Das ADS-Syndrom bei Grundschulkindern sowie deren Integration im Heimat- und Sachkundeunterricht mittels ganzheitlicher Methoden


Examensarbeit, 2003

115 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Störung des kindlichen Verhaltensmuster durch ADS
2.1. Was ist ADS
2.2. Ursachen von ADS
2.3. Erscheinungsformen von ADS Kinder
2.4. Das Erscheinungsbild der ADS Kinder
2.5. ADS und Teilleistungsstörungen

3. Hilfestellungen für ADS Kinder
3.1. Günstige Unterrichtsvoraussetzungen für ADS Kinder
3.2. Unterrichtsstrukturen und bewährte Methoden im Umgang mit ADS- Kindern

4. Pädagogische Bedeutung der ganzheitlichen Erfassung der Mit- und Umwelt
4.1. Ganzheitliche Methoden
4.2. Ganzheitliche Methoden im Umgang mit ADS Kindern im Heimat- und Sachkundeunterricht

5. Konsequenzen
5.1. Schlussfolgerungen und Konsequenzen für den Umgang mit ADS Kindern

6. Anhang
6.1. Literaturverzeichnis
6.2. Selbstständigkeitserklärung

All die Kinder ,

Die voller Unruhe sind

Und nie stillsitzen können,

die voller Ungeduld sind

und nie warten können,

die voller Fragen sind

und nicht zuhören können,

die ängstlich und furchtsam sind

und doch ständig klettern und fallen,

die kränken und zornig werden

und sich unverstanden fühlen,

die viele Dinge beginnen

und kaum ein Ziel erreichen.

Die durch ihr zu lautes Lachen

Und ihr immerwährendes Stören

Und durch ihre trotzigen Blicke

Es nicht vermögen zu offenbaren,

WIE SEHR SIE DER HILFE BEDÜRFEN.

Heike Schönherr

entnommen aus: „Hilfen für den Zappelphilipp“; Sabine Bernau

Vorwort:

Fast überall sind heute Kinder und auch Erwachsene zu finden, die sich hektisch und teilweise ungelenk in der Öffentlichkeit bewegen. Nicht selten kann jeder, der mit offenen Augen seine Umwelt beobachtet solche Eindrücke sammeln.

Auch in der Schule gibt es immer mehr Kinder, die durch verschiedenste Verhaltensweisen auffallen.

Wenn man solche Beobachtungen macht, kann man sich nur fragen, was ist los mit diesen „besonderen“ Menschen unserer Gesellschaft. Um dies genauer zu ergründen und auch die damit verbundenen Probleme lösen zu können, schreibe ich diese Arbeit.

Sie soll dazu dienen, den Kindern als kompetenter Partner gegenüberstehen zu können und sie individuell und differenziert zu fordern und fördern.

Das ist aber nur möglich, wenn man fundiertes Fachwissen aufweisen kann und weiß wie man es umsetzt.

Dazu benötigt man geeignete Methoden und eine Unterrichtstruktur, die den Kindern der gesamten Klasse entgegenkommt. Eine Auswahl von Methoden und Unterrichtstrukturen soll deshalb zum Bestandteil meiner Arbeit werden, dies ist notwendig um den, in verstärktem Maße, auftretenden Problem gerecht zu werden.

Doch nicht nur in der Gegenwart auch in der Vergangenheit gab es ähnliche Beobachtungen.

Heinrich Hoffmann, als Arzt tätig, beschrieb zum Beispiel in seinem bekannten Struwwelpeter, Kinder mit ähnlichen Symptomen, die immer mehr auch in den Schulklassen der jetzigen Lehrer zu finden sind. Jedenfalls erkennt man in den „Unarten“ von Struwwelpeter, Paulinchen, und Zappelphilipp typische Verhaltensweisen wie ich sie oben kurz angedeutet habe und die auch beim Aufmerksamkeits- Defizit Syndrom zu finden sind.

Allein in den letzten fünf Jahren sind in Deutschland mehr als 60 Bücher über die Aufmerksamkeits- Defizit- Störung erschienen. Wenn man diesen Berg an Ratgebern und die Flut der dazugehörigen Berichte, Analysen und Reportagen in den Medien vor sich ausbreitet, bekommt man auch einen Schock: über das Ausmaß, das diese Verhaltensauffälligkeit in unserem Kulturkreis angenommen hat, über die Ratlosigkeit, die Eltern, Erzieher und Lehrer angesichts dieses Phänomens erfasst hat.

Die öffentlichen Diskussionen über dieses Syndrom und darüber, wie man den Betroffenen am besten helfen kann, scheinen sich immer stärker aufzuheizen.

Entnervte und verzweifelte Eltern, Erzieher und Lehrer suchen Rat und Hilfe bei allen, die sich als Problemlösende Experten anbieten und ihre entsprechenden Ratschläge erteilen. Die einen sagen ihnen, ihr Kind habe eine Störung im Gehirn, und um sie zu beheben, brauche es ein Medikament, so wie Diabetiker ihr Insulin. Andere behaupten, die Ursache für die Verhaltensstörung sei eine Ernährung, und empfehlen spezielle Diäten. Einige sind auch der Meinung, die betreffenden Kinder seien einfach nur falsch erzogen.

Zumindest in einem Punkt sind sich alle einig: Kinder müssen nicht so zappelig sein, dass sie keine fünf Minuten stillsitzen können, so unaufmerksam, dass es ihnen unmöglich ist, sich auf eine Aufgabe, die man ihnen stellt, zu konzentrieren, und sie müssen auch nicht so wenig Selbstbeherrschung besitzen, dass sie außerstande sind, einen Impuls, der ihnen in den Kopf schießt, vorübergehend zu unterdrücken. Wenn aber dennoch so viele all das nicht mehr richtig können, dann muss es dafür auch einen oder mehrere Gründe geben. Genau hier scheiden sich aber die Geister. Aus den anfangs noch mit sachlichen Argumenten ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten ist inzwischen ein offener Grabenkampf geworden, in dem sich die Anhänger der einen oder anderen Auffassung unversöhnlich gegenüberstehen. Ein Ausweg aus dieser Situation lässt sich nur dann finden, wenn es gelingt, die verhärteten Fronten aufzuweichen.

Auch dies ist ein Grund, weshalb ich diese Arbeit schreibe.

Ich will die unterschiedlichen Sichtweisen so darstellen, dass man möglichst alle Gründe mit einbezieht, die für die Aufmerksamkeits- Defizit- Störung verantwortlich gemacht werden können, und das man das „Problem“ als Ganzheitliches betrachtet und auch mit ganzheitlichen Methoden löst.

