Untersuchung zur Wirkungsweise von Tai-Yo-Chi® (Tai Chi, QiGong und Yoga) bei Schlaganfallbetroffenen


Diplomarbeit, 2006

184 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Die zerebrale Apoplexie – Der Schlaganfall
2.1 Epidemiologie
2.2 Ätiologie
2.2.1 Zerebrale Ischämie
2.2.2 Intrakranielle Blutungen
2.2.2.1 Hypertensive Massenblutungen
2.2.2.2 Subarachnoidalblutung
2.2.2.3 Sinus-, Hirnvenenthrombose
2.3 Risikofaktoren
2.4 Symptomatik Schlaganfall mit Relevanz für sport- therapeutische Maßnahmen
2.5 Rehabilitation nach Schlaganfall
2.5.1 Sport- und Bewegungstherapeutische Rehabilitation nach Schlaganfall
2.5.1.1 Ziele der sport- und bewegungstherapeutischen Rehabilitation bei Schlaganfallbetroffenen
2.5.1.2 Inhalte und Prinzipien der sport- und bewegungs- therapeutischen Rehabilitation bei Schlaganfall- betroffenen

3 Bewegungssysteme fernöstlichen Ursprung
3.1 Tai-Chi-Chuan
3.2 QiGong
3.3 Yoga
3.4 Tai-Yo-Chi® und therapeutische Bedeutsamkeiten im Gesamtprozess der Rehabilitation von Schlaganfall- betroffenen
3.4.1 Tai-Yo-Chi®
3.4.2 Tai-Yo-Chi® in der Schlaganfallrehabilitation

4 Wissenschaftliche Fragestellung und Ergebnis- erwartung
4.1 Fragestellungen und Arbeitshypothesen

5 Untersuchungsdesign / Untersuchungsmethodik
5.1 Qualitative Einzelfallanalyse
5.2 Probanden
5.3 Untersuchungsverfahren
5.3.1 Motorische Parameter
5.3.1.1 Gleichgewichtsmessungen nach PhysioBioFeedback (PBF)
5.3.1.2 Rivermead Motor Assessment
5.3.2 Kognitive Parameter
5.3.2.1 Reaktionsgeschwindigkeit und Diskrimination nach Sensomotorical Control (SECO)
5.3.2.2 Konzentrationsmessungen nach Sensomotorical Control (SECO)
5.3.3 Psychologische Parameter
5.3.3.1 Basler Befindlichkeitsskalen
5.3.3.2 Trierer Skalen zur Krankheitsbewältigung - TSK
5.3.3.3 Körperbildsmessungen nach FKB – 20
5.4 Untersuchungsplan / Untersuchungsdurchführung

6 Kennzeichnung der Probanden
6.1 Proband LR
6.1.1 Ärztliche Anamnese
6.1.2 Eingangsfragebogen
6.1.3 Beobachtungsbericht
6.2 Proband GD
6.2.1 Ärztliche Anamnese
6.2.2 Eingangsfragebogen
6.1.3 Beobachtungsbericht
6.3 Proband MR
6.3.1 Ärztliche Anamnese
6.3.2 Eingangsfragebogen
6.3.3 Beobachtungsbericht

7 Untersuchungsergebnisse
7.1 Proband LR
7.1.1 Ergebnisse der motorischen Diagnostik
7.1.2 Ergebnisse der kognitiven Diagnostik
7.1.3 Ergebnisse der psychologischen Diagnostik
7.2 Proband GD
7.2.1 Ergebnisse der motorischen Diagnostik
7.2.2 Ergebnisse der kognitiven Diagnostik
7.2.3 Ergebnisse der psychologischen Diagnostik
7.3 Proband MR
7.3.1 Ergebnisse der motorischen Diagnostik
7.3.2 Ergebnisse der kognitiven Diagnostik
7.3.3 Ergebnisse der psychologischen Diagnostik
7.4 Vergleichende Betrachtungen der Probanden
7.4.1 Vergleichsanalyse der 3 Einzelfälle
7.4.2 Vergleichsanalyse aller Probanden

8 Diskussion der Ergebnisse
8.1 Diskussion der Untersuchungsmethodik
8.2 Diskussion der Untersuchungsergebnisse
8.3 Diskussion des Untersuchungsverlaufes

9 Zusammenfassung und Ausblick
9.1 Relevanz für Kursinhalt Tai-Yo-Chi®
9.2 Relevanz für Therapieinhalte bei Schlaganfallbetroffenen
9.3 Ausblick und Schlussbemerkungen

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Fremdwörterverzeichnis

Vorwort

Bestimmten Menschen gilt Dank auszusprechen, welcher an dieser Stelle seinen Platz finden soll. Zu allererst danke ich meiner Betreuerin Frau Dr. Schöley, die mir immer mit Rat und Tat und vor allem mit Verständnis für oftmals schwierige Treffen zur Seite stand. Darüber hinaus danke ich Norman Sieg für die Koordination und Durchführung der Intervention, dem Fachbereich Sportmotorik, besonders Herrn Kaeubler für die Bereitstellung der Kraftmessplatten, sowie der technischen Auswertungsmöglichkeiten und dem Fachbereich Sportpsychologie für die Bereitstellung diverser Testmanuale und Hilfestellungen. Nicht zu vergessen ist Frau Saifutdinow, die außerhalb ihrer Arbeitszeiten zusammen mit mir und den Probanden die physiotherapeutischen Messungen vornahm. Dennoch gibt es immer Menschen oder Begebenheiten, die nicht direkt mit meinen schriftlichen Bemühungen verknüpft waren, deren Hilfe ich dennoch bedurfte. Ich danke Jens Friedrich, der mir gerade am Anfang meiner Arbeit mit vielen Partien „Heroquest“ eine Ablenkung vom Schreiballtag garantierte. Ich denke oft an die vielen philosophischen Gesprächen diverser Sommernächte. Ich danke darüber hinaus Johann Pachelbel für den Pachelbel Canon in D-Dur, der mir stets Entspannung bot und meinem Lehrer Mario Zukunft und einigen ausgewählten Schülern, mit deren Hilfe ist stets das Gefühl habe an etwas Großem und Überdauerndem teilhaben zu dürfen.

1 Einleitung

„Getroffen einst ins Herz und Hirn verstummen alle Glieder. Den Gefolgsdienst meiner Sinne aufgegeben verschwimmt mir der sanfte Duft der Blumen und Gräser. Der Blitz der mich traf verschleiert mein Gemüt. Lasst mich auf bessere Tage hoffen, auch wenn ich gewiss bin, sie nicht mehr erleben zu werden.“

Schlaganfallbetroffener (anonym)

Ein Schlaganfall ist ein einschneidendes und, alles verändertes Ereignis im Leben eines Betroffenen. Die statistische Zahl der Schlaganfälle nimmt in den modernen Industriestaaten rasant zu, während das Alter der Betroffenen immer mehr sinkt. Nicht selten sind mittlerweile Patienten, die das 35. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Die Ursachen sind so multifaktoriell, dass das alleinige Verantwortlichmachen einer Arteriosklerose der cerebralen Blutversorgungsbahnen schon lange nicht mehr als ausschlaggebende Ursache akzeptiert werden kann. Immer mehr verändert sich das Bewusstsein der Ärzte und modernen Medizin zu umfassenderen Schlussfolgerungen, die ebenso wie endokrinische, vaskuläre, auch psychische, soziale und persönlichkeitsbedingte Bedingungsmerkmale zur Klärung der Ursache heranziehen. Die WHO (1978) definiert diese Sichtweise als biopsychosoziales Gefüge des Menschen. Die übergreifende Zielstellung einer modernen Rehabilitation ist der Erhalt, ferner die Wiederherstellung physischer, psychischer, sozialer und kognitiver Leistungsfähigkeit. Es bedarf daher Behandlungs- bzw. Rehabilitationsansätze, die dieses ganzheitliche Vorgehen gewährleisten können. Heutzutage ist dieser Ansatz schwer zu realisieren. Ganzheitliches Vorgehen ist nur bedingt möglich und immer wieder muss man erleben wie Betroffene einerseits psychische, physiotherapeutische, kognitive bzw. soziale Rehabilitationsstraßen getrennt betreten müssen. Um diesen hohen Anspruch an Therapiekonzepte gewährleisten zu können ist es nötig, die durch theoretische Vorüberlegungen in Frage kommenden Interventionsprogramme wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und damit die Effizienz, Nachhaltigkeit, sowie das präventive und rehabilitative Potential dieser Übungswege nutzen zu können.

