende Adverbien machen oft eine solche Abschwächung mit; das heute farblose sehr bedeutet eigentlich „schmerzlich“. Wenn Übertreibungen ihre Wirkung verlieren, greift man manchmal zum Gegenteil. Eine vorsichtige, bescheidene Untertreibung (Litotes) wirkt oft als Verstärkung: nicht übel, ziemlich überraschend.

1.5.2 Arten des Bedeutungswandels

- Bedeutungsverengung/Spezifizierung: Der Bedeutungsumfang ist kleiner geworden, dadurch dass noch weitere, spezialisierende Merkmale zu dem ursprünglichen Inhalt gekommen sind.
- Bedeutungserweiterung: Der Umfang hat sich vergrößert, da inhaltlich spezifizierende Merkmale weggefallen sind.
- Bedeutungsverschiebung: Wenn ein sprachliches Bild ganz verblasst ist, so dass die ursprüngliche konkrete Bedeutung nur noch abstrakt ist, kann man von Bedeutungsverschiebung reden (Bsp.: „Frauenzimmer“ bedeutete ursprünglich „Aufenthaltsraum für Frauen“, dann „Frau“, dann wurde es zu einer verächtlichen Bezeichnung für Frauen.
- Bedeutungsverschlechterung: Die Bedeutung eines Wortes in von moralischem, sozialem oder stilistischem Gesichtspunkt aus „schlechter“ geworden und enthält oft eine negative Wertung.
- Bedeutungsverbesserung: Die Bedeutung eines Wortes ist vom moralischen, sozialen oder auch stilistischen Gesichtspunkt aus „besser“ geworden (kommt selten vor).

1.5.3 Aktuelle Veränderungsprozesse im Deutschen

(Neue) Sprachtendenzen

- Was ist richtiges und gutes Deutsch?
- Grammatische Veränderungen: Vor allem Bastian Sicks Bestseller „Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod“ hat uns Deutschen vorgeführt, mit was für einem „widerspenstigen grammatischen Gestrüpp“ wir uns oftmals schwertun -> die Fälle (Flexionen) verschwinden (wobei der Genitiv, wie schon der Titel des Buches impliziert, am stärksten betroffen ist)
- Dialekte: greifen nicht nur in Lexik (Wortschatz) sondern auch in die Grammatik ein, aber die Grammatik ist auch dem Soziolekt unterworfen („nach Aldi“ ist schon zum stereotypen Fettnäpfchen geworden, das wir vor allem mit der „asozialen“ Unterschicht in Verbindung bringen)
- Sprache wird immer mehr zum Abenteuer, Sprachverwirrung
- Tendenz zu modischen ,,Bläh-Wörtern“, vor allem in Politik, Werbung und schlechtem Journalismus, die keine wirkliche Aussagekraft haben
- Deutsch als Fremdsprache
- Sprache wird heute oft nur noch als beeinflussbarer Trend gesehen, man „schmückt“ sich nur noch mit Wörtern, Sprache in ihrer Funktion demontiert
- Einzelne Phänomene des Sprachwandels: Mit oder ohne Apostroph?, Mit oder ohne Bindestrich?, Getrennt oder zusammen?, verdrehte Redensarten („Reden ist schweigen – Silber ist Gold“)
- Immer mehr Wörter sind bedroht (z.B. „Kleinod“)
- Unwörter: unschöne, unerwünschte Wörter, werden jedes Jahr gewählt, vor allem bestimmte Schlagwörter aus der Politik finden sich oben auf den Treppchen (z.B. 2010 „alternativlos“)
- Neologismen: Wortneuschöpfungen (z.B. „unkaputtbar“), werden irgendwann in die Wörterbücher aufgenommen
- Gedankenlose Sprachmoden

Anglizismen/Denglisch:

- Ein Anglizismus ist ein aus der englischen Sprache übernommener Begriff bzw. eine andere vom Englischen beeinflusste sprachliche Form, z.B. in der Syntax, in der Rechtschreibung, Aussprache, Lexik oder Idiomatik.
- Anglizismen haben ihre sprachliche Identität zum Teil bewahrt und haben sich partiell der deutschen Grammatik untergeordnet – weitgehend aus der Alltagsprache, dem täglichen Leben, dem modernen Alltag.
- Anglizismen bzw. die zum „Denglisch“ werdende Vermischung werden einerseits als Bereicherung, andererseits auch als Bedrohung der deutschen Sprache empfunden.
- Tendenz der Deutschen ihre Sprache mit Fremdworten zu überhäufen: „Vorwurf“ an die Deutschen wegen ihres mangelnden sprachlichen Selbstbewusstseins (heute alles auf Englisch, früher Latein, Französisch)
- Anglizismen treten häufig im Zusammenhang mit Produktnamen auf, euphemistische Absicht (Toilette als „Mc Clean“), Produkte sollen „cooler“, frischer, moderner wirken (euphemistischer Wirkungseffekt der Anglizismen)
- Tendenz die graue Alltagsprache in Richtung Businesssprache aufzupeppen • Englisch als lingua franca (heute anerkannte Weltsprache)
- Die Deutschen scheuen sich auch nicht Pseudo-Anglizismen zu benutzen um sonst langweilig klingende Begriffe aufzuwerten (Handy, Beamer, Public Viewing [eigentlich Leichenschau])
Einfluss neuer Medien
- Die massenhafte Nutzung von SMS, E-Mail und Chat führt zu anderen Ausdrucksformen zumindest in der schriftlichen Kommunikation. • LG, lol, HDGDL, MfG haben es nicht nur unter Jugendlichen mittlerweile zu festen Mitteilungskürzeln geschafft -> weil der Raum für Sprache immer kleiner wird

Mehrsprachigkeit

- Durch die Globalisierung werden Mehrsprachigkeit und Multilingualismus zunehmend wichtiger: für Migranten, die in fremden Sprachgebieten wohnen, ist Bilingualismus und Multilingualismus meist lebenswichtig, bilinguale und multilinguale Kompetenz ist für viele Arbeitsplätze zunehmend eine Voraussetzung, in der Wirtschaft, in der Wissenschaft und in der Technik entstehen neue globale „Codes“ und Fachsprachen, oft aus Elementen des Englischen unter Hinzufügung von Elementen anderer Sprachen. Multilinguale Sprecher können durch Kenntnis der „Codes“ und „Slangs“ globaler multilingualer Netzwerke informationelle und ökonomische Vorteile erlangen.
- Als Reaktion auf die Globalisierungsfolgen kann es sinnvoll sein, etwa den frühen multilingualen Spracherwerb von Kleinkindern zu fördern: bilinguales Lernen an der Schule, früheres Fremdsprachenlernen

Jugendsprache

- Das Phänomen einer Jugendsprache ist nichts Neues. Vermutlich schon immer haben Jugendliche eigene Sprachcodes entwickelt und gepflegt, um so die eigene Identität zu betonen und sich von der Welt der Erwachsenen abzugrenzen.
- Ausgehend von den Interessen und Lebensgewohnheiten von Jugendlichen kann man vermuten, dass ihre Sprache und ihr Sprachverhalten besonders stark durch die Nutzung neuer Medien beeinflusst ist und Jugendliche sind vermutlich aufgrund der bestehenden demographischen Strukturen sowie ihrer Offenheit für Neues stärker von Einflüssen der Mehrsprachigkeit geprägt als Erwachsene.
- Jugendsprache zeichnet sich durch Computerslang, die Jugendsprache speist sich oft aus (englischen) Texten des Pop und Hip-Hop
- Gleichzeitig stehen immer mehr Jugendliche zu ihrer Muttersprache. So sehr man es vor einigen Jahren ablehnte in Deutsch zu singen, so begeistert singen die Fans heute bei Konzerten deutscher Hip-Hop-Bands mit.
- „Ich geh' Schulhof“ ist eine durchaus übliche Formulierung muttersprachlicher [!] deutscher SchülerInnen. - Bei türkischstämmigen Sprecherinnen ist so etwas wie dies durchaus erklärlich, da die türkische Sprache keinen Artikel kennt. Somit ist dann auch erklärlich, warum so mancher, wenn er in der Heimat seiner Eltern Urlaub machen will, sagt: „Ich fahre Türkei.“ - Aber, wie gesagt, auch muttersprachige SchülerInnen unserer Schule fragen sich im Hinblick auf unser Ganztagsangebot: „Kommst du mit Disko?“

1.6 Mehrsprachigkeit

Besteht das Sprachrepertoire eines Individuums aus mehr als einer Sprache, spricht man von Individueller Mehrsprachigkeit. Sind in einem Sprachgebiet (Territorium) mehrere Sprachen etabliert oder sogar offizielle Landessprachen, bezeichnet man dies als Territoriale Mehrsprachigkeit. Mehrsprachigkeit in Verwaltungen oder anderen Institutionen nennt man Institutionelle Mehrsprachigkeit.

Man unterscheidet zwischen innerer und äußerer Mehrsprachigkeit: Das Vorhandensein mehrerer Nationalsprachen fasst man unter äußere Mehrsprachigkeit. Beherrscht jemand mehrere Varietäten einer Sprache (Hochdeutsch, Dialekt, Fachsprache, …) spricht man von einer inneren Mehrsprachigkeit.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.6.1 Code-Switching

Von Code-Switching spricht man, wenn Sprecher/innen, die mehrere Sprachen beherrschen, innerhalb eines Gespräches, oft sogar innerhalb eines Satzes, zwischen den Sprachen wechseln. Der Wechsel kann unbewusst stattfinden, etwa weil einem ein Wort in der gerade gesprochenen Sprache fehlt. Er kann aber auch funktional verwendet werden, um Äußerungen zu markieren oder bestimmte Zuhörer/innen aus dem Gespräch auszuschließen.

1.7 Sprachvarietäten und ihre gesellschaftliche Bedeutung

- Standardsprache (Hochsprache): überregional, wird als richtige Sprache unterrichtet und als Schriftsprache verwendet, gilt als Norm für den öffentlichen Sprachgebrauch
- Umgangssprache: wird im Alltag gesprochen (Familie, Freunde, etc.), Merkmale: Partikel, Füllsel, Interjektionen, Allerweltswörter (machen, tun, Ding), Satzabbrüche, lautliche Kontraktionen („hamwa“, „biste“)
- Fachsprache: berufsgebunden, besonderer Wortschatz, Verständigung unter Fachleuten
- Jugendsprache: mündlich, Vulgarismen, auch: Kanaksprak, Codeswitching, sehr variabel
- Soziolekt: schichtenspezifisch, restringierter/ elaborierter Code, Unterschiede in der Sozialisation
- Dialekt: regional, an soziale Schichten gebunden, Grammatik und Wortschatz abweichend

1.8 Verhältnis von Sprache, Denken und Wirklichkeit

Die Beziehung von Sprache, Denken und Wirklichkeit stellt ein Problemfeld dar, das seit der Antike zum Nachdenken herausfordert. Im Mittepunkt stehen dabei die Fragen, ob Sprache und Denken eine Einheit bilden oder getrennt voneinander zu betrachten sind und ob es ein Denken ohne Sprache gibt. Bis heute haben sich dazu zwei grundsätzliche Positionen herausgebildet:

- Bis Ende des 19. Jahrhunderts herrscht die Ansicht vor, dass Sprache und Denken eine völlige Identität bilden. Diese Ansicht geht auf den griechischen Philosophen Platon (427–347) zurück. Denken ist für Platon eine lautlose Form des Sprechens. Noch der Philosoph Ludwig Wittgenstein (1889–1951) greift die von Platon angenommene gegenseitige Abhängigkeit von Sprache und Denken auf und drückt sie so aus: »Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt«. Das bedeutet so viel wie: Der Mensch kann nicht außerhalb seiner Sprache denken.
- Im 20. Jahrhundert entwickelt sich unter dem Einfluss von sprachpsychologischen Forschungen eine andere Position: Danach bilden Denken und Sprache zwar eine sogenannte Funktionssymbiose, d. h., sie sind aufeinander bezogen und voneinander abhängig, aber sie bilden keine Einheit, da es intuitives Sprechen ohne bewussten Denkakt ebenso geben kann wie Bereiche des abstrakten Denkens (z. B. in der Mathematik), die sprachlich nicht mehr formuliert werden können.

