Francois Mitterrand im Prozess der Wiedervereinigung Deutschlands


Diplomarbeit, 2005

96 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

II Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Aufbau der Untersuchung, Quellen und Material

3 François Mitterrand und die Deutschen bis 1989
3.1 Das Deutschlandbild bis 1945
3.2 Nachkriegszeit und Opposition
3.3 Der Präsident und die Rückkehr der Deutschen Frage in den achtziger Jahren

4 Der Weg zur deutschen Einheit: Eine Chronologie der Ereignisse

5 Die Positionen der übrigen Siegermächte
5.1 Fürsprecher der Einheit: Die USA
5.2 Große Vorbehalte in London
5.3 Moskau als Schlüssel zur Einheit

6 François Mitterrand im Prozess der Wiedervereinigung Deutschlands
6.1 Sommer - Dezember 1989: „Die Wiedervereinigung ist noch nicht aktuell.“
6.1.1 Erste Strategieansätze und Bedingungen
6.1.2 Reaktionen auf den Fall der Mauer
6.1.3 Das „10-Punkte-Programm“
6.2 Dezember 1989 – März 1990: „Das europäische Gleichgewicht hat Vorrang.“
6.2.1 Auf der Suche nach Verbündeten
6.2.1.1 Mitterrand in Kiew
6.2.1.2 Neuauflage der ‚entente cordiale’?
6.2.2 Der Straßburger EG-Gipfel
6.2.3 Staatsbesuch in der DDR
6.2.4 Der Bundeskanzler in Latche
6.2.5 Der Disput um die Anerkennung der ‚Oder-Neiße-Grenze’
6.3 18. März 1990 – 03. Oktober 1990: „Die Wiedervereinigung kommt schnell und Frankreich möchte mitgestalten.“
6.3.1 Frankreichs Rolle im „2+4“-Prozess
6.3.2 Eine deutsch-französische Initiative für Europa
6.3.3 Der Abzug französischer Truppen aus Deutschland
6.3.4 Ein Appell an das französische Selbstvertrauen

7 Schlussbetrachtung

III Literaturverzeichnis

II Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Der Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 ist ein Symbol für die historische Zäsur in den internationalen Beziehungen. Angestoßen durch die Reformansätze Michail Gorbatschows innerhalb des Sowjetsystems erreichte die friedliche Revolution über Polen, die Tschechoslowakei und Ungarn schließlich auch die DDR. Das bis dahin in den Bereich der Utopie Verdrängte schien mit einem Mal möglich zu sein: Ein Ende der deutschen Teilung. Heute ist bekannt, dass am 3. Oktober 1990 die Wiederherstellung der deutschen Einheit unter Wiedererlangung der vollen Souveränität Deutschlands über seine inneren und äußeren Angelegenheiten gefeiert werden konnte. Der Weg bis zu jenem historischen Tag war jedoch keineswegs logisch vorgegeben, sondern stellte die Regierenden aller Länder – insbesondere diejenigen der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und der beiden deutschen Teilstaaten – vor große weltpolitische Herausforderungen.

Mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in Osteuropa kam auch für das deutsch-französische Paar die Stunde der Wahrheit: Die Teilung Deutschlands war die entscheidende Voraussetzung für die Politik der Annäherung zwischen Frankreich und der Bundesrepublik gewesen. Durch die innerdeutschen Ereignisse der Jahre 1989/90 ging die Geschäftsgrundlage verloren, auf der sich die bilateralen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg so positiv hatten entwickeln können. Wie würde Frankreich und mit ihm der französische Staatspräsident François Mitterrand auf das überraschende Ende der alten Ordnung reagieren? Würde Mitterrand zu einer klassischen Balance-of-Power-Politik und somit in das Jahr 1913 zurückkehren oder würde er das wiedererstarkte Deutschland durch die Einbindung in ein sich enger zusammenschließendes Europa zu kontrollieren suchen? Würde er sich als wahrer Freund der Deutschen erweisen?

Viel wurde in den letzten Jahren über die Rolle François Mitterrands im Prozess der Wiedervereinigung Deutschlands gesprochen und geschrieben; zahlreiche internationale Beobachter, persönliche Berater und Mitarbeiter sowie die Protagonisten selbst haben sich zu Wort gemeldet. Nicht wenige von ihnen kamen zu dem Schluss, der französische Staatspräsident habe zunächst nicht nur versucht, die Vereinigung Deutschlands zu bremsen, sondern hätte sie am liebsten ganz verhindert: „Solange er realistische Möglichkeiten sah, die Wiedervereinigung allermindestens auf Jahre hinaus zu blockieren - auch gegen die eindeutigen Wünsche seines Partners Helmut Kohl -, versuchte er diese zu nutzen.“[1] In Frankreich warfen Kritiker Mitterrand vor, seine Deutschlandpolitik habe bis in das Frühjahr 1990 hinein der Politik eines Metternich geglichen; die deutsche Einheit sei an Frankreich vorbei vollzogen worden: „Nous avons raté le train qui s’était mis en marche plus tôt que prévu, alors que des années de politique patiente et avisée nous avaient mis en position d’être parmi les pilotes de cette entreprise.“[2] Wohlmeinendere Stimmen räumten zwar ein, dass der Staatspräsident zunächst Schwierigkeiten hatte, sich auf die Dynamik der Entwicklungen einzustellen; die kursierende „Legende“ von einem französischen Präsidenten, der die Wiedervereinigung habe abbremsen oder gar blockieren wollen sei hingegen unwahr. Mitterrands Hauptsorge im historischen Prozess habe Europa gegolten: „Die Sorge dort [im Elysée] galt nicht der Wiedervereinigung Deutschlands als solcher. Sie galt vielmehr deren Verlauf. Wenn die Deutschen sie wollten, dann sollte ihre Vereinigung auch geschehen. Nur sollte sie sich dann auf die für alle – Deutsche und Europäer – beste Weise ereignen. Aus der Vereinigung der Deutschen sollte ganz Europa gestärkt und gänzlich frei zur eigenen Bestimmung seiner Zukunft hervorgehen.“[3]

Ob François Mitterrand im Winter 1989 tatsächlich mit dem Gedanken spielte, sich gegen die nationale Einheit Deutschlands zu stellen, wird die hier vorliegende Arbeit nicht klären können, denn solange keine eindeutigen Beweise für diese These erbracht wurden, muss sie in den Bereich des Spekulativen eingeordnet werden. Im Interesse der Untersuchung liegt es jedoch, die Reaktionen und Strategien des französischen Staatspräsidenten im Zusammenhang mit der Deutschen Frage darzustellen und zu beurteilen. Welchen Einfluss nahmen persönliche Erfahrungen auf Mitterrands Beziehungen zum deutschen Nachbarn? Wie reagierten die Regierungschefs der anderen Siegermächte auf den unerwarteten Zusammenbruch der alten Ordnung? Welche Position nahm der französische Präsident ein und gab es Wendepunkte in seiner Wiedervereinigungspolitik? Hat Frankreich im Vereinigungsprozess eine prägende Rolle übernommen? Auf diese Fragen sollen in der nun folgenden Analyse Antworten gefunden werden.

2 Aufbau der Untersuchung, Quellen und Material

Da mit dem französischen Staatspräsidenten in der vorliegenden Untersuchung ein Individuum im Mittelpunkt steht, muss zunächst beleuchtet werden, in wiefern persönliche – private wie auch politische – Erfahrungen das Verhältnis dieses Individuums zum deutschen Nachbarland geprägt haben. Die Darstellung von Mitterrands Deutschlandbild in Kapitel 3 soll daher als Grundlage für ein besseres Verständnis seiner Reaktionen in den entscheidenden Monaten auf dem Weg zur Wiedervereinigung dienen. Hierbei wird Mitterrands Deutschlandwahrnehmung in drei Entwicklungsphasen eingeteilt: Der Beschreibung der Beziehungen zum Nachbarn bis 1945 folgt die Auseinandersetzung mit Mitterrands Einstellung zu Deutschland in den Nachkriegs- und Oppositionsjahren. Zuletzt soll thematisiert werden, welches Verhältnis zum Partnerland Mitterrand ab 1981 in seiner Funktion als Staatspräsident Frankreichs hatte und insbesondere wie er zu der damit verbundenen ungeklärten Deutschen Frage stand. Für die Erarbeitung dieses Kapitels waren neben den Veröffentlichungen Mitterrands und einschlägigen Biographien vor allem die Untersuchungen von Elke Bruck und Karl-Heinz Bender sowie die Mitschrift der „Genshagener Gespräche“ zum Thema „Mitterrand und die Deutschen“ besonders hilfreich.[4]

Nach einer Schilderung der historischen Ereignisse vom Sommer 1989 bis hin zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990, die sich vornehmlich auf die Informationen von Küsters und dem Archiv der Gegenwart stützt[5], wird im darauffolgenden 5. Abschnitt der multilaterale Rahmen des Vereinigungsprozesses erläutert werden. Die Strategien des französischen Staatspräsidenten könnten nicht adäquat beurteilt werden, würden in der Untersuchung nicht die Positionen der übrigen drei Siegermächte – USA, Großbritannien und die Sowjetunion – ihre Berücksichtigung finden. Dies gelingt mit Hilfe der Akten aus dem Bundeskanzleramt, der Darstellung Weidenfelds[6] und der Aufsatzsammlung zum „2+4“-Prozess von Bruck/Wagner[7].

