Braucht die NATO eine neue Strategie?

Eine Analyse der Strategischen Konzepte, sowie der aktuellen Beziehung zwischen NATO und Russland. Hat die "NATO" eine Zukunft?


Dossier / Travail, 2016

15 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Eine Einführung: Das NATO/Russland Verhältnis

2. Die NATO-Strategien: Von der Massiven Verteidigung, über die Flexible Reaktion, bis zum Strategiewandel nach dem Ost-West-Konflikt
2.1 Die ersten strategischen Konzepte
2.2 Massive Verteidigung und Flexible Reaktion
2.3 Strategiewandel nach dem Kalten Krieg
2.4 Das aktuelle Strategische Konzept von 2010

3. Braucht die NATO eine neue Strategie?

4. Die Zukunft der NATO

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Eine Einführung: Das Verhältnis zwischen NATO und Russland

1945 endete der Zweite Weltkrieg, der wohl größte militärische Konflikt in der Geschichte der Menschheit, welcher Europa zerstörte und Millionen Kriegstote forderte. Die Westmächte kämpften in dieser Auseinandersetzung, gemeinsam mit der damaligen Sowjetunion, gegen Nazi-Deutschland. Nach dem Krieg, traten jedoch Konflikte zwischen den einstigen Verbündeten auf. Hintergrund waren die unterschiedlichen Ideologien, zwischen den Supermächten, USA und Sowjetunion. Beide Staaten verfolgten unterschiedliche politische Interessen und Ziele. Nachdem Hitler besiegt war und die Besatzungszeit Europa spaltete, trafen diese Gegensätze verstärkt aufeinander. Mit der Berlin-Blockade 1948 rückte in Westeuropa eine mögliche militärische Bedrohung, durch den von der Sowjetunion angeführten kommunistischen Ostblock ins Blickfeld. Vor allem in den westlichen Besatzungszonen wuchs die Sorge vor einer erneuten militärischen Konfrontation. Als Reaktion auf die neue Situation wurde am 04. April 1949 die „North Atlantic Treaty Organization“ (kurz NATO) gegründet, ein Bündnis von zunächst 12 Staaten, mit dem Ziel, den Frieden in Europa zu sichern. Mit diesem Pakt wurde ein System „Kollektiver Verteidigung“ geschaffen.1 Am 14. Mai 1955 folgte die Gründung des Warschauer Paktes, einer Allianz aus den Staaten des Ostblocks. Es folgten vier Jahrzehnte „Kalter Krieg“, scharfe Blockkonfrontation und diplomatische Krisen zwischen Ost und West. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1990/1991 hat die NATO nach und nach, eine neue globale Sicherheitsarchitektur erhalten.1 Frühere Gegner sind inzwischen Verbündete. Das Bündnis ist gewachsen und hat heute 28 Mitgliedstaaten. Außerdem hat sich die Sicherheitslage, unter dem Eindruck der Terroranschläge vom 11. September 2001, in deren Folge, die NATO zum ersten Mal den Bündnisfall ausrief, deutlich verändert, denn es ist die terroristische Bedrohung, durch nicht staatlich, dezentral agierende Akteure, welche die internationale Sicherheitslandschaft, in den letzten zwei Jahrzehnten beeinflusst hat.

Der Ost-West-Konflikt schien überwunden. Aus Sicht des russischen Präsidenten Putin, wurde Russland in den letzten 25 Jahren, durch den zunehmenden Einfluss der Europäischen Union, regelrecht eingekesselt. Da scheint es es nicht zu wundern, dass im Zuge der Ukraine Krise, ein neuer Konflikt entstanden ist. Seit der Annexion der Krim im März 2014 und dem Krieg im sogenannten „Donbass“, herrscht Eiszeit zwischen NATO und Russland. Die Frage, ob wir in einen neuen Kalten Krieg zurückfallen, wird immer öfter gestellt. Ist die NATO überhaupt noch ein Verteidigungsbündnis? Und wie soll sich die NATO gegen Putin positionieren? Diese Arbeit kann unmöglich alle Fragen beantworten, dazu ist die Geschichte des Ost-West-Konflikts zu lang und komplex. Trotzdem soll im Folgenden die zentrale Frage im Vordergrund stehen, ob die NATO eine neue Strategie, gegen Moskau braucht? Dabei werden die bisherigen Strategischen Konzepte beleuchtet und die aktuelle Situation eingeordnet, dabei soll die Kernthese, die NATO sei im Angesicht einer direkten Konfrontation mit Russland unfähig sich, auch thematisch, in osteuropäische Gebiete auszubreiten, analysiert werden. Folgt wirklich eine neue Ost-West-Bipolarität?

