Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Deutsche Fußball-Bund bis
2.1 Die ersten Jahre des Deutschen Fußball-Bundes
2.2 Der DFB in der Weimarer Republik
3. Fußball und der DFB zur Zeit des Nationalsozialismus
3.1 Die erste Gleichschaltung
3.2 Die zweite Gleichschaltung und die Jahre 1936 –
4. Antisemitismus im Fußball und die Geschichte eines Opfers: Julius Hirsch
4.1 Die Ausgrenzung der Juden aus dem Fußballsport
4.2 Julius Hirsch. Das Schicksal eines ehemaligen Nationalspielers
5. Schlussbemerkung
6. Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Schon seit der Antike lässt sich ein Zusammenhang zwischen Sport und Politik herstellen. Sport entwickelte sich über den natürlichen Trieb zur Bewegung und zum Spiel zu einem Massenphänomen, das nicht selten von politischer Einflussnahme verschont blieb. Oftmals erhofften sich Politiker durch Anteilnahme an Sportereignissen einen Prestigegewinn und damit auch einen Machtzuwachs.1 So ist es nicht überraschend, dass Sport in der Zeit des Nationalsozialismus ein populäres Mittel war um in alle Lebensbereiche der Bewohner des „Dritten Reiches“ durchzudringen zu können. Als zum Ende des Jahres 1932 der Deutsche Fußball-Bund (DFB) rund eine Million aktive Mitglieder zählte, entwickelte sich der DFB zum größten Sportverband im baldigen „Dritten Reich“. 2 Die Nationalsozialisten machten auch vor dem Deutschen Fußball-Bund keinen Halt, gliederten diesen in den „NS-Apparat“ ein und unterwarfen den Bund der nationalsozialistischen Ideologie.
Ohne auf die Geschichte zur Entstehung des Fußballs einzugehen, möchte ich mich in meiner Arbeit auf die Geschichte desDFB zur Zeit des Nationalsozialismus fokussieren. Um aber ein Grundverständnis für die Geschichte des DFB zur Zeit des Nationalsozialismus zu schaffen werde ich im ersten Teil meiner Arbeit, bewusst kurzgehalten, auf die ersten Jahre des DFB bis hin zur Weimarer Republik eingehen. Im anschließenden Teil der Arbeit wurden die Gleichschaltungen des DFB und seine Umstrukturierungen in der Zeit des Nationalsozialismus von mir bearbeitet. Um die Stellung des jüdischen Sports zu beschreiben gebe ich in Kapitel 4 einen Überblick über Antisemitismus und die Ausgrenzung der Juden aus dem Sport. Anhand der Biografie von Julius Hirsch wird diese Thematik und die Vorgänge der Ausgrenzung im Kapitel 4.2 veranschaulicht.
So stelle ich mir am Anfang dieser Arbeit die Fragen: Wie verhielt sich der DFB vor der Zeit des Nationalsozialismus und während des Zeit des herrschenden „NS-Regimes“? Profitierte der DFB von der nationalsozialistischen Sportpolitik? Auf die Zeit nach dem Nationalsozialismus könnte man auch eingehen, dies würde aber den Rahmen der Arbeit sprengen. Ich werde aber bei der Erwähnung einiger Quellen in der Einleitung kurz auf das Verhalten des DFB nach dem Jahr 1945 eingehen. Eine weitere Kernfrage meiner Arbeit ist: Wie organisierten sich die jüdischen Sportler und welche Schicksale teilten sie? Darauf gehe ich im Kapitel 4 näher ein und versuche die Fragen entsprechend zu erläutern.
Anfangs würde ich auch gerne einige Bemerkungen bzgl. der von mir verwendeten Quellen und Literaturen machen. So diente mir als Primärquelle der Artikel „Nationalsozialismus und Leibesübungen. Erste Reichstagung des NS-Reichsbundes für Leibesübungen.“3 Das Tagesblatt liegt mir in nachgedruckter Form vor. Schriftbild und Format entsprechen aber dem Original. In dem Artikel, dessen Autor mir unbekannt blieb, wird von der Umstrukturierung des Reichssportbundes berichtet. Dieser Artikel ist äußert kritisch zu betrachten, da er in der Blütezeit der Propaganda verfasst worden ist. Im Artikel wird beschrieben, wie der gesamte staatliche Sportverkehr verstaatlicht und dem „NS-Apparat“ unterworfen wird. Die Wichtigkeit nationalsozialistischer Führungskräfte im Sport wird hervorgehoben. Welche Folgen das für den DFB und für jüdische Sportler haben wird, wird in diesem Artikel nicht erwähnt. Im Kapitel 3.2 wird diese Umstrukturierung von mir veranschaulicht.
