Wie hat sich der gesellschaftliche, politische und soziale Regimewechsel auf die ostdeutschen, insbesondere auf die sächsischen, Großstädte ausgewirkt?
Das gesellschaftliche Leitbild der DDR war die Gleichheit. Dieses Leitbild wirkte sich nicht nur auf die „Annäherung von Klassen und Schichten als grundlegendes Gesetz der Sozialstruktur von Städten“ (GRUNDMANN 1984, zit. n. HANNEMANN 2000) aus, sondern hatte auch sozialräumliche Ausprägungen, die vor allem mit der Wohnungsmarktpolitik des sozialistischen Staates zusammenhingen. So waren es die Auswirkungen des Verteilungssystems der kommunalen Wohnungsverwaltungen, dass in Ostdeutschland die Stadtregionen nur wenig stark sozialräumlich gespalten waren. Die breite Mittelschicht wohnte in den Vorzeigewohnungen des Sozialismus , den neu gebauten Plattenbaugebieten. Die politische Elite dagegen eher im suburbanen Raum, und die politisch Unzuverlässigen, kulturell und sozial Marginalisierten wurden auf die verfallenden Altbaugebiete verwiesen (FRIEDRICHSUNDHÄUßERMANN, 1998). Die Steuerungsinstrumente des Wohnungsmarktes zu Zeiten der DDR waren demnach nicht, wie in Städten kapitalistischer Staaten, die Kosten der Miete und die Einkommen der Bewohner, sondern vielmehr die Vergabepolitik der kommunalen Wohnungsverwaltungen. Hier waren Arbeitskräftesicherung und Familienpolitik die zentralen Orientierungen. Geringe Segretationserscheinungen waren dennoch spürbar, vor allem bezüglich neuer und älterer Plattenbaugebiete, da neue Wohnungen vornehmlich an junge, zumeist in der wachsenden Phase befindlichen, Familien vergeben wurden.
Die politische Wende veranlasste westdeutsche Stadtforscher, beeinflusst von der intensiv betriebenen Gentrificationforschung zum Ende der 1980er Jahre, zu Prognosen bezüglich der sozialräumlichen Entwicklung der Städte in den neuen Bundesländern. Sie gingen von einem nachholenden Prozess aus, den die Großstädte in den Folgejahren durchlaufen würden. Den für die DDR so typischen Großwohnsiedlungen in Plattenbauweise wurden selektive Fortzüge und Abwanderungsprozesse vorausgesagt, den innenstadtnahen gründerzeitlichen Wohnquartieren, infolge der zu erwartenden Differenzierung der Einkommen und Lebensstile, Aufwertungsprozesse und Verdrängung sozial schwacher Einkommensgruppen (vgl. FRIEDRICHS / KAHL 1991, zit. nach WIEST 2001b). Diese Prognosen basieren mehr oder minder auf dem Übertragen der Gentrification- Erfahrungen aus westdeutschen Städten auf ostdeutsche Städte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung - Prognosen zur sozialräumlichen Entwicklung ostdeutscher Großstädte
- Situationsanalyse sächsischer Großstadtregionen - Rahmenbedingungen und Faktoren der sozialräumlichen Differenzierung
- Demographische Entwicklung in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung
- Die Entwicklung des Wohnungsmarktes
- Die innerstädtischen Großwohnsiedlungen- vom sozialistischen Ideal zum potentiellen sozialen Brennpunkt
- Die Entwicklungen im suburbanen Raum
- Die gründerzeitlichen Altbaugebiete
- Gentrification in sächsischen Städten?
- Leipzig Musikerviertel
- Dresden - Pieschen
- Leipzig Grünau
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht die sozialräumliche Entwicklung ostdeutscher Großstädte, insbesondere in Sachsen, nach der Wiedervereinigung. Dabei werden die Prognosen westdeutscher Stadtforscher, die von einer Gentrification in den neuen Bundesländern ausgingen, kritisch betrachtet. Die Arbeit analysiert die Faktoren, die zu einer sozialräumlichen Differenzierung führten, und stellt die Frage, ob und inwiefern die beobachteten Prozesse mit dem Muster der Gentrification in westeuropäischen und nordamerikanischen Städten übereinstimmen.
- Die Auswirkungen des gesellschaftlichen, politischen und sozialen Regimewechsels auf ostdeutsche Großstädte
- Die Rolle der demographischen Entwicklung in der sozialräumlichen Differenzierung ostdeutscher Großstädte
- Die Entwicklung des Wohnungsmarktes in ostdeutschen Großstädten, insbesondere die innerstädtischen Großwohnsiedlungen, der suburbane Raum und die Altbaugebiete
- Die Frage der Gentrification in sächsischen Städten und deren Vergleichbarkeit mit westlichen Modellen
- Die Analyse der Faktoren, die die sozialräumliche Differenzierung in ostdeutschen Großstädten beeinflussen
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung - Prognosen zur sozialräumlichen Entwicklung ostdeutscher Großstädte
Dieses Kapitel beleuchtet die Prognosen westdeutscher Stadtforscher hinsichtlich der sozialräumlichen Entwicklung ostdeutscher Städte nach der Wiedervereinigung. Es wird die These aufgestellt, dass die Gentrification-Theorie aus westdeutschen Städten nicht ohne Weiteres auf ostdeutsche Städte übertragen werden kann.
Situationsanalyse sächsischer Großstadtregionen - Rahmenbedingungen und Faktoren der sozialräumlichen Differenzierung
Dieses Kapitel analysiert die Rahmenbedingungen und Faktoren der sozialräumlichen Differenzierung in sächsischen Großstädten. Die demographische Entwicklung, insbesondere die Abwanderung nach der Wiedervereinigung, wird als wichtige Rahmenbedingung hervorgehoben. Der Wohnungsmarkt wird als ein wesentlicher Faktor der sozialräumlichen Differenzierung betrachtet. Die verschiedenen Wohnungsmarktsegmente, wie Großwohnsiedlungen, suburbane Gebiete und Altbaugebiete, werden im Kontext der sozialräumlichen Entwicklung beleuchtet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die sozialräumliche Entwicklung ostdeutscher Großstädte, insbesondere in Sachsen, nach der Wiedervereinigung. Die Kernthemen sind die Auswirkungen des Regimewechsels, die demographische Entwicklung, die Entwicklung des Wohnungsmarktes, die Gentrification und die Faktoren, die zu einer sozialräumlichen Differenzierung führen. Die Analyse bezieht sich auf Städte wie Leipzig und Dresden.
- Citation du texte
- Christian Bröer (Auteur), 2005, Sächsische Großstädte - zwischen Gentrification und Abwärtsspirale, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47328