Mit den nun vorhandenen Hintergrundinformationen soll schließlich die Haltung François Mitterrands im Prozess der Wiedervereinigung Deutschlands nachvollzogen und analysiert werden, bevor die Untersuchung im Schlussteil mit einer abschließenden Bewertung seiner Deutschlandpolitik in den Jahren 1989/90 endet. Der Analyse von Mitterrands Position zugrunde gelegt sind zunächst Mitterrands Reden, Interviews und Pressekonferenzen; seine Telefonate und Briefwechsel mit den Regierenden der übrigen Länder sowie offizielle Gesprächsaufzeichnungen. Hierbei sind als Quellen auf französischer Seite die Sammlung der Dokumente des französischen Außenministeriums und auf deutscher Seite die Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes von 1989/90 unabdingbar.[8] Besondere Bedeutung kommt neben den Veröffentlichungen von Kohl und Mitterrand[9] auch den Beobachtungen der persönlichen Berater des französischen Staatspräsidenten und des deutschen Bundeskanzlers zu: Hervorzuheben wären hier die Werke von Attali, Védrine und Teltschik.[10] Ebenfalls berücksichtigt werden sollte die amerikanische Darstellung von Zelikow/Rice.[11]

Generell muss festgehalten werden, dass es sich bei den Darstellungen der am historischen Prozess direkt Beteiligten um Quellen handelt, die kritisch verwendet werden müssen, da aufgrund der persönlichen Involvierung die nötige Objektivität beeinträchtigt worden sein könnte. Der ein oder andere Verfasser war vielleicht geneigt, den eigenen Anteil am glücklichen Ausgang für Deutschland besonders hervorzuheben oder zweifelhafte Strategien im Nachhinein zu rechtfertigen.

Abschließend muss das Werk Schaberts[12] erwähnt werden, weil der Autor bisher als einziger im Rahmen seiner Untersuchungen privilegierten Zugang erhielt zu zentralen französischen Archivbeständen, zu geheimen Akten, die über die Entscheidungsvorgänge im Elysée Auskunft geben. Gewiss bedürfen auch die hier verwendeten Dokumente der quellenkritischen Überprüfung. Bis die französischen Archive jedoch für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, wird dies nur sehr eingeschränkt möglich sein und somit muss den Ergebnissen Schaberts dokumentarische Bedeutung beigemessen werden.

3 François Mitterrand und die Deutschen bis 1989

Ich habe „keinen deutschen Politiker gekannt, der von Frankreich so viel verstand oder versteht wie François Mitterrand von Deutschland, von der deutschen Geschichte, der deutschen Kultur und der ganzen Entwicklung.“[13]

Diese Worte von Weizsäckers attestieren François Mitterrand eine profunde Deutschlandkenntnis, die seine Beziehung zum Partnerland deutlich geprägt hat. Wie jedoch konnte er diese Kenntnisse erlangen? Wie betrachtete er die wechselvolle Geschichte des Nachbarn? Für die hier vorliegende Untersuchung von besonderem Interesse ist der Einfluss der Vita Mitterands auf sein Verhältnis zum deutschen Nachbarn. Um ein Verständnis für seine Deutschlandpolitik entwickeln zu können, werden folglich an dieser Stelle die wichtigsten Wegmarken seiner Biographie und sein sich daraus ableitendes Deutschlandbild näher beleuchtet.[14]

3.1 Das Deutschlandbild bis 1945

Geboren am 26. Oktober 1916 in Jarnac, aufgewachsen in einer kinderreichen, großbürgerlichen Familie[15] in der südwestfranzösischen Provinz prägte Mitterrand zunächst das provinziell-konservative und patriotische Milieu des Elternhauses. „In seiner Familie liebte man Gott und Frankreich, Land und Menschen. Man hasste die Freimaurer, die Deutschen, die Bolschewiken und ... die Sozialisten.“[16] Hinzu kam eine katholische Schulerziehung, die Mitterrand in einem von Ordensgeistlichen geleiteten Internat in Angoulême erhielt. Der katholische Einfluss setzte sich auch fort, als er zum Studium der Politik- und Rechtswissenschaften nach Paris ging: Der spätere Sozialistenführer wohnte dort in einem katholischen Studentenheim und verkehrte mit wohlhabenden Studenten aus vorwiegend klerikalem Milieu und bekundete politische Neigungen für die Rechte. Er war Mitglied der Jugendorganisation der „Croix-de-Feu“ und besuchte Veran-

staltungen der rechtsgerichteten Action française.[17] Dennoch war Mitterrand zu dieser Zeit weder Mitglied einer Partei, noch äußerte er Sympathie für Hitler-Deutschland oder zeigte sich antisemitisch.

Mitterrands Deutschlandbild war bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges typisch für die Sicht vieler französischer Intellektueller dieser Epoche: Einerseits „liebte er das romantische Deutschland“[18] wie es Mme de Staël[19] beschrieben hatte und war andererseits vom Misstrauen gegenüber den gefährlich expansionistischen Zügen des deutschen Nachbarn geprägt.[20] Diese zwiegespaltene Sicht auf Deutschland spiegelte sich auch in seiner ersten politischen Publikation wider, in welcher er zum Anschluss Österreichs durch Hitler-Deutschland im Frühjahr 1938 Stellung nahm[21]. Zum einen bezweifelte er dort, dass die bisherige Politik der europäischen Westmächte Deutschland an weiteren, bereits vorhersehbaren Aggressionen hindern würde. Zum anderen konnte Mitterrand den Anschluss tolerieren, weil er durch eine Volksabstimmung abgesichert und für ihn Österreich ohnehin Teil deutscher Kultur sei: „L’Autriche est allemande! L’Autriche, c’est la culture allemande! L’Autriche, c’est le complément nécessaire d’un Empire germanique.“[22] Der deutsche Expansionsdrang, so führt er weiter aus, ergebe sich aus der Schwäche der Siegerstaaten des Versailler Vertrags. Das Entstehen eines großdeutschen Reiches sei eine zwangsläufige Folge der Niederlage von 1918; Schwarzenberg und Bismarck, die bereits Ähnliches versucht hatten, hätten nun ihren Meister in Hitler gefunden.

