Welche Bedeutung hat der Lebensstil für Surfer (-gemeinschaften)?


Term Paper (Advanced seminar), 2019

25 Pages, Grade: 1,7


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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Bedeutung von Sportarten in Sporträumen

3 Lebensstil und Zugehörigkeit der Surfer
3.1 Zugehörigkeit über Anpassung
3.2 Performative Darstellung
3.2.1 Das Surfbrett
3.2.2 Die Kleidung
3.2.3 Die stilistische Komplexität der Surfszene

4 Fazit

5 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufbau eines Surfbretts https://planetsurfcamps.com/surfboard/ (zuletzt aufgerufen am 14.02.2019)

Abbildung 2: Unterschiedliche Surfbretter und ihre Bezeichnungen http://burnettwoodsurfboards.co.za/products/custom-wood-surfboards/ (zuletzt aufgerufen am 13.02.2019)

Abbildung 3 und Abbildung 4: Geschichte der Boardshorts (1950 links und 2008 rechts) https://www.swellnet.com/features/brief-history-boardshorts (zuletzt aufgerufen am 13.02.2019)

1 Einleitung

„It´slikethemafia.Onceyour`rein–yourin.There`snogettingout.

“(KellySlater,zehnfacherWeltmeisterimProfisurfen,2003)“1

Das Surfen. Ständig auf der Suche nach der perfekten Welle, leben eines sorgenfreien Le- bens in der Nähe des Meeres, abends mit Freunden bei einem Lagerfeuer am Strand sitzen und dazu noch „stylish“ aussehen. Beschäftigt man sich mit der Sportart des Surfens in Form des Wellenreitens, scheint es selbstverständlich zu sein, dass mit dem Sport ein be- stimmter Lebensstil verbunden ist. Dieser Lebensstil steht im Allgemeinverständnis für Freiheit, Individualität und Lebenslust. Surfen verheißt eine Mischung aus Selbstbestimmt- heit, Abenteuer und Unabhängigkeit. Die Sportart scheint sogar unter anderem aufgrund eines faszinierenden Lifestyles in den letzten Jahren immer mehr Zulauf zu erhalten.2

Häufig scheint das Wellenreiten für die Akteure ein Ereignis zu sein, welches neben der Körperpraxis auch Einfluss auf ihr alltägliches Leben hat. Sportarten wie das Surfen sind Experimentierfelder für neue und intensive Formen des individuellen, körperlichen Aus- drucks. Sie erschaffen neue Aktionsräume und scheinen frei zu sein von jeglicher Autorität einer Sportorganisation. Das Surfen betont eine enorme Körperlichkeit und einen hohen Wagnischarakter.3

Ist das alles nur ein Klischee oder hat sich über die Jahre ein mit der Sportart des Surfens verbundener Lebensstil herausgebildet, welcher wiederum eine (bestimmte) Bedeutung für die Surfakteure und die Surfgemeinschaften hat?

Das Surfen oder auch Wellenreiten ist die bekannteste Form der Surfsportarten und wurde um 1900 in Hawaii erfunden. Die erste Surforganisation zählte schon im Jahr 1911 rund 1.200 Mitglieder. In den USA erlebte das Surfen in den 1950er Jahren einen regelrechten Boom, als viele US-Amerikaner den hawaiianischen Sport für sich entdeckten. Wellenreiten konnte man aber nicht nur auf Hawaii, in Kalifornien oder Australien, sondern auch in Eu- ropa gab und gibt es viele Strände, die sich zum Surfen eignen.

In Deutschland wurde das Wellenreiten somit ebenfalls in den 1950er Jahren bekannt, als sich vor allem Sylt als „Surfer-Hotspot“ einen Namen machte. Für den Sport benötigt wur- den nur ein Surfbrett, Surfwachs, eine Leash (Verbindungsleine zwischen Surfboard und Surfer) und ein Surfanzug. 4

Im Jahr 1959 erschien der erste Kinofilm über das Surfen: „Gidget“ löste einen regelrech- ten Surfboom aus, vor allem unter freiheitsliebenden Jugendlichen. Neue Surf-Magazine, Surfbretter und Sportmarken wie Billabong oder Quicksilver kommerzialisierten den Surf- sport nach und nach, sodass die Sportart Surfen auch zu einem wichtigen Wirtschaftszeig heranwuchs. Heute werden viele Wettbewerbe veranstaltet, bei welchen Surfer ihr Kön- nen zeigen.

