Seit dem Ende des 2. Weltkriegs und dem Beginn des Aufbaus der europäischen Gemeinschaften ist Großbritannien in Europa ein Sonderfall, die Eigenwahrnehmung angesichts der sich neu ordnenden Welt schwankte zwischen Großmachtsansprüchen, dem Festhalten am zerfallenden Empire und der Frage nach der Zugehörigkeit zu Europa einerseits und der „special relationship“ mit den USA andererseits. Man fühlte sich nicht als Teil von Europa, die geographisch bedingte Vorstellung von GB als „sichere Insel“ war durch die Geschichte, nicht zuletzt auch durch die zwei Weltkriege, gefestigt worden. Die Stimmung in der Bevölkerung war und ist, unterstützt durch Massenmedien wie die berüchtigte „Sun“, aber auch seriöse Blätter (die oft regelrechte Kampagnen gegen Brüssel gestartet haben), zum großen Teil mindestens euroskeptisch, resultierend oft aus Halbwissen und schlichten Verdrehungen und Falschmeldungen durch die Medien. Auch die politischen Eliten standen Europa oft mindestens skeptisch gegenüber. Winston Churchill wird heute als einer der Väter Europas angesehen, basierend auf seinen visionären Ideen aus den dreißiger Jahren sowie seinen Reden in z.B. Zürich. GB blieb bei seinen Visionen von einem vereinten Europa jedoch stets außen vor, es sollte kein Vollmitglied sein, nur „verbunden, aber nicht Teil“1 Europas. Diese Vorstellung von der britischen Rolle wird verständlich, wenn man bedenkt, dass Großbritannien sich nach dem zweiten Weltkrieg als selbstbewusste Siegernation fühlte, die sich außenpolitisch zwischen drei Kreisen bewegte: erstens dem Commonwealth, zu dem man enge Handelsbeziehungen unterhielt, zweitens den USA und schließlich Europa.
Die Annäherung an Europa und die Integration in die entstehenden europäischen Gemeinschaften in der Zeit vom Ende des zweiten Weltkriegs bis heute geschah daher langsam und zurückhaltend, oft widerwillig und bremsend. Die Arbeit soll die Politik der wichtigsten britischen Premierminister gegenüber den europäischen Gemeinschaften und den europäischen Partnerländern beschreiben und vergleichend bewerten, inwiefern sich Tony Blair von seinen Vorgängern unterscheidet.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Geschichte der britischen Integration in Europa: Chronologie verpasster Gelegenheiten
- Die Nachkriegsjahre: die Suche nach dem Platz der Briten in der Welt
- Das Fernbleiben in Messina und die europa-politische Kehrtwende
- Nach De Gaulles Absage: das zweite Beitrittsgesuch
- Der Beitritt unter Edward Heath & das Referendum unter Wilson
- Margaret Thatcher: der Wandel von Kooperationsbereitschaft und Integration zur Isolation Großbritanniens
- John Major: Vom Ausstieg aus dem EWS zum Tiefpunkt der Beziehungen
- Der Wandel der Labour-Partei und die Europapolitik New Labours unter Tony Blair: im Herzen Europas?
- Resümee: Die Prüfsteine des Tony Blair
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Entwicklung des britischen Verhältnisses zu Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und analysiert, inwiefern sich die Politik von Tony Blair von seinen Vorgängern unterscheidet. Der Fokus liegt dabei auf der Integration Großbritanniens in die europäischen Gemeinschaften und der Rolle, die die britischen Premierminister in diesem Prozess gespielt haben.
- Die „Andersartigkeit“ Großbritanniens in Bezug auf Europa
- Die „special relationship“ mit den USA und ihr Einfluss auf die Europapolitik Großbritanniens
- Die Rolle der Labour-Partei in der Europapolitik Großbritanniens
- Der Wandel der britischen Haltung zu Europa unter Tony Blair
- Die Herausforderungen für Tony Blair in Bezug auf die Europapolitik
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Besonderheiten des britischen Verhältnisses zu Europa dar, wobei die „Andersartigkeit“ der Briten und die „special relationship“ mit den USA hervorgehoben werden. Das Kapitel behandelt auch die euroskeptische Stimmung in Großbritannien und die Rolle der Medien.
Kapitel 2 zeichnet die Geschichte der britischen Integration in Europa nach, angefangen mit den Nachkriegsjahren und der Suche nach dem Platz Großbritanniens in der Welt. Es werden die wichtigsten Meilensteine der britischen Europapolitik beleuchtet, einschließlich des Fernbleibens in Messina, des zweiten Beitrittsgesuchs und des Beitritts unter Edward Heath. Das Kapitel behandelt auch die Zeit unter Margaret Thatcher und John Major, in der die Beziehungen zu Europa zunehmend angespannt waren.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themen Europapolitik, Großbritannien, Tony Blair, New Labour, Integration, „special relationship“, euroskeptizismus, Commonwealth, Freihandel, Gemeinsamer Markt, EWS, NATO, Europarat, Geschichte der europäischen Integration.
- Arbeit zitieren
- Nils Schnelle (Autor:in), 2005, Die zögerliche Annäherung Großbritanniens an Europa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/47809