Früher war der Begriff „Weltpolitik“ die Summe der nationalstaatlichen Außenpolitiken. Allgemein als verbindlich anerkannte Regelungen jenseits der Nationalstaaten waren schwer vorstellbar. Schließlich war die Außenpolitik dominiert von Kriegen gegeneinander, um nach dem Politikverständnis des Realismus dem (einzigen) Ziel, die eigene Position zu stärken und Macht zu vergrößern, nachzukommen. Zwei Weltkriege, die Herausbildung komplexer Gesellschaften und wachsende internationale Probleme führten im Laufe der Jahre jedoch zu einem Umdenken. Grenzenloser Handel brachte grenzenlose Probleme mit sich. Vernetzung, Interdependenz und Globalisierung sind die Stichworte, unter denen Weltpolitik heute diskutiert wird. Sie reduzieren die Reichweite nationaler Wirtschafts-, Sozial- oder Umweltpolitik und bringen neue Probleme (Abwanderung nationaler Unternehmen, Terrorismus, Klimawandel,...) mit sich. Probleme, die über die Steuerungs- und Lösungsfähigkeit einzelner Staaten hinausgehen. Zu komplex, vernetzt und vielschichtig sind sie. Eine den Nationalstaaten vergleichbare, übergeordnete Machtinstanz fehlt. „Government“ und „governance“ finden keine Entsprechungen mehr auf der Seite politischer Kontrolle (vgl. Schmidt/Take 1997: 13). Selbstverständlich gibt es transnationale Organisationen wie die Vereinten Nationen oder die NATO. Für die Vielzahl und Komplexität der Probleme aber reicht dies nicht aus. Deswegen mischen sich private Akteure verstärkt in die Weltpolitik ein und werden von dieser auch immer mehr gebraucht. Transnationale Unternehmen oder Nichtregierungsorganisationen (im Folgenden wird für
Nichtregierungsorganisationen das englische Kürzel „NGOs“ für „nongovernmental organizations“ verwendet) übernehmen vormals staatliche Aufgaben. Kofi Annan, der Generalsekretär der Vereinten Nationen, konstatierte im Milleniums-Bericht der Weltorganisation treffend:
„The more complex the problem at hand...the more likely we are to find non-governmental
organizations, private sector institutions and multilateral agencies working with sovereign
states to find consensus solutions“ (Annan nach Kohout/Mayer-Tasch 2002: 16). Diese Privatisierung der Weltpolitik ist ein bislang wenig untersuchter Aspekt der Globalisierung. Kann sie dazu beitragen, den Umgang mit der Komplexität transnationaler Herausforderungen zu erleichtern, die Effektivität weltpolitischer Problemlösung zu erhöhen und eine breitere (globale) Öffentlichkeit zu schaffen? [...]
Inhaltsverzeichnis
- I: Einleitung
- II: Hauptteil
- 2.1. Theorien internationaler Beziehungen
- 2.1.1. Realismus
- 2.1.2. Liberalismus
- 2.1.3. Konstruktivismus
- 2.2. Annäherung an den Begriff „NGO“
- 2.2.1. Geschichte der NGOs
- 2.2.2. Versuch einer Definition von NGOs
- 2.2.3. Wirkungsmöglichkeiten von NGOs
- 2.3. Annäherung an den Begriff „Legitimität“
- 2.3.1. Was ist Legitimität?
- 2.3.2. Legitimitätsdefizit transnationaler Politik
- 2.4. Zusammenführung der Begriffe „NGO“ und „Legitimität“ zur Arbeitshypothese H
- 2.4.1. H1: Demokratisierungspotenzial von NGOs
- 2.4.1.1. Was ist Öffentlichkeit?
- 2.4.1.2. Wie kann man Öffentlichkeit herstellen? – Kampagnenarbeit von NGOs
- 2.4.2. H2: Problemlösungspotenzial von NGOs
- 2.4.2.1. NGOs und die Vereinten Nationen
- 2.4.2.2. NGOs und internationale Regime
- 2.4.2.3. NGOs und die Bewältigung von Krisen und Kriegsfolgen
- 2.4.2.4. NGOs und humanitäre Nothilfe
- 2.4.2.5. NGOs und Menschenrechte
- 2.4.1. H1: Demokratisierungspotenzial von NGOs
- 2.1. Theorien internationaler Beziehungen
- III: Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert das Legitimitätspotenzial von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im Kontext transnationaler Politik. Sie untersucht, inwieweit NGOs zur Bewältigung globaler Herausforderungen und zur Erhöhung der Legitimität transnationaler Governance beitragen können.
- Entwicklung und Bedeutung von NGOs im Kontext internationaler Beziehungen
- Theoretische Einordnung von NGOs im Rahmen des Realismus, Liberalismus und Konstruktivismus
- Der Begriff der Legitimität und seine Bedeutung für transnationale Politik
- Das Demokratisierungspotenzial von NGOs durch die Schaffung von Öffentlichkeit und Einflussnahme auf politische Prozesse
- Das Problemlösungspotenzial von NGOs in Bereichen wie internationale Zusammenarbeit, Krisenmanagement und Menschenrechtsförderung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Globalisierung und die zunehmende Rolle privater Akteure wie NGOs in der Weltpolitik ein. Sie stellt die Problematik des Legitimitätsdefizits transnationaler Politik und die Relevanz der Untersuchung des Legitimitätspotenzials von NGOs dar.
Der Hauptteil der Arbeit gliedert sich in verschiedene Abschnitte, die sich mit theoretischen Grundlagen, der Definition von NGOs, dem Konzept der Legitimität sowie den Handlungsspielräumen von NGOs befassen.
- Kapitel 2.1 beleuchtet die Bedeutung der Theorien internationaler Beziehungen für das Verständnis der Rolle von NGOs. Es analysiert den Realismus, den Liberalismus und den Konstruktivismus und untersucht, inwiefern diese Theorien die wachsende Bedeutung von NGOs erklären können.
- Kapitel 2.2 liefert eine historische Einordnung und Definition von NGOs. Es untersucht die Entwicklung von NGOs, ihre unterschiedlichen Formen und ihre vielfältigen Handlungsmöglichkeiten.
- Kapitel 2.3 beschäftigt sich mit dem Begriff der Legitimität und seinen verschiedenen Dimensionen. Es beleuchtet das Legitimitätsdefizit transnationaler Politik und die Herausforderungen, die sich daraus ergeben.
- Kapitel 2.4 führt die beiden zentralen Begriffe „NGO“ und „Legitimität“ zusammen und entwickelt zwei Arbeitshypothesen. Die erste Hypothese untersucht das Demokratisierungspotenzial von NGOs durch die Schaffung von Öffentlichkeit und Kampagnenarbeit. Die zweite Hypothese analysiert das Problemlösungspotenzial von NGOs in verschiedenen Bereichen wie internationaler Zusammenarbeit, Krisenmanagement und Menschenrechtsförderung.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Schlüsselthemen der Globalisierung, Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Legitimität, transnationale Politik, Demokratisierung, Problemlösung, internationale Beziehungen, Realismus, Liberalismus, Konstruktivismus, Öffentlichkeit, Kampagnenarbeit, Vereinte Nationen, internationale Regime, Krisenmanagement, humanitäre Nothilfe und Menschenrechte.
- Citation du texte
- Sandra Markert (Auteur), 2005, NGOs - normatives und utilitaristisches Potenzial für das Legitimitätsdefizit transnationaler Politik?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47172