Ein grundlegendes Werk für diese Arbeit ist auch das von Nils HAVEMANN verfasste Werk: Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz. Frankfurt 2005. Das Werk entstand nach rund dreijähriger Forschungsarbeit im Auftrag des DFB, der 2001 die Entscheidung fasste seine nationalsozialistische Vergangenheit erforschen und aufarbeiten zu lassen. Das Werk stellt Sachverhalte objektiv und umfassend zu dieser Thematik dar und dient somit als Grundlage für eine Vielzahl von weiterführender Literatur aber auch für diese Arbeit.
Mit dem Begriff „Objektivität“ möchte ich an einem weiteren Werk anknüpfen: KOPPEHEL Carl (Hg.), Geschichte des Deutschen Fußballsports. Frankfurt 1954. Das Buch, herausgegeben vom ehemaligen DFB-Geschäftsführer der sein Amt auch während der 1940er Jahre innehatte, erschien 1954 und erscheint mir sehr von „Subjektivität“ geprägt. Die Zeit des Nationalsozialismus wird nur beiläufig erwähnt und erhält keine große Rolle in diesem Werk. Aufarbeitung oder Reflexion hat zu diesem Zeitpunkt keine Rolle gespielt. Umso wichtiger war die Entscheidung des DFB, Nils HAVEMANN wissenschaftlich unabhängig arbeiten zu lassen und die dunkle Vergangenheit in der Zeit des Nationalsozialismus analysieren und aufarbeiten zu lassen.
2. Der Deutsche Fußball-Bund bis 1933
2.1 Die ersten Jahre des Deutschen Fußball-Bundes
Mit der Gründung des Deutschen Fußball-Bundes, am 28. Januar 1900 in Leipzig, entstand eine anfangs langsam wachsende Organisation, die den Fußballsport der deutschen Bürger vereinte. 4
Im Vergleich zum englischen Fußball, der seinen Ruf als Gentlemenvergnügen in den späten Jahren im 19. Jahrhundert einbüßte, etablierte sich der Fußball in Deutschland zunächst zu einem Sport mit Mittel- aber auch Oberschichtcharakter, der vom Bürgertum praktiziert wurde.5 Das Bildungsbürgertum erlebte in den siebziger Jahren im 19. Jahrhundert einen wirtschaftlichen Aufschwung und so waren die finanziellen Mittel für den neuen Sport aus England vorhanden. Die Initiativen zu Vereinsgründungen lassen sich oftmals auf Juristen, Ärzte, Sprachlehrer aber auch auf Architekten oder Künstler zurückführen. In den Reihen der Arbeiterschicht konnte sich der Fußballsport anfangs nicht als populäres Ballspiel durchsetzen. Dies hatte zwei Gründe: Der Großteil der Arbeiter wollte das Risiko einer Verletzung und den damit verbundenen Ausfall der Entlohnung für ihre Arbeit nicht in Kauf nehmen und die Kosten für Trikot, Schuhe und Ball war für viele nicht bezahlbar.6 So stieß der DFB auf das Problem, dass der Fußball in den ersten Jahren keinen großen Anklang fand. Der Fußball-Bund setzte sich als Ziel, „die eigene Stellung als Dachorganisation des deutschen Fußballs zu festigen und möglichst breite Schichten für den neuen Sport zu erfassen.“7 So wandte man sich an die Machtspitze des Landes und suchte Kontakt zum Kaiserhaus und zum Militär. Der DFB war erfolgreich und im Jahr 1913 grüßte der Kriegsminister Erich von Falkenhayn die Leser des DFB-Jahrbuches mit folgenden Worten: „Neben der Ausbildung von Kraft und Gewandtheit beim einzelnen Spieler schätze ich bei Ihrem Sport als besonderen Vorzug die Erziehung zur selbstlosen Opferwilligkeit des Einzelnen […] das sind disziplinfördernde Eigenschaften, deren eifrige Weiterpflege von Ihrer Seite dem Heeresersatz zum Vorteil gereichen wird.“8
Exerzierplätze wurden als Fußballplätze genutzt und der Fußballsport wurde bei einigen Divisionen in den Ausbildungsplan aufgenommen. Somit wurde das Heer, wie es HAVEMANN beschreibt, zu einem Multiplikator des jungen Sports.9
2.2 Der DFB in der Weimarer Republik
Mit einer Mitgliederzahl von 750.000 Personen war der DFB im Jahr 1921 eine ernstzunehmende Konkurrenzorganisation für die Turnerschaft, die sich nach der Bekanntgabe der Bestimmungen des Versailler Friedens und der damit verbundenen Abschaffung der Wehrpflicht, besonders dazu verpflichtet fühlte, eine Institution für die männliche Leibeserziehung aufrecht zu erhalten.10 Im 1920 erschienen Fußball-Jahrbuch des Bundes veröffentlichte Robert Hefner, damals Mitglied des DFB-Vorstands, einen Aufsatz zur Wichtigkeit des Fußballs.11 Er formulierte es folgendermaßen: „Wir müssen uns körperlich gesund machen, um die unerhörte Arbeit leisten zu können, die uns wieder hochbringen soll.