Die amerikanischen Verhörpraktiken im Rahmen des Kampfes gegen den internationalen Terrorismus in Gefangenenlagern wie Guantanamo haben ein strafprozessuales Problem in die Öffentlichkeit gebracht, das bisher auch in der Wissenschaft nur wenig Beachtung gefunden hat; können im Ausland unter Folter und erniedrigenden Behandlungen erlangte Aussagen der verhörten mutmaßlichen Terroristen auch in deutschen Prozessen verwertet werden?
Diese Frage kann jedoch nur Ausgangspunkt einer Beschäftigung mit diesem Thema sein. Es stellt sich generell die Frage, unter welchen Bedingungen im Ausland gewonnene Aussagen von Beschuldigten oder auch Zeugen im deutschen Strafverfahren verwendet werden können und wie dies zu geschehen hat. Daher geht es in dieser Arbeit um die Frage der Verwertbarkeit ausländischer (bemakelter) Aussagen.
Doch bevor diese spezielle Problematik näher beleuchtet werden kann, sind zu aller erst die Grundzüge der Beweis(verwertungs)verbote in Fällen ohne Auslandsbezug darzustellen, weil deren Verständnis die Grundlage für Fälle mit Auslandsbezug bildet. Daher wird im Folgenden erst die rein nationale Rechtslage bezüglich der Beweisverbote anhand allgemeiner Grundsätze und der wichtigsten Fallgruppen dargestellt.
Sodann wird zu klären sein, was unter „ausländischen, bemakelten Aussagen“ generell zu verstehen ist, bevor auch hier erst allgemeine Grundsätze zur Frage des „Wie“ und des „Ob“ der Verwertung entwickelt und schließlich die wichtigsten Problemfälle dargelegt werden.
Die „ausländischen Aussagen“ von Sachverständigen als Gutachter sollen dabei mangels Praxisrelevanz außen vor bleiben.
Inhaltsverzeichnis
- A, Einleitung
- B, Die Verwertung von Aussagen ohne Auslandsbezug
- 1 Das „Wie“ der Einführung in den Prozess
- a, Der Zeuge
- b, Der Beschuldigte
- 2 Das „Ob“ der Verwertung
- a, Die Grundproblematik
- (1) Systematisierung der Beweisverbote
- (2) Begründung von Beweisverwertungsverboten
- (a) Rechtskreistheorie
- (b) Schutzzwecklehre
- (c) Abwägungslehre
- (d) Informationsbeherrschungsrechte
- (e) Zwischenergebnis
- b, Einzelne Beweisverwertungsverbote
- (1) Die unterlassene Zeugenbelehrung
- (a) § 52 III 1 StPO
- (b) § 55 II StPO
- (c) § 57 StPO
- (2) Die unstatthafte Protokollverlesung nach § 252 StPO
- (3) Die Zeugnisverweigerungsrechte nach den §§ 53 f. StPO
- (4) Der Eid (§§ 59 ff. StPO)
- (5) Die unterlassene Beschuldigtenbelehrung (§§ 136 I, 243 IV 1 StPO)
- (6) Die Verweigerung von Beschuldigtenrechten (§§ 168c II- V, 224 StPO)
- (7) Die verbotenen Vernehmungsmethoden
- (8) Die Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht (§ 147 StPO)
- (9) Verwertungsverbote aus dem Grundgesetz
- (a) Rechtsstaatsprinzip
- (b) Grundrechte
- (10) Völkerrechtliche Verwertungsverbote
- C, Die Verwertbarkeit ausländischer, bemakelter Aussagen
- 1 Begriffsbestimmungen
- a, „ausländisch“
- b, „bemakelt“
- 2 Allgemeine Grundsätze
- a, Das „Wie“ der Einführung in den Prozess
- (1) Ausländische Protokolle als Niederschriften einer richterlichen Vernehmung iSv. § 251 II StPO
- (2) Ausländische Protokolle als Niederschriften einer richterlichen Vernehmung iSv. § 254 StPO
- b, Das „Ob“ der Verwertbarkeit der Aussage
- (1) Die Verwertbarkeit bei Einhaltung der ausländischen und der deutschen Vorschriften
- (2) Die Verwertbarkeit bei Einhaltung der ausländischen, nicht aber der deutschen Vorschriften
- (3) Die Verwertbarkeit bei Verstößen gegen die ausländische und die deutsche Rechtsordnung
- (4) Die Verwertbarkeit bei Verstößen gegen die ausländischen, aber Genugtuung der deutschen Vorschriften
- (5) Die Hinwirkungspflichten der deutschen Strafverfolgungsbehörden
- (6) Zusammenfassung
- 3 Einzelne Verwertungsverbote
- a, Die unterlassene Zeugenbelehrung
- (1) Zeugnisverweigerungsrechte wegen Verwandtschaft
- (2) Aussageverweigerungsrechte wegen Selbstbelastungsgefahr, die Wahrheitspflicht und die Strafbarkeit von Falschaussagen
- b, § 252 StPO
