Der Umgang der sieben großen Parteien mit der Digitalisierung bei der Bundestagswahl 2017. Ein Beitrag zur "Political Data Science"


Trabajo Escrito, 2017

23 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Der Stellenwert der Digitalisierung der sieben großen Parteien in Bezug auf die Bundestagswahl 2017
2.1 Analyse des Stellenwertes der Digitalisierung in den einzelnen Wahlprogrammen für die Bundestagswahl 2017
2.1.1 Wahlprogramm der AfD
2.1.2 Wahlprogramm der FDP
2.1.3 Wahlprogramm von Bündnis90/ Die Grünen
2.1.4 Wahlprogramm der SPD
2.1.5 Wahlprogramm von Die Linke
2.1.6 Wahlprogramm von CDU/CSU
2.2 Politikwissenschaftlich-theoretische Erklärungsansätze

3. Fazit

4. Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einführung

„Wir haben nicht begriffen, was auf uns zurollt“ titelte bereits im September 2014 die „Welt“ und richtete damit einen Appell bezüglich der anstehenden Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung an die deutsche Politik. In diesem Artikel bemängelten die Autoren, dass „insbesondere [die] Banken und Versicherungen, das Gesundheitswesen sowie die Telekommunikations-, Informations- und Medienindustrie [hinterherhinken].“ Sie würden lediglich die Hälfte der digitalen Reife der weltweiten Vorreiter erreichen, zudem seien die Internetverbindung in unserem Land rückständig.1

Politikwissenschaftler wie Professor Dr. Simon Hegelich sprechen schon längst von einer „digitalen Revolution, die immer mehr Bereiche des öffentlichen Lebens erfasst“. Zu seinem Forschungsfeld gehört die Verbindung von Politikwissenschaft und Computerwissenschaft, die in der Fachsprache „Political Data Science“ genannt wird.2 Dass dieser Bereich in der deutschen Politikwissenschaft genauso neu wie vergleichsweiße unerforscht ist, zeigt allein die Tatsache, dass Professor Hegelich mit dem neuen Lehrstuhl „Political Data Science“ an der Hochschule für Politik München die bisher erste und einzige Professur für diesen Fachbereich in Deutschland innehat.3

Welchen Umgang pflegen die großen deutschen Parteien nun mit der Thematik der Digitalisierung und welche konkreten Erklärungsansätze gibt es dafür? Diesen Fragen möchte ich hier nachgehen. Leiten wird mich dabei eine von mir aufgestellte Forschungsfrage, die sich ebenfalls auf den oben angesprochenen Artikel der Welt bezieht: Welche Priorität räumen die großen deutschen Parteien in ihren inhaltlichen Ausrichtungen dem Thema Datenwissenschaft und Digitalisierung ein?

Im Folgenden werde ich zunächst die Wahlprogramme für die Bundestagswahl 2017 von allen großen deutschen Parteien untersuchen, analysieren und miteinander vergleichen. Anschließend möchte ich versuchen, die Programme der behandelten politischen Parteien in einen Kontext mit politikwissenschaftlichen Erklärungsansätzen zu stellen, um der Frage auf den Grund zu gehen, warum diejenige Partei genau den dargestellten Ansatz wählt, sowohl qualitativ als auch quantitativ. Neben der Empirie, den Wahlprogrammen der Parteien für die Bundestagswahl 2017, den Konzepten, den Inhalten der Programme, soll somit auch der Bezug zur politikwissenschaftlichen Theorie nicht fehlen.

2. Der Stellenwert der Digitalisierung der sieben großen Parteien in Bezug auf die Bundestagswahl 2017

Um den aktuellen Umgang der Thematik der Digitalisierung innerhalb der einzelnen Parteien zu erforschen und analysieren zu können, halte ich es für am sinnvollsten, die jeweilige Gewichtung in den jeweiligen Wahlprogrammen für die anstehende Bundestagswahl 2017 zu untersuchen. Dies habe ich auf diejenigen politischen Parteien eingegrenzt, die eine relevante Rolle in der deutschen aktuellen Politik spielen und eine realistische Option haben, in den Deutschen Bundestag einzuziehen. Das betrifft die „Alternative für Deutschland“ (AfD), die „Freie Demokratische Partei“ (FDP), „Bündnis90/ Die Grünen“, „Die Linke“, die „Sozialdemokratische Partei Deutschlands“ (SPD), die „Christlich Demokratische Union Deutschlands“ (CDU) und die „Christlich-Soziale Union“ (CSU).