2 Die Zerebrale Apoplexie – Der Schlaganfall

2.1 Epidemiologie

Die Pathologie des Schlaganfalls ist auch heutzutage nicht einheitlich definiert. Sie umfasst verschiedene Hauptkriterien, die in den großen epidemiologischen Studien zusammengefasst sind. Die WHO (1988) definiert einen Schlaganfall wie folgt: „Als Schlaganfall werden Krankheitsbilder bezeichnet, bei denen sich die klinischen Zeichen einer fokalen (oder globalen) Störung zerebraler Funktionen rasch bemerkbar machen, mindestens 24 Stunden anhalten oder zum Tode führen und offensichtlich nicht auf andere als vaskuläre Ursachen zurückgeführt werden können.“ Weitere Begriffe aufgeführter Äthiologie sind Apoplexie, Gehirnschlag, Hirninfarkt, zerebraler Insult, sowie auch apoplektischer Insult (Mäurer, H-Ch., Diener, H.-Ch. 1996, S. 3). Der Schlaganfall bezeichnet eine schwerwiegende Krankheit, bezogen auf die Komplexität der daraus entstehenden Einschränkungen und epidemiologische Häufigkeiten. Mäurer et al (ebd.) deklarieren den Schlaganfall, aufgrund zerebrovaskulären Erkrankungen, sowie ischämischen Herzerkrankungen als dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Lediglich kardiovakuläre Erkrankungen, sowie nekrotische Gewebsuntergänge aufgrund bösartiger Tumore zeichnen sich durch höhere Mortalitätsraten aus.

Inzidenz und Prävalenz

Die statistischen Maßzahlen zur Inzidenzrate variieren von 150 000 (Krämer 1993, S.20), 350 000 (Vollmer 1995, S.11) bis ca. 500 000 Menschen, welche jährlich einen Schlaganfall erleiden oder ihm erliegen (Statistisches Bundesamt 2004). Die Unterschiede sind mit den erwähnten vielfältigen Ursachen, damit verbundenen uneinheitlichen Krankheitsverlaufs- sowie Erscheinungsbildern und den daraus resultierenden Diagnosen zu begründen (Bonita 1994). „Weitere Fehlerquellen sind in den unterschiedlichen Kodierpraxen und in der Berücksichtigung der wiederholten Ereignisse begründet“ (Schöley 2002). Obwohl die verschiedenen Studien große Unterschiede aufzeigen, ist gesichert, dass das Verhältnis zwischen Ereignisrate und Inzidenzrate mit steigendem kalendarischem Alter zunimmt (Mäurer et al 1996, S. 8). Krämer (1994) führt an, dass steigende Lebenserwartungen, verbesserte medizinische Diagnosetechniken und Akutbehandlungsstrategien in den letzten Jahrzehnten zu einer steigenden Inzidenzrate führten. Es ist davon auszugehen, dass sich diese Entwicklungen manifestieren werden. Krämer (ebd.), sowie auch Hartmann und Wassmann (1987) stellen fest, dass die tatsächlichen Inzidenzzahlen aufgrund leichter Schlaganfälle, welche nicht in Statistiken eingehen, als weitaus höher anzunehmen sind.

2.2 Ätiologie

„Der zerebrale Insult ist ein Syndrom, verursacht durch Ischämie oder Blutung (Weiller, C. 1990, S.1117) . Weitere Ursachen, so fügt Barolin (1980) an sind durch einen Sinus- und Hirnvenenthrombus bedingt (Vgl. Abb.1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb.1: Übersicht über die Ursachen des zerebralen

Insults aus Mäurer et al 1996, S.35)

2.2.1 Zerebrale Ischämie

Ischämische Hirninfarkte sind durch arterioarterielle oder auch kardiale Embolien, durch hypertensive Arteriosklerose und in seltenen Fällen durch lokale Thromben eines durch die Auswirkungen einer Arteriosklerose erkrankten Gefäßes bedingt. In seltenen Fällen kann man als Ursache auch Dissektionen, Angiitiden, Migräne, Moya-Moya-Syndrom oder Gerinnungsstörungen finden (Vgl. Abb.2). Ischämische Unterversorgungen von Hirnarealen haben verschiedene pathologische Auswirkungen, welche von der Dauer der Unterversorgung, dem Gebiet, und von den, mit der Unterversorgung einhergehenden anfallenden toxischen Metaboliten abhängig sind (Mäurer et al, 1996). Statistisch entstehen die Mehrzahl der Hirninfarkte bei dem Verschluss einer funktionellen Endarterie, wie die Arterien distal des Circulus Willisii bzw. die Abgänge der A.basilaris und vertebralis.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 2: Übersicht über die Unterteilung der ischämischen Hirninfarkte)

Ist der Hirninfarkt durch den Verschluss einer der großen Endarterien charakterisiert wird der Begriff Makroangiopathie verwendet (ebd.). Wird der Hirninfarkt durch einen lokalen ischämischen Prozess (dem Verschluss einer kleinen Arterie oder Arteriole) bedingt wird dies Mikroangiopathie oder auch als lakunären Infarkt (ebd.) bezeichnet. Sie stellen die häufigste Ursache ischämischer Insulte dar. Der Verschluss größerer Arterien kann ebenfalls durch lokale Thromben bei einer bereits zugrunde liegender Artherossklerose, einer Embolie aus dem Herzen oder ausgehend von der A.carotis verursacht werden, was als Territorialinfarkt bezeichnet wird. Als Fernwirkung von Stenosen oder auch Verschlüssen proximaler Arterien, damit verbunden unzureichender Kollaterialisierung werden die hämodynamisch bedingten makroangiopathischen Infarkte auch Endstrom- oder Grenzstrominfarkte bezeichnet (Vgl. Abb.3).

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(Abb. 3: Übersicht über die Unterteilung der Pathogenese ischämischer Hirninfarkte)

Krämer (1993) weist eindringlich darauf hin, dass Makroangiopathien und Mikroangiopathien einander nicht ausschließen. Eine arterielle Hypertonie z. B. bedingt das Auftreten beider Formen von Gefäßerkrankungen. Die Auswirkungen ischämischer Insulte werden in 4 Phasen unterteilt. Die erste Phase charakterisiert keine spürbaren Symptome einer Hirndurchblutungsstörung. Sie kann nur im computer-tomographischen Abbildverfahren sichtbar gemacht werden. Die zweite Phase wird als translatorisch ischämische Attacke (TIA) bezeichnet, tritt plötzlich auf, bei geringer neurologischer Symptomatik, welche innerhalb von 24 Stunden reversibel ist und keine morphologischen Veränderungen hinterlässt. Die dritte Phase ist durch ein prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit (PRIND) charakterisiert. Neurologische Auffälligkeiten länger als 24 Stunden sind deutlich erkennbar. Innerhalb einer Woche sind sie reversibel. Die vierte Phase, der kompletter Hirninfarkt, charakterisiert sich durch neurologische Ausfälle, die entweder keinen oder nur unvollständigen Rückbildungscharakter besitzen. (Braun, J., Preuss, R. 1995, S.121 ff., Mäurer et al 1996)

2.2.2 Intrakranielle Blutungen

Blutungen in die Hirnsubstanz, werden in hypertensive Massenblutungen und Subarachnoidalblutungen unterteilt (Krämer 1993). Mäurer et al (1996) führen zusätzlich Ursachen intrakranieller Blutungen an, welche selten auftreten, aus Gründen der Vollständigkeit aber Erwähnung finden müssen (Vgl. Abb.4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Übersicht über die Ursachen intrazerebraler Blutungen

2.2.2.1 Hypertensive Massenblutungen

Hypertensive Massenblutungen sind Blutungen arteriellen Ursprungs in die Hirnsubstanz, hauptsächlich des Parenchyms. Hauptursache ist die arterielle Hypertonie (Mäurer et al 1996). Es kommt zu einer Ruptur einer bzw. mehrerer, durch chronisch erhöhten Blutdruck geschädigten Arterie bzw. einem akuten Blutdruckanstieg in ungeschädigten Arterien und Arteriolen, welche eine Ruptur mit anschließenden zerebraler Blutungen nach sich zieht. Die häufigsten Blutungen ereignen sich im Bereich der Stammganglien (46%), dem Bereich des Großhirnmarkes (27%), des Kleinhirns (12%) und des Hirnstammes (5%), so Barolin (1980). Nach Blutungsdauer, Gebiet und Intensität ergeben sich differenzierte Symptomatiken mit spezifischen klinischen Erscheinungsbildern.