Diese Arbeit ist nicht vordergründig für Experten gedacht, sondern vielmehr für diejenigen, die wissen möchten, was der aktuellste Stand der wissenschaftlichen Forschungen auf diesem Gebiet ist, was sich hinter der Bezeichnung ADS verbirgt, welche Gründe zu ADS führen können, was man aus schulischer Sicht tun kann um diesen Kindern zu helfen oder noch besser um eine „Fehlentwicklung“ zu vermeiden.

Es ist eine Arbeit für alle an diesem Thema Interessierten, denen die Zukunft dieser „Störenfriede“ und „Zappelphilippe“ am Herzen liegt und denen, die auch den anderen Kindern der Klasse angenehme und fördernde Unterrichtsbedingungen schaffen wollen.

Ich habe meine Arbeit aus diesen Gründen so gegliedert, dass zuerst Allgemeines über ADS, die Ursachen und Erscheinungsbilder dargestellt wird und ich dann speziell zu den günstigen Unterrichtsvoraussetzungen, Unterrichtsstrukturen und ganzheitlichen Methoden komme.

Ich werde in meiner Arbeit stets den Begriff des ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Störung) verwenden, weil es auch der Begriff ist, der in der Wissenschaft verwendet wird. Es ist die Übersetzung des aus dem amerikanischen stammenden Begriffes ADD (Attention Deficit Disorder) bzw. ADHD (Attention Deficit Hyperaktivity Disorder).

Ich glaube kaum, dass man bei ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom) von einer Modekrankheit sprechen kann, wie es einige Forscher, Mediziner, Eltern, Lehrer u.s.w. tun. Sie behaupten damit, dass die Eltern einfach ein schickes Wort gefunden haben, mit dem sie kaschieren können, dass sie nicht in der Lage sind, ihr Kind „ordentlich“ zu erziehen.

Doch es ist fraglos eine Krankheit, die in vieler Hinsicht symptomatisch für unsere Zeit ist. Es ist genauso komplex, nicht nachvollziehbar, spontan, heftig, unerklärbar wie unsere Lebensumwelt mit ihrer globalen Vernetzung, den Börsen Crashs und wechselnden Trends, der Techno-Musik und dem Ozonloch.

Bei ADS kommen viele Faktoren zusammen- und eine Cola kann einen Tobsuchtanfall auslösen. Doch dass das Thema ADS heute soviel Bedeutung findet bei Eltern, Erziehern, Lehrern und Ärzten hat andere Ursachen.

Wenn man sich nun fragt, warum ADS so von Bedeutung ist, sollte man zuerst bedenken, dass ADS als definierte Krankheit erst seit etwa 25 bis 30 Jahren bekannt ist. Seit es, wenn auch nur wenige, Methoden gibt, um ADS zu diagnostizieren, wird ADS auch häufiger festgestellt.

Kinderärzte sind sogar der Meinung, dass ADS die häufigste psychologisch bedingte Krankheit bei Kindern ist.

Allerdings ist es auch eine Krankheit, die in sehr vielen Fällen gar nicht erst erkannt wird. Das Kind kann also nicht adäquat behandelt werden. So kann man auch nicht die Störungen die das Kind auf die Umwelt ausübt mindern. Die Kinder sind weiterhin überdreht, rastlos und chaotisch und machen damit den Eltern, Lehrern oder auch Erziehern das Leben schwer.

Am meisten jedoch leiden die Kinder.

In den letzten Jahren wurden immer mehr Publikationen zu diesem Thema veröffentlicht, so dass auch das Interesse der Bevölkerung gewachsen ist. Mehr und mehr Bereiche befassen sich mit diesem Thema. Nicht nur Kinderärzte, Psychologen, Psychotherapeuten, Pädagogen und Erzieher beschäftigen sich mit diesem Thema, sondern auch immer mehr Eltern, Betroffene und Angehörige.

Nun gilt aber zu ergründen, warum gerade dieses Thema so interessant ist.

Eine mögliche Begründung könnte in den Umständen zu finden sein, in denen wir heute leben.

Das Tempo des Alltagslebens geht immer schneller voran, viele Menschen scheinen nur noch gejagt von ihren eigenen Terminen und von dem Zeitdruck der hinter ihnen steht. Außerdem ist zu beobachten, dass die Bedürfnisse der Menschen möglichst sofort befriedigt werden müssen, sonst glauben viele nicht mehr aktuell zu sein.

Selbst die Technik entwickelt sich so schnell, dass man glaubt nicht mehr „mithalten“ zu können.

In den Medien ist das Programm bestimmt von Gewalt und Aktion so dass auch die Lust auf Gewalt und Abenteuer steigt.

Selbst in den meisten Kinderzimmern sind Mobiltelefone und PC mit Internetanschlüssen zu finden. Dies führt dazu, dass Netzwerke, E- Mail und SMS auch vor den

Kindern nicht mehr halt machen.

Kinder und auch Erwachsene sind deshalb immer häufiger solchem Stress ausgesetzt, das Krankheiten hervorgerufen werden.

ADS ist ein Beispiel für eine Störung, die es unbehandelt nicht möglich macht all diese Reize zu filtern und deshalb zu nachhaltigen Problemen führt.

Um diesen Situationen auch im Unterricht nachhaltig begegnen zu können, muss Abhilfe geschaffen werden. Mit dieser Arbeit für Lehrer, Interessierte und natürlich auch für mich soll dies gelingen.

2. Störung des kindlichen Verhaltensmuster durch ADS

2.1. Was ist ADS?

ADS eine Krankheit mit mehreren Namen

Für das Krankheitsbild, das man unter ADS versteht gibt es eine ganze Reihe von Benennungen; nimmt man den englischen und deutschen Sprachraum zusammen, angeblich nicht weniger als 139.

Das ist nicht völlig bedeutungslos, denn Namen sind nicht neutral: Im Namen, den die Wissenschaft einer Krankheit gibt, verbirgt sich manchmal schon eine Vermutung über deren Ursache, die den Blick auf anderes verstellen kann.

ADS ist in der Literatur unter vielen unterschiedlichen Namen zu finden. Aber um die Frage nach dem eigentlichen Namen beantworten zu können, müsste Klarheit darüber bestehen, was die so genannte „Hyperaktivität“ eigentlich ist.

Diese Klarheit gibt es aber noch nicht.

Es gibt weder Apparategestützte Untersuchungen noch Messwerte für Hyperaktivität.