Die ersten existentiellen Kontakte Mitterrands mit Deutschen datieren allerdings erst vom Zweiten Weltkrieg, an welchem er als Unteroffizier teilnahm. Im Juni 1940 wurde er bei Verdun verwundet und geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft; sein Weg führte ihn dabei bis nach Thüringen. Seine Eindrücke aus dieser Zeit gab er unter dem Titel „Wallfahrt nach Thüringen“[23] wieder und identifizierte hierbei das lange erfolglose Streben der Deutschen nach nationaler Einheit als gewichtiges deutsch-französisches Problem. Trotz seiner Gefangenschaft zeichnete Mitterrand kein ausnahmslos negatives Deutschlandbild: Weimar assoziierte er ebenso mit Goethe wie mit den demokratischen Zügen der Weimarer Republik. Wenn er von dem ehemals zersplitterten Deutschland sprach, so gebrauchte er den alten französischen Ausdruck „les Allemagnes“ und behielt diesen im übrigen bis 1990 bei, um so an die wechselvolle Geschichte Deutschlands zu erinnern. Die Betrachtungen Mitterrands waren allerdings nicht frei von Bitterkeit, verband er doch gleichzeitig mit diesen Städtenamen auch ein Scheitern französischer Politik. Er berichtete aber ebenfalls von persönlichen, positiven Kontakten mit der deutschen Bevölkerung: So beispielsweise von einem Zimmermann, für den Mitterrand gearbeitet hatte, der großer Napoleonverehrer gewesen sei und ihm die Begegnungsstätte von Schiller und Goethe in Weimar gezeigt habe.[24] Trotz aller Ausgewogenheit seines Urteils fühlte er doch insbesondere die nationale Demütigung seines Landes, die ihm unerträglich war und der er entkommen wollte. Nach zwei missglückten Versuchen gelang ihm im Dezember 1941 schließlich die Flucht und er erreichte über Lothringen die „unbesetzte“ Hauptstadt seines Landes, Vichy. Hier fand er eine Anstellung unter dem Regime des Marschalls Pétain; zunächst im Nachrichtendienst der „Légion française des combattants“, dann bei der Kriegsgefangenenbetreuung.[25] Nachdem es im November 1942 zum Bruch mit Pétain gekommen war, führte Mitterrand – mittlerweile einen einflussreichen Posten in der Behörde für die Wiedereingliederung der ehemaligen Kriegsgefangenen bekleidend –ein Doppelleben. Unter dem Namen „Morland“ arbeitete er parallel für die Résistance, sein Verhältnis zum Führer des „freien Frankreich“, General de Gaulle, war allerdings von Anfang an äußerst gespannt. Dennoch stieg Mitterrand schnell zur Spitze des von de Gaulle anerkannten Dachverbandes der französischen Kriegsgefangenenorganisationen, des „Mouvement national des Prisonniers“ auf. Gegen Kriegsende wurde auch sein Tonfall gegenüber Deutschland härter: Die „germanische Barbarei“, der die Gefangenen ausgesetzt seien, offen anklagend, zeigte er, dass sein Deutschlandbild die romantisch verklärten Züge verloren hatte.[26]

3.2 Nachkriegszeit und Opposition

Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs verlor das Thema Deutschland für den jungen Minister[27] an Wichtigkeit, Kontakte zum Nachbarn blieben eher sporadisch und weniger intensiv als in den Jahren des Kriegs. Die Deutschlandpolitik Frankreichs war in der unmittelbaren Nachkriegszeit vornehmlich von einem hohen Sicherheitsbedürfnis gegenüber Deutschland gekennzeichnet. Vorrangiges deutschlandpolitisches Ziel war es, Deutschland dauerhaft als machtpolitischen Faktor auszuschalten und damit gleichzeitig die Voraussetzung für die Wiederherstellung von Frankreichs einstiger Größe zu schaffen. Seinen Ausdruck fand dies in einer restriktiven Politik gegenüber dem Nachbarn unter der Führung de Gaulles: Deutschland sollte geographisch und politisch zergliedert, entmilitarisiert und durch französische Vormacht auf dem europäischen Kontinent kontrolliert werden.[28] Mitterrand seinerseits war gegen eine solche Zerstückelungspolitik, die in seinen Augen für das 17. Jahrhundert und die Linie eines Kardinal Richelieu vielleicht geeignet gewesen, hingegen keineswegs mehr für das 20. Jahrhundert passend sei. Namentlich klagte er Bidaults Saarpolitik an und warf de Gaulle vor, er sei bloß „begierig auf die deutsche Beute“ und wolle am liebsten ein Europa auf der Grundlage des Westfälischen Friedens errichten.[29]

Wie bei vielen französischen Nachkriegspolitikern lag auch bei Mitterrand das Hauptaugenmerk auf den aktuellen Entwicklungen in Deutschland und Europa, vornehmlich darauf, welche Position Frankreich in diesen Entwicklungen einnehmen sollte. Die Sicherung nationaler Unabhängigkeit und die Wiederherstellung von Frankreichs einstiger Größe bildeten die primären Handlungsmaximen. Bald machte jedoch der beginnende Ost-West-Konflikt deutlich, dass eine eigenständige französische Deutschlandpolitik nicht mehr möglich war. Die sowjetische Gefahr überlagerte die der deutschen Bedrohung, und Frankreich sah aufgrund wirtschaftlicher Schwäche keine andere Alternative, als die neugegründete BRD als Verbündeten zu akzeptieren. Die sich abzeichnende Teilung Deutschlands half hierbei zu einer Neubestimmung des deutsch-französischen Verhältnisses. Für François Mitterrand, einem „Europäer der ersten Stunde“, stellte die deutsch-französische Aussöhnung zwar eine unverzichtbare Grundlage auf dem Weg der europäischen Einigung dar, ein deutsch-französisches Sonderbündnis auf Basis des Elysée-Vertrags lehnte er allerdings bis zur Wahl seiner selbst zum Staatspräsidenten konsequent ab. Die Gründe für Mitterrands diesbezügliche Haltung lagen hauptsächlich in seinem Verständnis von Europa. Dieses neue Europa sollte nach seinen Vorstellungen ein geeintes Europa gleichberechtigter Partner sein und folglich sah er keinen Platz für eine „Sonderachse“[30] Frankreichs mit Deutschland, welche die übrigen Europäer zu dominieren drohte. In zweiter Linie resultierte die Ablehnung aber auch aus der innenpolitischen Gegnerschaft zu General de Gaulle, dem Schöpfer des deutsch-französischen Freundschaftsvertrags. Schon Mitte der sechziger Jahre sah Mitterrand zwischen Paris und Bonn auf sämtlichen bilateral relevanten Politikfeldern massive Meinungsverschiedenheiten und nannte deshalb dieses Abkommen abwertend „den anfechtbaren Vertrag von 1963.“[31] In den folgenden Jahren beobachtete Mitterrand mit Sorge den kontinuierlichen Aufstieg der Bundesrepublik in den Kreis der europäischen „Großmächte“. Eine florierende Wirtschaft und ein größerer internationaler Handlungsspielraum infolge der Bonner Ost- bzw. der internationalen Entspannungspolitik schienen den neugewonnenen deutschen Status zu untermauern. Dieser Eindruck lässt den Oppositionspolitiker Mitterrand zu dem Schluss kommen, dass Deutschland in der Zukunft ein gewichtiger Faktor sein würde, und dass sich Europa daher um Deutschland bilden müsse oder aber zerfalle.[32]

Insgesamt war Mitterrands Blick auf den Nachbarn in den Jahren als Oppositionspolitiker von sachlicher Distanz gekennzeichnet, die ihn einer nüchternen und differenzierten Betrachtungsweise befähigten. Mitterrand zeigte sich grundsätzlich gut informiert über die Bonner Politik und war beispielsweise 1977 bemüht, in der Debatte über die Form der deutschen Terrorismusbekämpfung den Eindruck anti-deutscher Ressentiments zu vermeiden - im Gegensatz zu großen Teilen der französischen Öffentlichkeit. An dieser Stelle muss allerdings festgehalten werden, dass seiner neutralen Sichtweise zunächst auch jegliche emotionale Zugewandtheit und Sympathie fehlte.[33] Von gleichgewichts- und sicherheitspolitischen Erwägungen geleitet, erkannte er zwar die innenpolitischen und wirtschaftlichen Leistungen der Bundesrepublik an, doch von primärem Interesse war weiterhin die nationale Unabhängigkeit Frankreichs und die Stellung des Landes in „zweiter Linie“.