- c, Die berufsgruppenspezifischen Zeugnisverweigerungsrechte
- d, Der Eid
- e, Die unterlassene Beschuldigtenbelehrung
- f, Die Verweigerung von Beschuldigtenrechten
- g, Die in Deutschland verbotenen Vernehmungsmethoden
- h, Verstöße gegen das Grundgesetz
- i, Völkerrechtliche Verwertungsverbote
- (1) Die Beachtlichkeit von Fehlern bei der Rechtshilfebewilligung, sowie Verstöße gegen Absprachen iSv. Bedingungen
- (2) Verstöße gegen die EMRK, den IPBPR und sonstige völkerrechtliche Übereinkommen
- j, Sonstige Verwertungsverbote
- (1) Schweigen als Schuldanerkenntnis/Wahrheitspflicht des Beschuldigten
- (2) Bindungen an Absprachen und Schuldanerkenntnisse
- D, Fazit und Zukunftsausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die Verwertbarkeit ausländischer, bemakelter Aussagen im deutschen Strafverfahren. Ziel ist es, die komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen zu analysieren und praktische Handlungsempfehlungen für Strafverfolgungsbehörden abzuleiten.
- Verwertbarkeit ausländischer Beweismittel im deutschen Strafrecht
- Beweisverbote und deren Begründung im nationalen und internationalen Kontext
- Die Rolle von Rechtskreistheorie, Schutzzwecklehre und Abwägungslehre
- Untersuchung spezifischer Verwertungsverbote (z.B. unterlassene Belehrungen, verbotene Vernehmungsmethoden)
- Die Bedeutung völkerrechtlicher Übereinkommen
Zusammenfassung der Kapitel
A, Einleitung: Dieses Kapitel führt in die Thematik der Verwertbarkeit ausländischer, bemakelter Aussagen im deutschen Strafprozess ein. Es skizziert die Problematik und die Bedeutung der Thematik für die internationale Rechtshilfe und die effektive Strafverfolgung. Es stellt die zentralen Forschungsfragen dar und umreißt den Aufbau der Arbeit. Die Einleitung dient als Grundlage und Orientierungshilfe für den Leser, um das Verständnis der folgenden Kapitel zu erleichtern und die Forschungsmethode zu verdeutlichen.
B, Die Verwertung von Aussagen ohne Auslandsbezug: Dieses Kapitel analysiert die Verwertbarkeit von Aussagen im deutschen Strafverfahren, bevor es sich mit dem Auslandsbezug auseinandersetzt. Es unterscheidet zwischen dem „Wie“ (dem Verfahren der Einführung in den Prozess) und dem „Ob“ (der Zulässigkeit der Verwertung) einer Aussage. Es systematisiert die verschiedenen Beweisverbote, beleuchtet deren Begründungsansätze (Rechtskreistheorie, Schutzzwecklehre, Abwägungslehre etc.) und diskutiert einzelne Verwertungsverbote im Detail, z.B. im Zusammenhang mit Zeugenbelehrungen, Beschuldigtenrechten und verbotenen Vernehmungsmethoden. Der Fokus liegt auf der Darstellung der deutschen Rechtslage als Grundlage für den späteren Vergleich mit der Situation bei ausländischen Beweisen. Das Kapitel beleuchtet die komplexen Wechselwirkungen zwischen Verfahrensgarantien und der effektiven Strafverfolgung.
C, Die Verwertbarkeit ausländischer, bemakelter Aussagen: Dieser zentrale Teil der Arbeit befasst sich mit der eigentlichen Forschungsfrage. Zuerst werden die Begriffe „ausländisch“ und „bemakelt“ präzise definiert. Anschließend werden die allgemeinen Grundsätze der Verwertbarkeit solcher Aussagen erörtert, differenziert nach der Einhaltung bzw. Nichteinhaltung deutscher und ausländischer Vorschriften. Das Kapitel untersucht die verschiedenen Konstellationen und die Konsequenzen für die Verwertbarkeit. Die Hinwirkungspflichten deutscher Strafverfolgungsbehörden werden ebenso beleuchtet wie die Beachtlichkeit von Fehlern bei der Rechtshilfebewilligung. Die Analyse umfasst Einzelverwertungsverbote, wie unterlassene Zeugenbelehrungen, Verstöße gegen Grundrechte und völkerrechtliche Normen. Die Kapitelstruktur ist systematisch aufgebaut und ermöglicht ein tiefes Verständnis der komplexen Rechtslage. Die genaue Untersuchung der verschiedenen Szenarien (Einhaltung/Verstoß gegen nationale und internationale Vorschriften) sowie die ausführliche Betrachtung der Hinwirkungspflichten zeichnet diesen Teil der Arbeit besonders aus.