Sebastian Steudtner, der einzige Extremsportler Deutschlands im Big Wave Surfen sagt, dass Surfen für ihn nicht unbedingt etwas mit seinem entspannten Image zu tun habe, wohl aber mit einem bestimmten Lebensgefühl, welches man immer mit der Sportart ver- binde.5

Diese Facharbeit soll nun die Verbindung zwischen dem Sport des Wellenreitens und der Gemeinschaft der Surfer bzw. dem Lifestyle der Surfer betrachten. Nach Ansicht Vieler geht das Surfen nämlich weit darüber hinaus, einfach nur eine Sportart zu sein. Das Surfen scheint eine Lebenseinstellung zu sein und die Diskurse über den Status des Surfens wer- den fortlaufend in den Gemeinschaften der Surfer geführt.6 7

In welchem Verhältnis stehen steht der Lebensstil in der Gemeinschaft der Surfer zu den Vergemeinschaftung-Prozessen in genau diesen Sportgruppen? Welchen Stellenwert hat der Stil der Surfer und des Surfens, um in die Gemeinschaft der Surfer aufgenommen zu werden und um sich von anderen Sportarten abzugrenzen? Diese Facharbeit soll zudem unter kultursoziologischen Aspekten von Pierre Bourdieu deutlich machen, in welchem Verhältnis die Lebensstile der Surfer dazu beitragen, zu einer Gemeinschaft zusammen zu wachsen.

2 Bedeutung von Sportarten in Sporträumen

Um die oben gestellte Frage beantworten zu können, welche Bedeutung der spezifische Lebensstil für die Sportart des Surfens hat, soll zunächst eine Einordnung des Surfens im kulturell und historisch beeinflussten Raum des Sports erfolgen.

Laut Pierre Bourdieu lässt sich jegliche Art von Sport als Angebot verstehen, welches auf „eine bestimmte gesellschaftliche Nachfrage stößt.“8 Die Entwicklung der Sportpraxis ent- steht somit aus der Anpassung von Angebot und Nachfrage. Die Angebotsseite ist dabei der Raum der Sportarten, also die vielen verschiedenen Sportarten, welche in Beziehung zu einander stehen und die von den Akteuren ausgewählt werden können. Dabei gibt es einander ausschließende oder verwandte Sportarten. Eine Unterscheidung, in welcher Be- ziehung verschiedene Sportarten zu einander stehen, kann beispielsweise aufgrund der Handlungsorte bzw. Aktionsräume gemacht werden. Asphalt (Inline-Skating, Skateboar- ding), Sand (Beachsoccer, Volleyball), Schnee (Snowboarding, Skiing) oder Wasser (Wind- surfing, Wellenreiten) bieten die Rahmenbedingungen für die Ausführung einer Sportart.9 Die jeweilige Bedeutung einer Sportart geht dann aus ihrem Verhältnis zu anderen Sportar- ten hervor.

Verwandte Sportarten des Wellenreitens sind das Windsurfen, das Kite-Surfen und das Stand-Up Paddling. Das Windsurfen setzt dabei ein Segel voraus, welches es ermöglicht, das Surfbrett vom Wind anzutreiben. Bei dem Kite-Surfen bewegen sich die Akteure mit- tels eines Lenkdrachens auf dem Wasser. Das Stand-Up Paddling stammt genau wie das Wellenreiten aus Hawaii. Der Sportler bewegt sich mit Hilfe eines Paddels stehend auf dem Surfbrett über das Wasser.

Das Modell des sozialen Raums von Pierre Bourdieu veranschaulicht, wie die Mitglieder einer Gesellschaft oder einer Gruppe im Verhältnis zu einander stehen. Der soziale Raum wird dabei unter zur Hilfenahme unterschiedlicher Kapitalsorten entworfen. Dazu zählen das ökonomische Kapital (z.B. das Einkommen), das soziale und das kulturelle Kapital. Die- se Kriterien legen fest, an welcher Position sich ein Akteur im sozialen Raum befindet. Das soziale und kulturelle Kapital wird in der Auseinandersetzung mit der Gemeinschaft der Surfer im Laufe dieser Arbeit noch näher beleuchtet. Der soziale Raum wird unterteilt in sogenannte soziale Felder, welche für Bourdieu verschiedene gesellschaftliche Bereiche beinhalten, wie zum Beispiel Wirtschaft, Politik, Bildung oder Kultur. Zudem gibt es relatio- nale Unterschiede, wenn es um Wahrnehmungen sozialer Praxen geht, also um die Vor- stellungen, die sich die Akteure von dem sozialen Raum macht. Subjektive Perspektiven, Wahrnehmungen und Lebensstile haben genauso Einfluss auf die soziale Realität wie ob- jektive Rahmenbedingungen. Diese Wahrnehmungen hängen zudem zusammen mit dem Habitus als lebensbereichsübergreifendes Handlungs- und Denkschemata.10