Jeder Arzt kann feststellen, ob ein Kind eine Mittelohrentzündung hat oder Masern. Hyperaktivität ist jedoch eine Krankheit, die sich in Wahrnehmung, Wahrnehmungsverarbeitung und letztlich im Verhalten auswirkt.

Wenn man nun dieses Krankheitsbild als Hyperaktivität bezeichnen würde, wäre dies nur das markanteste Symptom die aus der Störung herausgegriffen wurde. Insofern ist diese Bezeichnung sehr eng gefasst und sie verschweigt, dass noch einige Symptome mehr vorliegen müssen, bevor ein Arzt seriös die Diagnose ADS stellen kann.

Die Bezeichnung ADS hat sich mittlerweile eingebürgert und für sie spricht, dass sie auf die Vielgestaltigkeit der Erscheinungsformen der Krankheit hinweist. Doch ADS ist ein sehr schillernder Name, der sich gut für Verlegenheitsdiagnosen eines unerfahrenen Arztes eignet, und manchmal als zeitgemäßes Synonym für jeden möglichen Fall missbraucht wird, in dem sich ein Kind nicht so pflegeleicht verhält, wie es dem Idealbild der Eltern, Pädagogen und Ärzte entspricht.

Viele der beobachtbaren Verhaltensauffälligkeiten, die sich zu diesem Syndrom bündeln, sind im Einzelnen nicht spezifisch. Manches Kind dürfte auch als ADS-Kind klassifiziert sein, obwohl es unter einer anderen Verhaltensauffälligkeit leidet.

Doch: Ungenaue Verwendung eines Begriffs spricht nicht gegen den Begriff, sondern gegen die Fahrlässigkeit seiner Benutzer. Mittlerweile ist die Bezeichnung ADS im Kindesalter mit oder ohne Hyperaktivität als die korrekte Benennung eingeführt worden. Jedoch will ich diesen langatmigen Begriff, wie oben bereits beschrieben, hier nicht weiter verwenden und stattdessen wie in der Fachliteratur üblich, den kürzeren, geläufigeren Begriff ADS.

Nun ist aber die Frage, was das eigentlich bedeutet, beziehungsweise was dahinter steckt.

Das Aufmerksamkeits- Defizit- Syndrom ist ein klinisches Syndrom. Es ist gekennzeichnet durch eine Beeinträchtigung der Konzentrations- und Daueraufmerksamkeit, durch eine Störung der Impulskontrolle sowie unter Umständen auch durch extreme Unruhe oder Hyperaktivität.

In der medizinischen Literatur wird dieses neurologische Syndrom auch noch durch drei andere Symptome beschrieben.

Diese sind in erster Linie eine überragende Impulsivität, eine gesteigerte Ablenkbarkeit und eine Hyperaktivität die sich meist durch überschüssige Energie äußert.

Früher war dieses Symptom nur bei Kindern bekannt wo hin gegen es heute auch immer mehr bei Erwachsenen zu finden ist.

Dies muss aber nicht heißen das Kinder mit diesem Problem auch noch als Erwachsene zu kämpfen haben. Es kann sein, dass die Krankheit durch eine optimale Therapie, für die Betroffenen kein Hindernis mehr darstellt.

Auffallend ist, das ADS in allen sozialen Schichten und ethischen Gruppen auftritt, allerdings fünf bis sechsmal öfter bei Jungen als bei Mädchen. Das kann aber auch daran liegen, dass Jungen von Natur aus häufiger aktiver, impulsiver und störender als Mädchen sind.

Mädchen mit ADS sind eher Tagträumerinnen, was zeigen soll das es mehrere verschiedene Formen von ADS gibt, auf die ich später genauer eingehen werde.

Für alle Menschen mit diesem Symptom ist es schwierig, Aufgaben in einer bestimmten Zeit durchzuführen.

Entweder die Personen zeigen dann eine gesteigerte Impulsivität oder aber sie sind eher sehr still und unauffällig, was auch als hypoaktiv bezeichnet wird.

Im Allgemeinen sind fünf bis zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen von dieser Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung betroffen.

Am Interessantesten ist aber, dass die Prozentzahlen von Klasse zu Klasse stark variieren. In manchen Klassen sind gar keine Kinder mit einer Aufmerksamkeitsstörung zu finden in anderen hingegen bis zu fünfzig Prozent der Kinder einer Klasse, was vermuten lässt das ADS auch stark von der Umwelt abhängig ist.

Die Aufmerksamkeitsstörung ist das bei Kindern am Häufigsten diagnostizierte psychische Problem.

Über 50 % der Kinder und Jugendlichen die einen Psychiater oder Psychologen aufsuchen, tun dies auf Grund einer Aufmerksamkeitsstörung.

Jedoch gibt es keine objektiven Tests um eine gesicherte Diagnose stellen zu können. Die Diagnose kann nur in Zusammenarbeit mit den Eltern, Lehrern und den Ärzten gestellt werden. Eltern und Lehrer können lediglich Auskünfte über die Verhaltensweisen in der Schule und daheim geben.

Ärzte wiederum können die körperliche Entwicklung zu Betracht ziehen und durch medizinische Tests (wie zum Beispiel das EEG) andere Krankheiten ausschließen. Dennoch ist die Diagnose Aufmerksamkeits- Defizit nur durch einen subjektiven Beurteilungsprozess möglich.

Ein weiteres Problem bei der Diagnose von ADS ist die unterschiedliche Verhaltensweise von ADS gestörten Kindern.

Es kann sein, das die Kinder in der Schule sehr auffällig sind und Eltern dahingegen noch keine Auffälligkeiten bei ihren Kindern feststellen konnten. Dies ist aber in den seltensten Fällen so.

Beim typischen Fall von ADS sind Kinder meist schon vor dem Schuleintritt auffällig und dies nicht nur in der Vorschule oder im Kindergarten, sondern auch im häuslichen Bereich. Eltern merken sehr schell, dass ihre Kinder Probleme haben, sich zu konzentrieren oder soziale Kontakte zu knüpfen.

Eltern können weder mit Geduld noch mit Androhung von Strafe oder mit Liebe ihre Kinder dazu bringen ihr Verhalten zu ändern.

Schnell kann dadurch auch ein sehr gespanntes Verhältnis in der Familie zu Stande kommen. Erschwerend tritt dabei häufig hinzu, dass das soziale Umfeld Druck auf die Eltern und damit auch auf die Kinder ausübt.

Das heißt, das soziale Umfeld nimmt auf Grund des kindlichen Verhaltens an, dass die Eltern nicht in der Lage sind ihr Kind so zu erziehen, dass es sich „regelkonform“ verhält.