2.2.2.2 Subarachnoidalblutung

Subarachnoidalblutungen sind „Blutungen im Subarachnoidalraum bei Ruptur eines Aneurysmas im Cicullus Willisi oder am Abgang der Hirnarterien“ (Regli, F., Mumenthaler, M. 1996, S. 308). Als Auslöser gilt die arterielle Hypertonie. Subarachnoidalblutungen gehen üblicherweise mit einer unmittelbaren, oder einige Stunden vorangegangenen Anstrengung einher. In 75 % aller Fälle handelt sich um die Ruptur eines Aneurysmas, lokalisiert in der A. communicans anterior, so Regli und Mumenthaler (1996). Es treten vorher nie gekannten Kopfschmerzen auf. Die Ursache liegt in der Ansammlung von Blut in den schmerzempfindlichen Hirnhäuten, so Krämer (1993). Es treten fast ausschließlich keine neurologischen Auffälligkeiten auf, sondern Symptomatiken wie Nackensteifigkeit, Schläfrigkeit, Somnolenz, Sopor und komatösen Bewusstseinsausfällen (Schimpf 1999).

2.2.2.3 Sinus-, Hirnvenenthrombose

Eine Hirnvenenthrombose stellt einen thrombotischen Prozess der hirnversorgenden Venen dar. Die Sinusthrombose deklariert speziell eine Thrombose des Hirnsinus. Ihr Vorkommen als unmittelbare Ursache des Akutereignisses liegt bei cirka 5%. Zu ihrer Entstehung, so Barolin (1980), treffen 3 Faktoren aufeinander. Gefäßwandschädigungen (vor allem bei septischen Prozessen, Kollagenose etc.), venöse Strömungsverlangsamung und Hyperkoagulabilität. Die Thrombose eines Sinus bewirkt einen Rückstrom des Blutes mit einer einhergehenden Liquorresorptionsstörung. Regli und Mumenthaler (1996) beschreiben die Symptomatik mit epileptischen Anfällen, Augenmuskellähmungen und Lidödemen.

2.4 Risikofaktoren

In den vergangenen 40 Jahren wurden mehr als 10 verschiedene Risikofaktoren gefunden, bei denen zumindest in jeweils einer Studie ein unabhängiger Einfluss auf das Schlaganfallrisiko gezeigt werden konnte. (Mäurer et al, 1993).

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(Abb.5: Übersicht der Risikofaktoren für Schlaganfall (Mäurer, Diener, 1993, S. 27))

Die in Abbildung 5 dargestellten Ursachen stellen das Verhältnis, sowie das Beeinflussung der Ursachen untereinander dar. Die Risikofaktoren werden in nichtmodifizierbare Faktoren, wie Alter, Geschlecht, Ethnische Herkunft und genetische Faktoren, sowie in modifizierbare Faktoren, wie Blutdruckverhalten, Vorhofflimmern, Rauchen (Zigaretten), Hypercholesterinämie, starken Alkoholkonsum, Arteriosklerose und translatorische ischämische Attacken (TIA) unterteilt (Sacco, 1998). Barolin (1980) hingegen fügt eine Risikoklasse an, die mit Faktoren „umstrittener“ Bedeutung deklariert sind. Es zählen Übergewicht, diabetische Stoffwechsellage, Mangel an körperlichem Training, emotionalem Stress und erhöhter Gerinnbarkeit des Blutes dazu. Aus heutigem Stand der Wissenschaft ist geklärt, dass Diabetes, mit enger Verknüpfung zu Adipositas (Fettleibigkeit) ein nachweisliches Primärrisiko darstellt, das Risiko einen Schlaganfall zu erleiden sich daher signifikant erhöht. Ebengleiches gilt für den Bewegungsmangel. Das Schlaganfallrisiko erhöht sich nachweislich um den Faktor 2 bis 3 (Mäurer et al 1996). Wissenschaftlich wenig untersucht sind die psychischen Faktoren. Es kann davon ausgegangen werden, dass psychischer und emotionaler Stress ein bedeutender Risikofaktor ist, aber die genaue Belegung mit statistischen Maßzahlen aufgrund der schwierigen Messerhebungen und Nachvollziehbarkeit der menschlichen Psyche noch nicht eindeutig geklärt ist. Es ist dennoch davon auszugehen, dass, aufgrund der engen Verbindung zu Herzkreislauferkrankungen die Psyche, sowie das affektive Verhalten eine wichtige Rolle bei der Prävention des Schlaganfalls zukommt. Trägt eine Person mehreren Risikofaktoren erhöht sich das Risiko einen Schlaganfall zu erleiden. Hypertonie ist der am gefährlichsten einzuschätzende Risikofaktor (Nitschkoff 1989). Hypertonie, kann heute resignierend festhalten werden, ist in seiner Ursache ungeklärt und zu 95% essentiell (ohne organisch pathologischen Befund). Es ist von psychischen, emotionalen und affektiven Störungen auszugehen (Vollmer 1995). Barolin (1980) erwähnt, dass auch eine Hypotonie ein auslösender Faktor für einen Schlaganfall sein kann, das Risiko jedoch als gering einzustufen ist (Schöley 2002, S. 12f.).

2.4 Symptomatik Schlaganfall mit Relevanz für sporttherapeutische Maßnahmen

Symptomatiken eines Schlaganfalls sind nicht verallgemeinerbar, daher von

Patient zu Patient verschieden. Sie sind abhängig von der Art (ischämisch, Blutung), Dauer und der Intensität des Infarktes des betroffenen Zerebralterritoriums und der Zeitdauer zwischen Akutereignis und medizinischer Erstversorgung. Bei Übereinstimmung dieser Abhängigkeiten ist von keiner symptomatischen Uniformität zweier Patienten auszugehen. Die exakte Funktionsweise des Gehirns, sowie auch möglichen Rückbildungs- und Substitutionsmechanismen sind nicht vollständig geklärt. Die Symptomatiken eines Hirninfarktes beeinflussen die Ebenen des menschlichen Handels und Erlebens. Es treten dabei Störungen der geistigen und allgemeinen Leistungsfähigkeit, motorischen Fähigkeiten, der sprachlichen Leistungen, der Psyche, insbesondere dem Verhalten und der Persönlichkeit, sowie der Sehleistung auf (Michael 2003, S12 ff) (Vgl.Abb.5.). In den folgenden Abschnitten wird genauer auf diese Bereiche eingegangen werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb. 6: Schematische Übersicht für die sporttherapeutisch relevanten Symptome bei

Schlaganfallbetroffenen nach Schöley 2002)