Bourdieus Begriff des Habitus wird heute in verschiedenen Zusammenhängen gebraucht und erfährt somit unterschiedliche, kontextabhängige Definitionen. Geht man von dem lateinischen Begriff Habitus aus, bezeichnet dieser die äußere Erscheinung bzw. das Ge- samterscheinungsbild einer Person. In der Philosophie wird der Habitus als eine erworbene Verhaltensdisposition oder Gewohnheit angesehen und dadurch oftmals schlicht als „Hal- tung“ verstanden. Aus Sicht der Soziologie bezeichnet der Habitus zunächst die äußere Erscheinung von Menschen, von welcher auf die Gesamtheit der Einstellungen und Ge- wohnheiten geschlossen werden kann. Hier werden dann auch das Aussehen (das Erschei- nungsbild) und die Haltung mit einbezogen. Jeder Mensch hat einen bestimmten Habitus, der geprägt wird durch verschiedene Einflüsse aus dem sozialen Umfeld.11

Der Raum der Sportarten ist kein in sich geschlossener Raum. Laut Bourdieu sind Sport- praktiken nur ein relativ autonomer Raum, wenn man beachtet, dass in diesem Sportraum Kräfte wirken, die sich nicht nur auf den Sportler und die Sportart selbst beziehen.

Existierende Sportarten, die das Ergebnis von Angebot und Nachfrage darstellen, führen dazu, dass keine Sportart unabhängig von der Gesamtheit aller in der Gesellschaft ausge- übten Sportarten angesehen werden darf. Zudem dürfen mit der Sportart zusammenhän- gende soziale Konsumweisen, Positionsverteilungen und Handlungen nicht außer Acht ge- lassen werden. Es gibt also keinen Sport außerhalb einer Gesellschaft.12

Laut Bourdieu ist der kulturelle Raum des Sports jedoch nicht direkt verknüpft mit dem sozialen Raum der Akteure. Ihr gemeinsamer Nenner sind nur die Analogien der Körper- lichkeit, welche sowohl in den Sportarten, als auch in den sozialen Dispositionen angewen- det werden. In welcher Art und Weise muss der Körper eingesetzt werden, um eine be- stimmte Sportart auszuüben? In welchem Umfang wird eine Sportart durch die körperli- chen Möglichkeiten eines Akteurs beeinflusst? In wie weit kann eine Sportart in dieser Hin- sicht überhaupt ausgeführt werden? 13

Das Verhältnis der Sportarten bzw. des Angebots und der Nachfrage unterliegt einer per- manenten Veränderung. Jedes Auftreten einer neuen Sportart bewirkt die Umgestaltung des bis dahin geltenden Relationsgefüges der Sportarten. Innerhalb einer Sportart ist dies nicht anders. Immer mehr neu entstehende Unterarten einer Sportart lassen neue, interne Unterscheidungsmöglichkeiten entstehen. Diese ständige Differenzierung der Sportarten und damit des Sportraums führt dazu, dass die Akteure innerhalb dieser kulturellen Räume um soziale Anerkennung ihres körperlichen Einsatzes kämpfen. Diese Kämpfe finden dabei nicht nur auf sportlicher Ebene, sondern auch auf sozialer Ebene statt. „(...) (D)iese spezifi- schen Kämpfe sind nun noch weiter eingebettet in ein umfänglicheres Feld von Auseinan- dersetzungen, die die Definition des legitimen Körpers und des legitimen Umgang mit dem Körper zum Gegenstand haben (...).“14 Es entstehen Vereins- und Verbandsfunktionäre, Trainer, Sportlehrer und eben auch die (...) Richter über Geschmack und Eleganz.“15 Sport- liche, körperliche Aktivitäten werden zu prägenden Elementen der alltäglichen Lebensfüh- rung.16