Beide Positionen legen den Schluss nahe, dass sich das Verhältnis von Sprache und Denken kaum objektiv erfassen lässt. Eine weitere Schwierigkeit liegt darin, dass sich Sprache und Denken begrifflich nur schwer voneinander trennen lassen.

1.8.1 Sprache als Weltansicht (Wilhelm von Humboldt)

Der Universalgelehrte und Bildungsreformer Wilhelm von Humboldt (1767–1835) stellt in seiner Abhandlung über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts (1836) die These auf, dass Sprache »die äußerliche Erscheinung des Geistes der Völker« sei. »Ihre Sprache ist ihr Geist und ihr Geist ist ihre Sprache. Man kann sich beide nie identisch genug denken.« Humboldt vertritt die Ansicht, dass sich die Verschiedenheit der Weltansichten verschiedener Völker aus der Verschiedenheit ihrer Sprachen ableiten lasse. Jeder Sprache, so Humboldt, liege »eine eigentümliche Weltansicht« zugrunde. Das Erlernen einer Fremdsprache sieht er daher als Erwerb eines neuen Standpunkts jenseits der bisherigen Weltansicht an.

Was das Verhältnis von Sprache und Denken anbetrifft, so vertritt Humboldt die Ansicht, dass Denken ohne Sprache nicht möglich ist. Sprache ist für ihn »das bildende Organ des Gedankens«. Dabei unterscheidet er zwischen Ergon (griech. érgon ›Werk‹), d. h. dem Zeichensystem, dessen der Mensch sich bedient, um zu kommunizieren (der Sprache an sich), und Energeia (griech. enérgeia ›Tätigkeit‹), d. h. der geistig produktiven Tätigkeit des Menschen (dem Geist an sich). Humboldt versteht Sprache als die »sich wiederholende Arbeit des Geistes, den artikulierten Laut zum Ausdruck des Gedankens fähig zu machen.« Die Schlüsselfunktion von Sprache bringt er mit den Worten zum Ausdruck: »Der Mensch ist nur Mensch durch Sprache.«

1.8.2 Die Sapir-Whorf-Hypothese

Auf den amerikanischen Anthropologen Benjamin Lee Whorf (1897–1941) und seinen Lehrer Edward Sapir (1884–1939) geht die sogenannte Sapir-Whorf-Hypothese (auch »linguistisches Relativitätsprinzip« genannt) zurück. Sie vergleichen die Sprache der nordamerikanischen Hopi-Indianer mit den europäischen Sprachen, da sich die Sprache der Indianer getrennt von diesen entwickeln konnte. Aus den Ergebnissen ihres Vergleichs leitet sich die nach ihnen benannte Hypothese ab. Diese hat zum Inhalt, dass die Art und Weise, wie die Menschen denken, durch das linguistische System, d. h. durch die Grammatik und den Wortschatz ihrer Muttersprache beeinflusst oder bestimmt wird. Die Sapir-Whorf-Hypothese setzt sich aus zwei wichtigen Thesen zusammen:

- Prinzip der sprachlichen Relativität: Was wir erkennen und denken können, ist relativ, d. h., die Wahrnehmung der Wirklichkeit ist vom Sprachsystem (Wortschatz und Grammatik) der jeweiligen Sprache abhängig. Demnach erfassen unterschiedliche Sprachgemeinschaften die außersprachliche Wirklichkeit auch unterschiedlich.
- Prinzip des sprachlichen Determinismus: Menschen denken nur das, was sie in ihrer Sprache ausdrücken können. Das bedeutet: Die Grammatik einer Sprache ist nicht nur dazu da, um Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Sie determiniert das Denken und die Wahrnehmung der Wirklichkeit. Demnach vollzieht sich das Formulieren von Gedanken nicht unabhängig von der Sprache, sondern diese Tätigkeit unterliegt dem Einfluss des linguistischen Systems der jeweiligen Sprache. Verfügt eine Sprache beispielsweise nicht über den Konjunktiv oder über das Passiv, wird das Vorstellungsvermögen in diesem Bereich eingeschränkt.

1.8.3 Die Sprachphilosophie Jean Piagets

Der Entwicklungspsychologe Jean Piaget (1896–1980) hat eine weitere wichtige Strömung der Sprachphilosophie geprägt. Ausgehend vom Spracherwerb bei Kleinkindern (vgl. S.16 f.) stellt Piaget die These auf, dass das Denken des Kindes der Sprache vorausgehe. Er kommt folgerichtig zu dem Schluss, dass Denken unabhängig von Sprache sei. Piaget ist der Meinung, dass sich logische Strukturen des Denkens bei Kindern erkennen lassen, lange bevor sie zu sprechen beginnen. Bestätigt wird diese These von dem britischen Soziologen Basil Bernstein (1924–2000). Dieser hat nachgewiesen, dass Kinder aus der Unterschicht mit einem eingeschränkten Muster sprachlicher Ausdrucksmöglichkeiten, also einem restringierten Code, aufwachsen. Kinder aus der Mittelschicht dagegen wachsen nach Bernstein mit vielfältigen sprachlichen Ausdrucksmöglichkeiten, also einem elaborierten Code, auf.

1.8.4 Der linguistische Universalismus

Dem amerikanischen Sprachwissenschaftler Noam Chomsky (geb. 1928) zufolge verfügt der Mensch über einen angeborenen universellen Mechanismus für den Spracherwerb und die Sprachverwendung (vgl. S.15). Die Verschiedenheit der Sprachen sei demnach nur ein Oberflächenphänomen. Allen Sprachen gemeinsam sei eine tiefenstrukturelle Universalgrammatik. Damit meint Chomsky ein angeborenes Inventar allgemeiner Prinzipien der Sprachstruktur. Der Begriff »Universalgrammatik« stellt eine Weiterentwicklung des von Chomsky geprägten Konzepts des Language Acquisition Device (LAD) dar. Damit ist ein angeborener Spracherwerbsmechanismus gemeint. Chomskys Annahme wurde in den 1990er Jahren von dem amerikanischen Psychologen Steven Pinker (geb. 1954) bestätigt. In seinem Buch The Language Instinct (1994, dt. Der Sprachinstinkt. Wie der Geist die Sprache bildet, 1996) vertritt Pinker die These, dass unsere Gedanken in eine wortlose Gedankensprache (er nennt sie »Mentalesisch«) eingekleidet seien. Er postuliert, dass diese Gedankensprache bei allen Menschen identisch sei.

2 Inhaltsfeld Texte

2.1 Faust I – Der Tragödie erster Teil

Autor: Johann Wolfgang von Goethe

Erscheinungsjahr: 1808 -> Epochenübergreifendes Werk

Textsorte: Drama (Tragödie)

Thema: unstillbarer Wissensdrang, Erkenntnis

2.1.1 Johann Wolfgang von Goethe Kurzbiographie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.1.2 Der historische Faust

Der historische Johann (Georgius) Faustus wurde um 1480 geboren. Er zog als Wahrsager, Magier, Alchemist, Astrologe, Psychologe, Autodidakt und selbsternannter Arzt durch die Welt. Vermutlich kam er bei einem alchemistischen Experiment bei einer Explosion ums Leben, sodass diese, für die damalige Zeit, ungewöhnlichen Umstände, die Menschen vermuten ließ, er sei vom Teufel geholt worden. Von seiner Existenz sind jedoch nur neun Quellen bekannt. In Faust verschmilzt der mittelalterliche Volksglaube mit dem neuzeitlichen Drang nach der Erkenntnis. Im Jahre 1587 erschien die Faust-Sage zum ersten Mal, von einem anonymen Autor, unter dem Namen „Historia von D. Johan Fausten.“ als Volksbuch in Schriftform. Die Sage gewann schnell an Bekanntheit, sodass die Historia oftmals neu aufgelegt, übersetzt und bearbeitet wurde. Auch der englische Dramatiker Christopher Marlowe (1564 – 1593) bearbeitete den Faust Stoff und 1589 erfolgte bereits die Uraufführung. Im 17. Jahrhundert kam das Theater durch Puppenspiele auch nach Deutschland, wo Johann Wolfgang von Goethe in seiner Kindheit auf das Theater erstmals aufmerksam wurde und insgesamt 1770 mit dem Urfaust beginnend, 36 Jahre bis zur Vollendung des Werkes benötigte.

2.1.3 Personenkonstellation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.1.4 Handlung/ Szenenübersicht

Faust, Wissenschaftler und Protagonist der Handlung, geht mit dem Teufel Mephisto einen Pakt ein, der aus der Befriedigung Fausts unaufhörlichem Wissensdrang besteht. Der Wetteinsatz ist die Seele des Protagonisten.

- Vorspiel auf dem Theater

Streitgespräch zwischen Theaterdirektor, „lustigen Person“ (Narr) und Dichter über das Spannungsfeld zwischen Publikum, Dichter und Werk vor dem Hintergrund einer Theaterinszenierung. Faust soll Kompromiss der drei verschiedenen Anschauungen und somit ein Universalstück sein.

- Prolog im Himmel (= Einstieg in die Rahmenhandlung)

Nach einem Lobgesang (Anblick der Natur, des Kosmos gibt den Engeln Stärke, Bewunderung der herrlichen Schöpfung Gottes, auch wenn die nicht wissen, welche Kräfte dahinter stecken) der drei Erzengel Raphael, Gabriel und Michael, erscheint Mephisto und stellt das positive Menschenbild des Herrn in Frage. Er kritisiert den Herrn direkt und findet alles auf der Welt „herzlich schlecht“. Für ihn sind die Menschen triebgesteuert und „tierischer als jedes Tier“. Er vergleicht den Menschen mit einer Zikade, die als Metapher dient und aussagt, dass der Mensch, egal wie sehr er sich anstrengt, immer auf demselben Level bleiben wird. Der Herr hingegen sieht die Menschen als vernunftgesteuerte Wesen, die nach Höherem streben. Er nennt dazu Faust als Personifizierung seines Menschenbildes. Angelehnt an die biblische Auseinandersetzung zwischen Gott und dem Teufel um Hiobs Gottesglauben, bietet Mephisto dem Herrn eine Wette an. Er möchte Faust in Versuchung bringen und sieht ihn als eine Art Herausforderung. Der Herr willigt ein, denn er sieht das Gute in Faust, diktiert Mephisto aber die Regeln dieser Wette. Mephisto soll also Faust von seinem „guten Weg“ abbringen. Wenn ihm dies gelingt, darf er Faust mit in die Hölle nehmen, wenn es ihm aber misslingt, soll er sich für sein Scheitern schämen und einsehen, dass ein Mensch selbst im Dunklen seines Lebens, den richtigen Weg wiederfindet.

- Nacht

Die Szene beginnt mit einem Monolog Fausts, in dem es um seine Versuche Antworten auf seine Suche nach dem, „was die Welt im Innersten zusammenhält“ (Grundprinzip, absolutes Wissen -> Weltformel). Um dies herauszufinden, schlägt er ein Buch auf, das das Zeichen des Makrokosmos trägt, kommt jedoch zu der Schlussfolgerung, dass es doch nur ein Zeichen ist, und ihm keine Antworten auf seine Fragen geben wird. Daraufhin beschwört Faust den Erdgeist (stellt die Natur dar), der ihn aber zurückweist, da er Faust nicht als würdig sieht und somit wieder verschwindet. Faust beginnt zu wüten, weshalb sein Famulus an der Tür klopft, um mit ihm über verschiedene Dinge zu fachsimpeln. Faust aber weist ihn letztendlich ab und führt seinen Monolog fort. Um zur jenseitigen Erkenntnis zu kommen und bewusst die Grenze zwischen Leben und Tod zu übertreten, beschließt er durch einen Gifttrunk Suizid zu begehen, gerade aber als er die Phiole ansetzt, hört er Seite 34 von 48 einen Engelschor, der von der Auferstehung Christi singt, was Faust an frühere Osterfeste seiner Kindheit erinnert, die ihn obwohl er nicht gläubig ist, davon abhalten, sich das Leben zu nehmen und wieder in die Welt zurückholen.