“12 Der Fußballsport entwickelte sich in den kommenden Jahren von einem Sport der Bürger zu einem Sport, der von allen Klassen der Gesellschaft betrieben wird. Grund dafür war die Einführung der verkürzten Arbeitszeit zur Vierzigstundenwoche und weiters sind auch viele Arbeiter an den Fronten mit dem Ballsport zum ersten Mal in Berührung gekommen und wollten den Sport nach Kriegsende noch weiter betreiben.13 So kam es nach 1919 durch diesen Boom zu Neugründungen von Verbänden aber auch zur Aufnahme von Fußballspielbetrieb von bereits bestehenden Verbänden, wie dem sozialistischem Arbeiter-Turn- und Sportbund (ATSB) oder der 1920 entstandenen Deutschen Jugendkraft (DJK). Alle Verbände legitimierten ihr Bestehen mit den Parolen „Volksgesundung“ und „Wehrersatz“. Zusätzlich entstanden auch jüdisch-nationale Verbände (Makkabi) aber auch jüdisch-neutrale Verbände (Hakoah). Alle oben angeführten Verbände waren auch im ideologischen Revier des DFB tätig, stellten aber keine existentielle Bedrohung für den DFB dar, der als einzige Institution flächendeckend arbeiten konnte.14
Verantwortlich für die Kommerzialisierung des Sports in den Jahren der Weimarer Republik ist mitunter Felix Linneman, der seit 1925 als Bundesvorsitzender des DFB tätig war und bekannt war für sein hohes Maß an Engagement, Machtinstikt und Durchsetzungsvermögen. Felix Linnemann war schon in den frühen zwanziger Jahren ein Vertreter der Sportpolitik, an die sich die Führungsspitze des DFB orientierte. Mit dieser Einstellung gelang es Linnemann, nach einigen Funktionen als Vorstand in diversen Verbänden, die Delegierten zu überzeugen und mit ihm an der Spitze des DFB die Organisation zu stärken. Felix Linnemann distanzierte sich auch von nationalistischem Gedankengut und setzte sich für eine Internationalisierung des Fußballs ein. Dies erwies sich jedoch als schwer, da viele Kriegsgegner Spiele gegen eine vom DFB organisierten Mannschaft oder der Nationalmannschaft boykottierten. Ein weiterer Aspekt der Linnemann zuzusprechen ist, ist die Einführung von Reklame für Zigaretten und Bier in den Stadien, die als Mittel für die Schaffung neuer Sportplätze argumentiert wurden.15
Ein letzter wichtiger Abschnitt in der Weimarer Republik, den ich ansprechen will, ist die Zeit um 1929 in der es zur Weltwirtschaftskrise kam. Die Vereine übten seit den zwanziger Jahren mit der Forderung nach Profifußball, also bezahlten Fußball, Druck aus.16 So war es seit den 1920er Jahren jedoch ein offenes Geheimnis, dass der festgelegte Status des Amateurfußballs lediglich am Papier existierte und viele Spieler sich für ihre Leistungen am Platz entlohnen ließen. Argumente seitens dem DFB gegen die Erhebung eines Profistatus für den Fußball waren, dass somit der Volksport aussterben würde und im Vergleich zu den englischen Bestimmungen, die Profifußball erlaubten, die deutschen Bestimmungen sozialer wären. Die DFB-Repräsentanten sahen ihm Profitum etwas Kapitalistisches, das die Volksgemeinschaft zerstören könnte.17 Besorgnis um die Jugend wurde auch von Seiten des DFB kundgetan: Durch Bezahlung und Prämien hätte der Sport keinen erzieherischen Nutzen mehr und würde nur mehr dem Selbstzweck und nicht der Gemeinschaft dienen.18
Meiner Meinung nach ist es hier offensichtlich, dass es sich hierbei um ideologische Einstellungen der DFB-Funktionäre handelt. HAVEMANN schreibt in seinem Beitrag auch, dass die Ideologie nur als Vorwand genommen wurde und die Forderung der „Berufsspielerfrage“ aus ökonomischen Gründen nur zur Kenntnis genommen, aber nicht ausführlich bearbeitet wurde. Der DFB hatte steuerrechtliche Gründe: Wenn das Berufsspielertum offiziell erlaubt worden wäre, hätte der DFB Steuervergünstigungen und staatliche Zuschüsse verloren, weil er nicht mehr der Gemeinnützigkeit gedient hätte. Das wäre mit einem erheblichen Ausfall von Einnahmen verbunden gewesen und hätte wie in Österreich bis zu 70 Prozent Einnahmeverlust bedeuten können.19 Trotz der mehrmaligen Forderung von vielen Vereinen zur offiziellen Öffnung für den Profifußball, handelte der DFB - bis zur Machtübernahme 1933 durch die Nationalsozialisten - im eigenen Interesse und erlaubte nicht die offizielle Durchführung einer Statusänderung vom Amateur- zum Berufsspielertum.20
[...]