Störungen der Motorik

Die am häufigsten anzutreffende Symptomatik nach Schlaganfall ist ein halbseitiger neurologischer Funktionsausfall, als Hemisyndrom bezeichnet. Barolin (1980) bemerkt, dass motorische und sensible Ausfälle kombiniert auftreten und sich nicht ausschließen, sogar eher bedingen. Der motorische Schwerpunktsbefall befindet sich im Bereich der unteren oder oberen Extremität, abhängig welche Gefäßsysteme und Abschnitte betroffen sind. Die statistisch häufigste motorische Störung ist die Hemiparese, die wie die Hemiplegie zum Hemisyndrom gehört. Unterschieden wird die komplette motorische Lähmung (Plegie) und die inkompletten motorische Lähmung (Parese) (Krämer 1997, S.112, 116). Ihr Auftreten ist für einen Schlaganfall, welcher sich im Bereich des Mediastromgebietes manifestiert hat charakteristisch, betrifft den motorischen Kortex, die innere Kapsel oder den Hirnstamm (Mäurer et al 1996). Diese kompletten bzw. inkompletten motorischen Lähmungen betreffen Gesicht und Arme stärker als die Beine. Paresen treten in Verbindung mit Sensibilitätsstörungen auf, welche einen unterschiedlichen Rückbildungscharakter besitzen (Barolin 1980). Schlaganfall bedingte Paresen oder Plegien betreffen die gegenüberliegende Körperseite der betroffenen Hemisphäre. Die Symptomatik unterliegt nach dem Akutstadium einer signifikanten Veränderung. Direkt nach Akutereignis führen die pathologischen Veränderungen zu einer „Pseudo-schlaffen-Lähmung“ (ebd.), verbunden mit Reflexlosigkeit. Im Laufe von mehreren Tagen tritt eine Reflexnormalisierung ein, mit anschließender Entwicklung einer Spasitizität. Aufgrund bestehender neurologischer Ansteuerungsdefizite ist die Muskulatur der betroffenen Seite vermindert ansprechbar und die physiologischen Reaktionen einer geplanten Bewegung können sich in „Grob-, oder Massenbewegungen“, bei totalem Ausfall der feinmotorischen Bewegungsumsetzung äußern (Krämer 1993, S. 155 f.). Einfache motorische Bewegungsaufgaben, das Heben eines Armes bzw. eines Beines können nur bedingt möglich sein. Grazile Bewegungsmuster wie das Schreiben bzw. gezieltes Greifen mit differenziertem, auf das Objekt angepasstem Druck, sind nicht mehr ausführbar. Um den Schweregrad einer Lähmung und damit den Grad der motorischen Behinderung zu beschreiben wird die in Abb. 6 enthaltene Einteilung nach Krämer (1993) genutzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb.7: Einteilung von Lähmungen in Schwere- oder Krafftgrade)

Die nach einigen Wochen sich entwickelnde Spastik ist nicht voreilig zu bewerten, bleibt es bei einer schlaffen Lähmung ist das Erlernen des Ganges nicht mehr möglich, daher dient sie als Vorraussetzung zur Gangneu- bzw. Umlernung. „Die spastische Extremität ist dadurch gekennzeichnet, dass sich die antagonistischen Muskeln der Extremitäten in gleichzeitigem Kontraktionszyklus befinden.“ (Schöley 2002, S.16). Die Muskeleigenreflexe sind lebhaft gesteigert und es liegen spontane Barbinski-Zeichen vor (pathologisch gesteigerter Fremdreflex), so Seeger (1996). Zusätzlich betont Seeger, dass Schlaganfallbetroffene mit paretischer Lähmung über ein charakteristisches Gangbild verfügen, welches mit einem Gehen „als ob der Patient am Boden festkleben würde und versuche durch einen Topf Honig zu waten“ beschrieben wird (ebd. S.183). Die Spastik betrifft in den oberen Extremitäten vorwiegend die Beugemuskulatur (Handgelenk, Ellenbogen, Schultergelenk) und in den unteren Extremitäten vorwiegend die Streckmuskulatur (Fuß-, Kniegelenk). Der Kopf ist oft zu einer Seite geneigt und zur gesunden Seite gewandt. (Schöley 2002). Eine willkürliche Beeinflussung der Spastik ist bedingt möglich. Eine Vielzahl äußere Einflüsse können den Tonus der Muskulatur steigern bzw. ungünstig beeinflussen. Dazu zählen ein schlechter allgemeiner Gesundheitszustand, Wahrnehmungsstörungen, Schmerzen, Unruhe, Stress, Nervosität und Angst, Frustration, Kommunikationsprobleme, psychische Verfassung (Labilität, überschießende Emotionen etc.), unökonomische Bewegungen, Fehlverhalten, aber auch schlechte Bodenbeschaffenheit und Umwelteinflüsse (ebd. S.16). Aus den angesprochenen Symptomatiken entstehen charakteristische motorische Störungen, wie Bewegungsverlangsamung mit Haltungsabweichungen, Gangstörungen mit Störungen des Gleichgewichts, sowie Störungen der Fein- und Zielmotorik. „Dadurch sind die Betroffenen im selbstständigen, freien Stehen und in der Fortbewegung eingeschränkt und müssen gegebenenfalls Hilfsmittel einsetzen.“ (Innenmoser, Froböse in Schöley, 2002, S.17). Das gestörte Gehen zieht erhebliche Einschränkungen der Lebensqualität nach sich. Die Gangschule nimmt bei der Therapie nach Schlaganfall ein großer Stellenwert ein. Der „hemiparetische“ Gang betroffener Patienten ist langsamer, „mühseliger“, d.h. mit höherem konzentrativem Einsatz, verkürzter Schrittzahl pro Zeiteinheit und verlängerter Doppelstützphase. Die entstehende Standphase auf der betroffenen Körperseite ist kürzer, wobei die Schwungphase sich charakteristisch verlängert. Der Fußeinsatz der betroffenen Seite erfolgt mit der ganzen Sohle und der Fußabdruck ist schwach. Hemiplegiker können durch diese Beeinträchtigungen ihre Gehgeschwindigkeit nur bedingt anpassen. Dies wird durch ein vorsichtiges, „tastendes“ Gehen erkennbar, wobei die allgemeine Gangbildung aufgrund der sensomotorischen Auslastung als „sehr verhalten“ einzuschätzen ist. Durch die Masse an Gangunsicherheiten und Qualitätseinbussen beim sicheren Bewegen führt Wade (1987) an, dass sich Betroffene nur selten außer Haus begeben. Weiterhin können die „Activity of daily livings“ (Greifen, Hantieren, Tragen, eigenständige motorische Problemlösung) nur noch bedingt selbstständig ausgeführt werden (ebd.). Es lässt sich aussagen, dass die motorischen Einschränkungen bei betroffenen Patienten mit Hemiparese erheblichen Ausmaßes sind, zu Einschränkungen in Gangbildung, Gleichgewichtsverhalten, Lebensqualitätverlusten und zu psychischem Ungleichgewicht führen. Zusätzlich führt die, aus dem Gangbild entstehende Mehrbelastung der nicht betroffenen Seite zu langfristigen orthopädischen Problemen im Bereich der Fuß-, Knie- und Hüftgelenke, sowie pathologischen Veränderungen der Wirbelsäule (Skoliosen) und Becken (Schiefstand) (Barolin 1980). Weitere motorische Symptomatiken des Schlaganfalls sind Monoparesen, wobei eine Extremität betroffen ist, bzw. Tetraparesen, wobei alle Gliedmaßen in unterschiedlichem Ausprägungsgrad betroffen sind. Monoparesen sind seltener als Hemiparesen und betreffen kleinere, während des Akutereignisses nicht durchbluteter Bereiche der Großhirnrinde oder des Hirnstammes. Tetraparesen sind ebenfalls selten und bedingt durch mehrere kleine Schlaganfälle in beiden Großhirnhälften. Es bleiben schwere Behinderungen zurück (Krämer 1994).

Störungen der Sensibilität

Die häufigste Sensibilitätsstörung ist die Hemihypästhesie. Eine Hemihypästhesie deklariert eine halbseitige Gefühlsstörung mit Minderung bzw. im Extremfall Aufhebung der Empfindung von Berührungen und Schmerzreizen. Erschwerend summieren sich diese Gefühlstörungen bei der Wahrnehmung von Temperatur und Schwingungen, sowie der Lage von Gliedmaßen (Kinästhetik). Oft wird die Hemihypästhesie von einer Hemiparese begleitet, welche sich schneller zurückbildet. Missempfindungen entstehen bei Schmerz (Analgesie), Temperatur (Thermästhesie) und Berührungen (Ästhesie). Besonders deutlich wird die Gefühlstörung im Bereich der Oberflächen, sowohl Tiefensensibilität, wozu das Empfinden von Bewegung, Lage und Vibration zählt. Diese Diskrepanz zwischen innerer Wahrnehmung und äußerer Realität führt zu einem charakteristisch veränderten Körperbild, so Michael (2003). Schwere Beziehungsstörungen gegenüber den Reizquellen der Umwelt, Missempfindungen und Überempfindlichkeit können resultieren (Innenmoser, Froböse 1990, S. 579) kommen. (Vgl.Mäurer et al 1996, Krämer 1993, Schöley 2002).