Fausts Selbstsicht:

- Suchender und Strebender, obwohl er alle akademischen Wissenschaften (Philosophie, Jura, Medizin, Theologie) studiert hat, fühlt er sich sinnlos und „klug als wie zuvor“
- Er ist gefangen in den Grenzen der Wissenschaften
- Sehnt sich nach der allumfassenden Welterkenntnis - Enttäuscht von den Wissenschaften, wendet er sich erst der „weißen Magie“ (Makrokosmos, Beschwörung der Erdgeistes) und später auch der „schwarzen Magie zu, in der Hoffnung diese Erkenntnis zu erlangen; dabei fürchtet er sich weder vor dem Teufel, noch vor der Hölle
- Seine Hybris (Übermut, Anmaßung) wird dabei sichtbar, als er sich als ein „Ebenbild der Götter“ bezeichnet und auch den „Erdgeist“ beschwört
- Später versinkt er noch tiefer in seine Beschränktheit und bezeichnet sich selbst als „Wurm“, der „vernichtet“ und „begräbt“ wird

Fausts Leiden:

- Leidet durch die Grenzen des menschlichen Verstandes und des menschlichen Daseins
- Es fehlt ihm an Lebensfreude, sinnlichen Erfahrungen und Bezug zur Realität des „wahren“ Lebens
- Geht so weit, Suizid zu begehen, um sein Bewusstsein zu erweitern und absolutes Wissen zu erreichen

- Vor dem Tor

Am nächsten Tag machen Faust und Wagner einen Osterspaziergang, bei dem Faust erst seine Umgebung und die Natur auch in Verbindung mit dem Volk, mit dem er sonst eher weniger Kontakt hat, sehr positiv beschreibt und sich in dort wohl zu fühlen scheint („Hier bin ich Mensch, hier darf ich’s sein!“). Wagner ist jedoch das komplette Gegenteil und kann weder dem bunten Treiben der Menschen, noch der Natur positive Gedanken abgewinnen, da er nur diesen Spaziergang macht, um sich mit Faust zu unterhalten. Als sie an einer Gruppe singender Menschen vorbeikommen, spricht ein alter Bauer Faust an, der sich über Fausts Anwesenheit sehr freut und gleich von den guten Taten Fausts und dessen Vater berichtet. Faust und sein Vater werden als eine Art Helfer und Retter gesehen, die vielen Kranken, laut dem Bauern selbstlos, das Leben retteten und dafür ihr eigenes riskierten. Als er mit Wagner weitergeht, erklärt er ihm, warum ihm diese Situation unangenehm war und er sich für das Lob des Volkes schämt. Er erzählt, dass sein Vater ein Alchemist war und mit ihm zusammen viele Menschen durch selbstgebraute Tränke umgebracht haben. Er selbst habe auch viele von diesen Tränken an Kranke verabreicht, es sei aber nicht weiter aufgefallen, da man nicht feststellen konnte, ob die Patienten an ihren Erkrankungen oder eben an den Tränken starben. Wagner sieht dies aber nicht als Grund, warum sich Faust schämen sollte, denn der Wille zu helfen und das Anwenden der Wissenschaften seien schon ehrenvoll gewesen. Faust will daraufhin das Thema wechseln und fängt an den Sonnenuntergang zu beschreiben, denn er ebenso wie die Natur, gerne beobachtet. Wagner kann auch hier wieder nichts mit den Aussagen Fausts anfangen. Faust berichtet von seiner Ungewissheit und wie ein Teil seiner Seele sich an die Welt klammert und weiterhin dort leben will, der andere Teil jedoch die Geheimnisse des Himmels kennenlernen will und von den Geistern mit in den Himmel genommen werden möchte. Außerdem möchte er auch andere Länder der Welt kennenlernen und sehen. Auf dem Rückweg wird Faust auf einen schwarzen Pudel aufmerksam, der laut Faust eine Art Spur eines Geistes hinter sich herzieht. Wagner sieht in dem Hund jedoch nichts außer einem normalen Hund, den man dressieren und Sachen beibringen kann und überzeugt Faust von seiner Meinung.

- Studierzimmer

Der schwarze Pudel, der Faust auf seinem Osterspaziergang bis ins Studierzimmer gefolgt ist, enthüllt bald seine wahre Gestalt. Der Pudel unterbricht Faust in seinem anfangenden Monolog, indem er an der Türschwelle auf und ab läuft, knurrt und bellt, und sich einfach nicht hinlegen möchte, wie es Faust will. Dieser beginnt Bibelstellen des Neuen Testaments zu übersetzten, woraufhin der Pudel noch weiterhin Faust mit seinem Jammern unterbricht. Als der Hund sich auf einmal beginnt seine Gestalt zu verändern, versucht Faust mit „Salomonis Schlüssel“, einem Geisterbuch, mit dessen Hilfe sich Geister in ihre wahre Gestalt verwandeln lassen sollen, die wahre Identität des Pudels herauszufinden. Nach der Aufsagung des Hexenspruches, taucht Mephistopheles in Gestalt eines „Scholastikus“, einem elegant gekleideten Studenten, aus dem Nebel auf. Faust scheint von der Erscheinung des Teufels in seinem Studierzimmer recht unbeeindruckt, es bringt ihn sogar zum Lachen, dass sich das hinter dem komischen Pudel versteckte. Mephisto beschreibt sich selbst als „ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ Als sein „eigentliches Element“ bezeichnet er die von den Menschen genannte „Sünde, Zerstörung, kurz das Böse“. Nachdem Faust sich sogar fast schon lustig über Mephisto macht, ihm sagt, dass er „im Großen nichts vernichten“ kann, gibt ihm Faust die Einwilligung, wann immer er will ihn zu besuchen. Mephisto kann jedoch durch das Pentagramm an der Türschwelle nicht wieder hinausgelangen, und auch sonst kann er nicht das Zimmer verlassen, da ihm Faust dies verwehrt. Um hinaus zu gelangen, verzaubert er Faust in eine Art Schlaf, sodass er das Zimmer verlassen kann, nachdem er Ratten befohlen hat, das Pentagramm, das ihn daran hinderte, so zu verändern, dass es nicht mehr gültig ist. Faust erwacht später und fragt sich, ob das alles nur ein Traum oder Realität war

- Studierzimmer II

In dieser Szene tritt Mephisto als Junker, einem Adligen mit Degen, auf und macht Faust ein Angebot, durch welches Faust das wahre Leben erfahren soll. Faust zweifelt erst, da er gar nicht glaubt, dass Mephisto dazu in der Lage ist, denn ihm (Faust) ist „das Dasein eine Last, der Tod erwünscht, das Leben mir verhasst.“. Und doch weist ihn Mephisto darauf hin, dass er sich trotzdem nicht an dem Ostertag umgebracht hat, was Faust mit den Erinnerungen an Ostern in seiner Kindheit erklärt, und doch quasi alles im Leben verflucht. Dann spricht Mephisto seine Bedingungen aus, wenn er Faust alles gibt, was er sucht. Obwohl Faust an dem Versprechen zweifelt, lässt er sich auf Mephisto ein, jedoch nicht auf einen Pakt, sondern bietet ihm eine Wette an: sollte er jemals zufrieden/ wunschlos/ glücklich sein, kann Mephisto ihn sofort mitnehmen. Die beiden schließen daraufhin noch einen Vertrag, den Faust mit seinem Blut besiegeln muss. Da sie sofort aufbrechen wollen, geht Faust ab, da ein Student sich zu nähern scheint, den Mephisto, als Faust verkleidet, über seine Studienmöglichkeiten informiert.

- Auerbachs Keller

Mephisto will Faust die Welt zeigen. Dafür führt ihre Reise nach Leipzig in Auerbachs Keller, wo Mephisto einige Zaubertricks an den Studenten des aktuell stattfindenden Studentengelages vollführt, die Faust aber eher langweilen und unbeeindruckt lassen.

- Hexenküche

Anschließend versucht Mephisto Faust in der Hexenküche mit sprechenden Tieren anderen Dingen zu beeindrucken. Auch das gelingt ihm eher schlecht als recht, bis zu dem Punkt, an dem Faust in einem Zauberspiegel das Bild einer jungen Frau entdeckt, die ihn durch ihre Schönheit fasziniert. Daraufhin verspricht Mephisto ihm so ein „Schätzchen“. Mit einigen Zaubertricks unter anderem durch einen Verjüngungstrank durch die Hexe, wird Faust in einen jungen Mann verwandelt. In diesem Trank scheint sich zusätzlich auch noch ein Aphrodisiakum zu befinden, da Faust nun starke Begierde zu verspüren scheint. Leise murmelt Mephisto noch, wie Faust nun bald in allen Frauen diese Schönheit, wie die der Frau in dem Spiegel, sehen wird, dann setzten die beiden ihren Weg fort

Die „Gelehrtentragödie“

Die ersten Szenen („Nacht“ bis „Hexenküche“) zeigen die Probleme, die Faust als Gelehrter hat, da er trotz seiner Intelligenz und seinem Studium der Philosophie, Jura, Medizin und Theologie, immer noch unzufrieden ist, und auf der ständigen Suche nach dem „was die Welt im Innersten zusammenhält“ ist. Gleichzeitig bringen diese Szenen die Gretchenhandlung in Gang. Sie zeigen auch seine Versuche, übersinnliche Mächte für sich nutzbar zu machen, den Teufel in Gestalt des Pudels zu beherrschen und die Welt mit Hilfe Mephistos zu erfassen. In allen Bereichen scheitert er jedoch.

- Straße

Auf der Straße begegnet Faust nun Margarete, einem kleinbürgerlichen jungen Mädchen, die gerade von der Beichte aus der Kirche tritt. Faust spricht sie sofort an und will sich an ihrem Arm einhaken, Margarete weist ihn jedoch ab und nimmt auch nicht seine Komplimente an. Faust scheint von ihrer Ablehnung jedoch nur mehr interessiert, und als Mephisto auftritt, macht er ihm klar, dass er Margarete so schnell wie nur möglich, am besten sofort, kennenlernen muss. Mephisto muss ihm jedoch mitteilen, dass er auf jeden Fall vierzehn Tage braucht, um die richtige Gelegenheit zu finden. Faust ist so in seinem Wahn, Margarete kennenzulernen, die laut dem Teufel so unschuldig ist, dass er eigentlich keine Macht über sie hat. Nachdem Faust Mephisto um einen Gegenstand von ihr bat, wie einem Strumpfband oder ein Halstuch, will Mephisto ihn in der Nacht in ihr Zimmer bringen. Außerdem bittet Faust Mephisto um ein Geschenk, welches er Margarete schenken kann.

- Abend

In ihrem „kleinen, reinlichen“ Zimmer macht sich Margarete Gedanken über ihre Begegnung mit Faust, den sie für einen Adligen hält. Später schleichen sich Mephisto und Faust in ihr Zimmer, in dem Faust unter anderem die Ordnung und die Zufriedenheit, die er trotz der „Armut“ dort verspürt, bewundert. Nachdem er in eine Art Trance verfällt, als er Margaretes Bett betrachtet, und dort gewisse Gedanken hegt, weist ihn Mephisto darauf hin, dass er Margarete zu kommen hört, und sie das Schmuckkästchen, das er zuvor irgendwo ausgegraben und mitgenommen hat, noch verstecken müssen. Sie entscheiden sich schließlich dazu, es im Schrein zu verstecken und verschwinden dann. Margarete scheint die Anwesenheit des Teufels zu spüren, da sie sich über die stickige und warme Luft wundert. Als sie den Schrein öffnet und dort das Schmuckkästchen entdeckt, ist sie davon überrascht, legt sich den Schmuck aber um und bedauert, dass sie keine Frau des Adels ist.