Dennoch hob Mitterrand sich mit seinem Vertrauen in Willy Brandt und in die demokratische Stabilität der SPD insbesondere in den siebziger Jahren von einem in Frankreich weit verbreiteten Misstrauen gegenüber der BRD allgemein sowie der Ostpolitik der sozialliberalen Koalition im besonderen ab. Dass die Deutschen sich jedoch mit der Spaltung ihrer Nation auf Dauer abfinden könnten, glaubte auch er nicht. Sensibel schaute Frankreich, und mit ihm François Mitterrand, daher auf alles, was Bewegung in die offene Deutsche Frage bringen und damit den Status quo gefährden könnte. Gleichwohl zeigten sich Frankreich und sein späterer Staatspräsident in ihrer Haltung zur Deutschen Frage stets solidarisch mit der BRD und den westlichen Verbündeten. Mitterrand betrachtete es gewissermaßen als patriotische Pflicht, Jalta rückgängig zu machen und sprach sich ebenfalls immer für ein deutsches Recht auf Selbstbestimmung aus. Gleichzeitig machte er jedoch keinen Hehl aus seiner differenziert kritischen Sichtweise bezüglich der Deutschen Frage:

„Ohne zu verschweigen, was die Wiedervereinigung politisch, historisch und moralisch für die Deutschen bedeuten kann, so glaube ich dennoch, ausgehend vom europäischen Gleichgewicht, von der Sicherheit Frankreichs und von der Wahrung des Friedens, dass sie weder wünschenswert noch möglich ist.“.[34]

Mit der Wahl François Mitterrands zum Staatspräsidenten am 10. Mai 1981 und der Übernahme der Regierungsverantwortung durch eine Koalition aus Sozialisten und Kommunisten in Paris war neben gewichtigen anderen Unsicherheiten dann auch die Frage bezüglich der künftigen Ausrichtung der bilateralen Beziehungen von größter Bedeutung. Wird es bei der von Mitterrand bisher propagierten Politik des Gleichgewichts der Kräfte und des Status quo bleiben oder werden Bewegungen in der Deutschen Frage ihn gegebenenfalls zu einer Kehrtwende animieren? Vor welchen Schwierigkeiten steht das deutsch-französische Tandem bereits am Vorabend der friedlichen Revolution des Jahres 1989? Diese in den achtziger Jahren in der bilateralen Politik dominierenden Fragen sollen nun im folgenden diskutiert und beantwortet werden.

3.3 Der Präsident und die Rückkehr der Deutschen Frage in den achtziger Jahren

Mit der Wahl zum Staatspräsidenten wuchsen Qualität und Quantität der Kontakte Mitterrands zu deutschen Stellen naturgemäß sprunghaft. Auf zahlreichen Reisen lernte er Deutschland noch besser kennen und die Zahl der informellen Begegnungen steigerte sich insbesondere mit der Übernahme der Kanzlerschaft durch Helmut Kohl. Dennoch blieb eine Sorge: Die offene Deutsche Frage.

„Wohin treibt Deutschland?“ fragte François-Poncet, langjähriger Mitarbeiter und letzter Außenminister von Staatspräsident Giscard d’Estaing, in einem Aufsatz in Le Monde vom 28.10.1981.[35] Nach einer detaillierten Analyse der Lage kam er zwar zu dem Schluss, dass sich die Deutschen in der Bundesrepublik als zuverlässige Bündnispartner erweisen würden, aber dennoch verdeutlichte der Artikel, dass die Unruhe über die „incertitudes allemandes“ auf französischer Seite wieder wuchs. Wie lässt sich dieses Phänomen erklären, bedenkt man, dass sich im Laufe der siebziger Jahre mit der Perzeption der Sowjetunion als primärer Gefahrenquelle das Bild der (West-)Deutschen in Frankreich aufgehellt hatte?

Wie bereits angesprochen wurde, beruhte Frankreichs Position zur Deutschen Frage weitgehend auf zwei Postulaten: Zum einen garantierte die definitive Teilung Deutschlands in zwei Staaten die Sicherheit Frankreichs und vor allem dessen Anspruch auf eine Führungsrolle bei der Neugestaltung Europas. So stellte beispielsweise Altbundeskanzler Helmut Schmidt im Februar 1987 während eines Gesprächs mit Mitterrands Mitarbeitern fest: „Man muss verstehen, was das tiefe Begehren der Franzosen ist. Welche Vorstellung sie selber von Frankreich haben. Sie wollen, zuallererst, als eine der geistig wie kulturell führenden Nationen der Welt anerkannt werden."[36] Zum anderen reichte darüber hinaus die institutionalisierte deutsch-französische Freundschaft aus, um das erfolgreiche Funktionieren der EG und die Verankerung der Bundesrepublik in der westeuropäischen Integration zu sichern. Gleichzeitig wurde so die Gefahr eines Alleingangs des deutschen Nachbarn in bezug auf die DDR und Osteuropa minimiert.[37] Doch wie in der Folge gezeigt werden wird, offenbarten sich in den achtziger Jahren genau innerhalb dieser Themenfelder unleugbare Differenzen zwischen den beiden Partnern, die den französischen Nachbarn besorgt nach Deutschland schauen ließen.

Zunächst einmal muss an dieser Stelle erläutert werden, wie die oben erwähnte „Neugestaltung Europas“ aussehen sollte: Frankreichs Ziel hierbei war stets ein mächtiges Europa, welches sich gegenüber den Vereinigten Staaten verselbständigt. Für die Realisierung dieses Ziels reichte die innerhalb des deutsch-französischen Tandems stillschweigend anerkannte außen- und sicherheitspolitische Dominanz der „Grande Nation“ jedoch nicht aus. Vielmehr musste man auch in Frankreich einsehen, dass man auf die wirtschaftliche Kraft Deutschlands angewiesen war. Helmut Schmidt beschrieb dieses französische Dilemma mit folgenden Worten:

„Aber sie [die Franzosen] würden gerne eine Weltmacht sein; doch da muss man begreifen, dass 56 Millionen Franzosen, selbst mit der Nuklearwaffe, dass das dafür wirklich zu wenig ist. Frankreich würde gerne nach den Vereinigten Staaten, der UdSSR die Nummer 3 sein, aber es gibt China, so dass Frankreich allenfalls Ansprüche auf den vierten Platz stellen kann. Und es muss immer mehr mit anderen aufsteigenden Mächten rechnen, wie zum Beispiel Japan auf der wirtschaftlichen Ebene. Eines der Probleme Frankreichs ist das seiner finanziellen Fähigkeiten. Das Gewicht Frankreichs auf dem Weltmarkt ist sehr gering. (...) Früher mochte man glauben, dass Frankreich die Hoffnung hatte, die deutsche Wirtschaft einzuholen, jetzt hat man den Eindruck, dass Frankreich in dieser Hinsicht sich geschlagen gibt.“[38]

Man war sich in Paris also darüber im Klaren, dass die enge Bindung des deutschen Partners an Frankreich und die gemeinsam formulierten Ziele von großer Bedeutung waren. In diesem Sinne versuchte Staatspräsident Mitterrand Mitte der achtziger Jahre wiederholt, Bundeskanzler Kohl auf eine deutsch-französische Machtstrategie im Weltall festzulegen. Erstens würde, so Mitterrand, Deutschland im Weltall den Freiraum finden, den es auf der Erde aufgrund seiner beschränkten Souveränität nicht habe. Zweitens würde Europa in der technischen Eroberung des Weltraums mit Amerika gleichziehen und somit eine größere Unabhängigkeit von den USA erreichen. Mitterrand räumte zwar in den Gesprächen mit Kohl am 28. Mai 1985 ein, dass weder Deutschland noch Frankreich sich eine dauerhafte Entfernung von den USA erlauben könnten, versuchte Kohl aber mit folgenden Worten für das Projekt zu begeistern: „Mit der Weltraumstrategie wird Deutschland Macht erlangen.“[39] Trotz raffinierter Argumentation konnte der französische Präsident den deutschen Bundeskanzler zu seiner großen Enttäuschung nicht zu einem stärkeren Engagement in dieser Sache verleiten. Im Dezember 1985 musste er im Ministerrat feststellen: „Ich weiß nicht, was Deutschland wirklich will.“ Und: „Hier wirkt sich die deutsche Unterwürfigkeit gegenüber Amerika aus.“[40] Dies war also ein erster Dissens, der die deutsch-französischen Beziehungen zu belasten drohte.