Manche Kinder haben auch gerade wegen ihrer Aufmerksamkeitsstörung eine besondere Fähigkeit sich ihnen interessierenden Aufgaben oder Hobbys mit einer ganz besonderen Aufmerksamkeit widmen zu können und dabei eine starke Konzentration im Vergleich zu ihrer sonstigen Aufmerksamkeit zu erbringen.

Auch wenn Eltern mit ihren Sprösslingen das Sprechzimmer eines Arztes betreten ist es selten so, dass die Kinder sich auffällig verhalten.

Denn meist sind die Kinder in der einen Stunde sehr aufmerksam und in der anderen nicht.

Einige Ärzte sind auch der Meinung, dass die Diagnose Aufmerksamkeits- Defizit Syndrom verwendet wird um von den Defiziten in den Unterrichtsmethoden abzulenken.

Zum Beispiel ist es immer so, dass sich Schüler nie für ein Thema interessieren, das schlecht dargestellt wird.

So haben auch gute Lehrer auffallend wenige Kinder die eine Aufmerksamkeitsstörung haben, obwohl die gleichen Schüler in einer anderen Klasse als Aufmerksamkeitsgestört bezeichnet werden.

Andere Psychologen sind wiederum der Ansicht, das ADS nur eine Sammelbezeichnung ist für alle die Kinder, die nicht der gängigen Vorstellung entsprechen, wie Kinder sich zu benehmen haben.

Diese Kinder sind aber eher Nonkonformisten, die Regeln und Autoritäten fast ausschließlich in Frage stellen.

ADS Kinder haben meist einen neugierigen, prüfenden Verstand und ein ausgeprägtes Gefühl für Fairness und Gerechtigkeit. Sie reagieren deshalb auch oft mit Ablehnungen auf Anweisungen von anderen.

Viele Eltern und Lehrer nehmen deshalb auch die Diagnose ADS mit Erleichterung auf, weil sie dem Phänomen beziehungsweise dem Verhalten der Kinder einen Namen gibt.

Es klärt somit auch die bis dahin entstanden Unverständlichkeiten auf. Eltern und Lehrer haben dadurch ein viel entspannteres Verhältnis zum Kind als es bisher der Fall war.

Sie betrachten ihre Kinder oder Schüler nicht mehr nur als böswillige Störenfriede sondern eher als Kranke denen in manchen Situationen geholfen werden muss und auch kann. Allerdings muss bei der Diagnose auch bedacht werden, dass manche Eltern, vielmehr aber Lehrer in dieser “Krankheit“ eine Möglichkeit sehen politische und ökonomische Hilfe von außen zu fordern.

Die Kinder werden dann teilweise in andere Klassen versetzt um normal Lernende nicht zu stören und eventuell auch gefördert zu werden.

Dies ist nur in sehr seltenen Fällen nötig.

Mit der Diagnose und der Zusammenarbeit mit Eltern, Kindern, Lehrern, Therapeuten und Ärzten können spezielle Förderprogramme für die Betroffenen erstellt werden. Dies ermöglicht den Kindern ein erfolgreiches Lernen in der Schule so dass es nicht selten ist, solche Kinder auf dem Gymnasium zu finden.

Vielen berühmten historischen Persönlichkeiten wird ein ADS ähnliches Verhalten nachgesagt.

Einige Beispiele dafür währen zum Beispiel: Leonardo da Vinci, Hans Christian Andersen, Albert Einstein, Thomas Edinson und viele mehr.

Ich persönlich bin der Meinung, dass es ADS gibt, was jedoch nur einen sehr geringen Teil der Bevölkerung betrifft, bei manchen Experten wird eine Zahl von zwei bis höchstens fünf Prozent genannt.

Ein besonderes Kennzeichen des wirklich Aufmerksamkeitsgestörten Kind erlaubt nur zwei Geschwindigkeiten entweder Vollgas oder totaler Zusammenbruch.

Die Kinder können Gedanken nur kurz festhalten, haben demnach also eine kurze Aufmerksamkeitsspanne. Sie springen außerdem aus völlig unerklärlichen Gründen von einer Aktivität zur nächsten.

Vergleichbar sind die Gedankengänge leicht mit einem völlig amoklaufenden Brainstorming, wo die Gedanken aus unerklärlichen Gründen, ohne erkennbare Zusammenhänge von einem zum anderen springen.

Die Kinder können meist nur schwer logisch denken, beziehungsweise logische Zusammenhänge erfassen und sich kaum verbal äußern, obwohl sie ständig reden. Körperlich und sozial sind sie sehr ungeschickt und wirken auf einen außenstehenden einfach nur hoffnungslos chaotisch.

Meistens sprechen ADS- Kinder auf die Medikamente sehr gut an andere jedoch gar nicht.

Das Aufmerksamkeits- Defizit hat vermutlich genetische Ursachen, die durch Umweltreize noch mehr verstärkt werden.

Besondere Vorsicht ist bei den Kindern geboten, die von „Natur aus“ ein hohes nicht krankhaftes Energieniveau besitzen.

Diese Kinder sind in der Schule oft gelangweilt und frech gegenüber den Lehrern und werden dann, auch weil Lehrer oder Eltern nicht mit ihnen klar kommen als ADS Kinder bezeichnet.

Genauso vorsichtig muss man mit der Diagnose sein, wenn die Kinder ADS typische Symptome zeigen wenn sie in „Krisensituationen“ sind, wie zum Beispiel bei Scheidungen der Eltern, Umzug verbunden mit Schulwechsel, Problemen mit Gleichaltrigen, sexueller oder körperlicher Missbrauch oder ähnlichem.

Emotionale Probleme können sich dann schnell in einer Aufmerksamkeitsstörung äußern oder gemischt damit auftreten.

Kinder die eigentlich unter Depressionen oder starken Belastungen leiden, als Folge von Traumen oder Missbrauch werden manchmal als ADS Kinder fehl diagnostiziert.

Auf Grund dieser vielen Schwierigkeiten bei der Diagnosestellung kann man davon ausgehen, dass viele als ADS bezeichnete Kinder, eigentlich als eine Art Pseudo- ADS Kinder bezeichnet werden können.

Eine weitere Ursache für dieses komplizierte Krankheitsbild ist, dass die Kinder als Produkt unserer schnelllebigen Gesellschaft auch die Probleme dieser widerspiegeln.

Die Symptome des ADS sind ähnlich den Auffälligkeiten unserer Gesellschaft.

Das Leben ist oft gekennzeichnet von dem schnellen Tempo des Alltagsleben, der Suche nach dem Sound –Byte, der Vorliebe für Fast – Food, der sofortigen Bedürfnis Befriedigung, der weiten Verbreitung von hochmodernen technischen Geräten wie zum Beispiel das Fax, Mobiltelefone oder Computer.