2. Die NATO-Strategie: Von der Massiven Verteidigung, über die Flexible Reaktion bis zum Strategiewandel nach dem Ost-West-Konflikt

2.1 Die ersten strategischen Konzepte

Die Entwicklung der NATO ist eng mit den Strategischen Konzepten verbunden. Jedes Bündnis braucht eine Strategie, deshalb hat die NATO, seit ihrer Gründung verschiedene Strategien verabschiedet, um sich der weltpolitischen Situation neu anzupassen. Die NATO-Strategien müssen einstimmig vom NATO-Rat beschlossen werden. Das erste Strategische Konzept zur Verteidigung des Nordatlantikraums (DC 6/1) wurde ab 1. Dezember 1949 erarbeitet und am 6. Januar 1950 vom Nordatlantikrat genehmigt.2

Dieses sah vor, eine feindliche Aggression zu verhindern und einen möglichen Angriff auf die NATO abzuwehren. Mit diesem Konzept wollte man sich einer eventuellen sowjetischen Bedrohung stellen. Ein Angriff sollte frühst möglich gestoppt werden. Am 3. Dezember 1952 wurde das zweite Konzept, das Strategische Konzept zur Verteidigung des Nordatlantikraums modifiziert und die strategischen Richtlinien, die Verteidigungsplanung und Streitkräfteziele mündeten am 9. Dezember 1952 in die Strategische Richtlinie MC 14/1, auch bekannt als „Vorneverteidigung“. Dieses Konzept basierte auf die Übermacht der NATO gegen Russland bei Atomwaffen. In diese Zeit fiel auch der Beitritt der Bundesrepublik Deutschland am 06. Mai 1955, was die NATO-Strategie wesentlich beeinflusste. Im Zentrum stand die Verteidigung der Bundesrepublik, gegenüber Streitkräften des 1955 gegründeten Warschauer Paktes. Am 16. März 1955 kündigte US-Präsident Eisenhower für den Kriegsfall den Einsatz taktischer Nuklearwaffen gegen militärische Ziele an. Es war eine Zeit der massiven Aufrüstung für den Ernstfall.3

2.2 Massive Verteidigung und Flexible Reaktion

Die Strategie der „Massiven Verteidigung“ löste am 23. Mai 1957 das Konzept der „Vorneverteidigung“ ab. Die atomare Unverwundbarkeit der USA sollte konventionelle Unterlegenheit des Bündnisses ausgleichen. Dabei ein sollte ein konventioneller Schild eingerichtet werden, um einen atomaren Schlag möglich zu machen. Die Strategie ist von der Vertragstreue der Staaten abhängig, welche Atomwaffen besitzen. Ihre Akzeptanz sinkt folglich im gleichen Maße, wie das Vertrauen auf die Vertragstreue, eben dieser Staaten.4 Somit werden alle im Bündnis Vertretenen, eine eigene atomare Bewaffnung anstreben, um diese Abhängigkeit zu überwinden. Bis in die 1960er Jahre hinein war die NATO seinem Kontrahenten klar überlegen, was Sprengköpfe und Trägermittel angeht.