Störungen der neuropsychologischen Leistungen

Zu den neuropsychologischen Beeinträchtigungen der Hirnleistung werden komplexe Störungen der Aufmerksamkeit, des Gedächtnis (Amnesie),Lesen (Alexie) und Schreiben (Agraphie), Rechnen (Alkalkulie), Sprache (Aphasie), Raumorientierung und Planung (Apraxie), sowie eine verminderte geistige Belastbarkeit gezählt. Zusätzlich können laut Schöley (2002) Antriebs- und Konzentrationsstörungen auftreten. Zu den geistigen Leistungsfähigkeiten werden Aufmerksamkeit, Gedächtnis, das Erfassen komplexer Sachverhalte und die geistige Belastbarkeit gezählt (Michael 2003). Die Fähigkeit auf Reize der Umwelt schnell und effektiv zu reagieren (Reaktionsfähigkeit, Reaktionsschnelligkeit) ist stark vermindert. Dies führt zu erheblichen Einbussen der Lebensqualität, verbunden mit Schwierigkeiten der Bewältigung alltäglicher Aufgaben in Haushalt und Privat-, sowie Freizeitverhalten. Michael (ebd.) beschreibt erhebliche Einbussen im Bereich der Aufmerksamkeit, sowie Konzentration, was sich darin äußert, dass ein Schlaganfallbetroffener nicht den gesamten Inhalt eines Gespräches verarbeiten und zumeist nur „die Hälfte“ behalten, bzw. kognitiv bewältigen kann. Diese Einschränkungen führen zu sozialen und partnerschaftlichen Problemen (Michael 2003). Weiterhin treten Schwierigkeiten bei der Merkfähigkeit in Bezug bestimmter Gesprächsinhalte bzw. Kommunikationsformen auf, welche in einem „Nicht-Verstehen“ der Bedeutung begründet liegt. Das „Nicht-Erinnern“, bzw. „Nicht-Verstehen“ trägt seine Ursache nicht in mangelndem Interesse, sondern darin, dass durch die Schädigung des Gehirns nur noch begrenzt Umfang, sowie Möglichkeiten vorhanden sind bestimmte Sachverhalte aufzunehmen bzw. längerfristig zu speichern. Zu den Gedächtnisstörungen gehören die Orientierungsstörungen, welche sich vor allem im Bereich Eigenorientierung (Wer bin ich, Wie alt bin ich?) bzw. Ortsorientierung (Wo bin ich?) bemerkbar machen. Eine Verminderung der geistigen Belastbarkeit ist die häufigste und nachhaltigste Symptomatik nach Schlaganfall. Tätigkeiten, die normalerweise der Entspannung dienen (Fernsehen, Treffen mit Freunden) werden als anstrengend empfunden. Einschränkungen im Bereich der Freizeitgestaltung und der sozialen Kontakte resultieren. Als Formen der Agnosie (Verlust der Fähigkeit einen Gegenstand zu erkennen, bzw. ihn mit seiner normalen Verwendung in Verbindung zu bringen) können Schlaganfallbetroffene unter visuellen (Seheindrücke können keiner Bedeutung beigemessen werden), auditorischen (Störung des Hörens und der entsprechenden Verarbeitung), sowohl auch taktilen (Hautwahrnehmungen sind vermindert) Störungen leiden (Vgl. ebd.). Schöley (2002) zählt zu diesem Bereich auch die einseitigen Gesichtsfeldausfälle (Hemianopsien) und Gesichtsfeldstörungen (Amblyopien). Hemianopsien deklarieren Störungen der Reizleitung der Sehnerven (Regli und Mumenthaler 1996). Zu den Hemianopsien zählt der Neglect. Hierbei liegt eine sensible Vernachlässigung einer Körperseite oder deren Umgebung vor, die neurologisch begründet ist. Die häufigste Form des Neglect (visueller Neglect) beschreibt die Nichtwahrnehmung bzw. Vernachlässigung einer Sichthälfte. Wahrnehmung halber Teller oder häufigem Anrempeln der Schulter auf der betroffenen Seite sind daher beobachtbare Phänomene. Weitere Formen, der akustische und der somatosensorische Neglect (Berührungs- oder Schmerzreize werden nicht wahrgenommen), kommen weitaus seltener vor (Krämer 1993).

Störungen der Sprache und des Sprechens

Störungen des Sprechens, Verstehens, der Wortfindung, sowie Deutungen sind zu hoher Wahrscheinlichkeit bei Schlaganfallbetroffenen anzutreffen. Neurologischem Ursprungs werden zwei Hauptstörungen unterschieden, die Aphasie und die Dysarthrie (Krämer 1993). Von einer Aphasie ist bei einer Sprachbildungsstörung, so wie auch bei einer Sprachverständnisstörung auszugehen. Mäurer et al (1996) unterscheiden hierbei folgende Erscheinungsformen, welche schematisch in Abb. 7 aufgezeigt sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.8: Einteilung aphasischer Störungen nach Mäurer und Diener (1996)

Dysarthrien hingegen liegen bei Störungen der Sprechmuskulatur durch eine Lähmung oder eine Störung des Zusammenwirkens der verschiedenen Teile des Sprechapparates (Zunge, Kehlkopf, Gaumen etc.) vor. Dies führt zu Störungen der Aussprache, der Stimmgebung und der Atmung. Merkmale einer dysarthrischen Sprache sind monotoner Tonfall, verwaschenes Sprachbild, abgehackte Lautgebung bzw. zu schnelles oder zu langsames Sprechen. Es liegen Im Gegensatz zu Aphasien keine Störungen im Bereich Wortfindung, des Schreibens, des sinnverstehenden Lesens oder des Sprachverständnisses vor. Auch die Sprachbildung weist keine pathologischen Auffälligkeiten auf. Es handelt sich daher um eine reine Störung des Sprechens (Vgl. Krämer 1993, Schöley 2002).

Störungen der Psyche und der Persönlichkeit

Als Folge einer Hirnschädigung können nicht nur sensomotorische oder kognitive Funktionseinschränkung auftreten, sondern auch psychische oder psychopathologische Störungen. Es werden drei Kategorien der psychopathologischen Phänomene unterschieden (Gainotti 1993).

1. Organisch bedingte psychische Störungen
2. Psychologisch und psychodynamisch erklärbare Störungen
3. Im psychosozialen Umfeld sich ergebende Störungen

Beobachtbare Phänomene sind Depression, Trauer, Angst, Verleugnung aufgrund inadäquater Wahrnehmungen und Einschätzung der funktionellen Wertigkeit aller Funktionsstörungen (Schöley 2002), verringertes Selbstwertgefühl und Selbstakzeptanz, Versagensgefühle und sozialer Rückzug. Michael (2003) beschreibt des Weiteren Antriebsschwäche, Willens- und Hilflosigkeit, Motivationsverlust und apathische Bewusstseinszustände. Nach neuesten Untersuchungen versucht man die psychologischen Phänomene in dem psychiatrischen Diagnosesystem zu integrieren (ICD 10), was sich durch nicht genaues Abgrenzen der psychopathologischen Kategorien als schwierig erweist (Mäurer et al 1996). Die häufigsten psychopathologischen Auffälligkeiten bei Schlaganfallbetroffenen sind Anosognosie. Es ist darunter das Phänomen zu verstehen, dass sich ein Patient mit Schlaganfall der Tatsache, diese Krankheit erlitten zu haben und dadurch neurologische und neuropsychologische Ausfälle zu haben nicht bewusst ist (engl. unawareness) und die so genannte Anosodiaphorie, wobei sich der Patient dem erlittenen Schlaganfall bewusst ist, aber vollends die dabei einhergebrachten Konsequenzen unterschätzt, was vor allem auf den individuellen/funktionellen Bereich, sowie den sozialen Bereich zutrifft (Mäurer et al 1996). Zusätzlich leiden viele Schlaganfallbetroffene (Michael 2003) am Verlust der Affektkontrolle. Dies äußert sich in pathologischem gesteigertem Weinen und Lachen. Starke Veränderungen der Persönlichkeit können resultieren. Ein vor dem Akutereignis ausgeglichener Mensch kann eine sehr labile, reizbare, sowie aggressive Verhaltensform entwickeln, andere Patienten, die vor dem Ereignis tatkräftige und spontane Wesenszüge aufwiesen zur Zurückgezogenheit neigen und zur Adynamik tendieren (ebd.). Ebenso ist von einer Veränderung des Körperbildes, Gefühle der Einsamkeit, veränderte Sexualitäts- und Schamgefühlen, sowie Angstzuständen bezüglich eines Re-infarktes auszugehen.