Gewalt spielt eine immer größere Rolle in unserem Leben und wird durch die Medien noch stärker in den Mittelpunkt gerückt, genauso wie die Vorliebe für Extreme und Abenteuer. So bietet ADS eine verführerische Diagnose für ein „Leiden“ unserer Zeit.

Wie kann man aber nun zwischen dem echten und dem Pseudo- ADS unterscheiden. Dafür gibt es unter anderem zwei entscheidende Kriterien.

1. Das Ausmaß der Störung:

Damit ist das Verhalten des Kindes gemeint, dass bei ADS Kindern so extrem ist, dass sie in der Schule am Erfolg gehindert werden und gehindert sind normale Beziehungen zu Familienmitgliedern oder Gleichaltrigen zu entwickeln.

2. Das Verhalten der Kinder:

ist das Verhalten nicht nur in der Schule zu beobachten, sondern auch außerhalb. Wenn das Kind sich nur aus Langeweile nicht am Unterricht beteiligen will, dann hat es wahrscheinlich kein ADS.

Bevor man aber immer nur auf die Schwächen der Kinder achtet, können auch die besonderen Begabungen der Kinder ein Anzeichen für ADS sein. Wie zum Beispiel die enorme Kreativität oder die besondere Phantasie und den meist sehr hohen Intelligenzquotienten.

Im späteren Leben der Kinder werden sich schließlich auch die Begabungen durchsetzen und die Probleme in den Hintergrund drängen.

Es können also die Schwächen in der verbalen Äußerung, dem logischen Denken, den mathematischen Fähigkeiten durch die Stärken in der nonverbalen Denkweise und dem starken visuellen– räumlichen Vorstellungsvermögen größtenteils kompensiert werden.

Warum scheint ADS heute immer mehr Menschen zu betreffen?

Das ADS heute zu einem so wichtigen Thema für Eltern, Pädagogen und Ärzte geworden ist, ist mehreren Faktoren zu verdanken.

Zuallererst ist es wichtig festzuhalten, das ADS als definierte Krankheit erst seit etwa 25 bis 30 Jahren bekannt ist.

Seit es Methoden gibt, um ADS zu diagnostizieren, wird ADS zunehmend häufig festgestellt. Heute sind Kinderärzte der Meinung, das ADS sogar zu den häufigsten Kinderkrankheiten gehört- aber es ist auch eine, die in vielen Fällen nicht erkannt (das heißt: damit auch nicht angemessen behandelt) wird.

Die klassischen Kinderkrankheiten Mumps, Masern, Windpocken haben in Allergien, Verhaltensstörungen, Spannungskopfschmerz, Haltungsschäden, motorischen Defiziten und eben auch im ADS unheimliche Konkurrenz bekommen

Wie viele Kinder an ADS leiden ist nicht bekannt, die Schätzungen reichen von drei bis zehn Prozent aller Schulkinder, manche liegen noch höher.

Es wird sogar behauptet, dass etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung an ADS leiden. Wenn man von zehn Prozent erkrankter Schulkinder ausgeht und die Tatsache berücksichtigt, das ADS nicht geheilt werden kann, ergibt sich diese Schätzung zwanglos. Doch in anderen Lebensverhältnissen, unter anderen sozialen und kulturellen Bedingungen wäre eine Diagnose ADS recht bedeutungslos, weil bestimmte Anpassungsleistungen gar nicht verlangt werden.

Wo Schulen fehlen, ist eine Lese-/Rechtschreibschwäche kein Manko.

Ein zweiter, wichtiger Faktor ist der Lebensraum für Familien, der zunehmend enger geworden ist.

Die Reizüberfrachtete, von Gefahren und Schadstoffen bestimmte Umwelt, in der Kinder aufwachsen, lässt die Symptome des ADS viel schärfer hervortreten.

Welches Kind von heute wird sich später einmal daran erinnern können, auf Bäume geklettert zu sein, auf der Straße vor dem Haus gespielt zu haben, ganze Nachmittage an seinem Versteck auf einem leeren Grundstück gebaut zu haben?

Die inneren und äußeren Wohnverhältnisse von Familien, zumal von denen, die in den Großstädten leben, erfordern eine weitgehende Domestizierung kindlichen Verhaltens. Einer sensiblen, lärmempfindlichen Mutter wird ihr Kind eher „hyperaktiv“ im Sinne von lebhaft erscheinen, als einer robusten, kumpelhaften Natur.

In einer Zweizimmerwohnung im achten Stock eines Wohnhauses wird ein Kind eher „hyperaktiv“ im Sinne von laut und damit störend wirken als in einem freistehenden Wohnhaus mit Garten.

Übersehen werden darf nicht, dass die zurückgegangene Kinderzahl und die Summen, die eine Familie in ein Kind investiert, zu einer steigenden Bedeutung des einzelnen Kindes, und oft ist es in der Tat ein Einzelkind, geführt haben.

Wo es fünf, sechs oder mehr Kinder gab, von denen niemand überhaupt wusste, ob sie die ersten Lebensjahre überhaupt überleben würden, gab es schon gleich gar keine großen Erwartungen an ein Kind (außer der, dass es später einmal eine möglichst gute Arbeitskraft in die Familie einbringen sollte).

Außerdem war es so, dass dort wo viele Kinder zu einer Familie gehörten, ein „missratenes“, „aus der Art geschlagenes“ oder ein „schwarzes Schaf in der Familie“ auch noch mitlaufen konnte.

Häufig gab es in den großen Familien unverheiratete weibliche Verwandte, die einen Teil der Kinderbetreuung übernahmen und so die Mütter entlasteten.

Nicht zu vergessen ist, dass die pädagogischen und erzieherischen Maßnahmen bis vor noch gar nicht langer Zeit äußerst rigide waren.

Mit drakonischen Strafen und harten körperlichen Züchtigungen wurden Kinder nicht erzogen, es wurde ihnen der Wille gebrochen.

Die miserablen Zustände vergangener Jahrhunderte können gewiss kein Wunschbild von heute sein. Wer würde sich diese Lebensbedingungen schon für sein Kind wünschen, auch wenn es manchmal ein „Monster“ ist?

Dies sollen lediglich Denkanstöße für eine Antwort auf die Frage sein, wieso es denn „plötzlich“ so viele ADS- Kinder gibt.