Allerdings änderte der starke Ausbau des sowjetischen Atomarsenals, Anfang der 1960er die Lage. Die allmählich entstandene Pattsituation zwischen den Supermächten zwang die NATO, ihre Strategie zu überdenken. Mit der Wahl John F. Kennedys zum Präsidenten der USA im November 1960 änderte sich die amerikanische Sicherheitspolitik. An die Stelle der massiven Vergeltung trat die Strategie der „Flexible Response“. Statt sofort einen nuklearen Gegenschlag anzukündigen, wollten die USA nunmehr auf einen sowjetischen Angriff flexibel reagieren. Die „Flexible Response“ löste im Januar 1967, die „Massive Verteidigung“ ab. Der Kerngedanke: Flexible Reaktion die zwangsläufig nicht atomar sein muss. Dabei spiele die konventionelle Verteidigung wieder eine wichtigere Rolle Dieses seit 1961 entwickelte Konzept der "flexiblen Antwort" war die von 1967 bis 1991 geltende NATO-Verteidigungsstrategie gegenüber dem Warschauer Pakt. Sie sah eine flexible, abgestufte Reaktion auf unterschiedliche Formen der militärischen Bedrohung vor. Die Strategie sollte den US-Präsidenten und seinen Beratern befähigen, auf unterschiedliche Angriffsarten des Gegners zu reagieren. Sie ließ den potenziellen Gegner über den Einsatz von Atomwaffen im Unklaren.5

2.3 Strategiewandel nach dem Kalten Krieg

Die dramatischen politischen Umwälzungen in den Jahren 1989 und 1990 in Mittel- und Osteuropa, führten zum Zusammenbruch des Ostblocks und zur Auflösung der Sowjetunion im Dezember 1991. Die Erfolge im Abrüstungsprozess und der Beginn eines neuen Zeitalters in Europa hatten die bis 1990 gültige Strategie der NATO wertlos werden lassen und zu einer drastischen Veränderung geführt. Auf dem Gipfel der 16 Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitglieder am 7. und 8. November 1991 in Rom wurde das "Strategische Konzept des Bündnisses" verabschiedet. Angesichts der grundlegenden Änderungen in Europa, war es notwendig eine neue Strategie zu entwickeln.

In der darauf folgenden Übergangsphase entstanden zahlreiche neue Ideen und Strukturen. Unter Anderem sollte die NATO ein Instrument des Krisenmanagements sein. Das NATO-Gipfeltreffen in Rom setzte auf die Trias von Dialog, Kooperation und Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit und löste die Konzeption der „Flexible Response“ ab. Sieben Jahre später, im Sommer 1997 gaben die damaligen Staats- und Regierungschefs der 16 Mitgliedstaaten, den Auftrag für die Formulierung einer neuen Strategie, das nach intensiven Diskussionen auf dem Gipfeltreffen aus Anlass des 50-jährigen Bestehens am 24. und 25. April 1999 in Washington beschlossen wurde. Das strategische Konzept vom April 1999 wurde zu einem Kompromissvertrag, in dem die neuen Aufgaben und Instrumente des Bündnisses beschrieben wurden. Die neue NATO sollte nach diesem Konzept größer, schlagkräftiger und flexibler werden. Die Sicherheit des Bündnisses bliebe einem breiten Spektrum militärischer und nichtmilitärischer Risiken unterworfen, die aus vielen Richtungen kommen und oft schwer vorherzusagen sind. Zu diesen Risiken gehören Ungewissheit und Instabilität im und um die Europäische Union, sowie die mögliche Entstehung regionaler Krisen. In diesem Zusammenhang wurde unter anderem auf die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Flüchtlingsströme infolge von bewaffneten Konflikten. In Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen wollte die NATO zudem Konflikte vermeiden oder in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht zu deren wirksamer Bewältigung beitragen. Obwohl zahlreiche Grundannahmen dieses Konzeptes weiterhin gültig sind, haben sich die strategischen Rahmenbedingungen für die NATO seitdem erneut erheblich verändert. Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, vor und besonders nach dem 11. September 2001, der Krieg in Afghanistan, die Verschiebung von Machtverhältnissen, Energiesicherheit und die Erweiterung der NATO auf 28 Mitgliedstaaten stellten die Allianz vor die Notwendigkeit der Strategieanpassung.6

