Religionskritiken, sowohl gegen ihre ideellen als auch praktischen Grundlagen, werden so alt sein wie die schriftlich fixierten Religionen. Sigmund Freud dürfte sowohl die subtile Kritik Ludwig Feuerbachs, die zersetzende von Karl Marx, aber auch die verzweifelte seines Zeitgenossen Friedrich Nietzsche studiert haben, denn er beruft sich auf „bessere Männer“, die „vollständiger, kraftvoller und eindrucksvoller“ als er Kritik an der Religion geübt hätten. Er „habe bloß“ wie er bekennt, „der Kritik“ seiner „großen Vorgänger etwas psychologische Begründung hinzugefügt“. Die besseren Männer zählt er nicht auf, denn „es soll nicht der Anschein geweckt werden“, dass er sich „in ihre Reihe stellen will“. “Freud setzt voll auf den „Primat des Intellekts“, dessen alles erlösender Herrschaft dann „die Menschenliebe und die Einschränkung des Leidens“ herbeiführen wird. Auch wenn die „ersten Versuche misslingen“, aber das Fallenlassen der Religion sei nicht aufzuhalten, denn „auf die Dauer kann der Vernunft und der Erfahrung nichts widerstehen“. Wer sich von der Leibeigenschaft der Religion befreit, ist auch bereit, „auf ein gutes Stück unserer infantilen Wünsche zu verzichten“, so dass man es auch erträgt, „wenn sich einige unserer Erwartungen als Illusionen herausstellen“. Obwohl Freud von seiner hochgeschätzten Wissenschaft wusste, „dass sie heute als Gesetz verkündet, was die nächste Generation als Irrtum erkennt und durch ein neues Gesetz von ebenso kurzer Geltungsdauer ablöst“, verteidigte er sie vorbehaltlos: „Die Wandlungen der wissenschaftlichen Meinungen sind Entwicklung, Fortschritt und nicht Umsturz.“ „Nein“, sagt er abschließend, „unsere Wissenschaft ist keine Illusion. Eine Illusion aber wäre es zu glauben, dass wir anderswoher bekommen könnten, was sie uns nicht geben kann.“
Ist es nicht erstaunlich, dass sich nach den schrecklichen Erfahrungen des 20. Jahrhunderts, die ja Sigmund Freud selber nicht nur zu großem Ruhm kommen ließen, sondern ihn auch ins Exil trieben, noch immer Fortschrittsglauben, Machbarkeitswahn und Atheismus so ungeniert ausbreiten können, also jene Attribute, die sowohl das rote als auch das braune Terrorregime deutlich charakterisierten?
Inhaltsverzeichnis
- I
- JUNG&
- ADLERVorworte
- II
- III
- IV
- V
- VI
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Sigmund Freuds „Die Zukunft einer Illusion“ analysiert die Rolle der Religion in der menschlichen Gesellschaft und untersucht die psychischen Mechanismen, die mit der Entstehung und Aufrechterhaltung von Glaubenssystemen verbunden sind.
- Die Beziehung zwischen Kultur und Religion
- Die Bedeutung von Triebverzicht und Unterdrückung in der menschlichen Entwicklung
- Die Kritik an religiösen Illusionen als Ablenkungsmechanismen von realen Problemen
- Die Analyse von psychischen Krankheitsbildern im Kontext von religiösen Überzeugungen
- Die psychoanalytische Perspektive auf die Entstehung von moralischen Normen und Werten
Zusammenfassung der Kapitel
I
Das erste Kapitel von Freuds „Die Zukunft einer Illusion“ beschäftigt sich mit dem Begriff der Kultur als einem von einer Minderheit der Menschheit der Mehrheit auferlegten System von Normen und Werten. Freud erläutert, wie die Kultur durch Triebopfer, Triebunterdrückung und Triebverzicht geprägt ist und wie dies zu Konflikten zwischen Individuum und Gesellschaft führt. Er stellt fest, dass die „kulturfeindliche Mehrheit“ durch die Unterdrückung ihrer Triebe zur Rebellion neigt.
II
Im zweiten Kapitel erörtert Freud die These, dass jede Kultur auf Arbeitszwang und Triebverzicht basiert. Er argumentiert, dass Verbote und Entbehrungen die Ablösung vom „animalischen Urzustand“ einleiteten und dass unerfüllte Triebwünsche zu neurotischen Verhaltensweisen führen. Freud führt die Entstehung des Über-Ichs auf die Verinnerlichung von äußerem Zwang zurück und beschreibt die Folgen der ungleichen Befriedigung von Bedürfnissen innerhalb verschiedener Gesellschaftsschichten. Er kritisiert die Unzulänglichkeit von Kulturen, die eine große Anzahl von Menschen unbefriedigt lassen.
Schlüsselwörter
Religion, Kultur, Trieb, Triebverzicht, Illusion, Psychoanalyse, Unterdrückung, Gesellschaft, Moral, Krankheit, Über-Ich, Neurose, Marxismus, Kommunismus, Religionskritik, Atheismus.
- Citation du texte
- Siegmar Faust (Auteur), 2004, Sigmund Freud: Die Zukunft einer Illusion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47446