Aus all dem soll nicht gefolgert werden, dass bewusste Familienplanung, ein kooperativer Erziehungsstil oder gar Berufstätigkeit beider Eltern aus Kindern, ADS- Kinder macht. Die Folgerungen und damit die Antwort auf die Frage lautet lediglich: NEIN!

Zusammengenommen führen die skizzierten Faktoren dazu, dass bei mehr Kindern als früher ein Aufmerksamkeits- Defizit Syndrom erkannt wird.

Die Wahrnehmung eines Problems ist aber wohlgemerkt nicht dasselbe wie die Ursache eines Problems.

Doch aus der heute bestehenden, mit Erwartungen überfrachteten Familien- und Gesellschaftsstruktur kann sich enormer Druck entwickeln. Je weniger die Erziehung von Kindern als Aufgabe der gesamten Gesellschaft verstanden wird (was sie eigentlich wäre), umso mehr sind Erziehende belastet: Von ihnen wird erwartet, leistungsfähige, wohlerzogene Kinder zu „produzieren“, wie sie das bewerkstelligen, bleibt ihnen jedoch überlassen.

Ein letzter Punkt, den ich hier zu bedenken geben will, bezieht sich auf die Anpassungsleistungen die Kinder zu leisten haben. Sie sollen nicht laut sein, weil sonst der Nachbar von unten anruft und sich beschwert.

Sie sollen ihren Bewegungsdrang zügeln, weil sonst der Blumenstrauß über den Fernseher kippt. Sie sollen nicht vor sich hin träumen, weil sie sonst zu spät in den Kindergarten oder die Schule kommen.

Einen Baum behutsam schneiden, lässt ihn schöner wachsen und reichere Früchte tragen. Wahllos Triebe zu kappen und Äste abzusägen, verkrüppelt ihn.

So geschieht es auch mit Kindern.

Ein gut erzogenes ist nicht unbedingt ein gefügiges Kind, das nie widerspricht. Umgekehrt ist ein klaglos alles ertragendes Kind nicht auch ein gut erzogenes.

Es ist ein Lernprozess für jedes Kind, egal wo es aufwächst, Reize zu selektieren, nötigenfalls zu handeln, sich in unterschiedlichen Situationen unterschiedlich zu verhalten, sich entweder zu konzentrieren oder ein Hintergrundbild vielfacher Reize sorgfältig zu überwachen.

Das ist zunächst einmal nicht zuviel verlangt. Doch innerhalb weniger Jahrzehnte haben sich alle Arten von Reizen vervielfacht, ohne dass dem Menschen Filter über Augen und Ohren gewachsen wären.

Die evolutionäre Anpassung hält mit ihren Menschenwesen nicht Schritt. Innerhalb weniger Jahrzehnte, das ist ein Wimpernschlag, hätte die Gattung homo sapiens erectus lernen müssen, sich verkehrsgerecht zu verhalten. Sie hat es nicht, wie die Unfallzahlen beweisen.

Auch andere körperliche und seelische Anpassungen sind nicht gelungen, das zeigen die unendlich vielen Depressionen, Neurosen und Psychosen unserer Zeit, die Zahl der Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigen, Aggressivität und Brutalität auf der einen Seite genauso wie auch die steigende Zahl an ADS- Fällen.

2.2. Ursachen:

Die Ursachen des Aufmerksamkeits- Defizit Syndroms können sehr unterschiedliche sein. Eine Reihe von Forschungsergebnissen sprechen dafür, dass es nicht nur eine einzige Ursache gibt, die das Aufmerksamkeits- Defizit Syndrom entstehen lässt. Genauso unterschiedlich wie die Erscheinungs- und Ausprägungsformen des ADS sind auch die Ursachen. Sie sind oft miteinander verbunden und treten selten alleine auf.

Da noch keine gesicherten Ergebnisse für die Ursachen von ADS vorliegen, gibt es vorerst nur Hypothesen, die ich im Folgenden erläutern will.

1. Die Neurobiologische Hypothese
2. Die Allergiehypothese
3. Die Vererbungshypothese
4. Die Integrative Hypothese

Zu 1. Die Neurobiologische Hypothese

Die neurobiologische Hypothese besagt, das dem ADS eine zentrale Steuerungsstörung der emotionalen, psychomotorischen und zum Teil auch der kognitiven Prozesse zu Grunde liegt.

Demzufolge handelt es sich um eine neurobiologische Störung.

Eine ganz besondere Rolle bei dieser Störung beziehungsweise dem Krankheitsbild spielen die Neurotransmitter. Mit großer Wahrscheinlichkeit geht man hier von einer Fehlregulierung (Dysregulation) von Neurotransmittern aus. Hauptsächlich nimmt man eine Dopaminstörung an. Andere Transmitter wären: Katecholamin, Acetylcholin, Noradrenalin und Serotonin, die wahrscheinlich eine nur geringe Rolle bei ADS spielen.

Normalerweise steigen die Transmitter zu den Neuronalen Verbindungen vom Stammhirn über den Thalamus zum Stirnhirn (Frontalkordex) und den Basalganglien.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

entnommen aus: Spektrum der Wissenschaft „Gehirn und Nervensystem“

Diese nutzen beim gesunden Menschen die Botenstoffe Noradrenalin und Dopamin zur Signalweiterleitung.

Die eben genannten Bereiche sind einerseits für die Aufmerksamkeitssteuerung und für eine gezielte Aktivierung verantwortlich. Das limbische System im Stammhirn hat andererseits eine große Bedeutung für die Regulation der Stimmungslage.

Die Basalganglien sind wichtig für die Aktivierung von Belohnungssystemen bei der Verhaltenssteuerung und für die Verautomatisierung von Fertigkeiten.

Das Stirnhirn ist entscheidend beteiligt an der Aufmerksamkeitszuwendung und Fokussierung der Kurzzeitspeicherfähigkeit. Im Stirnhirn reift normalerweise die Fähigkeit, aktuelles Verhalten zu überwachen, unangemessenes Verhalten zu verhindern sowie zu organisieren und zu planen, Aufmerksamkeit gezielt zu starten, zu richten, zu stoppen oder zu wechseln. Das Stirnhirn ist darüber hinaus für die Kontrolle und Hemmung aus tieferen Hirnarealen verantwortlich, speziell für die Kontrolle der Emotionen, der Gefühle.1998 wurde bei ADS Personen festgestellt, dass im Stirnhirn die Aktivität des Enzyms Dopa- Decarboxylase bis zu 50 % vermindert ist.

Somit wird die Annahme gestützt, dass weniger von diesem filternden und bremsenden Botenstoff Dopamin hergestellt wird und verfügbar ist.