2.1 Analyse des Stellenwertes der Digitalisierung in den einzelnen Wahlprogrammen für die Bundestagswahl 2017

2.1.1 Wahlprogramm der AfD

Das Wahlprogramm der „Alternative für Deutschland“ für die Wahl zum Deutschen Bundestag 2017 wurde bereits am 22./23. April 2017 beschlossen und befindet sich seitdem auf ihrer Homepage. Das Programm besteht aus 74 Seiten und 15 Kapiteln. Bedauerlicherweise beschäftigt sich keines dieser Kapitel mit Digitalisierung, Datennutzung oder ähnlichem. Lediglich in Kapitel 10 „Steuern und Finanzen, Wirtschaft und Arbeit“ existiert unter 10.8 eine kurze Passage bezüglich „Anspruch auf Teilhabe am digitalen Leben und digitaler Wirtschaft“. Darin fordert sie, dass alle Haushalte und Betriebe innerhalb von zwei Jahren an schnelle Breitbandnetze angeschlossen werden sollen.4 Allerdings werden hier weder eine praktische Umsetzung noch konkrete Inhalte und Vorstellungen erwähnt. Tatsächlich existiert das Stichwort „Digitalisierung“ in diesem Wahlprogramm nicht einmal.

2.1.2 Wahlprogramm der FDP

Das Wahlprogramm der „Freiheitlich Demokratischen Partei“ wurde bereits am 17. Mai 2017 verabschiedet und veröffentlicht und umfasst 95 Seiten. Im Gegensatz zum Parteiprogramm der AfD, taucht das Stichwort „Digitalisierung“ 38 Mal im Wahlprogramm der Freien Demokraten auf, was bereits vermuten lässt, dass diese Thematik einen wesentlich höheren Stellenwert einnimmt.5

Bereits bei dem Kapitel „Bildungspolitik“ wird der Gedanke der Digitalisierung aufgegriffen und verknüpft: Es beginnt mit der Forderung einer „1000 Euro Technik-Investition pro Schülerin und Schüler“ und beinhaltet eine technische Aufrüstung der deutschen Schulen.6 Des Weiteren fordert die FDP die Vermittlung von Medienkompetenz in den Bildungsstandards, eine ausgeprägtere Digitalkompetenz bei Lehrern, die eine verpflichtende Weiterbildung vorsieht (ebd.) und im Bereich Forschung einen „Online-Zugang zu Lehrmaterialien an öffentlichen Hochschulen“, um flexibel und selbstbestimmt lernen und arbeiten zu können.7

Ein eigenes Kapitel, das zwei Seiten umfasst, trägt den Namen „Chancen der Digitalisierung nutzen“ und leitet mit dem Satz ein: „Die Digitalisierung ist die umwälzendste Veränderung unseres Lebens seit dem Übergang von der Agrar- zur Industriegesellschaft“8. Dieses Kapitel beinhaltet unter anderem die Erschaffung eines „digitale[n] Binnenmarkt[es] für Europa“, welches durch deregulierende Maßnahmen erreicht werden soll (ebd.). Weitere Forderungen sind eine Open-Data und Open-Government-Strategie, also eine Veröffentlichung der Daten, um Unternehmen flexiblere und freie Möglichkeiten zu ermöglichen, eine Reform des Wettbewerbsrechts für die Digitalisierung, wodurch der Transaktionswert erhöht werden soll, die Durchsetzung eines modernen Urheberrechts, „das einen einfachen Rechteerwerb und die unbürokratische und transparente Beteiligung der Urheber an der Verwertung ihrer Werke ermöglicht“, sowie die Bekennung zur Netzneutralität, also die Gleichberechtigung aller Datenpakete im Internet (ebd). Auch bei der Verkehrspolitik wird eine „Digitalisierungsoffensive“ gefordert: Demnach sollen autonom fahrende Verkehrsmittel attraktiver gestaltet werden und ausgebaut werden.9