Weitaus besorgniserregender waren für Frankreich und seinen Staatspräsidenten die Bewegungen im Themenkomplex Ostpolitik, Friedensbewegung und drohendem Neutralismus in Deutschland. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Teilung Deutschlands zu einer Grundlage der französischen Außenpolitik geworden. Als Bedingung für ihre in die Ferne gerückte Vereinigung müssten sich die Deutschen, so de Gaulle, mit einem minderen Status zufrieden geben. Aus französischer Sicht war dies die einzige Möglichkeit, eine Entwicklung Deutschlands hin zu einem Machtvakuum oder aber zu einem Machtzentrum innerhalb Europas zu verhindern.[41] Auch wenn diese de Gaulle’schen Richtlinien französischer Deutschlandpolitik im Grunde bis zur Wiedervereinigung gültig blieben, so veränderte sich die französische Haltung zu Deutschland dennoch im Zuge der Änderungen der äußeren Rahmenbedingungen: Die von Frankreich beobachtete Veränderung des militärischen Gleichgewichts zugunsten der Sowjetunion veranlasste Mitterrand zu einer neuen Lagebeurteilung seiner Deutschlandpolitik im Ost-West-Kontext.[42] Insbesondere die innerdeutsche Entwicklung beeinflusste dabei seine Wahrnehmung der internationalen Sicherheitslage: Die Anti-Atomkraft- und Friedensbewegung in den achtziger Jahren und die damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um den NATO-Nachrüstungsbeschluss in der BRD brachten das „problème allemand“ auf die politische Tagesordnung Frankreichs zurück. Der Ausdruck latent vorhandener Ängste vor einer „dérive allemande“, einem Abdriften Deutschlands nach Osten, die bereits in den siebziger Jahren durch die Ostpolitik Brandts geschürt wurden, fand nun in Medien und Politik einen neuerlichen Höhepunkt. „Was man sah und hörte rüttelte an dem Bild der Welt, in der sich Frankreich eine Art von nachgaullistischer Idylle eingerichtet hatte.“[43] Schließlich könnten die Deutschen der Bundesrepublik – verletzbar durch ihre Trennung vom „anderen Deutschland“ – von Moskau mit Drohungen erpresst oder mit kleinen Zugeständnissen in der Deutschen Frage dazu verführt werden, in den Neutralismus abzugleiten, so sorgte sich Frankreich. Deutscher „Nationalneutralismus“ und „Nationalpazifismus“ würden aber das eigene Sicherheitskonzept unmittelbar in Frage stellen.[44] Der Angst vor einem starken Westdeutschland folgte daher paradoxerweise die Angst vor seiner Schwäche. Auf der Suche nach einem Grund für diesen Sinneswandel trifft man auf einen Erklärungsversuch von Aron: „Zum ersten Mal seit langer Zeit stehen wir nicht im ersten, sondern im zweiten Glied.“[45] Dies heißt: Die Stärke der BRD war nicht nur von entscheidender Bedeutung für die eigene Sicherheit, sondern stellte auch eine Möglichkeit dar, sich „etwas komfortabler darin einzurichten, abwarten zu können, bevor letzte Entscheidungen fallen müssen und diese letzten Entscheidungen allein treffen zu können. Vor der Aussicht, dass das erste Glied das zweite nicht mehr schütze, verstummten nun die Warnungen vor der wiedererwachten deutschen (Wirtschafts-)Kraft. Die bloße Ahnung, dass sich wirtschaftliche Stärke schnell in politische Schwäche verwandeln könne, relativierte sie.“[46]

Sicher hatten ähnliche Überlegungen bereits zu dem Kommuniqué-Vorschlag zur deutsch-französischen Regierungskonferenz vom 24. und 25. Februar 1982[47] geführt, der eine engere Abstimmung beider Länder im Bereich ihrer Außen- und Sicherheitspolitik vorsah. Der französische Textentwurf enthielt hierbei anstelle von „Außenpolitik“ das Wort „Ostpolitik“, woraus sich ableiten lässt, worum es wirklich ging: Die Politik beider Regierungen gegenüber dem Ostblock noch stärker aufeinander abzustimmen. Paris wollte damit wohl vor allem die deutsche Ostpolitik besser beobachten und beeinflussen können, wollte aber auch möglichen Versuchen Moskaus vorbeugen, Unstimmigkeiten zwischen den Partnern zu schaffen.[48] Die erste Strategie Mitterrands, dem „problème allemand“ angemessen zu begegnen bestand also darin, die vorhandenen institutionellen Möglichkeiten auf der bilateralen Ebene, d.h. im Rahmen des Elysée-Vertrags, wiederzubeleben und gleichzeitig mit Hilfe des deutsch-französischen Motors die europäische Zusammenarbeit auf der EG-Ebene zu intensivieren.

Vorrangiges Ziel war jedoch zunächst die Wiederherstellung des militärischen Gleichgewichts. In diesen Kontext fügte sich die aufsehenerregende Rede des französischen Staatspräsidenten vor dem deutschen Bundestag anlässlich des 20. Jahrestags des Elysée-Vertrags am 20. Januar 1983 ein. In dieser Rede sprach Mitterrand sich unzweideutig für die Nachrüstung und damit für die Gewährleistung des amerikanischen Schutzes in Europa aus. Des weiteren zeugten seine Worte von seiner veränderten Wahrnehmung Deutschlands und der deutsch-französischen Beziehungen. Er, der in der Vergangenheit den Elysée-Vertrag als Form einer privilegierten Partnerschaft mit Deutschland konsequent abgelehnt hatte[49], appellierte nun an eine solidarische Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen – sowohl auf europäischer, als auch auf bilateraler Ebene.[50] Allerdings konnten weder Mitterrands veränderte Sicht auf Deutschland, noch die unter diesem Vorzeichen erzielten Fortschritte in der militärischen Zusammenarbeit die tieferliegenden Divergenzen beider Länder überbrücken. Während es der BRD um eine Gesamtkonzeption der sicherheitspolitischen Kooperation ging, die ebenso die Information und Konsultation über den Einsatz der taktischen Atomwaffen Frankreichs umfassen sollte, ging es Mitterrand vornehmlich darum, die Kontrolle über die Bündnisfähigkeit des deutschen Partners und damit über das militärisch nutzbare Vorfeld für die eigene Abschreckungsstrategie zu bewahren.[51] Eine weitere Parallelstrategie zur festeren Anbindung der Bundesrepublik an Frankreich stellte die Bekundung größeren Verständnisses für deutsche Souveränitäts- und Identitätsprobleme dar. So richtete sich Mitterrand in seiner Rede vor dem Bundestag mit folgender Formulierung an das „grand peuple allemand“: „Pour avoir vécu dans une France occupée, je ressens au fond de moi-même ce que peuvent éprouver les Allemands séparés.“[52] Tatsächlich kann man Mitterrand durchaus als denjenigen französischen Staatspräsidenten bezeichnen, der bei aller Wahrung französischer Interessen zumindest eine große Verständnisbereitschaft für deutsche Sorgen und Nöte an den Tag legte. Wie es viele französische Politiker seit de Gaulle getan hatten, verwendete Mitterrand häufig die Formel der „Überwindung von Jalta“. Dennoch: War es nicht so, dass sich Frankreich - und mit ihm der Staatspräsident - mit der Teilung Europas längst abgefunden und bequem in ihr eingerichtet hatte? Denn „die ‚Überwindung’ bezog sich auf die Erweiterung des französischen Spielraumes und nicht etwa auf die Beendigung der Teilung Deutschlands.“[53] Tatsächlich betrieb die französische Regierung eine Politik des Status quo und hielt bis in das Jahr 1990 hinein an dem Prinzip der Zweistaatlichkeit fest. Die Sorgen im Elysée, was die Deutsche Frage betraf, wurden nicht geringer. Am 26. Oktober 1988 sagte Mitterrand im Ministerrat: „Man muss sich fragen, was die wirklichen Interessen Deutschlands sind. Das sind die seiner Geographie. Es befindet sich zwischen zwei Blöcken: Was anderes können Sie denken, als dass ein solches Land seinen Blick nicht nach beiden Seiten gerichtet hat?“ Schon 1981 hatte in einer Nachricht vom Quay d’Orsay, dem französischen Außenministerium, gestanden: „Wir müssen vermeiden, dass die Ostpolitik entgleist.“ Diese Prämisse galt 1988 mehr denn je. Frankreich sah sich gezwungen, sich in die Ostpolitik einzuschalten. Dahingehend erklärte Mitterrand am 26. Oktober 1988 weiter: „Wir selbst müssen uns in Osteuropa unter Aufbietung aller Kräfte wieder einstellen. Da gibt es das polnische Problem, die tschechische Verhärtung, die rumänischen Verrücktheiten, das bulgarische Mitläufertum, all das verkompliziert die Dinge.“[54] Er selbst habe vor, in den kommenden Monaten in fast jedes der osteuropäischen Länder zu reisen. Er tat es auch, einschließlich der letzten, höchst umstrittenen Reise vom 20. – 22. Dezember 1989 in die DDR.

