Die Psychologie der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts war geprägt von der Dominanz der Vernunft über die Emotion und Emotionen galten als die Kraft, die moralisches Verhalten verhindert. Den Erkenntnissen der neueren moral- und entwicklungspsychologischen Forschung indessen kann diese Sichtweise nicht mehr standhalten. Lind z. B. macht in seinem Beitrag zur bioethischen Diskussion deutlich, dass gerade die Integration von Vernunft und Emotionen als ideales Endziel einer tiefgreifenden, strukturellen Entwicklung einer Person zu sehen ist. Sie sei die Voraussetzung für Kohlbergs höchste Stufe der prinzipiengeleiteten Moral, die bestimmt ist von einer universellen und konsistenten Orientierung des eigenen Handelns an den Prinzipien der Gerechtigkeit und der Achtung vor der Würde des anderen (vgl. Lind 2001, 26).
Lawrence Kohlberg hat in einem Modell unterschiedliche Moralstufen, die der Mensch in seiner Entwicklungsgeschichte erreichen kann, identifiziert und ihre strukturellen Eigenschaften beschrieben. Dieses Themas wird sich Kapitel 2 dieser Arbeit annehmen, das zunächst die für das Verständnis von Kohlbergs Stufenmodell wichtigen Erkenntnisse von Dewey und Piaget behandelt, sowie die grundlegenden Aspekte in Kohlbergs Modell, Interaktion, Gerechtigkeit und Konfliktsituationen. Daran schließt die Beschreibung des Modells selbst an mit der Darstellung der einzelnen Stufen. In der vorliegenden Arbeit wird besonderes Augenmerk auf den Stufenübergang gelegt und sich in diesem Zusammenhang auch mit der kognitiven Entwicklung als solcher befassen. Mittelpunkt von Kapitel 3 sind die Emotionen beim Stufenübergang. Da Kohlbergs Modell vornehmlich die Entwicklung kognitiver Strukturen behandelt, wird der Zusammenhang zwischen Emotionen und kognitiven Prozessen aufgezeigen. Die Bedeutung von Emotionen für kognitive Prozesse findet in verschiedenen theoretischen Ansätzen unterschiedlich Erklärungen. Es wird auf den indikativen und den konstitutiven Charakter von Emotionen eingegangen und der direkte Bezug zwischen dem Moralstufenübergang als Veränderung kognitiver Strukturen und moralischen Emotionen dargestellt, wobei zuerst auf die moralischen Emotionen Schuld, Scham und Empathie eingegangen wird. Letztendlich wird deren kognitive Bedeutung für die strukturelle Veränderung moralischen Urteilens anhand der unterschiedlichen Ansätze von indikativer und konstitutiver Funktion bewertet und abschließend relativiert.
Inhaltsverzeichnis
- Problemstellung
- Kohlbergs Modell der 6 Moralstufen
- Bedeutung von Deweys und Piagets Erkenntnissen
- Weitere Grundannahmen zu Kohlbergs Theorie
- Die Stufen moralischer Urteile
- Entwicklung und Stufenübergang
- Emotionen beim Stufenübergang
- Der Zusammenhang zwischen Emotionen und kognitiven Prozessen
- Funktion von moralischen Emotionen
- Der Zusammenhang zwischen dem Stufenübergang und moralischen Emotionen
- Moralische Emotionen
- Die kognitive Relevanz moralischer Emotionen für den Stufenübergang
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Einfluss von Emotionen auf den Stufenübergang in Kohlbergs Modell der moralischen Entwicklung. Sie analysiert die Bedeutung von Deweys und Piagets Erkenntnissen für Kohlbergs Theorie und untersucht die grundlegenden Annahmen des Modells, insbesondere die Rolle von Interaktion, Gerechtigkeit und Konfliktsituationen. Der Fokus liegt auf der Darstellung des Stufenübergangs und der kognitiven Entwicklung in diesem Kontext. Darüber hinaus untersucht die Arbeit den Zusammenhang zwischen Emotionen und kognitiven Prozessen und beleuchtet die Funktion von moralischen Emotionen wie Schuld, Scham und Empathie. Schließlich werden die kognitiven Auswirkungen dieser Emotionen auf die Veränderung des moralischen Urteilens anhand der unterschiedlichen Ansätze von indikativer und konstitutiver Funktion bewertet.
- Die Rolle von Emotionen im Stufenübergang in Kohlbergs Moralstufenmodell
- Der Einfluss von Deweys und Piagets Erkenntnissen auf Kohlbergs Theorie
- Die Bedeutung von Interaktion, Gerechtigkeit und Konflikten in Kohlbergs Modell
- Der Zusammenhang zwischen kognitiven Prozessen und Emotionen
- Die Funktion von moralischen Emotionen und ihre kognitiven Auswirkungen auf den Stufenübergang
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel stellt die Problemstellung der Arbeit vor und erläutert die Relevanz von Emotionen für die moralische Entwicklung. Es wird deutlich, dass Emotionen nicht als hinderliche Kraft, sondern als integraler Bestandteil einer tiefgreifenden, strukturellen Entwicklung des Individuums betrachtet werden sollten. Kapitel 2 widmet sich Kohlbergs Modell der 6 Moralstufen. Zunächst werden die wichtigen Erkenntnisse von Dewey und Piaget in Bezug auf die Strukturgenese des menschlichen Denkens und die Konzepte des Konstruktivismus und des Interaktionismus dargestellt. Anschließend werden die grundlegenden Aspekte von Kohlbergs Modell, wie Interaktion, Gerechtigkeit und Konfliktsituationen, thematisiert. Das Kapitel beschreibt die einzelnen Stufen des Modells und geht detailliert auf den Stufenübergang sowie die kognitiven Entwicklungsprozesse ein. Kapitel 3 konzentriert sich auf die Emotionen beim Stufenübergang. Es wird der Zusammenhang zwischen Emotionen und kognitiven Prozessen aufgezeigt und die Funktion von moralischen Emotionen erläutert. Schließlich werden die kognitiven Auswirkungen von moralischen Emotionen auf den Stufenübergang anhand der unterschiedlichen Ansätze von indikativer und konstitutiver Funktion bewertet.
Schlüsselwörter
Die Arbeit behandelt die Themen moralische Entwicklung, Kohlbergs Stufenmodell, Emotionen, kognitiver Prozess, Stufenübergang, Interaktion, Gerechtigkeit, Konfliktsituation, Schuld, Scham, Empathie, indikative Funktion, konstitutive Funktion.
- Arbeit zitieren
- Antje Adams (Autor:in), 2005, Kohlbergs Stufenmodell der moralischen Entwicklung - Welche Rolle spielen Emotionen beim Stufenübergang?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48248