Schlüsselwörter
Verwertbarkeit, ausländische Beweismittel, Beweisverbote, Strafprozessrecht, Rechtshilfe, internationales Recht, EMRK, IPBPR, Zeugenvernehmung, Beschuldigtenrechte, Rechtskreistheorie, Schutzzwecklehre, Abwägungslehre, §§ StPO.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Verwertbarkeit ausländischer, bemakelter Aussagen im deutschen Strafverfahren
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht umfassend die Verwertbarkeit ausländischer, bemakelter Aussagen im deutschen Strafverfahren. Sie analysiert die komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen und leitet daraus praktische Handlungsempfehlungen für Strafverfolgungsbehörden ab.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Verwertbarkeit ausländischer Beweismittel im deutschen Strafrecht, Beweisverbote und deren Begründung im nationalen und internationalen Kontext, die Rolle von Rechtskreistheorie, Schutzzwecklehre und Abwägungslehre, spezifische Verwertungsverbote (z.B. unterlassene Belehrungen, verbotene Vernehmungsmethoden) und die Bedeutung völkerrechtlicher Übereinkommen (EMRK, IPBPR etc.).
Wie ist die Arbeit aufgebaut?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: Einleitung (A), Verwertung von Aussagen ohne Auslandsbezug (B), Verwertbarkeit ausländischer, bemakelter Aussagen (C) und Fazit und Zukunftsausblick (D). Kapitel B legt die Grundlage für die Analyse in Kapitel C, indem es die deutsche Rechtslage ohne Auslandsbezug systematisch darstellt. Kapitel C bildet den Kern der Arbeit und analysiert verschiedene Szenarien bezüglich der Einhaltung oder Nichteinhaltung deutscher und ausländischer Vorschriften.
Welche Beweisverbote werden untersucht?
Die Arbeit untersucht eine Vielzahl von Beweisverwertungsverboten, darunter unterlassene Zeugen- und Beschuldigtenbelehrungen, unstatthafte Protokollverlesung nach § 252 StPO, Zeugnisverweigerungsrechte nach §§ 53 ff. StPO, verbotene Vernehmungsmethoden, Verletzung des Rechts auf Akteneinsicht (§ 147 StPO), Verwertungsverbote aus dem Grundgesetz und völkerrechtliche Verwertungsverbote. Der Fokus liegt auf der systematischen Darstellung und der Analyse der jeweiligen Begründungsgrundlagen.
Welche Rechtsgrundlagen werden herangezogen?
Die Arbeit bezieht sich auf diverse Paragraphen der Strafprozessordnung (StPO), das Grundgesetz (GG), die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) und weitere völkerrechtliche Übereinkommen. Die Rechtskreistheorie, die Schutzzwecklehre und die Abwägungslehre bilden wichtige theoretische Bezugspunkte.
Was sind die zentralen Ergebnisse?
Die Arbeit liefert eine detaillierte Analyse der komplexen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Verwertbarkeit ausländischer, bemakelter Aussagen im deutschen Strafverfahren. Sie identifiziert verschiedene Konstellationen und deren Konsequenzen für die Verwertbarkeit und gibt praktische Handlungsempfehlungen für Strafverfolgungsbehörden.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Strafverfolgungsbehörden, Rechtsanwälte, Richter, Wissenschaftler und alle, die sich mit dem internationalen Strafrecht und der Beweiswürdigung auseinandersetzen. Sie bietet eine umfassende und systematische Darstellung der relevanten Rechtslage und erleichtert die praktische Anwendung.
Wo finde ich detaillierte Informationen zu den einzelnen Beweisverwertungsverboten?
Das Inhaltsverzeichnis der Arbeit bietet einen detaillierten Überblick über die behandelten Beweisverwertungsverbote. Kapitel B behandelt die Verbote im Kontext des deutschen Rechts ohne Auslandsbezug. Kapitel C analysiert die Verbote im Kontext ausländischer Beweise, differenziert nach verschiedenen Szenarien der Einhaltung oder Verletzung nationaler und internationaler Vorschriften.
- Quote paper
- Martin Neumann (Author), 2009, Verwertbarkeit ausländischer, bemakelter Aussagen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/469090