- Spaziergang

In dieser Szene beschwert sich Mephisto über Margaretes Mutter, die, nachdem sie den Schmuck entdeckte und so wie Margarete die Aura des Teufels roch, ihn sofort zum Pfarrer brachte, der diesen ebenfalls als profan befand und ihn behielt. Faust fragt daraufhin nur wie es Gretchen geht, woraufhin er vom Teufel erfährt, dass sie wohl recht bedrückt ist und nicht so recht weiß, was sie nun machen soll. Faust bekommt Mitleid mit ihr, sodass er Mephisto beauftragt ihr erneuten Schmuck zu besorgen und sich außerdem an ihre Nachbarin zu hängen. Mephisto bezeichnet ihn, nachdem er ab ist, als einen „verliebten Tor“.

- Der Nachbarin Haus

Die nächste Szene spielt sich bei Frau Marthe, der Nachbarin Margaretes, ab, die weint und befürchtet, dass ihr Mann verstorben ist und deshalb wenigstens einen Totenschein für ihn hätte. Als nächstes erscheint Margarete, die Frau Marthe von einem erneuten Schmuckkästchen berichtet, woraufhin ihr diese den Tipp gibt, den Schmuck nur bei ihr (Marthe) zu tragen, damit Gretchens Mutter nichts davon mitbekommt und es wieder zur Kirche bringt. Marthe legt Gretchen den Schmuck um, als es an der Tür klopft, und Mephisto eintritt. Er fragt nach „Frau Marthe Schwerdtlein“ als er Gretchen sieht und ihr schmeichelt, indem er sie als „vornehmen Besuch“ Seite 39 von 48 bezeichnet. Er macht ihr weiter Komplimente, indem er ihr sagt, dass nicht nur der Schmuck sie wie ein „Fräulein“ wirken lässt. Frau Marthe fragt ihn schließlich, was er denn wolle, woraufhin Mephisto ihr antwortet: „Ihr Mann ist tot und lässt Sie grüßen.“ Er beginnt ihr eine Geschichte zu erzählen, in der ihr Mann in Padua begraben sei, und es er und ein weiterer „Geselle“ (Faust) bezeugen können. Margarete bedauert den Tod und sagt, sie würde für ihn beten. Daraufhin mischt sich Mephisto ein und schmeichelt ihr erst, indem er ihr sagt, sie wäre bereit in die Ehe zu treten, als sie aber antwortet, dass sie dazu noch nicht bereit wäre, sagt Mephisto nüchtern, dass sie ja auch eine Affäre anfangen könnte. Doch Margarete weist dies ab, da es „des Landes nicht der Brauch“ ist. Frau Marthe bietet dann an, sie könnten sich am Abend in ihrem Garten hinter dem Haus treffen.

- Straße

Als Mephisto Faust von dem Geschehenen erzählt, und ihm mitteilt, dass er als Zeuge aussagen muss, scheint Faust erst skeptisch, da er nicht lügen möchte, doch Mephisto kann ihn durch Gretchen überzeugen, muss sich von Faust jedoch als Lügner und Schwätzer beleidigen lassen

- Garten

In Frau Marthens Garten kommt es nun zum erneuten Treffen zwischen Margarete und Faust. Während Mephisto die verwitwete Frau Marthe herumführt, die gewisse sexuelle Absichten hegt, entwickelt sich zwischen Faust und Margarete eine intensive Beziehung. Margarete erzählt von ihrem Leben und ihrem Alltag, wie sie ihre kleine Schwester großzog, doch diese dann letztendlich doch verstarb, sie hätte außerdem noch einen Bruder, der als Soldat dient. Durch ihre pedante Mutter übernehme sie den ganzen Haushalt, auch wenn ihr verstorbener Vater ihnen ein kleines Vermögen hinterließ. Dass sie nicht viel aus dem Haus gehe, sieht Faust eher als etwas positives, ebenso wie die Tatsache, dass sie ihm intellektuell unterlegen ist. Sie fühlt sich schlecht, dass sie ihn damals an der Kirche so schroff abgewiesen hat, doch sie wäre es nicht gewohnt, so auf der Straße angesprochen zu werden. Margarete fängt an die Blütenblätter einer „Sternblume“, also einer Margerite, auszurupfen und legt Faust dabei ein Liebesgeständnis in den Mund. Daraufhin verschwinden die beiden.

- Gartenhäuschen

Im Gartenhäuschen kommt es zur einzigen Liebesszene des Dramas und zum Kuss zwischen Faust Margarete. Mephisto und Frau Marthe erscheinen ebenfalls und trennen die beiden, indem sie aufbrechen. Margarete versteht nicht, was Faust an ihr findet, da sie schließlich zu allem wie ein kleines Kind „ja“ sagt.

- Wald und Höhle

Faust führt im Wald einen Monolog, indem er erst zufrieden scheint und dem Erdgeist für seine jetzige Situation dankt, er im weiteren Verlauf sich jedoch in seiner Begierde zerrissen fühlt und später auch sagt, dass er Gretchen nicht gefährden will, da eine langfristige Beziehung, bzw. eine Ehe unvorstellbar in ihrer Situation ist. Mephisto, der dann erscheint, wickelt Faust um den Finger, indem er ihm unter anderem sagt, dass Gretchen ihn liebt und er (Faust) sie doch trösten solle, da sie sehr unter ihrem Liebeskummer leiden würde. Faust wirft in diesem Moment seine Gründe, ihr aus dem Weg zu gehen, über Bord, und ist bereit, ihre Welt durch ihre Beziehung zu ihm, zu zerstören.

- Gretchens Stube

Gretchen drückt durch das Lied, welches sie am Spinnrad singt, ihre Sehnsucht nach Faust aus, und dass sie auch weiß, was das für Konsequenzen für sie haben kann/wird.

- Marthens Garten

In Marthens Garten treffen sich Faust und Gretchen erneut und beginnen ein Gespräch, indem es um die Religion und Fausts Glauben, und auch um Margaretes Bedenken gegenüber Mephisto, geht. Spätestens in diesem Gespräch wird klar, dass Faust nicht gläubig ist, was er Gretchen auch offen sagt, auch als sie darauf beharrt, dass der Glauben wichtig und das einzig richtige ist, antwortet er ihr Seite 40 von 48 dass es doch egal ist, wie man den eigenen Glauben nennt, es würde sich nur um die Gefühle drehen. Margarete lenkt das Gespräch schließlich auf Mephisto, vor dem sie „ein heimlich Grauen“ hat und weder Faust noch sich in seiner Gesellschaft sieht. Als Margarete gehen will und Faust dies bedauert, bietet sie ihm an, den Riegel zu ihrer Tür für ihn offen zu lassen, sodass sie sich nachts treffen können, sagt aber auch, dass ihre Mutter sie erwischen würden, da diese keinen tiefen Schlaf hat. Daraufhin gibt Faust ihr einen Schlaftrunk mit, den sie ihrer Mutter verabreichen soll, damit sich die beiden Treffen können. Margarete nimmt den Schlaftrunk an, macht sich erst Sorgen, ob es ihrer Mutter schaden würde, die Sehnsucht und auch das Vertrauen in Faust sind dann letztlich doch größer. Das besorgte Mittel führt zum Tod der Mutter, ob bei diesem einen Mal, oder beim häufigeren Gebrauch, bleibt unklar, ebenso wie die Liebesnacht, die im Drama nicht beschrieben wird. Als Mephisto am Schluss nochmal erscheint, versucht er Faust davon zu überzeugen, dass ihn Margarete nur an der Nase herführt und ihn sogar zum Christentum konvertieren lassen könnte, auch teilt er ihm mit, dass er bemerkt hat, dass Margarete womöglich merkt, dass er nicht der ist, der er vorgibt zu sein bzw. vielleicht sogar weiß, dass er der Teufel ist. Faust glaubt ihm jedoch nicht und weist ihn ab.

- Am Brunnen

In einem Gespräch mit Lieschen am Brunnen, realisiert Gretchen, was auf sie zukommen wird, als sie über das Schicksal Bärbelchens lästern. Somit wird klar, dass auch Gretchen schwanger sein muss, oder sie es bereits ahnt. Auch dass Faust nicht bei ihr bleiben wird, geschweige denn, sie heiraten wird, ahnt sie. Ihr wird ihr zukünftiges Leben als alleinerziehende Mutter mit einem unehelichen Kind klar, ebenso wie die soziale Vernichtung, die dadurch erfolgen wird. Auf ihrem Heimweg bereut sie all die Male, die sie über solche Frauen schlecht geredet hat, und wie sie sich nun für sündig hält. Trotzdem kann sie nicht ganz verstehen, wie man ihre Beziehung zu Faust als Sünde bezeichnen kann, wo es sich für sie doch so gut anfühlt.

- Zwinger

An einem Andachtsbild der Mater dolorosa ((Maria, die Schmerzensreiche) schüttet Gretchen ihr Herz aus. In ihrer Angst vor der Zukunft, der sozialen Vernichtung und dem allein sein, bittet sie die Mutter Gottes um Hilfe. Sie gibt zu, dass sie nur noch am Weinen ist, und vor dem Gerede im Dorf gerettet werden möchte. Sie scheint sich in einem depressiven Zustand zu befinden.

- Nacht

Der Soldat Valentin, Gretchens Bruder, wartet bei Gretchen vor der Tür, will dem Liebhaber seiner Schwester auflauern, und führt einen Monolog. In diesem berichtet er, wie er seine Schwester immer als Beispiel für die perfekte Frau genommen hat: gläubig, häusliches Leben, erledigt alle Aufgaben im Haushalt und ist außerdem schüchtern und schamhaft. Doch mittlerweile ist ihre Beziehung zu Faust bis zur Kaserne und somit zu ihm vorgedrungen, sodass er sich nun vor seinen Kameraden für seine Schwester schämen muss. Beim Auflauern und überrascht Faust und Mephisto, die gerade über die anstehende Walpurgisnacht reden, auf die Mephisto Faust mitnehmen will, doch Faust hat wieder nur Gretchen im Kopf, und denkt darüber nach, ihr ein Geschenk zu geben, da es ihm weh tut, ohne Geschenk bei ihm aufzutauchen, doch soweit kommt es gar nicht, da es zum Kampf mit Valentin kommt, den Valentin gegen Faust verliert, der durch Mephisto beeinfluss, ihn mit dem Degen tötet. Die beiden verschwinden darauf geschwind, und Valentin bleibt noch so lange Zeit vor dem Tod, um seine Schwester vor dem versammelten Volk, bloßzustellen und somit die soziale Ächtung durchzuführen. Er bezeichnet sie indirekt als Prostituierte, die bald etwas mit dem ganzen Volk hat und sich irgendwann bei „Bettler und Krüppel“ wiederfindet. Gretchen erwidert währenddessen nichts, da sie unter Schock zu stehen scheint. Valentin verflucht seine Schwester, sagt aber, er würde als tapferer und braver Soldat zu Gott in den Himmel finden

- Dom

Gretchen flüchtet sich in den Dom, wo sie am Ende jedoch in Ohnmacht fällt, da sie ihr eigenes schlechtes Gewissen und der Gesang des Jüngsten Gerichts bedrängen. Ihr Gewissen erinnert sie daran, dass sie schuld am Tod ihrer Mutter und auch am Tod ihres Bruders ist und sich durch ihre Beziehung zu Faust bald nicht mehr auf den Straßen blicken lassen kann.