Kardiologische Primär- und/oder Sekundärerkrankungen

Der Schlaganfall tritt statistisch gesichert zu 90% Wahrscheinlichkeit in Verbindung mit bestehenden Herzkreislauf- und Stoffwechselerkrankungen auf. Zu den bereits bestehenden zerebralen Schädigungen summieren sich internistische Pathologien (z.B. Diabetes mellitus, Hypercholesterniämie, Hypertonie, Hypotonie, Arrhythmien, funktionelle Herz-Kreislauferkrankungen) (Mäurer et al 1996). Sie sind als große Gefahr für die Erleidung eines Re-infarktes zu interpretieren (Schöley 2002). Poeck und Hacke (1998) stellen als wichtigste vegetative Störungen thermoregulatorische Beeinträchtigungen, Inkontinenz Problematik, orthostatische Störungen und Stoffwechselstörungen dar. Je nach Schweregrad und Stadium der Erkrankung ergeben sich Einschränkungen der kardialen, sowie der allgemeinen Belastbarkeit. Dadurch ist das Risiko für Sekundärerkrankungen gegeben. Bei Schlaganfallbetroffenen ergeben sich Beeinträchtigungen im kardialen Bereich, zu denen Angina pectoris Symptomatiken, Störung der Körperwahrnehmung, Atemnot und eine Eingeschränktheit der körperlichen Leistungsfähigkeit gezählt werden können (Vgl. Rost 1991).

2.5 Rehabilitation nach Schlaganfall

Verständnis von Gesundheit und Krankheit im Kontext zur Pathologie Schlaganfall

Rehabilitation nach Schlaganfall muss stets ganzheitlich betrachtet werden (Woldag 2004). Sie orientiert sich am bio-psycho-sozialen Modell der Einheit des Menschen. Das Modell beschreibt die Interaktion von biologischen, psychischen und sozialen Faktoren bei der Entstehung von Krankheit, sowie der Erhaltung von Gesundheit (Alfermann 1996). Die Analyse von biologischen, psychischen und sozialen Bedingungen leistet einen wichtigen Beitrag zum Verständnis beider Zustände. Heute besteht in den Sozialwissenschaften und in Bereichen der Medizin Einigkeit darüber, dass Gesundheit, und damit auch verbunden die Ziele der Rehabilitation nach Schlaganfall als mehr- dimensionales Konzept aufgefasst werden muss: Neben körperlichem Wohlbefinden und psychischem Wohlbefinden, gehören auch Leistungsfähigkeit , Erfüllung von Rollenerwartungen , Selbstverwirklichung und Sinnfindung dazu. Weiterhin hängt Gesundheit auch vom Vorhandensein und der Wahrnehmung von Belastungen , von Risiken und Gefährdungen durch die soziale und ökologische Umwelt, sowie vom Vorhandensein von Ressourcen und der Wahrnehmung, Erschließung, Inanspruchnahme und Pflege von Ressourcen ab (Schubert 2002). Die Rehabilitation von Schlaganfallbetroffenen sollte in ihren Inhalten auch diese Perspektiven berücksichtigen, um eine vollständige und nachhaltige Genesung zu ermöglichen. Weitere wichtige Definitionen stammen von den wissenschaftlichen Auffassungen über Gesundheit und Krankheit der WHO- Konferenz von Alma Ata 1978 und aus der Ottawa-Charta der WHO von 1986. Gesundheit wird seitdem "offiziell" in einem sozial-ökologischen Verständnis gefasst (ebd). Als richtungweisende Rahmenkonzeption für einen biopsychosozialen Ansatz in der Gesundheitswissenschaft erweist sich das Salutogenesemodell des Gesundheitswissenschaftlers Aaron Antonovsky. Im Vordergrund steht die Frage, warum Menschen gesund bleiben, trotzdem sie das Leben mit ständigen Belastungen konfrontiert und andere Menschen erkranken, trotz das sie keine negativen äußeren Belastungen erfahren. Gesundheit, so nimmt Antonovsky (1999) an, ist kein stabiler Gleichgewichtszustand, sondern muss in der Auseinandersetzung mit Lebenseinflüssen kontinuierlich neu aufgebaut werden. Gesundheit und Krankheit sind nicht Zustände, die einander ausschließen, sondern sind die Extrempole auf einem "Gesundheits-Krankheits-Kontinuum". Reales Leben liegt zumeist dazwischen mit Zuständen von relativer Gesundheit und relativer Krankheit. Belastungen führen nach Untersuchungen von Antonovsky nicht direkt zu Krankheit, sondern entscheidend ist, wie diese Stressoren vom Individuum emotional-kognitiv und sozial-emotional verarbeitet werden. Die individuelle Verarbeitungsweise führt zu pathologischen, neutralen oder gesunden Folgen. An dieser Stelle kommt der Rehabilitation nach Schlaganfall ein wichtiger Stellenwert zu, da sie in der Lage ist diese Verarbeitungsweise positiv zu beeinflussen. Die individuelle Art der Verarbeitung von Stressoren ist abhängig von "generalisierten Widerstandsressourcen" (general resistance resources, GRR) und vom "Kohärenzgefühl" (sense of coherence, SOC). Gesunde und psychisch stabile Menschen, die ihr Leben gut unter Kontrolle haben, besitzen verschiedene Widerstandsressourcen, um mit belastenden Lebens- und Alltagserfahrungen produktiv umzugehen und nicht krank zu werden (Keupp 1997). Dies gilt es auch bei der Rehabilitation nach Schlaganfall zu schulen und es sollte danach gestrebt werden eine Vielzahl an Widerstandsressourcen auszubauen und deren Entwicklung zu fördern. Fehlen solche Ressourcen, sind biomedizinische oder psychosomatische Erkrankungen oder psychosoziale Problementwicklungen, unzureichende Lebensbewältigung und abweichendes Verhalten als Folge sehr wahrscheinlich. Generalisierte Widerstandsressourcen sind in folgenden Bereichen des menschlichen Lebens zu finden:

- im Individuum als körperlicher und psychischer Zustand, z.B. körpereigenes Immunsystem, Intelligenz, Bildung, Bewältigungsstrategien, Ich-Identität und emotionale Sicherheit in Bezug auf die eigene Person
- in seiner sozialen Umwelt als Qualität zwischenmenschlicher Beziehungen, z.B. soziale Zugehörigkeit, Einbettung und Unterstützung und darauf bezogene Gestaltungs- und Teilhabemöglichkeiten und als Zugang zu materiellen Widerstandsressourcen wie Geld, Arbeit, Wohnung
- gesellschaftlich-kulturelle Widerstandsressourcen entwickeln sich aus Einflussnahme und Teilhabe des Einzelnen an sozial anerkannten Entscheidungsprozessen, sowie aus kultureller Stabilität, Durchschaubarkeit von und Mitwirkungsmöglichkeit bei gesellschaftlichen Strukturentwicklungen (Vgl. Bengel et al. 1998, S. 31).