2.4 Das aktuelle Strategische Konzept von 2010

Auf dem Gipfeltreffen vom 19. und 20. November 2010 haben die Staats- und Regierungschefs, des Nordatlantischen Bündnisses, ein neues Strategisches Konzept, unter dem Motto „Aktives Engagement, moderne Verteidigung, verabschiedet. Die Kernaufgaben der NATO haben sich nicht wesentlich verändert. Die NATO will weiter perfekte Verteidigung, gutes Krisenmanagement und Kooperative Sicherheit gewährleisten. Allerdings vermeidet das neue Konzept wichtige Brandherde. Die Frage nach der Rolle der Nuklearwaffen, das Krisenmanagement im Verhältnis mit anderen Akteuren, das Verhältnis zu Russland, das Projekt der gemeinsamen Raketenabwehr und die Frage der gesamten Finanzierung, bleiben ungelöste Kernthemen der NATO. Besondere Erwähnung findet Russland, dem eine echte strategische Partnerschaft, sowie die Kooperation bei Fragen des gemeinsamen Interesses angeboten werden. Ziel der Nato-Strategie soll es sein, gemeinsam mit Russland so viel Sicherheit wie möglich zu organisieren.7 Die Nato-Staaten betonen ausdrücklich, dass Russland nicht als Bedrohung angesehen wird. Die Experten empfehlen eine deutlich intensivere Zusammenarbeit mit Moskau, etwa bei Abrüstungsfragen, der Raketenabwehr, sowie der Drogenbekämpfung. Die künftige Strategiefähigkeit der Allianz hängt in erster Linie davon ab, inwieweit es auch in diesen operativen Fragen gelingt, einen Konsens über die künftige Rolle der NATO in einer sich veränderten internationalen Sicherheitsarchitektur herzustellen. Das aktuelle Strategische Konzept der NATO gilt bis 2020. Allerdings kann man inzwischen sagen, dass die NATO ein neues Konzept benötigt, da es seit 2010 zu erheblichen Spannungen zwischen NATO und Russland kam und sich die internationale Sicherheitslandschaft, dramatisch verändert hat. Die Gefahr geht überwiegen von kleinen autonomen Terrorzellen aus.8

[...]


1 Vgl.: Varwick, Johannes: Die NATO. Vom Verteidigungsbündnis zur Weltpolizei. Erste Auflage, in München 2008.

2 Vgl.: Varwick, Johannes: Die NATO. Vom Verteidigungsbündnis zur Weltpolizei. Erste Auflage, in München 2008.

3 Vgl.: Thoß, Bruno: NATO-Strategie und nationale Verteidigungsplanung: Planung und Aufbau der Bundeswehr unter den Bedingungen einer massiven atomaren Vergeltungsstrategie 1952-1960, München 2006.

4 Vgl.:Gablik, Alex F.: Strategische Planung in der Bundesrepublik Deutschland 1955 - 1967: Politische Kontrolle oder militärische Notwenigkeit, Baden-Baden 1996.

5 Vgl.: Mey, Holger H.: NATO-Strategie vor der Wende: Die Entwicklung des Verständnisses nuklearer Macht im Bündnis zwischen 1967 und 1990, Baden-Baden 1992.

6 Vgl.: Pelinka, Anton: Die NATO nach 1989: Neue Strategie und NATO-Erweiterung in: Hauser, Guenther/ Kernic, Franz: Handbuch zur europäischen Sicherheitspolitik, Frankfurt 2005.

7 Vgl.: Varwick, Johannes: Die NATO. Vom Verteidigungsbündnis zur Weltpolizei. Erste Auflage, in München 2008.

8 Vgl. Group of Experts on a New Strategic Concept for NATO, NATO 2020: Assured Security, Dynamic Engagement, Brüssel 2010.

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Braucht die NATO eine neue Strategie?
Sous-titre
Eine Analyse der Strategischen Konzepte, sowie der aktuellen Beziehung zwischen NATO und Russland. Hat die "NATO" eine Zukunft?
Université
Martin Luther University  (Politikwissenschaft und Japanologie)
Cours
Seminar Internationale Organisationen
Note
2,0
Auteur
Année
2016
Pages
15
N° de catalogue
V477209
ISBN (ebook)
9783668962101
ISBN (Livre)
9783668962118
Langue
allemand
Mots clés
braucht, russland, beziehung, konzepte, strategischen, analyse, eine, strategie, nato, zukunft
Citation du texte
Michael Schubert (Auteur), 2016, Braucht die NATO eine neue Strategie?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/477209

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