Besonders interessant ist zu sehen, dass die Freien Demokraten, Daten nicht nur effizient verwerten wollen, sondern auch an deren Schutz orientiert sind. Unter dem Kapitel „Selbstbestimmt in allen Lebenslagen“ wird der „Datenschutz in der digitalisierten Welt“ thematisiert. Dies beinhaltet zunächst die Forderung, „dass die Bürgerinnen und Bürger Verfügungsgewalt über auf ihre Person bezogenen Daten haben“ sollen. Damit hängt der Wunsch nach einer größtmöglichen Transparenz personenbezogener Daten zusammen.10 Im „Praxishandbuch Big Data“ unter dem Kapitel „Recht“ wird der Begriff „Opt-In“ bereits erläutert: Dies umfasst die Einwilligung des Betroffenen der erteilten Datenschutzinformationen.11 Auch die FDP greift dies auf, indem sie fordert, niemand dürfe gegen den Willen der Bürger, Person bezogene Daten nutzen. Darüber hinaus ist es den Freien Demokraten wichtig, „die digitale Infrastruktur effektiv zu schützen“, dies sei „staatliche Aufgabe ersten Ranges“.12 Außerdem wagen sie den Spagat des Einklangs von „datenbezogene[n] Geschäftsmodelle[n] und Selbstbestimmtheit im Internet der Dinge“ durch das Schaffen eines Nutzungsrechts an Daten, wodurch alle Akteure gewonnene Daten für sich nutzen können (ebd.). In diesem Absatz ist es besonders bemerkenswert, dass diese Partei ebenfalls Elemente von datenschutzrechtlichen Standards aufgreift und übernimmt.

Im Kapitel „Presse- und Meinungsfreiheit sichern“ thematisieren die Liberalen aktuelle, besorgniserregende Entwicklungen im Bereich der Politics, also der Prozesse in der Politik: „Fake News“, der gezielten Verbreitung von Falsch-Nachrichten und „Hass-Postings“, des diskriminierenden und herabwürdigenden Umgangs innerhalb des Internets. Entgegen allgemeiner Annahmen sagt das Wahlprogramm an dieser Stelle, dass „erfundene oder verfälschte Nachrichten, die sich in sozialen Netzwerken und einigen Presseportalen finden lassen, von der Meinungs- und Pressefreiheit abgedeckt“ seien. Ergänzend heißt es, „dass wir jede Form von staatlicher Kontrolle oder Prüfung auf die Richtigkeit von Nachrichten oder Meldungen ablehnen“.13 Begründet wird dies mit dem Einsetzen für die „Meinungs- und Pressefreiheit“. Eine klare Abgrenzung gegen Falsch-Nachrichten sieht anders aus. Allerdings fordert die FDP, „dass Polizei und Staatsanwaltschaft strafbewehrte Postings in sozialen Netzwerken konsequenter verfolgen“, dies sei nicht Aufgabe der Betreiber sondern des „Gewaltmonopol des Staates“ (ebd.). An dieser Stelle sei angemerkt, dass es zu befürworten ist, dass auch diese aktuellen Entwicklungen thematisiert werden, jedoch hier ein Dissens zwischen dem Umgang mit „Fake-News“ und „Hass Postings“ vorliegt.

Nun wird noch einmal der Datenschutz aufgegriffen, denn die FDP hat ein eigenes Kapitel für „Datenschutz und -sicherheit international gedacht“. Dies ist grundsätzlich selbstverständlich sinnvoll. Gerade in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung machen Daten eben nicht an Landesgrenzen halt, sondern es müssen freilich auch supranationale Lösungsansätze gefunden werden. Der erste beinhaltet die „Verbesserung der nationalen und europäischen Cybersicherheit“, verdeutlicht durch das Beispiel, dass die deutsche Bundesregierung täglich mit 20 Cyberangriffen auf die Netze des Bundes kämpfen müsse, wird eine kooperative Strategie zum „Schutz von privaten Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen“ gefordert. Ferner soll ein internationales Informationsfreiheitsabkommen entwickelt werden, um die „Freiheit und Unabhängigkeit des Internets“ auch in Zukunft zu sichern.14 Bemerkenswert ist das Festhalten eines eigenen Unterkapitels „Besserer Schutz von Daten, die in die USA übermittelt werden“ im Wahlprogramm. Darin kritisiert die FDP, dass „personenbezogene Daten bei Verbindungen, Übermittlung und Speicherung in die USA deutlich schlechter geschützt“ seien, als innerhalb von Europa. Das Aufnehmen des Datenschutzes in Freihandelsabkommen soll dabei die Lösung sein (ebd.).

