„Wo kein Vertrauen ist, da ist auch keine Treue.“ Auf den ersten Blick bleibt dem Leser dieses alten deutschen Sprichwortes dessen ökonomische Bedeutung verborgen. Die Relevanz von Vertrauen im zwischenmenschlichen Bereich und damit für die Wissenschaften Psychologie, Soziologie etc. dürfte dagegen unmittelbar deutlich werden. Doch längst haben auch einige Ökonomen die Einsatzmöglichkeiten dieses „weichen“ Faktors, bspw. in Unternehmen und Unternehmenskooperationen, erkannt. Innerhalb dieser aktuellen Diskussion wird Vertrauen häufig als alternativer Steuerungsmechanismus angesehen, der die Zusammenarbeit von Geschäftspartnern bzw. das Verhalten der Kunden positiv beeinflussen kann. Diese wissenschaftlichen Erkenntnisse lassen sich nicht nur auf industrielle Unternehmen bzw. Unternehmenskooperationen, sondern auch auf Kooperationsformen im deutschen Gesundheitssektor anwenden.
Dazu zählen die Gesundheitsnetze oder genauer gesagt: die „vernetzten Versorgungsstrukturen des Gesundheitswesens“.Unter diesem Begriff versteht man netzwerkartige Zusammenschlüsse bestimmter Anbieter von Gesundheitsdienstleistungen, die aufgrund neuartiger gesetzlicher Regelungen des „Sozialgesetzbuches (SGB) V - Gesetzliche Krankenversicherung“ ermöglicht werden. Die Mehrzahl der auf diesem Wege entstandenen Netze befindet sich immer noch im Aufbau. Einige sind gar nicht erst über die Gründungsphase hinausgekommen und wieder andere brachen erst nach einer mehrjährigen Versuchsphase auseinander. Für das Scheitern werden offiziell eine Vielzahl von Gründen angeführt. Man spricht u. a. von untreuen Patienten, netzfeindlich handelnden Akteuren und „einzelkämpferischem“ Verhalten von Netzärzten.
Greift man auf das einleitende Sprichwort zurück, so lassen sich aufgrund dieser mangelhaften internen und externen Netztreue Defizite in der Vertrauensentwicklung vermuten, welche die Erfolgschancen dieser Netzwerke negativ beeinflussen. Diese Annahme bildet den Ausgangspunkt für die Untersuchungen dieser Diplomarbeit.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 1.1 Problemstellung
- 1.2 Zielsetzung
- 1.3 Gang der Untersuchung
- 2 Vertrauen - theoretische Einordnung
- 2.1 Vertrauen definitorische Abgrenzung
- 2.1.1 Definitionen von Vertrauen
- 2.1.2 Eine wissenschaftsübergreifende Definition
- 2.2 Vertrauensarten in der Soziologie
- 2.2.1 Personales Vertrauen
- 2.2.1.1 Begriff und Determinanten
- 2.2.1.2 Elementare Rolle der Kommunikation
- 2.2.2 Systemvertrauen
- 2.2.2.1 Internes Systemvertrauen - Begriff und Determinanten
- 2.2.2.2 Externes Systemvertrauen - Begriff und Determinanten
- 2.3 Modelle der Vertrauensentwicklung
- 2.3.1 Dynamik des Vertrauens
- 2.3.1.1 Notwendigkeit der Vertrauensbereitschaft
- 2.3.1.2 Vertrauens-/Misstrauensspirale
- 2.3.2 Vertrauensentwicklung in professionellen Beziehungen
- 2.3.2.1 Kalkulierendes Vertrauen
- 2.3.2.2 Wissensbasiertes Vertrauen
- 2.3.2.3 Identifikationsbasiertes Vertrauen
- 2.3.2.4 Vertrauensentwicklung in Stufen
- 2.3.3 Entstehung des Kundenvertrauens
- 2.4 Zusammenfassung
- 3 Vernetzte Versorgungsstrukturen des Gesundheitswesens
- 3.1 Handlungsbedarf im deutschen Gesundheitswesen
- 3.1.1 Deutsches Gesundheitswesen und dessen Probleme
- 3.1.2 Perspektiven durch Vernetzung
- 3.2 Organisationstyp: Netzwerk
- 3.2.1 Definition
- 3.2.2 Einordnung zwischen Markt und Hierarchie
- 3.3 Spezielle Formen der Netzwerke im Gesundheitswesen
- 3.3.1 Merkmale der Unterscheidung