- Walpurgisnacht

Zum gleichen Zeitpunkt, schleppt Mephisto Faust mit auf die Walpurgisnacht (Nacht zum ersten Mai), der sich auf dem Weg dorthin jedoch eher für die Umgebung interessiert. Als die beiden dann auf dem eigentlichen Ort der Walpurgisnacht ankommen, befinden sich Faust und Mephisto in einer Art Rausch, bis Faust zwei Frauen entdeckt, mit denen die beiden dann schließlich tanzen und anstößige Lieder singen, was den Tiefpunkt seiner Entwicklung beschreibt, da er nun auch selbst an unsittlichem Treiben teilnimmt. Als Faust bemerkte, dass es sich bei der Frau um eine Hexe handelte, als ihr ein „rotes Mäuschen“ aus dem Mund entsprang, löst er sich aus dem Tanz mit ihr. Auf einmal scheint er eine Art Vision zu haben, denn er entdeckt Gretchen, die an ihrem Hals einen blutigen Schnitt aufweist. Mephisto hält ihn davon ab zu ihr zu gehen, und behauptet, dass es ein Spiel der Medusa sei, und er sich nicht weiter Gedanken darüber machen soll. Daraufhin sind die beiden Zuschauer bei einem Theaterstück, dass auf der Walpurgisnacht aufgeführt wird.

- Trüber Tag

Faust hat mittlerweile erfahren, dass Gretchen sich im Kerker befindet, und beschuldigt Mephisto, dass er davon wusste, ihn (Faust) auf der Walpurgisnacht abgelenkt hat und somit nichts dagegen unternommen hat, dass Gretchen in den Kerker kommt. Mephisto weist jedoch jegliche Schuld von sich, und sieht es auch nicht weiter schlimm an und auch nur die Befehle und Absichten Fausts ausgeführt hat, der außerdem auch den Pakt nicht mit ihm hätte schließen dürfen, wenn er nicht mit den Konsequenzen zurechtkommt. Faust fordert von ihm, dass er ihn zu den Kerkern bringt, und Gretchen befreit und rettet. Daraufhin führt Mephisto ihn und sich selbst zu den Kerkern.

- Nacht

Die beiden reiten auf schwarzen Pferden am Hinrichtungshügel vorbei zu den Kerkern.

- Kerker

Faust dringt mit Mephistos Hilfe, der den Wärter in eine Art Trance/ Schlaf versetzt hat und ihm somit die Schlüssel entwenden konnte, in den Kerker ein und trifft dort eine wahnsinnige und geistlich verwirrte Margarete an, die ihn erst nach wiederholendem Rufen erkennt, nachdem sie ihn zuerst für ihren Vollstrecker hielt. Man merkt, dass sie sich in einer Art Delirium befindet, da sie denkt, sie müsse noch ihr Kind stillen, dass sie aber, wie man später erfährt, nach der Geburt ertränkt hat, und man es ihr weggenommen und jetzt vorwerfen würde, sie hätte es umgebracht. Faust öffnet ihr die Fesseln und sie scheint ihn zu hören, aber nicht seine Präsenz zu realisieren. Nachdem sie küsst, er diesen Kuss aber nicht erwidert, scheint sie langsam zu bemerken, in was für einer Situation sie sich befindet. Sie gibt sich die Schuld (indirekt) ihre Mutter, ihren Bruder und später auch ihr Neugeborenes umgebracht zu haben. Sie scheint ihr Todesurteil zu akzeptieren, als sie anfängt, Faust ihre Gräber zu beschreiben und ihm zu sagen, wie er sich um sie zu kümmern hat. Dieser will sie aus dem Kerker holen, um sie zu befreien und weist sie auch auf die offene Türe hin, doch sie wehrt sich und möchte den Kerker nicht verlassen. Sie hört draußen die Glocken, die bei Hinrichtungen läuten, und akzeptiert endgültig ihr Schicksal und dass es kein Entkommen mehr gibt. Als Mephisto in den Kerker tritt, um auf den Zeitdruck hinzuweisen, erkennt sie den Teufel in ihm und will ihn aus dem Kerker haben, da dieser für sie die Entsühnung bedeutet, und der Teufel nur neue Probleme bringen würde. Sie übergibt sich dem Gericht Gottes und möchte von Gott gerettet werden, der dann als „Stimme von oben“ dies auch bestätigt. Mephisto verschwindet daraufhin zusammen mit Faust, und das Drama endet.

Die „Gretchentragödie

Die Gretchenhandlung spielt sich nach der „Gelehrtentragödie“ ab und zeigt die Entwicklung der Liebesbeziehung/ Affäre zwischen Faust und Gretchen. Die Beziehung ist von Anfang an zum Scheitern verurteilt, da Faust nicht nur sobald er „Verweile doch! Du bist so schön!“ sagt, an Mephisto als Diener gebunden ist, sondern auch die Unterschiede zwischen den beiden zu gravierend sind für eine langfristige Beziehung mit Zukunft. Außerdem ist auch nicht klar, ob Faust wirklich aus eigenen Stücken handelt, oder er sich nur aufgrund des Zaubertranks so verhält. Er dringt jedoch in Gretchens Welt ein und verführt sie, was ihre ganze Welt wiederum zerstört. Er ermordet (unwissentlich) ihre Mutter durch den Schlaftrunk und ermordet auch ihren Bruder, mit Mephistos Unterstützung, im Zweikampf mit dem Degen. Außerdem schwängert er Gretchen, was diese wiederum zur sozialen Außenseiterin macht. Letztlich hält sie aber doch noch an ihren religiösen und moralischen Werten fest, die sie durch ihre Beziehung zu Faust verloren gehabt schien, bezahlt dies jedoch mit ihrem Tod

2.1.5 Aufbau des Dramas

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.1.6 Charakterisierung

Heinrich Faust

- Gelehrter, der zur damaligen Zeit alles gelernt hat

- Jura, Medizin, Philosophie, Theologie

- Unglücklich, da er die wirklich wichtigen Dinge im Leben nicht kennt

- „Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so klug als wie zuvor!“

- Möchte erkennen, was die Welt „Von innen zusammenhält“

- Möchte zwei Dinge erreichen, die so zu den zentralen Motiven des Dramas werden:

- Streben nach Glück

- Genuss

- Emotional unausgeglichen

- Möchte am gesellschaftlichen Leben teilhaben (Vor dem Tor)

- Niedergeschlagen

- Durch Mephisto wandelbare Gefühle

- -> bipolares Verhalten

- Immer von tiefgründigen Gefühlen geprägt

- Von zu viel Hoffnung in einem Moment, zu sehr wenig im nächsten

- Zwischen Verzweiflung und Neuanfang

- Davon geprägt, einen Ausweg zu suchen:

- Im übernatürlichen (Magie)

- Tod

- Mephisto

- -> sein Streben hört nie auf

- Nicht Gott-gläubig (glaubt an höheres, beschränkt es aber nicht auf Begriffe)

- Ziel: extreme Erfahrungsmöglichkeiten zu erleben und den Sinn des Lebens zu finden

Wagner

- Intellektueller Buchwissenschaftler

- Vertraut akademischen Autoritäten

- Wissbegierde

- Aus Fausts Sicht sehr oberflächlich

- Findet seine Erfüllung darin, sich Wissen anzueignen, kann den Wunsch Fausts nicht nachvollziehen

Margarete

- Circa 14 Jahre alt

- Wohlanständig

- Naiv (sagt zu allem ja)

- Religiös (Gretchenfrage) & gottesfürchtig

- Selbstkritisch

- Zeitgleich reifes Verhalten, als andere in ihrem Alter

- Musste sich um ihre Schwester kümmern, bevor diese starb

- Musste schon viel im Haus mithelfen (Vater gestorben)

- Erschütterung dieser Charakterzüge mit Treffen Fausts

- Versündigen (Schwanger, Tod der Mutter, Bruder)

- Heimliches Tragen des Schmucks

- Geheimnisse vor der Mutter

Mephistopheles

- Gewitzt, hochintelligent und Sinnesfreudig

- Durchschaut alle Geheimnisse der Erde & menschlichen Seele

- Wer ich mit ihm einlässt, wird bald in große „Schuld“ gestürzt und mit Paradoxien verwirrt

- Rollenvielfalt -> keine einheitliche Persönlichkeit

- Dies macht schon sein Auftreten als schwarzer Pudel, Schüler, … deutlich

- „Uneinheitlichkeit“ bestimmtes Wesensmerkmal

- Von sich selbst überzeugt -> überheblich

- Ironisch -> drückt sich oft sehr spöttisch aus

- Egoistisch und nur auf seinen Vorteil bedacht

- Eigentlich viel zu schwach, um zu gewinnen

- Zerstörerische Ziele -> möchte Herrn aus Eifersucht und Rache seine Macht beweisen

- Manipulativ, besitzergreifend, dominant

- Teufelsgestalt, nicht der biblische Teufel

- Hinterhältig

Seine Funktion auf der Erde:

- Teil der Schöpfung

- „Ich bin ein Teil des Teils, der Anfang alles war

- Rechtfertigung Gottes dafür, dass es das Böse im göttlichen Weltplan gibt

- Der Feind alten Werdens, aller Verjüngung, allen Sterbens, ist in Wahrheit der Antrieb zum unendlichen Sterben

- Katalytische Kraft für menschliches Sterben

- Verrichtet Werk mit „Erlaubnis“, der im Auftrag des Herrn handelt

- Erfolgssicher Mephisto ist sich dessen nicht bewusst

- Spielt somit die Rolle des Unruhestifters

- Wandlungsfähigkeit:

- Bipolares Verhalten

- Wechsel von starker Ironie zu hässlicher Schadenfreude

- Zielstrebig

- Ziel: Faust auf seine Seite zu ziehen, also es zu schaffen, ihn mit einfachen Genüssen zu befriedigen und somit den Pakt und die Wette zu gewinnen; am Beispiel Fausts beweisen, dass das Streben ein Wesenszug des Menschen ist

- Gibt nie auf, obwohl oft gescheitert

- In Literatur vertritt der Teufel oft das Böse, den Bereich verbotener menschlicher Wünsche

- Mephistos Taten als Projektion geheimer Wünsche Fausts

Marthe Schwerdtlein

- Kontrastfigur zu Gretchen

- Gierig

- Kann sich sehr an materiellem erfreuen (Schmuck)

- Betrachtet derartigen Besitz als großes Glück

- Reagiert garstig, als Mephisto ihr mitteilt, dass ihr Mann ihr nichts hinterlassen hat

- Bestimmt

- Zur Durchsetzung ihrer Ziele ist es ihr nicht allzu wichtig moralische Normen einzuhalten

- Nicht religiös (denkt nicht daran, den Schmuck der Kirche zu spenden & kann die Entscheidung Gretchens Mutter nicht nahvollziehen)

- Pragmatisch und realistisch

- sucht einen neuen Ehepartner -> nicht von allzu großer Bedeutung wer es ist

weitere Charaktere

- Gretchens Bruder Valentin (Soldat)

- Gretchens Mutter

- Hexe (-> Verjüngungstrank für Faust)

- Lieschen (Freundin von Gretchen; Szene am Brunnen)

2.1.7 Rolle der Frau im 18. Jahrhundert am Beispiel Fausts

- Anfangs wird Faust von der Liebe geleite, entdeckt jedoch schnell den Trieb wieder, spricht sogar davon, dass er Margarete „haben will“, später sogar davon, dass ei mit ihm untergehen soll

- Erwartungen and die Frauen: Mutter, Gattin, Hausfrau

- Vater sucht Verbindung für die Tochter -> Zweckehe, nicht aus liebe

- Frauen durften sich nicht am Unterhalt beteiligen

- Kaum bis gar keine Entscheidungsfreiheiten

- Unterteilung in: Adelige, Bürgerliche und Dienstmägde

Gretchen ist diejenige Figur, die die damalige Frauenrolle im Drama Faust repräsentiert, die anfangs ein typisches junges Mädchen aus einfachen Verhältnissen darstellt, durch Faust aber zu Schuld verleitet wird und sich schlussendlich an allem selber die Schuld gibt (Tod ihres Bruder Valentin, Tod ihrer Mutter, Tod ihres Kindes). Da sie am Ende von Gott erlöst wird, besitzt sie am Ende vielleicht so etwas wie eine schöne Seele (Klassik). Gretchen kommt aus einfachen Verhältnissen und muss daher den ganzen Tag arbeiten. Sie erzieht ihre kleinen Geschwister und hat somit mit 14 schon eine Mutterrolle inne. Als sie den Schmuck von Faust bekommt, "zwingt" ihre Mutter sie, den Schmuck wegzugeben, da es sich nicht für ein Mädchen aus armen Verhältnissen schickt, so einen Schmuck zu besitzen.

