Die Frage nach den Gründen für die Instabilität und das letztliche Scheitern des in der Zwischenkriegszeit konstruierten wirtschaftlichen und politischen Systems der Weimarer Republik hat den Blick stets auch auf die Folgewirkungen der großen deutschen Inflation gelenkt. Dabei wurde der Gegenstand von der älteren Forschung eher als Nebenphänomen betrachtet und eher deskriptiv denn analytisch angegangen. Vor allem über die Wirkungsweise der Inflation auf die Masse der lohnabhängigen Bevölkerung sowie auf das allgemeine Wirtschaftsleben ist ausführlich geschrieben worden, während ihre Hintergründe, sei es politischer, wirtschaftlicher oder sozialer Art, weitgehend unbeachtet geblieben sind. Erst seit dem Ende der achtziger Jahre hat sich hier mit einer Reihe von Veröffentlichungen eine Veränderung angebahnt, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Sicherlich ist das Gesamtphänomen der deutschen Inflation, zumal vor dem Hintergrund der in vielerlei Hinsicht krisenhaften Nachkriegszeit, nicht monokausal zu erklären, vielmehr haben neben den Defiziten der öffentlichen Haushalte offensichtlich zu verschiedenen Zeiten eine ganze Reihe von anderen endogenen und exogenen Faktoren eine Rolle gespielt. Unbestritten entzogen sich einige dieser Faktoren, deren komplexe Wirkungszusammenhänge im Folgenden nur angeschnitten werden können, dem Zugriff der Weimarer Regierungen und können deshalb durchaus als Sachzwänge deklariert werden. Den Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit bildet jedoch gerade die Hypothese, dass die Inflation zu einem wesentlichen Teil das Ergebnis eines politischen Konsensus war, von denjenigen Akteuren in Politik und Wirtschaft gesteuert und in zunehmendem Maße instrumentalisiert, denen sie bis zuletzt enorme Vorteile versprach.
Dabei ist es nicht die Intention dieser Arbeit, die Inflation als ein von Beginn an planmäßiges politisches Unternehmen erscheinen zu lassen. Marxistische Historiker haben in diesem Sinne von der „größte(n) Umverteilung des Nationaleinkommens in der bisherigen Geschichte des Kapitalismus“ gesprochen, durchgeführt von gemeinsam agierenden Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft. Jedoch legt diese Argumentation nicht nur gewissermaßen ex post die Wirkungsweise der Inflation als Deutungsmaß an, sie bleibt auch ausschließlich ihrer sozialen und innenpolitischen Dimension verhaftet.
Inhaltsverzeichnis
- Problembeschreibung, Forschungslage, Konzeption
- Kriegsfinanzierung über Schulden: Die schleichende Inflation 1914-1918
- Innenpolitische Krise und Wiederaufbau: Die kalkulierte Inflation 1918/1919
- Finanzreform unter Vorbehalt: Die reparationsstrategische Inflation 1919/1920
- Revision und Restauration: Die instrumentalisierte Inflation 1920-1923
- Die Revisionsstrategie in der Reparationsfrage
- Die soziale und politische Restauration
- Abschließende Bemerkungen: Ende und Bilanz der Inflationsstrategie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die sozialen und politischen Hintergründe der deutschen Inflation von 1914 bis 1923. Sie hinterfragt, inwieweit die Inflation nicht nur ein Ergebnis wirtschaftlicher Notwendigkeiten war, sondern auch politisch gelenkt und instrumentalisiert wurde, um restauratorische und revisionistische Ziele zu erreichen. Die Arbeit beleuchtet dabei auch die außenpolitischen Implikationen der Inflation und ihre Wechselwirkungen mit der Reparationsfrage.
- Die Rolle der Kriegsfinanzierung und die schleichende Inflation während des Ersten Weltkriegs
- Die politische Instrumentalisierung der Inflation in der Nachkriegszeit
- Die Verwendung der Inflation als Werkzeug für soziale und politische Restauration
- Der Einfluss der Reparationsfrage auf die Inflationsstrategie
- Die Wechselwirkungen von Innen- und Außenpolitik in Bezug auf die Inflation
Zusammenfassung der Kapitel
2. Kriegsfinanzierung über Schulden: Die schleichende Inflation 1914-1918
Dieses Kapitel befasst sich mit der Kriegsfinanzierung durch Schulden, die bereits während des Ersten Weltkriegs zu einer schleichenden Inflation führte. Die Reichsregierung, die aufgrund der politischen und sozialen Instabilität Steuererhöhungen scheute, finanzierte ihre Ausgaben über Kriegsanleihen und Schuldverschreibungen. Als diese Methoden an ihre Grenzen stießen, griff die Reichsregierung vermehrt auf die Notenpresse zurück, was zu einem stetigen Anstieg des Notenumlaufs und einem Verfall des Außenwerts der Währung führte.
3. Innenpolitische Krise und Wiederaufbau: Die kalkulierte Inflation 1918/1919
Das Kapitel analysiert die Innenpolitische Krise und den Wiederaufbau nach dem Ersten Weltkrieg und beleuchtet, wie die Inflation in diesem Kontext zur Stabilisierung des politischen Status quo beitrug. Die Reichsregierung, die vor allem auf die Interessen des Wirtschaftsliberalismus Rücksicht nahm, scheute eine umfassende Steuerreform. Stattdessen setzte sie die Inflation fort und nutzte sie als Instrument zur Abwehr sozialistischer Forderungen. Die Inflation wurde somit als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele eingesetzt.
4. Finanzreform unter Vorbehalt: Die reparationsstrategische Inflation 1919/1920
Dieses Kapitel behandelt die schwierige Situation der Finanzreform in den frühen Jahren der Weimarer Republik. Die Reparationszahlungen und der Schuldendienst belasteten die Staatsfinanzen schwer. Die Reichsregierung verzichtete jedoch auf grundlegende Steuerreformen, da die Reparationsfrage jegliche Wirtschaftsplanung erschwerte. Die Inflation wurde somit als Strategie genutzt, um die Reparationsforderungen zu minimieren und die außenwirtschaftliche Position des Reiches zu stärken.
5. Revision und Restauration: Die instrumentalisierte Inflation 1920-1923
Dieses Kapitel analysiert die instrumentalisierte Inflation in den Jahren 1920 bis 1923. Die Inflation wurde gezielt eingesetzt, um politische und soziale Ziele zu erreichen. Durch die Inflation konnten die Forderungen nach Reparationen abgeschwächt und der soziale und politische Status quo wiederhergestellt werden. Die Inflation diente dabei als Instrument der politischen Macht und war nicht nur ein wirtschaftliches Phänomen.
Schlüsselwörter
Deutsche Inflation, Weimarer Republik, Reparationsfrage, Kriegsfinanzierung, politische Instrumentalisierung, soziale und politische Restauration, wirtschaftliche Stabilisierung, Wirtschaftsliberalismus, außenwirtschaftliche Positionierung.
- Citation du texte
- Eduard Luft (Auteur), 2005, DER KALKULIERTE RUIN - Soziale und politische Hintergründe der deutschen Inflation 1914-1923, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47234