Als Resümee lässt sich hier festhalten, dass trotz der Versuche, eine konzertierte Ostpolitik und eine vertiefte Zusammenarbeit im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik zu entwickeln, kein gemeinsames deutsch-französisches Szenario für eine europäische Ordnung „jenseits von Jalta“ entworfen werden konnte. Dies lag zum großen Teil auch an Frankreichs konstanter Sorge vor einer wie auch immer gearteten Bewegung in der Deutschen Frage. So blieb folgende Formel Mitterrands auch weiterhin symptomatisch für eine vorsichtige, status-quo-orientierte Politik des Staatspräsidenten:

„Wir werden unsere zukünftige Sicherheit nicht aufbauen, indem wir die zerstören, die wir jetzt bereits haben. Ich habe oft den Wunsch ausgedrückt, das Europa von Jalta hinter uns zu lassen, aber ich möchte nicht, dass die Trümmer des Europa von Jalta uns erdrücken. Wir müssen also mit vorsichtigen Schritten vorangehen, damit nicht die hohen Mauern rechts und links von uns einstürzen, die jeden Augenblick zusammenzubrechen drohen.“[55]

Das Fehlen einer bilateralen Strategie sollte sich in der Epochenwende von 1989/90 noch schmerzlich bemerkbar machen, wie Kapitel 4 dieser Arbeit zeigen wird. Hinzu kamen die bereits angeführten Differenzen auf bilateral relevanten Politikfeldern. Divergenzen im Bereich der Reformierung und Ausgestaltung der EG sowie vor allem das Ringen um die Festlegung eines Datums zur Eröffnung der Regierungskonferenz durch das gesamte Jahr 1989 hindurch[56] wurden zu einer Zerreißprobe für das Vertrauen und Verständnis zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Kohl und Mitterrand.

4 Der Weg zur deutschen Einheit: Eine Chronologie der Ereignisse

Im vorhergehenden Abschnitt wurde dargestellt, in welcher Form die Deutsche Frage während der achtziger Jahre wieder auf die Tagesordnung der französischen Außenpolitik zurückgekehrt war, welche Zweifel am und Verstimmungen über den Partner sich bis zum für Deutschland schicksalhaften Jahr 1989 beim französischen Freund aufgebaut hatten. Wie jedoch entwickelte sich die Situation in der DDR? Welchen Weg legten die beiden deutschen Staaten bis zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober 1990 zurück? In der Folge soll hier ein Überblick über die historischen Ereignisse der Jahre 1989 und 1990 gegeben werden, die schließlich zur Einheit Deutschlands unter Wiederherstellung der vollständigen Souveränität der Bundesrepublik Deutschland führten.[57]

Im Laufe der achtziger Jahre stieg die Unzufriedenheit der Ostdeutschen mit den Verhältnissen in ihrem Land stetig an, Oppositionsgruppen übten verstärkt öffentlich Kritik und die in Westeuropa bereits sehr aktive Friedensbewegung gewann nun auch in der DDR an Bedeutung. Die Frustration über den Mangel an Reformen in der DDR vergrößerte sich mit jedem positiven Beispiel des Wandels in den Nachbarländern. In Polen kündigte dieser sich in Form einer unabhängigen Gewerkschaftsbewegung „Solidarność“ an und in der Sowjetunion begann er mit dem durch Michail Gorbatschow eingeläuteten Prozess von Glasnost und Perestroika. Ab 1987 ließ sich aus den Aussagen Gorbatschows wiederholt eine Aufforderung an die im bisherigen sowjetischen Machtbereich befindlichen Länder heraushören, ohne Furcht vor sowjetischer Intervention eigene politische, wirtschaftliche und soziale Reformen einzuleiten. Ungarn nahm diese Aufforderung an und ernannte am 22. Mai 1988 Károly Grósz, Verfechter einer weitreichenden politischen und wirtschaftlichen Erneuerung, zum neuen Generalsekretär der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei. Auch in der Tschechoslowakei war im Dezember 1987 mit Milós Jakéš ein jüngerer und flexiblerer Politiker in das Amt des Staatschefs gelangt. Die DDR-Spitze sah sich durch diese „reformistische Einkreisung“ zwar bedroht, reagierte darauf aber nicht mit eigenen Reformen, sondern mit Selbstisolierung. So wurde die DDR zu einer Insel der Orthodoxie inmitten von politischen, ökonomischen und ideologischen Strukturveränderungen.

Wie deutlich wird, bereitete sich der Zusammenbruch des SED-Regimes somit langfristig vor: Die mangelnde Legitimität des politischen Systems, die steigenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten und das Reformdefizit der DDR innerhalb des Ostblocks waren die maßgeblichen Ursachen für die Krise, aus der es seit dem Frühjahr 1989 kaum noch einen Ausweg gab. Als ungarische Soldaten am 2. Mai 1989 mit der Öffnung der ungarisch-österreichischen Grenze begannen, spitzte sich die Lage in Ostdeutschland dramatisch zu: Bis zum 9. November flohen über 225.000 DDR-Bürger nach Westdeutschland, der Eiserne Vorhang existierte praktisch nicht mehr. Unterdessen steigerten sich Proteste und Demonstrationen kontinuierlich; am 4. September begannen etwa 1.200 Menschen mit den Montagsdemonstrationen in Leipzig, die Anfang November schließlich 500.000 Teilnehmer versammelten.

In diesem Klima kamen der SED-Führung die zur Aufhellung des internationalen Bildes mit großem Aufwand geplanten Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR am 6. Oktober 1989 eher ungelegen. Tatsächlich wurden sie durch schwere Auseinandersetzungen in mehreren Städten Ostdeutschlands gestört, „Gorbi, Gorbi“-Rufe und der Slogan „Wir sind das Volk“ ertönten. Erich Honecker klammerte die schwierige Lage in seinem Land jedoch bei allen öffentlichen Reden und privaten Gesprächen mit dem sowjetischen Staatsgast Gorbatschow völlig aus. Nachdem Gorbatschow vor dem Politbüro unter anderem mit dem vielzitierten Ausspruch „Wenn wir zurückbleiben, bestraft uns das Leben sofort“ für den politischen und ökonomischen Wandel gesprochen hatte, lobte Honecker nur neuerlich den Erfolg des Sozialismus in der DDR.

Der Sturz Honeckers war nicht mehr aufzuhalten: Einstimmig wurde am 17. Oktober sein sofortiger Rücktritt beschlossen und Egon Krenz am folgenden Tag vom Zentralkomitee der SED zum Generalsekretär der Partei gewählt. Die neue Führung versprach nun zwar schnelle Reformen, doch der Unmut der Bevölkerung war bereits zu groß, um durch Versprechungen besänftigt werden zu können. Die Demonstrationsbewegung erreichte in der ersten Novemberwoche ihren Höhepunkt mit jeweils 500.000 Teilnehmern in Berlin und Leipzig, sowie Zehntausenden in Halle, Cottbus, Karl-Marx-Stadt und Schwerin. Am 7. und 8. November traten daraufhin Regierung und Politbüro geschlossen zurück und machten einer neuen, im wesentlichen aus Anti-Honecker-Kräften bestehenden Führung unter Hans Modrow als Ministerpräsidenten Platz. Noch vor der offiziellen Wahl zum Ministerpräsidenten am 13. November 1989 überschlugen sich jedoch die Ereignisse an den Grenzen der DDR. Der neuen Regierung war von Beginn an bewusst, dass die Erneuerung des Regimes nur dann eine Aussicht auf Erfolg haben würde, wenn die DDR-Spitze sich in der Frage der Reisefreiheit entgegenkommend zeigen würde. Folglich sollte in aller Schnelle ein neues Reisegesetz ausgearbeitet werden. Am Abend des 9. November gab Schabowski schließlich auf der Pressekonferenz zur ZK-Tagung bekannt, dass die DDR ihre Grenzen geöffnet habe. Er erklärte, dass Privatreisen ins Ausland „ohne Vorliegen von Voraussetzungen, Reiseanlässen und Verwandtschaftsverhältnissen“ beantragt werden könnten; Genehmigungen für Privatreisen sowie für dauerhafte Ausreisen würden kurzfristig erteilt.[58] Auf wiederholtes Nachfühlen der Journalisten bestätigte er, dass diese Regelung nach seiner Kenntnis ab sofort gelte. Mit diesem Satz verlor die Mauer nach mehr als 28 Jahren endgültig ihre trennende Funktion.