Ein übergreifendes Aufmerksamkeitsnetzwerk ist Voraussetzung dafür, dass nach einer Wahrnehmung ein spezielles Schema entstehen kann, ein Kontrollmechanismus, damit man nur auf einen bestimmten Zweck ausgerichtet am Ball bleiben kann. So ist eine gedankliche Vernetzung möglich. Die Zusammenhänge der Aufmerksamkeitssteuerung sind hoch kompliziert.

Zum Beispiel können kleine Kinder sich noch schnell ablenken lassen. Allmählich entsteht aber eine Anpassung der Aufmerksamkeit, wenn neue Daten stören.

Das bedeutet, dass Ablenkung bei „normgesteuerten“ Kindern und Jugendlichen nicht mehr so einfach möglich ist, wenn keine Dysregulation der Botenstoffe besteht.

Mit elektrischen und magnetischen Messungen werden Veränderungen über der Hirnrinde verfolgt, daneben mit bildgebenden Verfahren zum Beispiel dem Positronen- Emmisionstomogramm (PET) und dem funktionalen Magnet- Resonanztomogramm der Sauerstoffverbrauch und der Stoffwechselumsatz in allen Schichten des Gehirns dargestellt.

So wurde1989 festgestellt, dass bei ADS Kindern zwischen sechs und 15 Jahren eine Minderdurchblutung in Stammhirnregionen und dem Stirnhirn besteht, die durch Gabe von Methylphenidat behoben werden kann.

Daneben wurde auch eine Fehlverteilung der Glucose, speziell im linken vorderen unteren Stirnhirnbereich nachgewiesen.

Durch diese zusammenspielenden Komponenten ist es für die Kinder nur mit größter Anstrengung möglich sich nicht ablenken zu lassen und ihre Aufmerksamkeit nur einer Sache zu widmen. Erst wenn die Aufmerksamkeit lang genug aufrechterhalten wird ist das Kurzzeitgedächtnis soweit aktiviert, dass es Informationen ins Langzeitgedächtnis übergeben kann.

Das heißt, dass ein Kind mit ADS eigentlich für viel zu viel aufmerksam ist. Daraus folgt, dass das sogenannte Aufmerksamkeitsregulationszentrum nicht so funktioniert wie es sein soll. Weitere Folge der bereits beschriebenen Dysfunktion ist eine geminderte Entwicklung von Ausführfunktionen. Diese Funktionen heißen Ausführungsfunktionen, weil sie notwendig sind, um im Alltag möglichst normgerecht funktionieren „ausführen“ zu können.

Der Mensch soll „Alltagstauglich“ gemacht werden, damit er nicht in Konflikt gerät mit den Normen der Gesellschaft.

Die Ausbildung der Funktionen erfolgt eigentlich durch eine bei einer normalen Hirnreifung ständig zunehmende „automatische“ Selbstkontrolle. Als erstes sollte sich das nonverbale Arbeitsgedächtnis entwickeln, in dem etwas solange gespeichert wird, bis es mit dem Verinnerlichten verglichen werden kann. Komplexere Verhaltensweisen müssen dann dort abgespeichert werden.

Durch das mangelhafte Vergleichen bleibt ein Kind mit ADS im „Jetzt“ und kann kaum in die Zukunft sehen. Beziehungsweise können sie schlecht die Auswirkungen ihres Handelns abschätzen.

Als zweite Funktion sollte sich das verbale Arbeitsgedächtnis entwickeln. Dabei soll sich das Arbeitsgedächtnis soweit entwickeln, dass die Sprache allmählich verinnerlicht wird und man sich nach und nach „innerlich sprechend“ selbst anleiten kann Handlungen zu tun.

Bei normal entwickelten Kindern gibt es bis zum dritten Lebensjahr kein begleitendes Sprechen, bei Kindern zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr entstehen parallele Selbstgespräche zu ihrem Handeln. Bis zum sechsten Lebensjahr werden dann die Selbstgespräche immer ruhiger und kürzer.

Bis zum zehnten Lebensjahr ist die Verinnerlichung der Sprache abgeschlossen.

Das Kind kann sich nun unhörbar für andere selbst anleiten durch die „innere Sprache“. Kindern mit ADS gelingt diese Verinnerlichung nicht, sie müssen unkontrolliert und impulsiv das Äußern, was ihnen gerade in den Sinn kommt.

Selbst bei den Kindern die meist „nur“ unkonzentriert aber kaum hyperaktiv sind, scheint dieses Problem zu bestehen. Die Frage die sich nun stellt, ist ob die Probleme beim lauten und flüssigen Lesen auch auf das fehlende innerliche Mitsprechen und Erinnern zurückzuführen sind.

Eine dritte Funktion ist die Steuerung der Emotionen. Kinder lernen während ihrer Entwicklung spontan entstehende Gefühle und Emotionen zu unterdrücken oder der gegebenen Situation anzupassen. Diese Selbstregulation der Emotionen und der Motivation ist aber bei ADS Kindern stark gestört. Die emotionale Lage dieser Kinder ist immer sofort erkennbar und variiert ständig sehr stark.

Die Kinder reagieren sehr schnell auf ihr gegenüber und sind dann irritiert, beleidigt und fühlen sich eventuell ausgeliefert.

Genauso wie diese Emotionen starken Einfluss auf die Kinder nehmen, ist auch Motivation ein solches Gefühl. Die Motivation solcher Kinder ist gerade dann sehr schwierig, wenn durch ihre Reizoffenheit und Reizfiltrationsschwäche mit verbundener Stimmungslabilität verlangt wird, dass sie auf ein langes Ziel hinarbeiten sollen und dabei mehrere Hürden überwinden müssen, so ist dies nahezu unmöglich. Ganz abgesehen davon ist es für die Kinder schwer, sich mehrere Aufträge beziehungsweise kleinstufige Ziele so zu setzen, dass das „große“ ziel erreicht werden kann.

Die vierte und letzte Funktion die ich hier nenne ist zuständig für die Verbindung und Verknüpfung von Gedanken, die nötig sind um einen übergreifenden Aspekt während des Handelns nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn diese Funktion nicht ausgebildet ist können die Kinder nicht über ein Thema zusammenhängend erzählen oder schreiben, weil ihnen während dessen das Thema „verloren“ geht. Das ganze führt natürlich unweigerlich wieder zu Stimmungsschwankungen, weil die Kinder mit sich selbst nicht zufrieden sind.

Ein Kind mit ADS hat noch ein weiteres Problem, es schweift beim Diskutieren oft sehr vom Thema ab und kann nicht zu einer klaren deutlichen Aussage kommen. Sie „kleben“ dann sehr am Detail fest und finden keine Übergänge zum eigentlichen Thema oder zu einem neuen Thema.