Schließlich widmet sich die FDP erneut mit einem eigenen Kapitel der Thematik. Unter „Digitalisierung richtig nutzen“ fordert sie die Einführung eines Digitalministeriums, um alle Kompetenzen sozusagen „in einer Hand“ zu bündeln.15 Tatsächlich ist diese Forderung ein Alleinstellungsmerkmal zwischen den deutschen politischen Parteien, was spätere Analysen noch verdeutlichen werden. Des Weiteren beinhaltet dieses Kapitel Forderungen nach einem flächendeckenden Glasfasernetz in Deutschland, um hochleistungsfähiges Internet zu gewährleisten, das Verhindern eines „unbefugte[n] Zugriff[s] auf persönliche Daten durch Dritte […]“, kombiniert mit dem Ermöglichen von mehr „freie[m] WLAN in öffentlichen Räumen, Gebäuden und dem öffentlichen Nahverkehr“ (ebd.). Abschließend wird noch das Thema „Digitalisierung des Gesundheitssystems“ aufgegriffen, wonach es sogenannte „E-Health-Systeme“ geben soll, bei denen relevante Daten gesammelt und nutzbar gemacht werden“, wodurch sich das Gesundheitssystem transparenter, effizienter und einfacher gestalten ließe.16

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die FDP die Wichtigkeit der Digitalisierung vollends begriffen hat. Sie widmet sich nicht nur der Thematik an sich, sondern versucht das Themenfeld in seinem vollen Umfang mit den Herausforderungen anhand unterschiedlicher Policies transdisziplinär zu analysieren, etwa durch Verknüpfen des Themas mit der Bildungspolitik, der Infrastruktur, der Gesundheitspolitik und des Datenschutzes und zwar in Zusammenhang der Globalisierung. Diese Aufgaben sollen in einem eigenen Kompetenzbereich, das Schaffen eines Digitalministeriums, angegangen werden.

2.1.3 Wahlprogramm von Bündnis90/ Die Grünen

Bündnis90/Die Grünen haben bisher lediglich einen Entwurf zum Wahlprogramm veröffentlicht, welches 104 Seiten umfasst und aus vier Hauptkapiteln besteht. Der Titel des Programms lautet erwartungsvoll „Zukunft wird aus Mut gemacht“.

In der Präambel heißt es „Globalisierung und Digitalisierung sind keine Naturgewalten, die sich gegen den Menschen richten. Sie können unser Leben besser machen, wenn wir den Rahmen setzen und die Regeln bestimmen.“17 Offenbar wird dies also nicht primär als Problematik angesehen, sondern als Chance, Herausforderung und Gestaltungsmöglichkeit. Unter dem Unterkapitel „Wir begrünen unsere Wirtschaft für Umweltschutz, Lebensqualität und neue Arbeitsplätze“ wird erstmals die Digitalisierung praktisch thematisiert, auch wenn es mit dieser Beschreibung nicht den Anschein erweckt.18 Die Partei will dadurch die Wirtschaft ökologischer gestalten. Etwa durch Smart Grids, intelligente, digital gesteuerte Netze, könnten die schwankenden Strommengen aus Wind und Sonne ausgeglichen werden (ebd.). Arbeitsmarktpolitisch heißt es „Videokonferenzen ersetzen Geschäftsreisen, Arbeit im Home-Office reduziert Pendlerströme“ (ebd.). Durch ein aktiveres Nutzen von Sharing-Plattformen würden materieller Konsum reduziert, wofür Datensicherheits- und Verbraucherschutzstandards die Basis sei (ebd.).