2.1.8 Menschenbilder: Gott und Mephisto

Gott: positives Menschenbild

- Irren/ Scheitern, Fehler als Teil des

menschlichen Strebens

- Hauptsache ist, dass der Mensch

überhaupt strebt

- Der Mensch ist zur Entwicklung fähig

- Das Böse garantiert das Streben der

Menschen

Mephisto: negatives Menschenbild

- animales Wesen („Tier“) ohne Vernunft

- keine Entwicklung möglich

- armes, jämmerliches Wesen

2.1.9 Wette/Pakt

Wette

- Mephisto fragt Gott um Erlaubnis und will Menschen auf die Probe stellen

- Faust als Repräsentant der Menschheit

- Faust vom rechten Weg abbringen

- Ziel: „Triumph“

-> Allerdings kann Mephisto die Wette nicht gewinnen:

- Mephisto ist die dienende Funktion für Gott durch das Stiften von Unruhe

- ’ Der Mensch bleibt in Bewegung und strebt

Pakt

- Pakt und Wette als gedankliche Achse für das gesamte Drama

(Pakt und Wette als Voraussetzung für die Binnenhandlung)

- Faust und Mephisto: Unterschiedliche Dimensionen des Genuss-Begriffs

- :

- erstrebt: das Leben in allen Zügen genießen (Genuss)

- :

- erstrebt: Faust vom rechten Weg abbringen ’(Triumph)

Das Teufelsbündnis

- Faust verschreibt seine Seele dem Teufel

- Bedingungen: höchster Lebensgenuss im Diesseits, muss der Religion & Glauben abschwören & sich Bekehrungsversuchen widersetzen, muss den Vertrag mit seinem eigenen Blut besiegeln

- Mephistopheles verpflichtet sich im Diesseits zum absoluten Dienst

- verschafft Faust alles, was er sich wünscht

- hofft, im Jenseits die Seele Fausts zu erlangen

Der Pakt gilt als geschlossen, wenn Faust mit einem Blutseid schwört

- Der Pakt gilt als erfüllt, wenn der Moment des Genusses erreicht ist

Beziehung zur Wette

- Knackpunkt ist der Moment des größten Genusses/ Glücks, da man nie mit Sicherheit sagen kann, ob der gegenwärtige Moment der beste/ größte ist und man vermutet, dass es immer noch schönere Momente geben kann

- Genuss/ genießen:

- nutznießen, erhalten

- Allheitserfahrung, Welt- und Selbsterfahrung, Aufhebung der individuellen Schranken

- Sinnesgenuss

- Genuss der Natur

- Faust und Mephisto haben Unterschiedliche Vorstellungen von „Genuss“

- Faust: nicht nur Genuss der Sinne, nicht nur im materiellen Sinne Allheitserfahrung, Verschmelzung mit Welt und Kosmos, Wunsch nach Totalität

2.1.10 Die Gretchen Frage

„Wie hast du’s mit der Religion?“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.2 Die Marquise von O…

Heinrich von Kleists 1808 erschienene Novelle »Die Marquise von O…« spielt in Italien zur Zeit des Zweiten Koalitionskrieges (1799–1802). Im Mittelpunkt steht die verwitwete Marquise von O…, die schwanger ist, ohne dass sie sich wissentlich mit einem Mann eingelassen hat. Über eine Zeitungsanzeige sucht sie nach dem unbekannten Vater. Als der ihr vertraute Graf F… sich zu der Vaterschaft bekennt, heiratet sie ihn zwar, verzeiht ihm seine Gewalttat aber erst sehr viel später.

2.2.1 Inhalt

In einer Zeitungsannonce erklärt die junge Marquise Julietta von O…, dass sie ohne ihr Wissen in andere Umstände gekommen sei. Der unbekannte Vater wird gebeten sich zu melden: Die Marquise wolle ihn, aus Rücksicht auf die Familie, heiraten.

Die Marquise (Witwe) wohnt mit ihren beiden Kindern bei ihren Eltern, dem Kommandanten von G… und seiner Frau. Die Zitadelle, in der sich die Familie aufhält, wird während des Krieges von russischen Truppen überfallen und bombardiert. Im allgemeinen Aufruhr gerät die Marquise in die Hände von russischen Soldaten, die sie misshandeln und vergewaltigen wollen.

Von ihren Hilfeschreien alarmiert, eilt der russische Offizier Graf F… herbei und bringt die Soldaten mit Waffengewalt dazu von der Marquise abzulassen. Der Marquise erscheint er wie ein Engel, und sie lässt sich von ihm in den Palast führen, wo sie bewusstlos wird.

In derselben Nacht wird die Festung erobert. Als tags darauf der russische General von dem Übergriff gegen die Marquise erfährt, werden die Soldaten erschossen. Gleich danach erteilt er den Truppen Marschbefehl, weshalb es der Marquise nicht mehr möglich war sich bei ihrem Retter zu bedanken. Bestürzt erfährt sie wenige Tage später von seinem Tod auf dem Schlachtfeld.

Zur allgemeinen Überraschung erscheint jedoch Graf F… nach einigen Monaten im Haus des Kommandanten und hält mit Dringlichkeit um die Hand der Marquise an. Er ist dienstlich auf dem Weg nach Neapel und behauptet, mit dem Heiratsantrag seinen Seelenfrieden wieder herstellen zu wollen. Zudem habe ihn nur der Gedanke an Julietta nach seiner schweren Verwundung am Leben gehalten. Die Familie reagiert zurückhaltend und bittet um Bedenkzeit. Als der Graf dabei ist seine Dienstpflicht zu verletzen, und statt nach Neapel zu reisen, zu bleiben und auf eine Antwort der Marquise zu warten, verspricht diese ihm sich bis zu seiner Rückkehr mit keinem anderen Mann zu vermählen. Der Graf reist erleichtert ab.

Ungläubig verfolgt die Marquise die Veränderungen ihres Körpers, die auf eine Schwangerschaft hinweisen. Als ein Arzt und eine Hebamme die Befürchtung bestätigen, und die Marquise trotzdem behauptet sich mit keinem Mann eingelassen zu haben, wird sie von ihren Eltern verstoßen. Die Marquise flüchtet auf ihren Landsitz in V…, wo sie ihr Schicksal in die Hand nimmt und sich mit Eifer der Erziehung ihrer Kinder und der Haushaltsführung widmet.

Selbstbewusst schildert sie wenig später in der am Anfang erwähnten Zeitungsanzeige ihre Situation. Als der Graf zurückkehrt um seinen Antrag zu erneuern, weist die Marquise ihn ab. Während er noch erwägt ihr einen Brief zu schreiben, erhält er Kenntnis von der öffentlichen Anzeige.

Inzwischen bedauert Frau von G… ihre Härte gegenüber ihrer Tochter und geht zu ihr, um mit einer List die Wahrheit herauszufinden. Als sie von Juliettas Unschuld überzeugt ist, bringt sie sie zurück ins Elternhaus, wo sich auch ihr Vater mit ihr versöhnt.

Der Vater des Kindes will die Marquise im Haus des Kommandanten treffen. Als sich herausstellt, dass es sich bei dem Unbekannten um den Grafen von F… handelt, wendet sich die Marquise entsetzt ab und nennt ihn einen Teufel. Ihr Versprechen einhaltend heiratet sie den Grafen am nächsten Tag, auf eheliche Rechte muss dieser jedoch verzichten. Er bezieht eine Wohnung in der Stadt, und erst bei der Taufe des gemeinsamen Sohnes begegnet sich das Paar wieder. Wegen seines zurückhaltenden und tadellosen Verhaltens wird der Graf langsam in die Familie aufgenommen, bis ihm die Gräfin nach einem Jahr verzeiht und ein zweites Mal ihr Jawort gibt.

2.2.2 Charakterisierung

Die Marquise Julietta von O…

- ist abhängig vom Willen ihrer Eltern / lässt sich von ihnen beeinflussen →

- spielt, weil besorgt um ihren guten Ruf, die Unschuldige,

- gewinnt scheinbar an Selbstbewusstsein und Selbstständigkeit → nimmt ihre Kinder bei Verstoßung mit → widersetzt sich dem Willen ihres Vaters

- passt sich wieder den gesellschaftlichen Mechanismen an → heiratet aus Pflichtbewusstsein ↓ heiratet ein 2tes mal aus Liebe

- Im Bewusstsein ihrer völligen Unschuld zieht sie sich von der Gesellschaft und deren Konventionen zurück, entwickelt eigene Werte und gewinnt ein – nicht nur für damalige Zeiten – unangepasstes und erfrischendes Selbstbewusstsein.

Der Vater, Herr von G…

- Familienvater und Kommandant einer Festung

- kann die Rolle des fürsorglichen Hausvaters nur unzureichend ausfüllen

- dominantes Familienoberhaupt (Haustyrann)

- versucht seine Schwäche mit Brutalität zu kompensieren

- ist von seiner Tochter, der Marquise, emotional abhängig

- um den Erhalt der Ordnung und des gesellschaftlichen Ansehens bemüht

- Denken und Ausdrucksweise von in seinen Kreisen herrschenden Militärsprache geprägt

- seine Worte sollen wie Befehle aufgefasst werden - seine Wünsche sind Anordnungen • befiehlt öfters zu Schweigen → Kommunikationsverweigerung (verstößt Tochter, ruft „hinweg“, greift zu Pistole)

- soll Patriarchen und Beschützer sowie die zentrale Figur der Geschichte darstellen

- versagt in der Novelle. kann seine Tochter vor der Vergewaltigung nicht bewahren.

- gesellschaftliche Norm: Bewahrung vor Sexualität, Begierden und selbst unkeuschen Gedanken ist eine wichtige Aufgabe, die auch größtenteils beim Vater liegt.

- kein Vorbild in Sachen Keuschheit → pflegt selbst einen Umgang mit seiner Tochter, der eher an ein Liebesverhältnis erinnert

Die Mutter, Frau von G…

- die eigentliche treibende Kraft der Familie und Gegenspielerin ihrer Tochter

- um den Ruf der Familie nach außen besorgt, egoistisch, habgierig und aufstiegsorientiert

- will den reichen Grafen F… als Schwiegersohn durchsetzen

Graf von F…

- reich und standesbewusst,

- imitiert das Ideal des höflichen und gebildeten Adligen,

- will sein Verbrechen, die Vergewaltigung der Marquise, wieder gut machen, • handelt dabei entschlossen, zielsicher und berechnend.