Bedeutsam ist nun für eine biopsychosoziale Arbeit, dass diese Widerstands- ressourcen nicht zwingend wirksam werden, sondern erst über eine zentrale individuelle Kompetenz zur Wirkung kommen, dem "Gefühl von Kohärenz", bzw. "Kohärenzgefühl" oder "Kohärenzsinn" (sense of coherence, SOC), wie es Antonovsky (1997) ausdrückt. Das Kohärenzgefühl ist die zentrale wie auch komplexe Einflussgröße für Gesundheit und positive Lebensbewältigung und umgekehrt für eine unzureichende Entwicklung von Gesundheit. Hier liegen wesentliche Aufgaben und Handlungsfelder für eine moderne Konzeption von Gesundheitsförderung und Rehabilitation, von psychosozialer Beratung und Prävention auf dem Hintergrund eines komplexen Verständnisses von pathologischen Erscheinungsbildern. Das Kohärenzgefühl ist eine allgemeine emotional-kognitive und sozial-emotionale Grundeinstellung des Individuums gegenüber der Welt und dem eigenen Leben, die sich als mehr oder weniger ausgeprägte Zuversicht ausdrückt, dass "mein Leben in dieser Welt" sinnvoll, verstehbar und von mir auch handhabbar und beeinflussbar ist. Im Zusammenfassend kommt es auf den individuellen Ebenen "Verstehen", "Handeln" und "Sinngebung" zum Ausdruck:

- auf der Verstehensebene, dass die Ereignisse der inneren und äußeren Welt als geordnet, vorhersehbar und erklärbar und nicht als willkürlich, zufällig oder gar chaotisch wahrgenommen werden (Gefühl der Verstehbarkeit von Leben und Welt),
- auf der Bewältigungsebene die Überzeugung, dass Schwierigkeiten lösbar sind und geeignete Ressourcen verfügbar sind, die benötigt werden, um die Anforderungen angemessen zu handhaben (Gefühl der Handhabbarkeit von Anforderungen),
- auf der Sinnebene, dass das Leben emotional sinnvoll erlebt wird und die erfahrenen Probleme und Anforderungen es wert sind, sich dafür ernsthaft anzustrengen und zu engagieren (Gefühl der Sinnhaftigkeit, Bedeutsamkeit von Leben).

(Vgl. Antonovsky 1979, 1987, 1997).

Im Zuge der Rehabilitation nach Schlaganfall gilt es diese Ebenen anzusprechen und auszuprägen. Besonders fernöstliche Bewegungstherapien können zur Entwicklung des Kohärenzgefühls einen großen Beitrag leisten, da sie in der Lage sind ethisch-moralische Lebenseinstellungen und philosophische Denkweisen anzuregen. Damit ist der Patient in der Lage sein Leben in einem größeren Zusammenhang wahrzunehmen und wird befähigt wichtige Ressourcen gegen ihn belastende Lebensumstände, wie Stress zu entwickeln.

Spezielle Rehabilitation nach Schlaganfall

Rehabilitation nach Schlaganfall sollte die Therapiestraße „Akutphase - Mobilisationsphase und Langzeitrehabilitation“ ermöglichen und gleitend funktionieren (Schöley 2002). Nach der Akuttherapie (pharmakologische Therapie, Physikalische Medizin und passive Physiotherapie) sollte rasch die Rehabilitation der Funktionsstörungen erfolgen, um mögliche funktionelle bzw. strukturelle Reservekapazitäten optimal zu nutzen. Woldag (2004) betont, dass Ziel der Rehabilitation läge nicht nur in einer körperlichen Wiederherstellung, sondern vielmehr in einer vollständigen ganzheitlichen Rehabilitation des Menschen als bio-psycho-sozialen Gefüges im Sinne der Salutogenese. Durch strukturelle, sowie funktionelle Kapazitätsreserven ist das Gehirn in der Lage Störungen seiner Teilsysteme bis zu einem bestimmten Grad zu korrigieren. Dieses Phänomen wird bei allen in der Rehabilitation zur Anwendung kommenden Behandlungsmethoden zur Wiederherstellung von Fertigkeiten und Fähigkeiten ausgenutzt (Schöley 2002). Der Schlaganfall ist eine Erkrankung des höheren Lebensalters, allerdings erkranken im zunehmenden Maße auch jüngere Menschen. Etwa 30 bis 35% der erkrankten Personen sind unter 35 Jahre (Wassmann et al 1987). Es lässt erkennen, dass die Rehabilitation nicht nur medizinische, sondern auch volkswirtschaftliche und berufliche Bedeutung hat. Sie darf daher nicht nur medizinische, sondern muss vielmehr auch therapeutische, psychische, soziale, psychosoziale und berufliche Ziele und Inhalte enthalten (ebd.). Mäurer et al (1996) formulieren die wichtigsten Rehabilitationsziele nach Schlaganfall wie folgt:

- eine komplette Restitution der gestörten Funktionen ist anzustreben (dies bleibt meist ein Idealziel)
- partielle Restitution hingegen ist in der Regel möglich, wodurch auch die Fähigkeitsstörungen und sozialen Beeinträchtigungen vermindert werden können. „Falls gestörte oder ausgefallene Funktionen nicht wieder hergestellt werden können, wird versucht, die funktionellen Auswirkungen im Alltag durch Aufzeigen und Einüben von Ersatzstrategien zu kompensieren.“ (ebd. S, 130).
- Falls bestimmte Funktionen nicht wieder hergestellt werden können, wird versucht, die entsprechenden Umweltgegebenheiten des Behinderten, z.B. seine Wohnung, der Arbeitsplatz oder das Auto, so umzugestalten und behindertengerecht einzurichten, dass die funktionellen Einschränkungen und sozialen Beeinträchtigungen gemindert werden

Es ist nötig und sinnvoll Bewältigungsstrategien zu fördern und eigene Initiativkräfte aufzubauen, um besser mit der eigenen Behinderung zu Recht zu kommen. „Dies bedeutet eine positive Krankheitsverarbeitung und gleichzeitig Hilfe zur Selbsthilfe.“ (ebd. S. 130). Bewährte Behandlungsmethoden nach Schlaganfall sind neben der medizinischen Therapie die Physiotherapie (Schulen nach Bobath, Voitja, Brunnstrom, propriorezeptive neuromuskuläre Fazilitierung etc.), die Ergotherapie (Schule nach Perfetti, sensorisch funktionelle Einzeltherapie, Selbsthilfetraining, Versorgung mit technischen Hilfen, Abklärung des häuslichen Betriebs etc.), die Psychotherapie (Hilfe zur Selbsthilfe, Attributionstraining etc.), die Sprachtherapie (Logopädie), die Sporttherapie (siehe Kap. 2.5.1) (Lokomotionstherapie, Gangschule, Koordinationstraining, etc.), sowie berufsbezogene Therapiemaßnahmen (Eingliederungstherapien etc.) (Mäurer et al 1996, Schöley 2002, Woldag 2004, Michael 2003, Hartmann et al 1987). Im Folgenden wird speziell auf die Inhalte der Rehabilitationsformen eingegangen werden. Im Rehabilitationsprozess von Schlaganfallpatienten kommen nicht alle dieser Therapiemaßnahmen zum Einsatz. Meist wird nur auf bestimmte Kombinationen zurückgegriffen, welche leider nicht immer, infolge ihrer Abgrenzung optimalen Erfolg aufweisen können.