Diese entstehende Vielfalt an Angebotsräumen hat zum Ergebnis, dass die bisherigen Spor- torganisationen in Vereinen nicht mehr in dem gewohnten Maße bestehen bleibt. Neue Trendsportarten sind bekannt für ihre „fehlende Autorität von Sportorganisationen über die jeweilige Handlungspraxis.“17 Die Trendsportarten werden auf den ersten Blick ausge- übt, ohne auf Regeln zu achten und ohne in einen offiziellen Wettkampf zu treten. Sie las- sen sich nicht dem Breitensport zuordnen und ihre genaue Definition fällt schwer. Sie ha- ben jedoch gemeinsam, dass sie nicht nur eine Bedeutung als Sportaktivität an sich haben, sondern vor allem kulturelle Ausdrucksformen sind, in deren Rahmen sich eine dazugehö- rige Szene und Gemeinschaft entwickelt. Zu diesen Trendsportarten gehören neben dem Surfen Sportarten wie Crossgolf, Bike-Polo oder Skateboarden. Traditionelle Sportarten wie Fußball oder Tennis sind zwar immer noch sehr beliebt, Trendsportarten erhalten je- doch auch immer mehr Zulauf. Dieser Zulauf verweist unter Anderem auf eine gestiegene, kulturelle Akzeptanz der Sportarten.18

Die sportliche Aktivität wird zunehmend sichtbar in der alltäglichen Lebensführung. Das sich Präsentieren und Inszenieren rückt in der Relevanz der Akteure vor den vereinsmäßig organisierten Wettkampf.

Die eigene körperlich-ästhetische Kompetenz soll gezeigt werden. Gestik, Stilistik und Er- scheinungsbild komplettieren die sportive Performance. Dieses Phänomen geht einher mit der Vermischung des Sports mit popkulturellen (kommerziellen) Elementen. Offensichtlich ist dies beispielsweise in der Symbiose von Sportaktivität und sportiver Mode. Die Unter- scheidung zu anderen Sportarten sowie das Sich-Unterscheiden von anderen Akteuren und die Zugehörigkeit zu einer Gruppe gründen auf der glaubwürdigen Präsentation der jeweils gefragten, körperlichen Stilistik und der Lebensweise.19

Trendsportarten wie das Wellenreiten stellen somit ein komplexes System körperlicher Praktiken dar. Sie sind eine Bühne, auf welcher soziale Identitäten „ausgedrückt, körperlich dargestellt und sichtbar gemacht, beglaubigt und bekräftigt werden.“ Der Sport wird ge- nutzt zur Darstellung der eigenen Identität. Er ist ein soziales Milieu, in welchem kulturelle Differenzen und Geschmacksunterschiede gezeigt werden können und ist somit ein Schau- platz symbolischer Kämpfe um soziale Anerkennung. Der Umgang mit der eigenen Körper- lichkeit und die damit zusammenhängende Wahl einer Sportart sind Kriterien für „die Un- terscheidung der nach Lebensstilen getrennten, gesellschaftlichen Statusgruppen.“20

[...]


1 Surfertoday, Internetquelle

2 vgl. Schröter (2011), Internetquelle

3 vgl. Schwier (2011), S.63.

4 vgl. Astinus (2015), S.9.

5 vgl. Brinkschulte (2011), Internetquelle.

6 vgl. Schröter (2011), Internetquelle.

7 vgl. Ehlers (2012), S.3.

8 Bourdieu (1986), S.575.

9 vgl. Schwier (2011), S.65.

10 vgl. van Essen (2013), S.18.

11 vgl. Lenger, Schneickert, Schumacher (2013), S.13 f..

12 vgl. Schwier (2003), Internetquelle.

13 vgl. Bourdieu (1985), S.7.

14 Bourdieu (1986), S.580.

15 ebd. .

16 vgl. Ehlers (2012), S.5 f. .

17 Schwier (2011), S.63.

18 vgl. Hälbich (2008), S.9.

19 vgl. Schmidt (2002), S.31 f. .

20 Schwier (2003), Internetquelle.

Excerpt out of 25 pages

Details

Title
Welche Bedeutung hat der Lebensstil für Surfer (-gemeinschaften)?
College
University of Paderborn
Grade
1,7
Author
Year
2019
Pages
25
Catalog Number
V480199
ISBN (eBook)
9783668992566
ISBN (Book)
9783668992573
Language
German
Keywords
welche, bedeutung, lebensstil, surfer
Quote paper
Christin Vogt (Author), 2019, Welche Bedeutung hat der Lebensstil für Surfer (-gemeinschaften)?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/480199

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