1 Vgl. HAVEMANN Nils, Fußball unterm Hakenkreuz. Der DFB zwischen Sport, Politik und Kommerz. Frankfurt 2005, p. 9.
2 Vgl. HAVEMANN Nils, Fußball unterm Hakenkreuz, 2005, p. 9.
3 N.N., Nationalsozialismus und Leibesübungen. Erste Reichstagung des NS Reichsbundes für Leibesübungen. In: „Vorarlberger Tagblatt“ vom 16.1.1939, p. 1 – 2.
4 Vgl. BITZER Dirk / WILTING Bernd: Stürmen für Deutschland. Die Geschichte des deutschen Fußballs von 1933 bis 1954. Frankfurt 2003, p. 14.
5 EISENBERG Christiane, Fußball als globales Phänomen. Historische Perspektiven, 9 Seiten.http://www.bpb.de/apuz/28255/fussball-als-globales-phaenomen?p=0 [Abruf: 04.05.2016]
6 Vgl. HAVEMANN Nils, Fußball unterm Hakenkreuz, 2005, p. 33.
7 HAVEMANN Nils, Fußball unterm Hakenkreuz, 2005, p. 45.
8 HAVEMANN Nils, Fußball unterm Hakenkreuz, 2005, p. 45.
9 Vgl. HAVEMANN Nils, Fußball unterm Hakenkreuz, 2005, p. 46.
10 Vgl. OSWALD Rudolf, Auf der Suche nach dem „Platz an der Sonne“. Der Deutsche Fußball-Bund 1900 bis 1933. In: PFEIFFER Lorenz / SCHULZ-MARMELING Dietrich (Hg.), Hakenkreuz und rundes Leder. Fußball im Nationalsozialismus. Göttingen 2008, p. 49
11 Vgl. HAVEMANN Nils, Fußball unterm Hakenkreuz, 2005, p. 50f
12 HEFNER Robert, Leibesübungen als Kräfte der Erneuerung. In: Deutscher Fußball-Bund (Hg.), Deutsches Fußball-Jahrbuch. Kiel 1920, p. 11.
13 Vgl. HEINRICH Arthur, Der Deutsche Fußballbund. Eine politische Geschichte. Köln 2000, p. 62.
14 Vgl. OSWALD Rudolf, Auf der Suche nach dem „Platz an der Sonne“, 2008, p. 51f.
15 Vgl. HAVEMANN Nils, Fußball unterm Hakenkreuz, 2005, p. 64 – 68.
16 Vgl. HAVEMANN Nils, Fußball unterm Hakenkreuz, 2005, p. 84
17 Vgl. HAVEMANN Nils, Der DFB in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“ – ein unideologischer Massensportverband. In: PFEIFFER Lorenz / SCHULZ-MARMELING Dietrich (Hg.), Hakenkreuz und rundes
Leder. Fußball im Nationalsozialismus. Göttingen 2008, p. 88 – 89.
18 Vgl. BITZER Dirk / WILTING Bernd, Stürmen für Deutschland, 2003, p. 24.
19 Vgl, HAVEMANN Nils, Der DFB in der Weimarer Republik und im „Dritten Reich“, 2008, p. 91 – 92.
20 Vgl. HAVEMANN Nils, Fußball unterm Hakenkreuz, 2005, p. 84 – 92.