Mit der Maueröffnung war die politische Wende allerdings noch nicht erreicht. Die Regierenden in Ost und West versuchten in der Folgezeit vorerst, eine spontane Wiedervereinigung durch die Bevölkerung zu verhindern und einen friedlichen Wandel in der DDR zu ermöglichen. Die große Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung hatte aber jegliches Vertrauen in die Verantwortlichen der DDR verloren und auf der Leipziger Montagsdemonstration vom 20. November 1989 traten erstmals in größerem Umfang Gruppen auf, die durch die Ausrufe „Wir sind ein Volk“ und „Deutschland einig Vaterland“ die Wiedervereinigung der beiden deutschen Teilstaaten forderten. Bundeskanzler Helmut Kohl hielt sich vorerst in der Deutschen Frage zurück, war jedoch gleichzeitig daran interessiert, in dieser so wichtigen Angelegenheit deutscher Politik die Meinungsführerschaft nicht zu verlieren.[59] Als ihn aus Moskau kurz nach der Maueröffnung Signale erreichten, die auf eine gewisse Aufgeschlossenheit der Sowjets hindeuteten, griff der Kanzler die Forderungen der Ostdeutschen auf und präsentierte dem Bundestag am 28. November ein „10-Punkte-Programm“, das auf die Schaffung konföderativer Strukturen zwischen beiden deutschen Staaten ausgerichtet war. Am Ende sollte dabei ein gesamtdeutscher Bundesstaat stehen. Mit diesem Vorgehen, im Ausland wegen mangelnder vorheriger Konsultation eher mit Skepsis aufgenommen, machte Kohl sich zum Kopf der Entwicklung und wurde dafür am 19. Dezember in Dresden von mehreren zehntausend Menschen mit stürmischem Beifall bedacht.

[...]


[1] Deubner, Christian: Mitterrand hätte die Einheit lieber blockiert. Leserbrief an die FAZ vom 06. Februar 1996.

[2] Jessel, Jacques: La double défaite de Mitterrand. De Berlin à Moscou les faillites d’une diplomatie. Paris 1992, S. 89.

[3] Schabert, Tilo: Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit. Stuttgart, 2002, S. 14. In ähnlicher Weise äußert sich Musitelli in Musitelli, Jean: Premiers retours sur la politique étrangère de Francois Mitterrand. In: Commentaire, Vol. 20, Nr. 77, 1997, S. 81-86.

[4] Veröffentlichungen des französischen Staatspräsidenten: Mitterrand, François: Mémoires interrompus, Paris 1996; Mitterrand, François: Onze discours sur l’Europe: 1982 – 1995, Napoli 1996; Mitterrand, François: Politique. Paris 1977; Mitterrand, François: Réflexions sur la politique étrangère. Introduction à vingt-cinq discours (1981-1985), Paris 1986; sowie Mitterrand, François: Über Deutschland. Frankfurt a.M., 1996. Zum Deutschlandbild u.a. Bender, Karl-Heinz: Mitterrand und die Deutschen (1938-1995) oder die Wiedervereinigung der Karolinger. Bonn 1995; Bruck, Elke: François Mitterrands Deutschlandbild. Perzeption und Politik im Spannungsfeld deutschland-, europa- und sicherheitspolitischer Entscheidungen 1989-1992. Frankfurt a.M. 2003; Sauzay, Brigitte; Thadden, Rudolf v.: Mitterrand und die Deutschen. Göttingen 1998.

[5] Zu den historischen Ereignissen der Jahre 1989/90 in Deutschland u.a. Archiv der Gegenwart. Die weltweite Dokumentation für Politik und Wirtschaft. Hrsg. Heinrich Siegler, Königswinter. Bd. 59, 1989; Bd. 60, 1990; sowie Küsters, Hanns Jürgen: Einleitung zu Dokumente zur Deutschlandpolitik: Deutsche Einheit – Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 (bearbeitet von Hanns Jürgen Küsters, Daniel Hofmann). München 1998. Aber auch Weidenfeld, Werner: Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90. Bd. 4 der Geschichte der Deutschen Einheit. Stuttgart 1998.

[6] Weidenfeld, Werner: Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90. Bd. 4 der Geschichte der Deutschen Einheit. Stuttgart 1998.

[7] Bruck, Elke; Wagner, Peter M.: Wege zum „2+4“-Vertrag. Die äußeren Aspekte der deutschen Einheit. München 1996.

[8] La Politique étrangère de la France, Textes et Documents. La Documentation Française, Ministère des Affaires Etrangères, Paris. juillet – décembre 1989, janvier –juin 1990, juillet – décembre 1990 und Dokumente zur Deutschlandpolitik: Deutsche Einheit – Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90 (bearbeitet von Hanns Jürgen Küsters, Daniel Hofmann). München 1998.

[9] Kohl, Helmut: Ich wollte Deutschlands Einheit. Dargestellt von Kai Diekmann und Ralf Georg Reuth. Berlin 1996; Mitterrand, François: Über Deutschland. Frankfurt a.M., 1996.

[10] Attali, Jacques: Verbatim III. Chronique des années 1988-1991. Paris 1995; Teltschik, Horst: 329 Tage: Innenansichten der Einigung. Berlin 1991; Védrine, Hubert: Les mondes de François Mitterrand. Paris 1996.

[11] Zelikow, Philip; Rice, Condoleezza: Sternstunde der Diplomatie. Die deutsche Einheit und das Ende der Spaltung Europas. Berlin 1997.

[12] Schabert, Tilo: Wie Weltgeschichte gemacht wird. Frankreich und die deutsche Einheit. Stuttgart, 2002.

[13] Weizsäcker, Richard von: Erinnerungen und Fragen an François Mitterrand. In: Sauzay, Brigitte; Thadden, Rudolf v.: Mitterrand und die Deutschen. Göttingen 1998, S. 45

[14] Es soll hier keine Darstellung biographischer Daten erfolgen, vielmehr werden die Elemente näher analysiert, die Einfluss nehmen auf François Mitterrands Haltung gegenüber Deutschland.

[15] Der Vater, Eisenbahningenieur, war zunächst Bahnhofsvorstand in Angoulême, bevor er den Essighandel des Schwiegervaters übernahm.

[16] Nay, Cathérine, zit. nach Bender, Karl-Heinz: Mitterrand und die Deutschen (1938-1995) oder die Wiedervereinigung der Karolinger. Bonn 1995, S.17.

[17] Erst Anfang der 90er Jahre bekannt gewordene Details aus seiner Jugend zeigten das ganze Spektrum von Mitterrands politischer Entwicklung. Das über lange Jahre hinaus intakte Bild des konsequenten Résistance-Protagonisten nahm in dieser Zeit großen Schaden. Fotos belegten sogar, dass er in der zweiten Hälfte der 30er Jahre ausgewiesen fremdenfeindliche Kundgebungen besucht hatte. Manche seiner Freunde traten sogar der „Cagoule“ bei, einem rechtsextremen Geheimbund. Siehe dazu Münchhausen, Thankmar v.: Ein Leben für Frankreich, Europa und die deutsch-französische Freundschaft. FAZ vom 09. Januar 1996; sowie Péan, Pierre: Eine französische Jugend. François Mitterrand 1934-1947, München 1995, S. 29 ff. u. S.47 ff.

[18] Sauzay, Der Mensch François Mitterrand, in: Sauzay/Thadden, Mitterrand und die Deutschen, S. 10.

[19] Mme de Staëls Werk „De l’Allemagne“ erschien in Frankreich erstmals im Jahre 1810, wurde zwar auf Befehl Napoleons vernichtet, hatte aber nach seiner Neuauflegung im Jahre 1813 (in London) großen Erfolg und beeinflusste in starkem und positivem Maße das Deutschlandbild französischer Intellektueller.

[20] Guérin-Sendelbach, Ein Tandem, S. 20.