- Engel: Retter in Not, Idealbild Teufel: Vergewaltigung, Bruch des Idealbilds → Mensch: Vereint beide Seiten in sich → normaler Mensch mit Fehlern

- ein Vertreter des Adels als Triebverbrecher (in zentraler Rolle) → provokanter Tabubruch → Kleist: kritisches, ablehnendes Verhältnis zum Preußischen Militär

- Lernprozess: wildes Verlangen → geduldige Hingabe

- Schnelle Heirat um Vergehen zu vertuschen

2.2.3 Traumdeutung – Schwan Symbol

Im Traum des Grafen F.… findet er sich in seiner Kindheit wieder. Er ist an einem See, auf dem ein Schwan schwimmt. Er bewirft den Schwan mit Kot. Dieser taucht unter und nach einiger Zeit wieder auf. Das zuvor beschmutzte Tier ist nun wieder vollständig reingewaschen.

Schwan:

- symbolisch für Reinheit und Unschuld → bildliche Darstellung der Marquise Kot/ Beschmutzung:

- Vergewaltigung • beschmutzt den Ruf der Marquise Abtauchen: • Gesellschaftlicher Untergang Auftauchen:

- Weg zurück in die Gesellschaft durch Zeitungsannonce → Der Graf von F... verarbeitet in diesem Traum sein Verhalten / schlechtes Gewissen.

- Wenn er beim Abendessen vom Schwan spricht sagt er häufig „Sie“ statt „Er“

- Beteuert seine Liebe dem Schwan gegenüber

2.2.4 Interpretation und Analyse

- Werk kann als Parodie auf die Gesellschaft, die bürgerliche Heuchelei/Doppelmoral und die politische Situation angesehen werden.

- Figuren verbergen ihre Gefühle und Absichten, wenn diese im Wiederspruch zu Moralvorstellungen stehen.

- beschreibt, wie Krieg die Menschen verändert → Graf F.… wird zum Vergewaltiger, obwohl er eigentlich guten Herzens ist

- parodiert spitz und präzise die Brutalität der bürgerlichen Gesellschaft und ihr Versagen → Brutalität und Rücksichtslosigkeit, mit der Mütter von unehelichen Kindern in der Gesellschaft behandelt werden, wird kritisiert

- Familie ist nicht der Rückzugsort, wo man geliebt und angenommen wird, sondern sie untersteht strengen Regeln → Respektierung der Sitte wichtiger als die Bedürfnisse des Individuums

- verspottet die Moralvorstellung, dass alles erlaubt sei, wenn es nur im Geheimen geschehe → Namensabkürzungen=Nicht nennen, nicht aussprechen, Verheimlichung

- Trivia: Berühmtester Gedankenstrich der deutschen Literatur (markiert Vergewaltigung) • zunächst äußerst negative Rezension, da „pietätslos“, „sittenlos“, „undeutsch“, später als „genial“ bezeichnet, gilt nun als Klassiker

- verdeutlicht das strikte und brutale Gesellschaftssystem, wo die eigene Familie die Tochter verstößt um nicht ihr Ansehen durch ein uneheliches Kind zu verlieren.

2.2.5 Die Identitätskrise der Marquise

Ich (Bewusstsein)

- schuldfreies Bewusstsein erfährt unrecht und Verletzung durch Verbannung → vorrübergehende Entwicklung einer Ich-Stärke / Emanzipation! Befreiung von Gesellschaftlichen Konventionen

Es (Unterbewusstsein)

- Verdrängung der Identität des Vaters ihres ungeborenen Kindes und ihrer Triebe (Leben in Zurückgezogenheit) ins Unterbewusstsein

Über-Ich (Gewissen)

- Rolle des Vaters: als Kommandant und Familienoberhaupt gewohnt, dass seine Anordnungen befolgt werden ’ achtet auf Einhaltung der Konventionen der Familie

→ Die drei Instanzen müssen miteinander in Einklang gebracht werden, damit sich das Individuum in seiner solchen sozialen Umwelt korrekt verhalten kann und seine Rolle innerhalb der jeweiligen Gruppe (Familie, Freunde usw.) erfüllt. „Verbannung der Gefallenen aus der Familie und der Gesellschaft → Folge: Machtlosigkeit, Sinnlosigkeit und Isolation“

2.2.6 Psychoanalytische Anmerkungen

- Doppeldeutigkeit der Sprachgebung

- Graf ist nach Begehen der Tat sehr eifrig und eilig. Das ist ja schon so was wie ein erster Hinweis auf seine Täterschaft

- „erhitzt im Gesicht“

- Sexualsymbolik???!! (Pulverfässer und den Schlauch in der Hand ;-)

- Sieger „Bemannte“ die festen Punkte der Zitadelle (das bemannen auch als eindeutige Anspielung)

- Versöhnungsszene schon deswegen besonderes Gewicht, weil schamlose Offenheit und Ausführlichkeit, im Gegensatz zu der eigentlichen Tat, die mit einem Gedankenstrich übergangen wird

- Diese Szene ist deswegen auch so krass, weil sie aus der voyoristischen Sicht der Mutter geschildert wird

- Problem: der Erzähler gewährt uns kaum Einblicke in das Innere der Marquise, deswegen sind wir auf alles Äußere angewiesen

- Wenn man über seelischen Regungen reden will, ist Vorsicht geboten, wenn man nicht in das Spekulative abgleiten will

- Außer der hlg. Jungfrau hat auch die Hebamme noch nie von so einer Empfängnis gehört

- In der Gartenlaube dringt er ja faktisch noch mal ein, wie am Anfang der Novelle, aber DA spricht sie ihren Verdrängungswillen aus: ICH WILL NICHTS WISSEN (auch noch in Kursivdruck hervorgehoben)

- Sie weiß es und sie weiß es nicht. – das ist ganz hübsch

- Krieg in der Seele der Marquise

- Nach Freud: Ihr Ich wird von dem Über ICH und dem ES gleichermaßen in die Zange genommen

- Das Über ICH wird auch hauptsächlich von dem Vater repräsentiert

- „Das Über ICH der Marquise gewährt ihr in den Armen des Vaters, was es ihr in der Umarmung des Mannes versagt hatte: Hingabe, Bewusstsein und Genuss. Hier hat Kleist seine Marquise als Frau erkannt und dargestellt“. (S.89)

- Auch nach dem Tode zeigt sich, dass die Marquise immer noch an die Figur ihres Mannes gebunden ist

- Erzähler vermeidet bewusst jede Eindeutigkeit

2.2.7 Stil und Sprache

- Schreibstil → steif, unklar, verbergend

- Gedankenstriche → Vorenthaltung von Informationen

- Sprache → schwierig zu verstehen → von kompliziertem Satzbau geprägt

- dient dazu den Erzähler zu charakterisieren dessen Sprache wie eine Parodie auf die Doppelmoral der Gesellschaft wirkt.

- imitiert die verkrampfte innere Befindlichkeit der Figuren.

- Zahlreiche Grenzüberschreitungen in Richtung des Anzüglichen sowie Motive und Metaphern aus den Bereichen der Religion und des Theaters unterstreichen dabei die insgesamt in der dargestellten Welt herrschende Doppelmoral und Heuchelei.

2.3 Der Sandmann

»Der Sandmann« ist eine erstmals 1816 veröffentlichte Erzählung des romantischen Autors E. T. A. Hoffmann. Ursprünglich erschienen in der Sammlung »Nachtstücke«, erfreut sie sich bis heute an großer Bekanntheit und bietet Stoff für verschiedenste Interpretationsansätze. Geschildert wird das Schicksal des Studenten Nathanaels, der unter dem Einfluss traumatischer Kindheitserinnerungen verrückt wird und letztlich Selbstmord begeht. Ungeklärt bleibt, inwieweit er dabei Opfer einer Intrige wurde oder einzig seinen eigenen Wahnvorstellungen erlegen ist.

2.3.1 Inhalt

Zu Beginn der Erzählung steht ein Brief, den Nathanael an Lothar, seinen Ziehbruder, verfasst. Darin berichtet der Student, dass ihn seit Kurzem große Unruhe plage, ausgelöst durch den Besuch eines Wetterglashändlers. Der Grund dafür liege in einer Begebenheit aus seiner Kindheit. Gelegentlich sei er als Kind früh ins Bett geschickt worden mit der Begründung, der Sandmann sei schon auf dem Weg. Als er sich an einem dieser Abende in seines Vaters Zimmer versteckte, habe sich der »Sandmann« als der ihm verhasste Advokat Coppelius entpuppt. Zusammen mit Nathanaels Vater schien dieser alchemistische Experimente durchzuführen. Als Nathanael entdeckt wurde, habe der Anwalt ihn misshandelt und gedroht ihm die Augen zu verbrennen. Beim nächsten Besuch Coppelius’ etwa ein Jahr später sei Nathanaels Vater ums Leben gekommen, allem Anschein nach durch eine chemische Explosion. Eben jenen Coppelius, so erzählt Nathanael, habe er nun in dem Wetterglashändler Coppola wiedererkannt.

Es folgt ein Brief von Clara an Nathanael. Sie lässt ihren Geliebten wissen, er habe wohl versehentlich den für ihren Bruder Lothar bestimmten Brief an sie adressiert. Sie habe ihn gelesen und sei letztlich zu dem Schluss gekommen, Nathanael müsse sich diese grässlichen Ereignisse aus seiner Kindheit teilweise eingebildet haben.

Nathanael schreibt an Lothar und erklärt, Coppola sei wohl doch nicht Coppelius. Sein eigener Physikprofessor Spalanzani habe ihm bestätigt, Coppola schon lange zu kennen. Des Weiteren kündigt Nathanael seinen Besuch bei der Familie an.

Von hier an werden die weiteren Ereignisse von einem Ich-Erzähler beschrieben, der sich als Freund Nathanaels bezeichnet. Es wird berichtet, wie Nathanael bei seinem Besuch zu Hause regelmäßig von dunklen Mächten spricht, die über den menschlichen Geist bestimmten. Als er eines Tages ein eigens verfasstes Gedicht vorträgt, welches beschreibt, wie die Liebe zwischen ihm und Clara von Coppelius zerstört wird, kommt es zum großen Streit. Letztlich jedoch versöhnt man sich und Nathanael scheint befreit von seinen Ängsten.

Zurück in seinem Wohnort bekommt er erneut Besuch von Coppola, dem er ein kleines Fernglas abkauft. Nathanael erhascht dadurch einen Blick auf Professor Spalanzanis Tochter Olimpia, deren Zimmer von seinem Fenster aus ersichtlich ist, und ist fasziniert von ihr. Bei einem Fest im Hause Spalanzani verliebt sich Nathanael dann Hals über Kopf in die schöne Tochter. Er beginnt, ihr regelmäßig Besuche abzustatten.

Eines Tages trifft er in Spalanzanis Zimmer auf den Professor und Coppola. Sie scheinen sich um die Figur Olimpias zu streiten. Nathanael muss erkennen, dass Olimpia nur eine leblose Puppe ist, der jetzt die Augen fehlen. Coppola, von dem Professor als Coppelius bezeichnet, verschwindet und Nathanael stürzt sich auf Spalanzani, den er beinahe erwürgt. Die Geschichte von dem Automaten, den Spalanzani mit Hilfe Coppolas erschaffen und als seine Tochter ausgegeben hat, verbreitet sich in der ganzen Stadt.

Nathanael erwacht nach längerer Krankheit im Kreise seiner Familie, scheinbar von seiner Paranoia geheilt. Wieder glücklich vereint steigen Clara und Nathanael kurze Zeit später auf den städtischen Rathausturm. Als Clara zu Nathanael meint, ein grauer Busch schreite auf sie zu, greift er automatisch in seine Jackentasche nach dem Fernglas von Coppola. Er schaut hindurch und wird plötzlich in seine Wahnwelt zurückgeworfen. Er versucht Clara vom Turm zu stoßen; ihrem Bruder Lothar gelingt es sie zu retten. Vor dem Turm versammelt sich eine Menschenmenge, unter ihnen auch Coppelius, den das Schauspiel zu belustigen scheint. Nathanael springt vom Turm und stirbt. Clara wird ein paar Jahre später wiedergesehen, offenbar glücklich verheiratet.