Mit dem Unterkapitel „Wir machen das Internet frei und sicher“ wird das Thema Datenschutz mit der individuellen Freiheit verknüpft. Appellierend heißt es: „Unsere Digitalpolitik richtet sich an den Bedürfnissen der Menschen aus“, wodurch das Recht auf digitale Selbstbestimmung, ein wirksamer Daten- und Verbraucherschutz, eine effektive IT-Sicherheit und die Chancengleichheit im Mittelpunkt deren Konzepte stehen sollen.19 Dabei werden vier Kernforderungen aufgestellt: Die erste beinhaltet einen schnellen Internetanschluss, welcher ein essenzieller Bestandteil öffentlicher Daseinsvorsorge sei. Die Grünen wollen einen zukunftsfähigen und umfassenden Breitbandausbau mit Glasfaser, durch das Übertragen der Telekom-Aktien, die einen Wert von zehn Milliarden Euro haben, auf Bundesbesitz, um es in den Breitbandausbau zu investieren (ebd.). In der zweiten Forderung verlangen die Grünen ein konsequentes Vorgehen gegen Hass im Netz. Im Gegensatz zur Auffassung der FDP sehen sie dabei Internetunternehmen in der Verantwortung, die rechtswidrige Posts und Kommentare zu löschen und dokumentieren haben, um individuelle Rechte tatsächlich durchsetzen zu können.20 Das neue „Phänomen“ der Social Bots, also Computerprofile in sozialen Netzwerken, wird ebenfalls thematisiert: So will die Partei eine Kennzeichnungspflicht für diese durchsetzen, um der Manipulation und Desinformationen im Internet entgegenzuwirken (ebd.). Zwar wird die konkrete Durchsetzbarkeit nicht weiter ausgeführt, dennoch halte ich es zunächst für richtig, über Umgangsformen mit sozialisierten Computerprogrammen nachzudenken und diese zu thematisieren. Trotz alledem lassen die Grünen hier offen, wie sich zweifelsfrei erkennen lassen kann, ob ein Profil tatsächlich ein Social Bot ist, wie diese Kennzeichnungspflicht praktisch auszusehen hat, wer diese Kennzeichnung durchführen soll, etc. Wie bereits bei der FDP, beinhaltet auch dieses Programm die stärkere Ausprägung digitaler Kompetenzen im Bildungsbereich, um bereits den jungen Menschen transparent die Gefahren und Möglichkeiten digitalisierter Erscheinungsformen näher zu bringen (ebd.). Als drittes steht die Durchsetzung eines effektiven Grundrechteschutzes im Raum, was durch allgemeine Prävention gewährleistet werden soll. Die Neustrukturierung der Aufsicht umfasst die Unabhängigkeitsstellung des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) (ebd.). Letztere Kernforderung in diesem Kapitel beinhaltet das Zurückerkämpfen der Kontrolle über die Daten im Allgemeinen. Nähere Vertiefungen bleiben eher aus.21 Auch hier muss die Legitimität dieser Forderung in Frage gestellt werden: Habe ich als Verbraucher überhaupt ein Recht auf das „Zurückerkämpfen“ der Daten, die ich jenen Dienstleistungsunternehmen zu Verfügung gestellt habe, um gezielte Informationen/Hilfe zu leisten? Diese Rolle wird von den Grünen an diesem Punkt leider nicht weiter ausgeführt.