[21] Vgl. Mitterrand, François: Jusqu’ici et pas plus loin, in: Montalembert April/1938, abgedruckt in Mitterrand, François: Politique. Paris 1977. S. 3 ff. Vgl. dazu Bender, Mitterrand und die Deutschen, S. 31 f., sowie Bruck, Mitterrands Deutschlandbild. Perzeption und Politik im Spannungsfeld deutschland-, europa- und sicherheitspolitischer Entscheidungen 1989-1992. Frankfurt a.M. 2003, S. 60 f.

[22] Mitterrand, Politique, S. 6.

[23] Mitterrand, Politique, S. 11 ff.

[24] Vgl. die Schilderungen Mitterrands in Mitterrand, Politique, S. 14 ff.; siehe auch Bender, Von der Erbfeindschaft, in: Sauzay/Thadden: Mitterrand und die Deutschen, S. 64 f.

[25] Dass Mitterrand sich nicht direkt nach seiner Rückkehr dem verdeckten Widerstand anschloss, sondern zunächst bis Ende 1942 mit dem Pétain-Regime sympathisierte, blieb in Frankreich lange Zeit verborgen. Die Verleihung der „Francisque“, dem nationalen Verdienst-Orden des Vichy-Régimes im Jahre 1943 wird von den Kritikern als Beleg für seine treuen Dienste gegenüber Pétain, von Mitterrands Fürsprechern und ihm selbst als Beweis der perfekten Tarnung seiner Résistance-Tätigkeiten angeführt. Dazu ausführlicher Péan, Eine französische Jugend, S. 166 ff., 190 ff. u. 273 ff., Münchhausen, Ein Leben für Frankreich, sowie Mitterrand, mémoires interrompus, S. 63 ff. u. 103 ff.

[26] Vgl. Bruck, Elke: François Mitterrands Deutschlandbild, S. 64 ff.; sowie Bender, Mitterrand und die Deutschen, S. 34 f.

[27] 1947 wurde Mitterrand Minister für die Kriegsteilnehmer, 1950 Minister für die überseeischen Gebiete. In der Zeit der instabilen Vierten Republik war er insgesamt elf Mal Minister, u.a. für die Bereiche Inneres (1954/55) und Justiz (1956/57).

[28] Für Einzelheiten wird auf einschlägige Literatur zum Thema verwiesen. Vgl. zum Deutschlandkonzept de Gaulles: Ziebura, Gilbert: Die deutsch-französischen Beziehungen 1945-1995. Mythen und Realitäten. Stuttgart 1997, S. 49 ff.

[29] Vgl. Mitterrand, Über Deutschland, S. 17 ff., sowie Bruck, Mitterrands Deutschlandbild, S. 68.

[30] Zu Mitterrands diesbezüglicher Haltung vgl. Bender, Mitterrand und die Deutschen, S. 47, sowie Bruck, Mitterrands Deutschlandbild, S. 73. Der Weg bis zur Unterzeichnung des Elysée-Vertrags ist u.a. nachgezeichnet in Ziebura, Beziehungen, S. 157 ff.

[31] Mitterrand, Politique, S. 447 ff.

[32] Vgl. Bruck, Mitterrands Deutschlandbild, S. 75.

[33] Vgl. Bender, Mitterrand und die Deutschen, S. 44, sowie Bruck, Mitterrands Deutschlandbild, S. 75 ff.

[34] François Mitterrand, zit. nach Bruck, Mitterrands Deutschlandbild, S. 83.

[35] Jean François-Poncet, zit. nach Weisenfeld, Ernst: Welches Deutschland soll es sein? Frankreich und die deutsche Einheit seit 1945. München 1986, S. 152 f.

[36] Helmut Schmidt, zit. nach Schabert, Weltgeschichte, S. 96.

[37] Vgl. Guerin-Sendelbach, Valérie: Frankreich und das vereinigte Deutschland. Interessen und Perzeptionen im Spannungsfeld. Opladen 1999, S.37.

[38] Helmut Schmidt, zit. nach Schabert, Weltgeschichte, S. 97.

[39] Mitterrand, zit. nach Schabert, Weltgeschichte, S. 50.

[40] Mitterrand, zit. nach Schabert, Weltgeschichte, S. 51.

[41] Vgl. Guérin-Sendelbach, Frankreich und das vereinigte Deutschland, S. 39.

[42] Vgl. Bruck, Mitterrands Deutschlandbild, S. 86.

[43] Weisenfeld, Welches Deutschland, S. 139.

[44] Vgl. Bruck, Mitterrands Deutschlandbild, S. 88.

[45] Raymond Aron, zit. nach Weisenfeld, Welches Deutschland, S. 153.

[46] Weisenfeld, Welches Deutschland, S. 153.

[47] Vgl. Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr.19 vom 4.3.1982.

[48] Vgl. Weisenfeld, Welches Deutschland, S. 137.

[49] Siehe auch Punkt 3.2., S. 12 f. der hier vorliegenden Untersuchung.

[50] Rede des französischen Staatspräsidenten, François Mitterrand, in Bonn am 20. Januar 1983 anlässlich des 20. Jahrestags der Unterzeichnung des Vertrags über die deutsch-französische Zusammenarbeit, abgedruckt in: Mitterrand, François: Réflexions sur la politique extérieure de la France. Paris 1986, S. 183-208.

[51] Vgl. Ehrhardt, Hans-Georg: Die „deutsche Frage“ aus französischer Sicht (1981-1987). Frankreich zwischen deutschlandpolitischen Befürchtungen, sicherheitspolitischen Nöten und europäischen Hoffnungen. München 1988, S. 154.

[52] Mitterrand, Bundestags-Rede, in: Mitterrand, Réflexions, S. 207 f.

[53] Guérin-Sendelbach, Valérie: Ein Tandem für Europa? Die deutsch-französische Zusammenarbeit der achtziger Jahre. Bonn 1993, S. 69.

[54] François Mitterrand, zit. nach Schabert, Weltgeschichte, S. 59.

[55] Tischrede von François Mitterrand am 24.11.1983, zit. nach Ehrhardt, Die „deutsche Frage“, S. 158.

[56] Vgl. 54. Deutsch-französische Konsultationen, Bonn, 2./3. November 1989, Akten des Bundeskanzleramtes, Nr. 70, S. 472 ff., sowie u.a. Schabert, Weltgeschichte, S. 402 ff. u. Vernet, Daniel: Mitterrand, l’Europe et la réunification allemande. In: Politique étrangère, IFRI – Paris – 68 (2003), S. 168 ff. Siehe auch Ausführungen zu 6.1.1. S. 44, sowie zu 6.1.2. S. 49 f. der vorliegenden Arbeit.

[57] Die folgenden Ausführungen stützen sich vornehmlich auf die Informationen des Archivs der Gegenwart und auf die Darstellung der Ereignisse durch Küsters/Hofmann, Akten des Bundeskanzleramts sowie Weidenfeld, Werner: Außenpolitik für die deutsche Einheit. Die Entscheidungsjahre 1989/90. Bd. 4 der Geschichte der Deutschen Einheit. Stuttgart 1998. Einen guten Überblick bietet in komprimierter Form Görtemaker in Der Weg zur Einheit, Informationen zur politischen Bildung, Heft 250, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 2005.

[58] Text zur neuen Reiseregelung der DDR, vgl. Akten des Bundeskanzleramtes, Nr. 79 A, S. 504.

[59] Es gab für den Fall der bevorstehenden Wiedervereinigung keinerlei Vorarbeiten, Ablaufpläne oder Krisenszenarien, auf die Kohl hätte zurückgreifen können. Auch nach dem Mauerfall machte im Bundeskanzleramt zunächst niemand Anstalten, ein Gesamtkonzept auszuarbeiten. Vgl. Küsters, Hanns Jürgen: Einleitung in die Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes, S. 59 ff. Siehe auch Weidenfeld, Außenpolitik, S. 27ff.

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Francois Mitterrand im Prozess der Wiedervereinigung Deutschlands
Hochschule
Universität Passau
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
96
Katalognummer
V48265
ISBN (eBook)
9783638450218
ISBN (Buch)
9783638700566
Dateigröße
1165 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Francois, Mitterrand, Prozess, Wiedervereinigung, Deutschlands
Arbeit zitieren
Anna Léa Rosenberger (Autor:in), 2005, Francois Mitterrand im Prozess der Wiedervereinigung Deutschlands, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48265

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