- 3.3.2 Praxisnetze
- 3.4 Notwendigkeit von Vertrauen in Praxisnetze
- 3.4.1 Gefangenendilemma - Förderung kooperativen Verhaltens im Netz
- 3.4.2 Reduzierung von Agency-Kosten
- 3.4.3 Notwendigkeit des Kundenvertrauens
- 4 Aktueller Stand des Vertrauens in Praxisnetze
- 4.1 Stand des Vertrauens der Netzärzte
- 4.1.1 defizitäre Interaktion und Kommunikation in Praxisnetzen
- 4.1.2 Vertrauensmissbrauch durch opportunistisches Verhalten
- 4.1.3 Unzureichende Schaffung einer gemeinsamen Identität
- 4.1.4 Mangelnde Kompetenz der Führungsebene
- 4.2 Stand des Patientenvertrauens in Praxisnetze
- 4.3 Zusammenfassung
- 5 Einflussgrößen der praxisnetzinternen Vertrauensförderung
- 5.1 Auswahl der Netzärzte
- 5.1.1 Klare Struktur des Auswahlprozesses
- 5.1.2 Auswahlkriterien
- 5.1.3 Möglichkeiten der Informationsgewinnung
- 5.2 Erarbeitung einer gemeinsamen Vision - Netzwerkkultur
- 5.2.1 Schaffung gemeinsamer Ziele
- 5.2.2 Schaffung gemeinsamer Werte und Normen
- 5.3 Förderung der netzinternen Kommunikation und Information
- 5.3.1 Konfliktmanagement
- 5.3.2 Kommunikationstraining
- 5.3.3 Regelmäßige Besprechungen
- 6 Einflussgrößen der Förderung des Patientenvertrauens
- 6.1 Bessere Außendarstellung: informative Werbung
- 6.2 Signalling durch Evaluation und Zertifizierung
- 6.3 Verbesserung der Wirtschaftlichkeit vs. Vertrauensförderung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Diplomarbeit befasst sich mit dem Stand, den Möglichkeiten und den Grenzen der Vertrauensentwicklung in Gesundheitsnetzen, insbesondere in Praxisnetzen. Ziel ist es, die Herausforderungen der Vertrauensbildung in diesen komplexen Strukturen zu analysieren und konkrete Handlungsempfehlungen für die erfolgreiche Implementierung und Weiterentwicklung von Praxisnetzen zu entwickeln.
- Der theoretische Rahmen für die Analyse des Vertrauens in Gesundheitsnetzen
- Die Bedeutung und die Herausforderungen von Vernetzung im deutschen Gesundheitswesen
- Die Rolle des Vertrauens in der erfolgreichen Funktionsweise von Praxisnetzen
- Faktoren, die die Vertrauensentwicklung in Praxisnetzen beeinflussen
- Strategien zur Förderung von Vertrauen zwischen den Netzärzten und gegenüber den Patienten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Problemstellung und die Zielsetzung der Untersuchung darlegt. Im zweiten Kapitel wird das Konzept des Vertrauens aus theoretischer Sicht beleuchtet, wobei verschiedene Vertrauensarten und -modelle analysiert werden. Das dritte Kapitel widmet sich den vernetzten Versorgungsstrukturen im Gesundheitswesen, insbesondere den Praxisnetzen, und beleuchtet deren Notwendigkeit und die Rolle des Vertrauens in diesem Kontext. Das vierte Kapitel analysiert den aktuellen Stand des Vertrauens in Praxisnetzen, sowohl aus Sicht der Netzärzte als auch aus Sicht der Patienten. Die Kapitel fünf und sechs befassen sich mit den Einflussfaktoren der Vertrauensförderung in Praxisnetzen, wobei sowohl interne (zwischen den Netzärzten) als auch externe (gegenüber den Patienten) Aspekte betrachtet werden.
Schlüsselwörter
Vertrauen, Gesundheitsnetz, Praxisnetz, Netzwerkkultur, Patientenvertrauen, Arztvertrauen, Kommunikation, Kooperation, Gefangenendilemma, Agency-Kosten, Vertrauensentwicklung, Vertrauensförderung
- Quote paper
- Jan-Peter Brüning (Author), 2005, Stand, Möglichkeiten und Grenzen der Vertrauensentwicklung in Gesundheitsnetzen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/46961