Schließlich hat das Programm der Grünen mit dem Titel „Wir gestalten die Digitalisierung“ ein eigenes Unterkapitel, nur für dieses Thema. Im Vordergrund steht hier der Arbeitsmarkt, also das Fördern neuer guter Jobs in neuen Arbeitsfeldern, etwa durch das Nutzen der ökologischen Möglichkeiten im Bereich der Energie- und Verkehrswende. Außerdem wird die Digitalisierung von der Partei sozialpolitisch instrumentalisiert: „Die Digitalisierung wird wie jede technologische Revolution dafür sorgen, dass bestehende Tätigkeiten und Arbeitsplätze wegfallen und neue entstehen. Das ist für viele Menschen ein berechtigter Grund zur Sorge. Hier sind wir als Solidargemeinschaft gefragt“22 Umso aktiver wollen sie durch das Einstellen der sozialen Sicherungssysteme sich für neue Jobs einsetzen, um ihre Zukunftsfähigkeit zu sichern (ebd.). Konkrete Umsetzungsideen werden hier nicht weiter erläutert. Des Weiteren liegt das Augenmerk auf Investitionen in ein schnelles und flächendeckendes Internet. Außerdem heißt es: „Die Kompetenzen für das Thema Digitalisierung wollen wir in der Bundesregierung stärker bündeln.“23 Ein potenzieller Konsenspunkt mit der FDP, die jedoch gleich ein eigenes Bundesministerium für Digitalisierung fordert, ob das damit gemeint ist, was sich die Grünen unter diesem Zitat vorstellen, bleibt offen. Die These „Fairer Wettbewerb statt Machtwirtschaft“ umfasst das aktive Verhindern monopolartiger Strukturen von großen Internetkonzernen. Erreicht werden soll dies durch gezielte staatliche Interventionspolitik: „Wir setzen uns deshalb für einen neuen politischen wie rechtlichen Ordnungsrahmen und eine Weiterentwicklung des Wettbewerbs- und Kartellrechts ein, welche die Informations-, Markt- und Datenmacht einzelner Unternehmen effektiv begrenzt. Das bedeutet auch, dass Großkonzerne, Banken, die „too Big to Fail“ sind, oder Netzmonopole in extremen Fällen entflochten werden sollten.“24 Damit erhoffen sie sich eine Stärkung des Mittelstandes. Unter „Arbeit 4.0“ geht das Programm auf die Digitalisierung des Arbeitsmarktes ein: Flexibilisierte Maßnahmen, wie das Recht auf ein Home-Office und eine flexible Vollzeit, mit der Arbeitnehmer den Arbeitszeitumfang speziell anpassen können (ebd.). Vermeintlich etwas untypisch für das Profil der Grünen ist das Ziel, Unternehmensgründungen zu fördern: Um staatliche Unterstützungen für Unternehmerinnen und Unternehmer zu gewährleisten, sollen Forschungs- und Entwicklungsausgaben durch eine „Steuergutschrift“ von 15 Prozent belegt werden. Weiter heißt es „Mit dem grünen Gründungskapital bekommt jeder, der sich selbständig machen will und ein überzeugendes Konzept vorlegt, einmalig ein flexibles und zinsfreies Darlehen von bis zu 25.000 Euro“ (ebd.).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass deutliche Bemühungen seitens der Grünen erkennbar sind, die Chancen und Herausforderungen der Digitalisierungen, kombiniert mit grünen Werten und Idealen zu verbinden, um somit ihren Wählern ein breites Spektrum anzubieten. Dennoch existieren in diesem Zusammenhang gelegentlich fragwürdige Forderungen und Inhalte, die genauere Erklärungen und Ausführungen offenlassen.

[...]


1 Ehrenstein et. al. 2014.

2 Höfer-Weichselbaumer et al. (O.A.).

3 Grosse-Brömer (O.A.).

4 Wahlprogramm AfD zur Bundestagswahl 2017

5 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017

6 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017: 6

7 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017: 13

8 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017: 19

9 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017: 22

10 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017: 37

11 Dorschel et. al. 2015: 176

12 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017: 38

13 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017: 52

14 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017: 58

15 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017: 83

16 Wahlprogramm FDP zur Bundestagswahl 2017: 84

17 Entwurf Wahlprogramm Bündnis90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2017: 3

18 Entwurf Wahlprogramm Bündnis90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2017: 21

19 Entwurf Wahlprogramm Bündnis90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2017: 73

20 Entwurf Wahlprogramm Bündnis90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2017: 74

21 Entwurf Wahlprogramm Bündnis90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2017: 75

22 Entwurf Wahlprogramm Bündnis90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2017: 102

23 Entwurf Wahlprogramm Bündnis90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2017: 103

24 Entwurf Wahlprogramm Bündnis90/Die Grünen zur Bundestagswahl 2017: 104

Final del extracto de 23 páginas

Detalles

Título
Der Umgang der sieben großen Parteien mit der Digitalisierung bei der Bundestagswahl 2017. Ein Beitrag zur "Political Data Science"
Universidad
Munich University of Policy  (Hochschule für Politik München)
Curso
Politics of Big Data
Calificación
1,7
Autor
Año
2017
Páginas
23
No. de catálogo
V470787
ISBN (Ebook)
9783668955783
ISBN (Libro)
9783668955790
Idioma
Alemán
Palabras clave
Wahlprogramme, BTW 2017, SPD, LINKE, GRÜNE, CDU, CSU, AfD, FDP, Digitalisierung, Strategien, Politik
Citar trabajo
Christian Ramspeck (Autor), 2017, Der Umgang der sieben großen Parteien mit der Digitalisierung bei der Bundestagswahl 2017. Ein Beitrag zur "Political Data Science", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/470787

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