1. Einleitung
Ist es nicht jedem einmal widerfahren? - das Erröten in einer peinlichen Situation, oder das "zu Boden schauen" bei einer Lüge.
Im Werk Heinrich von Kleists begegnet man immer wieder solchen Gebärden und Ausdrücken der Körpersprache. Typische Verhaltensweisen Kleist´scher Charaktere sind zum Beispiel das Wechseln der Gesichtsfarbe, das Fassen und Küssen von Händen, oder das "in Ohnmacht fallen".
Kleist arbeitet in seinen Schriften oft mit gemischten Gefühlen, wie Liebe und Schrecken, so wie es in den klassischen Dramen üblich war. Nur spitzt Kleist diese gemischten Gefühle so extrem zu, daß die Sprache nicht mehr alles, was er sagen will, ausdrücken kann, in den Hintergrund tritt und die Körpersprache für sie einspringt. "Die Sprache kann die entscheidenden Vorgänge nicht fassen." Dies schreibt Skronski über die Kerkerszene im "Prinzen von Homburg". Dieser Satz kann auch auf zahlreiche andere Werke Kleists übertragen werden.
Weiterhin sind die Personen bei Kleist, gerade in der "Verlobung in St. Domingo", sehr mißtrauisch gegeneinander, was sie dazu veranlaßt, den Körper des Gegenübers zu deuten. Diese Tatsache führt in den Bereich der Physiognomik ein. Physiognomik ist "Ausdruck, Form, Gestalt des menschlichen Körpers, besonders des Gesichtes, von denen aus auf innere Eigenschaften geschlossen werden kann."
Ob so etwas überhaupt möglich ist, darüber herrscht bei den Gelehrten Uneinigkeit. Gerhard Neumann schreibt in seinem Artikel "Rede, damit ich dich sehe", daß einst Lavater voll von der Physiognomik überzeugt war, ja sie sogar zur eigenständigen Wissenschaft erheben wollte. Lichtenberg dagegen war absolut von der Unmöglichkeit dieses Gesichterdeutens überzeugt, so daß ein richtiger Streit zwischen beiden entstand.
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Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Geschichte der Physiognomik
- Warum Gesten und Gebärden bei Kleist?
- Gesten und Mimik in der „Verlobung in St. Domingo“
- Das „Hände an den Kopf halten“
- Ohnmachten
- Bewußte Täuschungen
- Das Gesicht
- Senken des Kopfes
- Gesichtsfarben und Erröten
- Die Hand
- Zusammenfassung
- Literatur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Bedeutung von Körpersprache und Physiognomik in Heinrich von Kleists Erzählung „Die Verlobung in St. Domingo“. Sie untersucht, wie Kleist durch Gesten, Mimik und den Ausdruck des Gesichts innere Zustände seiner Figuren verdeutlicht und wie diese Elemente mit der Thematik von Misstrauen und Täuschung in der Erzählung zusammenhängen.
- Körpersprache als Ausdruck innerer Zustände
- Physiognomik als Mittel der Charakterisierung
- Misstrauen und Täuschung als zentrale Elemente der Erzählung
- Die Rolle der Mimik und Gestik in der Kommunikation zwischen den Figuren
- Der Zusammenhang zwischen Körpersprache und emotionaler Ambivalenz in Kleists Werk
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und beleuchtet die Bedeutung von Körpersprache in Kleists Werk. Sie stellt fest, dass Kleist oft gemischte Gefühle thematisiert, die durch Sprache allein nicht ausreichend ausgedrückt werden können, so dass Körpersprache eine wichtige Rolle spielt.
Das zweite Kapitel befasst sich mit der Geschichte der Physiognomik und untersucht verschiedene Ansätze, die im Laufe der Zeit zur Deutung des menschlichen Körpers entwickelt wurden. Es werden die Theorien von Cicero, Aristoteles, Hippokrates, Giovanni Battista Della Porta und Johann Caspar Lavater vorgestellt.
Das dritte Kapitel untersucht die Rolle von Gesten und Gebärden in Kleists Werk und stellt die Frage, warum er diese Mittel der Kommunikation einsetzt. Es wird argumentiert, dass Kleists Figuren oft von Misstrauen geprägt sind und den Körper des Gegenübers deuten, um dessen wahre Absichten zu erkennen.
Das vierte Kapitel analysiert verschiedene Gesten und Mimik in „Die Verlobung in St. Domingo“, wie zum Beispiel das „Hände an den Kopf halten“, Ohnmachten, bewusste Täuschungen, das Senken des Kopfes und Gesichtsfarben.
Schlüsselwörter
Die Arbeit fokussiert auf die Schlüsselbegriffe Körpersprache, Physiognomik, Heinrich von Kleist, „Die Verlobung in St. Domingo“, Gesten, Mimik, Gesichtsausdruck, Misstrauen, Täuschung und emotionale Ambivalenz.
- Citar trabajo
- Jörn Meiners (Autor), 1996, Körpersprache und Physiognomik in Heinrich v. Kleists Erzählung Verlobung in St. Domingo, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4837