Mit Urteil vom 21. Dezember 2000 hat der 3. Senat des Bundesverwaltungsgerichts entschieden, dass eine Erlaubnis zum privaten, nicht-kommerziellen Anbau von Hanf (cannabis sativa) zum Zwecke des späteren rituellen Konsums nicht unter Berufung auf die Freiheit der Religionsausübung (Art 4 II GG1) verlangt werden kann. Damit musste sich ein deutsches Obergericht erstmals mit der Problematik auseinandersetzen, ob Religion auch im wörtlichen Sinne Opium des Volkes sein darf. In den USA hatte bereits 1989 der Supreme Court einen ähnlich gelagerten Fall entschieden; eine Entscheidung des südafrikanischen Constitutional Court steht noch aus.
„Cuius regio, eius religio“ oder „fiat iustitia, pereat mundus“? Mögen die Mütter und Väter des Grundgesetzes bei der schrankenlosen Einfügung des Art. 4 II noch an die Praktiken der großen abendländischen Weltreligionen gedacht haben und mangels erheblicher Konfliktpotentiale mit der weltlichen Ordnung beruhigt gewesen sein, so ergeben sich mit Religionen und Sekten, die unserem Kulturkreis fremder sind, in letzter Zeit zunehmend Spannungen zwischen religiöser und weltlicher Ordnung. Die Auflösung dieser Spannungen stellt die Gerichte vor jedenfalls nicht unerhebliche Rechtsprobleme; dies war auch hier offensichtlich der Fall.
Aus religionsrechtlicher Sicht bietet sich die vorliegende Entscheidung vor allem dazu an, die Fragestellungen zu erörtern, wie weit der Schutzbereich der Religionsausübungsfreiheit gezogen werden kann und welche Schrankensetzungen zulässig sind. Dazu soll hier im ersten Teil, nach einer kurzen Darstellung des Sachverhalts, ein Einblick in die Bedeutung des Cannabis-Konsums für die Anhänger der Rastafari-Religion (die Rastas) gegeben und anschließend die medizinische Problematik, die eine essentielle Schranke für deren Religionsausübung darstellen könnte, kurz umrissen werden. Abschließend soll noch ein Exkurs über die vom U.S. Supreme Court entschiedene Problematik angeboten werden, auf dessen Lektüre zur Lösung der Fallfrage verzichtet werden kann, der aber gleichwohl für den vorliegenden Fall interessante Aspekte und Argumente aus einer anderen Sichtweise offeriert. Im zweiten Teil der Arbeit wird schließlich die Entscheidung des BVerwG anhand des klassischen Aufbauschemas nachgeprüft werden, wobei den bereits angesprochenen Fragestellungen besondere Aufmerksamkeit zukommen soll.
Inhaltsverzeichnis
- Erster Teil - Einführung in die Sachproblematik
- I. Vorwort
- II. Sachverhalt
- III. Cannabis-Konsum als Teil der Rastafari-Religion
- IV. Medizinische Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis-Konsum
- 1. Allgemeines
- 2. Toxizität und Lethalität
- 3. Physische Folgen des Konsums
- 4. Psychische Folgen des Konsums
- 5. Zummenfassung
- V. Exkurs: Peyotl-Konsum in den USA
- 1. Die Peyote-Religion
- 2. Rechtsgeschichtlicher Abriẞ
- 3. Darstellung des U.S. Supreme Court-Urteils
- Zweiter Teil - Cannabis und Religionsausübungsfreiheit
- I. Schutzbereich der Religionsausübungsfreiheit
- 1. Die Auslegung des Schutzbereichs durch das BVerfG
- 2. Die Kritik der Lehre an der Schutzbereichsauslegung des BVerfG
- 3. Stellungnahme
- 4. Plausibilität der Behauptung religiöser Handlungsmotivation
- III. Eingriff
- III. Rechtfertigung des Eingriffs
- 1. Verfassungsmäßigkeit der Erlaubnisregelung des BtMG
- 2. Verfassungsmäßigkeit der Auslegung der Erlaubnisregelung des BtMG
- a.) Rechtfertigung des Eingriffs durch kollidierendes Verfassungsrecht
- aa.),,Volksgesundheit\"
- bb.) Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II 1 2. Var.)
- cc.) Jugendschutz (Art. 6 II 2)
- dd.) Völkerrechtliche Verträge
- b.) Beschränkung durch allg. Gesetze wegen Art. 140 i.V.m. 136 I WRV
- IV. Zusammenfassung
- Der rechtliche Rahmen der Religionsausübungsfreiheit in Deutschland
- Die medizinischen Folgen des Cannabis-Konsums
- Die Vereinbarkeit von Religionsausübungsfreiheit und staatlichen Eingriffen zur Gesundheits- und Jugendschutz
- Die Bedeutung des Fallbeispiels BVerwG 3 C 20/00 für die Diskussion um den Cannabis-Konsum im Kontext der Religionsausübung
- Die Rolle des BtMG bei der Regulierung von Rauschmittelkonsum
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit befasst sich mit dem Thema Rauschmittelkonsum im Kontext der Religionsausübung. Sie analysiert den Fall des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) 3 C 20/00 vom 21.12.2000, der sich mit dem Cannabis-Konsum von Rastafari-Anhängern beschäftigt. Die Arbeit untersucht die medizinischen Auswirkungen des Cannabis-Konsums, die rechtlichen Grenzen der Religionsausübungsfreiheit im Hinblick auf Rauschmittelkonsum sowie die relevanten Normen des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG).
Zusammenfassung der Kapitel
Im ersten Teil der Arbeit wird die Sachproblematik des Cannabis-Konsums im Kontext der Rastafari-Religion eingeführt. Der Sachverhalt wird dargestellt und die Rolle des Cannabis-Konsums in der Rastafari-Religion beleuchtet. Die medizinischen Erkenntnisse über die Wirkung von Cannabis-Konsum werden in der Folge analysiert, um die potentiellen Folgen des Rauschmittelkonsums zu beleuchten. Der Exkurs zu Peyotl-Konsum in den USA bietet einen vergleichenden Blick auf die rechtliche und religiöse Situation in einem anderen Kontext.
Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der Frage, inwieweit der Cannabis-Konsum durch die Religionsausübungsfreiheit geschützt ist. Hier werden der Schutzbereich der Religionsausübungsfreiheit, die Eingriffe in diesen Bereich und die Rechtfertigung dieser Eingriffe analysiert. Es wird geprüft, ob das BtMG verfassungsmäßig ist und ob die Auslegung des Gesetzes durch die Gerichte rechtlich haltbar ist.
Schlüsselwörter
Religionsausübungsfreiheit, Cannabis-Konsum, Rastafari-Religion, Betäubungsmittelgesetz (BtMG), Verfassungsmäßigkeit, Volksgesundheit, Jugendschutz, Peyote-Religion, U.S. Supreme Court, Recht auf körperliche Unversehrtheit, Eingriff, Schutzbereich, Rechtsgeschichte.
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- Timo Rosenkranz (Autor), 2002, Rauschmittelkonsum als Teil der Religionsausuebung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47511