2. Die Allergiehypothese

Wie bereits bis jetzt deutlich wurde, kann ADS verschiedene Ursachen haben. Einige Forscher haben herausgefunden, dass bei ADS auch Allergien eine Rolle spielen. Denn sehr viele Kinder die von ADS betroffen sind, haben eine Allergie oder sie tragen die Bereitschaft zu allergischen Reaktionen in sich. Bei hyperaktiven Kindern spielen Allergien eine viel häufigere Rolle als bei hypoaktiven Kindern.

Warum dies so ist, konnte bis jetzt noch nicht erforscht werden. Vielleicht liegt es aber an dem Stress, den hyperaktive Kinder schon gleich nach der Geburt erleben. Ihre Reaktion ist viel intensiver als bei anderen Kindern. Sie leben alles so intensiv, dass es fast schon so überschießend ist, wie das Immunsystem von allergischen Kindern.

Man könnte annehmen, dass der Stress das Immunsystem auf Dauer so schwächt, dass es eine Allergiebereitschaft verstärkt oder eine Allergie auslöst.

Nahrungsmittel und synthetische Nahrungsmittelzusätze können bei einem Teil der ADS Kinder, typisches ADS Verhalten auslösen, wie in Studien nachgewiesen wurde.

Die Elternorganisation „Arbeitskreis überaktives Kind“, die sich in der Bundesrepublik Deutschland intensiv für die Belange dieser Kinder einsetzen, erwirkte bei der Bundesregierung die Vergabe einer groß angelegten Studie, die sehr differenzierte Ergebnisse erbrachte. Die Studie erbrachte zum Beispiel folgende Ergebnisse: Nahrungsmittel und Nahrungsmittelzusätze können das Verhalten von Kindern verändern, so dass auch ADS hervorgerufen werden kann.

Dies ist dadurch zu erklären, dass durch die Nahrungsmittel beziehungsweise Nahrungsmittelzusätze eine allergische Nahrungsmittelreaktion gebildet wird. Diese führt dazu, dass sich im Stirnhirn Durchblutungsstörungen bilden, so dass eine Veränderung im Gehirnstoffwechsel stattfindet. Die Durchblutung des Gehirns kann nicht mehr vollständig gewährleistet werden. Somit können auch die Stoffwechselvorgänge, wie bereits beschrieben nicht „durchgeführt“ werden. Die Erregungsübertragung findet nur noch teilweise statt und die Funktionen des Frontalhirns können nicht mehr ganz übernommen werden. Also ist dies eine weitere organische Ursache für die Symptome bei ADS. Eine Substituierungsdiät hilft dabei die allergisch wirkenden Nahrungsmittel herauszufinden, indem mit einem Nahrungsmittel begonnen wird und die Reaktion darauf festgehalten wird. Nach und nach werden andere Nahrungsmittel ergänzt, so dass man genau beobachten kann, auf welchen Stoff die Kinder allergisch reagieren. Wenn dies geschehen ist, muss das auslösende Nahrungsmittel streng gemieden werden, um das ADS zu mindern oder zu heilen. Wenn allergisch wirkende Stoffe aber wieder aufgenommen werden, bricht ADS wieder aus.

Durch die allergiefreie Ernährung bessern sich auch eine Vielzahl andere Symptome der Befindlichkeits- und Verhaltensstörungen. Die Kinder handeln meist sozialer als dies vorher der Fall war. Sie sind durch diese Auslassungsdiät in der Lage Kontakt zu Gleichaltrigen herzustellen und verhalten sich auch sehr aggressiv. Auch andere emotionale Störungen bessern sich. Dazu gehören eine nicht so starke Empfängnis für Reaktionen wie Wut, Trauer, Freude und so weiter, wie früher. Sie reagieren jetzt ungefähr so wie andere Kinder in ihrem Alter.

Die Kopfschmerzen die durch die Durchblutungsstörungen auftreten, lassen auch nach und schränken sie nicht mehr in ihrem täglichen handeln ein. Reaktionen die dann den Verdauungstrakt betreffen, lassen meist ganz nach und hindern sie somit auch nicht mehr, was sich wieder positiv auf das eigene Selbstgefühl auswirkt. ADS Kinder schlafen unter dieser Diät wieder besser und haben nicht mehr so viele unbewusste Aufwachphasen.

ADS Kinder meiden meist instinktiv allergisch wirkende Nahrungsmittel, weshalb sich viele Kinder nicht vollwertig ernähren. Die besondere Bedeutung der
Ergebnisse liegt also im Zusammenhang von Ernährung und Verhalten. Langezeit hielt man auch Phosphate als Auslöser von Verhaltensstörungen. Man kam dann aber schnell darauf, dass Nahrungsmittelzusätze und Nahrungsmittel im Allgemeinen Auslöser von Verhaltensstörungen sind. Vielleicht sind gerade deshalb in der heutigen Zeit, wo Maschinenerzeugnisse, Fast Food und geschaffene Nahrungsmittel eine immer größere Rolle spielen, mehr Kinder von ADS betroffen. Häufig auslösende Nahrungsmittel sind zum Beispiel: Honig, Kuhmilch, Weizen, Schweinefleisch, Zitrusfrüchte, Fisch, Ei, Nüsse, Tomaten, Reis und so weiter. Dies deckt sich mit den Ergebnissen die in der Allergologie auch als klassische Nahrungsmittelallergene bezeichnet werden. Die Erfahrungen des Arbeitskreises „Hyperaktives Kind“ bestätigen diese Angaben ebenfalls. Allerdings wurden ihre Ergebnisse als Anlass genommen Forschungsarbeiten zu vertiefen, die zu dem gleichen Schluss kamen und damit den wissenschaftlichen Untersuchungen standhielten.

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Ende der Leseprobe aus 115 Seiten

Details

Titel
Das ADS-Syndrom bei Grundschulkindern sowie deren Integration im Heimat- und Sachkundeunterricht mittels ganzheitlicher Methoden
Hochschule
Universität Erfurt
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
115
Katalognummer
V48332
ISBN (eBook)
9783638450720
ISBN (Buch)
9783656915508
Dateigröße
2521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ADS-Syndrom, Grundschulkindern, Integration, Heimat-, Sachkundeunterricht, Methoden
Arbeit zitieren
Stefanie Heinrich (Autor:in), 2003, Das ADS-Syndrom bei Grundschulkindern sowie deren Integration im Heimat- und Sachkundeunterricht mittels ganzheitlicher Methoden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48332

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