Fundamentale Streitfragen der damaligen Epoche widerspiegelnd, thematisiert dieser Klassiker der Weltliteratur den Konflikt zwischen Vernunft und Phantasie. Die aufgeklärte Rationalität Claras steht dem gefühlsbetonten, desorientierten Wesen Nathanaels gegenüber, der damit wichtige Motive der Romantik verkörpert. Der Leser selbst wird von E. T. A. Hoffmann dabei häufig über Realität und Traum im Unklaren gelassen. Das immer wiederkehrende Motiv der Augen fungiert als wichtiges Symbol für die Vermischung von Wirklichkeit und Wahn.

2.3.2 Charakterisierung/ Figurenkonstellation

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nathanael

- Student und Literat; verkörpert Romantik

- hält seine düsteren Träumereien für real → Wahnvorstellungen, Schizophren

- lässt sich von seiner Fantasie bestimmen, die ihn sich zunächst in eine Maschine verlieben lässt und anschließend über die soziale Ausgrenzung bis in den Tod treibt

- Kommunikation scheitert, da Nathanael nur auf sich selbst und nicht auf andere eingehen kann - für Nathanael wird das Unwirkliche zum Wirklichen

- Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen, kann keine klare Unterscheidung treffen

- Kontrollverlust, (Kindheits-)Traumatisierung

- Zweifel an der Realität, unverarbeitete Ängste (Sandmann) - naiv, verzaubert vom Mystischen, unberechenbar, besonders, kindlich, traumatisiert, wahnsinnig → Auftauchen Coppolas als Beginn eines grausamen Schicksals

- Identitätsproblem: Freud: drei psychische Instanzen: bei Nathanael: Balanceverlust → die triebhaften, aufgestauten Wünsche versuchen ins Bewusstsein zu dringen

Clara (die Klare)

- Nathanaels Verlobte; verkörpert Aufklärung; aufgeklärte Rationalistin

- glaubt nicht an dunkle Mächte oder das Eintreten eines dunklen Schicksals

- ist mystischen Gedanken abgeneigt und will sich nicht mit ihnen beschäftigen

- hat einen scharfen Verstand

- tendenziell aufklärerische Sichtweise

- wahrer, richtiger Blick für Außenwelt, realistisch, heiter, sorglos und unbefangen

- harmonischer Einklang zwischen Umwelt und Seele

Olimpia

- Holzpuppe, dem Menschen im Äußeren sehr ähnlich

- angebliche Tochter von Spalanzani, in Wirklichkeit aber ein Automat von ihm

- Augen von dem Wetterglashändler Coppola

- wunderschönes Gesicht; Augen: starr, scheinbar ohne Sehkraft

- Nathanael betrachtet sie als einziger aus einer romantischen Perspektive → gute Zuhörerin

Coppola/Coppelius

keine eindeutige Aussage darüber, ob sie dieselbe Person sind

- Laut Clara seien beide nur Hirngespinste Nathanaels, existieren nur in seinem Kopf; → Coppola wäre ein ehrlicher Mann und keinesfalls ein Doppelgänger von Coppelius

- Spalanzani: bestätigt Coppolas italienische Herkunft → Coppelius ist Deutscher

- Streit um Olimpia: Spalanzani ruft Coppola als Coppelius → Erzähler erzählt aus Sicht Nathanaels

2.3.3 Motive

Augen = Symbol für die Vermischung von Wahnsinn und Wahn

- Augen sind Fenster der Seele + Verbindung von Seele/Außenwelt

- bei vielen Figuren werden besonders die Augen beschrieben:

- Coppola, Coppelius und Spalanzani haben alle drei „stechende Augen“→ Zeichen des Bösen

- Clara: helle Augen, klar → Aufklärung

- Olimpia: starr, ohne Sehkraft → im Wahn sieht er in ihren Augen Liebe und Verständnis

- Sandmann streut Sand in Kinderaugen

- Coppelius: versucht Nathanael die Augen zu stehlen

- Coppola: Bedeutung Augenhöhle: Anspielung auf den Sandmann und Nathanaels Furcht vor ihm → weckt alte Ängste

- Coppola verkauft Brillen, Gläser, Perspektive → dienen alle der veränderten Wahrnehmung

- Perspektiv: sieht Olimpia als Menschen und Clara als Maschine → Wahnsinn → „aus den Augen aus dem Sinn“: gestörte Beziehung zu Clara

Automat/Maschine

- In Literatur der Romantik ist Motiv des Automaten weit verbreitet → Zeit der Industrialisierung

- Maschinen verbreiten Faszination und Angst

- Vollkommenheit der Maschine stellt Gefahr für die Identität der menschlichen Persönlichkeit dar - Hoffmann kritisiert eine automatisierte Gesellschaft Olimpia als Automat:

- durch Nathanael wird der Automat zum Menschen; der Automat Olimpia hat Macht über Nathanael → Kritik an Technik

- Gäste von Spalanzani schrieben ihr unnatürliches Verhalten dem „Zwang der Gesellschaft zu“ → Kritik an Gesellschaft

- Kritik an Frauenrolle: Olimpia wird trotz ihrer stummen, starren Art als „Frau“ gesehen da Frauen so sein sollen

- Kritik an Wissenschaft: Spalanzani wird kritisiert, dass er eine Grenze überschritten hätte

- Nathanael beschreibt Clara als „lebloses, verdammtes Automat“, weil sie seinen Gedichten nicht zuhört

Feuer

- Feuer steht bei Nathanael immer am Anfang einer Veränderung

- Durch alchemistische Experimente stirbt Nathanaels Vater bei einer Explosion. Nathanael ist daraufhin wochenlang krank.

- Feuer in seinem Studentenzimmer führt dazu, dass er in das Haus gegenüber von Spalanzani einzieht und so auf Olimpia trifft

- Feuer und Hitze stehen in Zusammenhang mit Nathanaels zunehmendem Wahnsinn.

- Zu Beginn empfindet er noch eine „glühende Liebeslust“ für Clara, später bezeichnet er Olimpias Augen als „lebendig flammend“.

- Feuer = intensive Gefühlsregung und Wahnsinn

- „Feuerkreis dreh dich“, „flammende Blicke“, „blutige Funken“, „[glühende] Feuerströme“ - Feuer als Naturgewalt → Mensch kann nutzen, jedoch nicht beherrschen

2.4 Das Haus in der Dorotheenstraße

»Das Haus in der Dorotheenstraße« ist eine Novelle von Hartmut Lange. Sie erschien 2013 als Titelgeschichte eines gleichnamigen Sammelbands. Protagonist ist der verheiratete Journalist Gottfried Klausen. Als die Brüchigkeit seiner Ehe offenbar wird, gerät Klausen in eine existenzielle Krise. Die Grenze zwischen Wirklichkeit und Einbildung verschwimmt. Schauplätze der Handlung sind die Dorotheenstraße im Südwesten Berlins und London zwischen Februar und Mai 2011.

2.4.1 Inhalt

Der Wirtschaftsjournalist Gottfried Klausen wird beruflich ins nass-kalte London versetzt und hofft, seine Frau Xenia werde ihm von ihrem gemeinsamen Haus in der Dorotheenstraße im Berliner Südwesten folgen. Aber sie tritt den gebuchten Flug nicht an. Telefonate schlagen fehl; wiederholt meldet sich am anderen Ende der Leitung eine Männerstimme.

Als der isländische Vulkan Grimsvötn mit seiner Aschewolke über Europa verhindert, dass Klausen nach Berlin zurückfliegen kann, um dort mit seiner Frau die Situation zu klären, spielt seine Fantasie verrückt. Unter dem Eindruck eines Besuchs von Shakespeares Eifersuchtsdrama »Othello« kreisen seine Gedanken nur noch um den möglichen Ehebruch seiner Frau.

Gottfried Klausen vernachlässigt seine Arbeit und lässt sich nach Schwierigkeiten mit seiner Redaktion nach Island versetzen. Damit bricht die Erzählung ab.

Die Novelle schließt mit Erwägungen des Erzählers, wie Klausen sich weiter verhalten könnte, und deutet eine Gewalttat in der nahen Zukunft an.

2.4.2 Aufbau der Novelle

- Lange bezeichnet seinen in sechs Abschnitte gegliederten Text als Novelle.

- Der Text bietet ein unerhörtes Ereignis, entspricht dem tradierten Aufbau eines fünfaktigen Dramas und hat mehrere Wendepunkte.

- Ungewöhnlich ist, dass der Erzähler die Geschichte nicht zu Ende erzählt, sondern nur erwägt, wie sie enden könnte.

2.4.3 Charakterisierung

Gottfried Klausen

- ein Mann mittleren Alters,

- geht ganz in seiner Arbeit als Wirtschaftsjournalist auf,

- seine Karriere ist ihm wichtiger als die Bedürfnisse seiner Ehefrau Xenia,

- bemerkt nicht, dass er und seine Frau sich entfremdet haben und er seine Frau vernachlässigt,

- lässt sich von ungewohnten Ereignissen und Erlebnissen (Theaterbesuch) beeinflussen und verunsichern.

Xenia

- tritt selbst in der Novelle nicht direkt in Erscheinung,

- scheint für ihren abwesenden, sie vernachlässigenden Mann Ersatz gefunden zu haben.

2.4.4 Interpretationsansätze

- dem biografischen Ansatz, der dem Autor die fiktionalisierte Wiedergabe eigener Erfahrungen und Reflexionen unterstellt,

- dem ästhetischen Ansatz, der die Novelle als einen auf die Eheproblematik reduzierten Text der Andeutungen und Fragen auffasst,

- dem intertextuellen Ansatz, der sich bemüht, textuelle Bezüge zu anderen literarischen Werken und Autoren aufzuspüren,

- dem textsortentheoretischen Ansatz, der überprüft, inwieweit die Einordnung des erzählenden Textes als Novelle berechtigt ist,

- dem kommunikationstheoretischen Ansatz, der sich mit der Dialektik der modernen technischen Kommunikation befasst,

- dem soziologischen Ansatz, der den Text als Darstellung der Entfremdung in privaten Beziehungen durch die moderne Arbeitswelt versteht,

- dem Gender-Ansatz, der das Verhältnis der Geschlechter zueinander beleuchtet und trotz der konventionell scheinenden Rollenverteilung neben einem Emanzipationsansatz der Frau eine Krise des Mannes ausmacht,

- dem psychologischen Ansatz, der den Text liest als Entdeckung des Unheimlichen in der angstbehafteten eigenen Psyche,

- dem philosophischen Ansatz, der die eheliche Beziehungskrise als existenzielle Krise begreift, die den Menschen der Grund-angst des Lebens aussetzt, und

- dem rezeptionsästhetischen Ansatz, der sich auf die appellative Struktur des Textes konzentriert, weil sie sich an aktive, reflexionswillige Leser wendet

Excerpt out of 47 pages

Details

Title
Zusammenfassung für die Vorbereitung auf das Abitur im Leistungskurs Deutsch
Subtitle
Spracherwerbstheorien, Sprachphilosophien, Interpretationshilfen relevanter Werke
Grade
15,0
Year
2019
Pages
47
Catalog Number
V468454
ISBN (eBook)
9783346083616
Language
German
Keywords
Sprache, Sprachursprungtheorien, Herder, Süßmilch, Condillac, Spracherwerbstheorien, Nativismus, Behaviorismus, Sprachgeschichtlicher Wandel, Sprachwandel, Mehrsprachigkeit, Faust, Personenkonstellation, Charakterisierung, Marquise von O, Das Haus in der Dorothenstraße, Der Sandmann, Interpretation
Quote paper
Anonymous, 2019, Zusammenfassung für die Vorbereitung auf das Abitur im Leistungskurs Deutsch, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/468454

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