Medizinische Therapie

Medizinische Therapie besteht aus pharmakologischen und diagnostischen Maßnahmen (Barolin 1980). Dabei steht die Elimination der Risikofaktoren, als Ursache des Schlaganfalls, im Vordergrund. Blutdruck- und cholesterinsenkende, herzstabilisierende Medikamente, wie auch Blutverdünner und Medikamente auf neuroleptischer Basis, die zentralnervale Wirkungen haben, kommen zum Einsatz. Neuere Forschungen, so Feeney u. Mitarb. (1986) beschreiben die positive Wirkung von Norepinephrin oder Amphetaminen bei der funktionellen Erholung untergegangener Nervenbereich, sowie Gangliengebiete. Da heute der Einfluss von Katecholaminen auf die Neustrukturierung, sowie genetische Anregung zur Selbstheilung des Nervengewebes bekannt ist, zählt der Einsatz dieser biochemischen Substanzen zur Standardtherapie. Woldag (2004) weist daraufhin, dass die Grundlage der medizinisch/neurologischen Rehabilitation die enorme Plastizität des Gehirns darstellt. Lange wurde davon ausgegangen, dass neuronale Verschaltungen im Gehirn nicht verrückbar sind und somit bei ihrem Untergang nicht mehr ersetzbar sind. Es ist mittlerweile erwiesen, dass das Gehirn in hohem Maße befähigt ist sich auf veränderte Bedingungen, wie es der Schlaganfall darstellt, durch funktionell, plastische Anpassungsprozesse einzustellen. Dieser Prozess ist durch Medikamente beeinflussbar, aber auch hemmbar und es ist Aufgabe des Arztes die, für den Patienten günstigsten Medikamente zu finden und anzuwenden (Woldag 2004). Auch Antidepressiva haben in der pharmakologischen Therapie eine große Bedeutung, da mehr als ein Drittel der Betroffenen zu depressiven Stimmungslagen neigen (Hartmann 1987). Im Zuge der Langzeitrehabilitation werden Medikamente zur Hemmung von Spastiken eingesetzt, damit motorische Fertigkeiten eine Grundlage zur Entwicklung bzw. Genesung haben. Die medizinische Rehabilitation setzt wichtige Grundsteine zur Durchführung weiterer Rehabilitationsmaßnahmen, wie z.B. der therapeutischen Rehabilitation (Mäurer et al 1996). Leider bleibt die medizinische Rehabilitation in ihrem Wirkungskreis meist isoliert und kann nur in seltenen Fällen ganzheitlich, wie es die beschriebenen Modelle der bio-psycho-sozialen Einheit des Menschen, des WHO-Modells oder des Salutogenesemodelles fordern wirken.

Physiotherapie nach Schlaganfall

„In der Physiotherapie gewinnen die modernen Fazilitationsmethoden zunehmend an Bedeutung, von denen die propriozeptive neuromuskuläre Fazilitation (PNF) und die Bobath-Methode für die Behandlung der Hemiplegie besonders hervorzuheben sind.“ (Hartmann et al 1987, S. 388). Das Prinzip dieser Methoden beruht zusammenfassend darauf, dass die gestörte Körperseite in das Behandlungskonzept einbezogen wird und durch Bahnung und Hemmung Bewegungsmuster der erkrankten Seite aufgebaut und trainiert werden. Die gesamten physiotherapeutschen Methoden sind umfangreich und sollen kurz genannt werden. Die Physiotherapie umfasst Bobath-Konzepte, Schulen nach Vojta, Perfetti und Brunnstrom, Eistherapie, PNF, Bewegungsbad, EMG-Biofeedback, Manuelle Therapie, Gipsmobilisation, Hockergruppen und Mattengruppen. Ziele der Physiotherapie bei Schlaganfallbetroffenen sind:

- maximale Förderung des motorischen und sensorischen Potentials der betroffenen Körperseite
- Selbstständigkeit der Betroffenen mit oder ohne Hilfsmittel
- Mobilisation und Dehnung der, von der Spastik betroffenen Gliedmaße als wichtigstes Ziel (sie bewirkt eine Hemmung der Spastik) (Woldag 2004)

Zur Verwirklichung muss auf folgende Inhalte eingegangen werden:

- Auflösung pathologischer Bewegungsmuster
- Reduzierung des Muskeltonus
- Schulung koordinativer Bewegungsabläufe
- Gleichgewichtsschulung
- Wahrnehmungsübungen für die betroffene Körperseite
- Gangschulung
- Anleitung zum Eigentraining
- Kontrakturbehandlung

Des Weiteren finden Beratungen über Hilfsmittelversorgung (Rollstuhlanpassung, Schienen, Gehhilfen etc.) statt. Auch eine Anleitung bzw. Beratung der Angehörigen wird als wichtiger Inhalt in die Therapie integriert (Vgl. Hartmann 1987, Mäurer et al 1996, Regli et al 1996, Schimpf 1999). Die Physiotherapie setzt damit wichtige Voraussetzungen für eine frühzeitige Widereingliederung in die Berufswelt bzw. Integration in den Alltag und die Möglichkeit motorischen Belastungen besser entgegen treten zu können. Dennoch werden soziale Faktoren bzw. psychologische Parameter vernachlässigt, so das isolierte physiotherapeutische Maßnahmen zwar für die motorische und sensomotorische Rehabilitation gut geeignet sind, jedoch im Sinne der angesprochenen Modelle von ganzheitlicher Gesundheit nur als Teilschritt zur kompletten Rehabilitation angesehen werden können. Sie legt somit das Fundament für weitere bewegungsorientierte Interventionen.

Ergotherapie nach Schlaganfall

Ergotherapie ist die „anwendungsbezogene Schulung sensomotorischer, seelisch-geistiger und sozialer Fähigkeiten im Hinblick auf Selbstständigkeit im persönlichen, sozialen und beruflichen Bereich.“ (Hartmann 1987, S. 390).

Krämer (1997) deklariert Ergotherapie als Beschäftigungs- und Aktivierungstherapie. Es ergeben sich nach Hartmann et al (1987) vier inhaltliche Gliederungen. Die sensorisch-funktionelle Einzeltherapie, das Selbsthilfetraining, die Versorgung mit technischen Geräten und Abklärungen im häuslichen Bereich. Sensorisch-funktionelle Einzeltherapie beinhaltet Schulung der Grob- und Feinmotorik, Kräftigung der Muskulatur, Koordinationstraining, Sensibilitätstraining, Hemiplegiebehandlung und das Umtrainieren auf die nichtbehinderte Hand. Selbsthilfetraining hingegen Alltagsaktivitäten, Essen und Trinken, persönliche Hygiene und Pflege, An- und Ausziehen, lebens-praktischer Bereich, Haushaltstraining und Stadttraining. Die Versorgung mit technischen Hilfen umfasst die Erprobung und Bestellung käuflicher Hilfsmittel, die Herstellung individueller Hilfsmittel und die Herstellung und Anpassen von Handschienen. Darüber hinaus kommen Hausbesuche beim Patienten und Beratung bei der Wohnungsplanung (Hilfsmittelversorgung) im Sektor des häuslichen Bereiches zur Anwendung. Nicht standardmäßig wird auch neuropsychologisches Training angeboten, wobei die Bereiche optische Wahrnehmung, Körperbewusstsein, räumliche Beziehungen und Praxisplanung inhaltlich integriert werden (Vgl. Hartmann et al 1987, Mäurer et al 1996). Ergotherapeutische Maßnahmen sind zeitlich begrenzt und nicht von Dauer. Es wird vorausgesetzt, dass Patienten Lösungskonzepte erlernen, welche sie befähigen bei neu eintretenden Problemen ruhig zu bleiben und problem-orientierte Lösungen zu entwickeln. Ergotherapeutische Maßnahmen nur im geringen Maße psychologisch wirksam, wodurch der Patient nur selten die Wichtigkeit psychologischer, eigenständig durchführbarer Therapieverfahren zur Entspannung oder Bewältigung seines Krankheitsgeschehens erfährt.

Psychotherapie nach Schlaganfall

Psychotherapie nach Schlaganfall teilt sich in zwei Aufgabenfelder. Psychische bzw. neuropsychologische Inhalte kommen hierbei zum Einsatz (Mäurer et al 1996). Psychotherapeutische Interventionen umfassen folgende Inhalte:

- Gesprächstherapie (Einzelgespräche)
- Gruppentherapie
- Partnertherapie
- Emotionstraining (Entwicklung von Gelassenheit und innerer Ruhe)
- Psychophysische Regulation
- Attributionstraining (Änderung Bewältigungs- und Sichtweise verschiedener alltägliche Problematiken)
- Angehörigentraining

(Vgl. Schöley 2002, Michael 2003, Hartmann et al 1987).

Es wird versucht dem Betroffenen ein positives Bild von sich und seiner Umwelt zu vermitteln. Es müssen Strategien der Krankheitsbewältigung entwickelt, sowie positive Attributionsmuster aufgebaut werden. Oberstes Ziel ist die Vermittlung von Lebensfreude und die Wiederherstellung der Genussfähigkeit (Michael 2003).

Der neuropsychologische Leistungsverbesserung, sowie Diagnostik kommt im psychotherapeutischen Rehabilitationsprozess eine wichtige Bedeutung zu. Inhaltlich wird angeboten:

- Aufmerksamkeits-,/Konzentrationstraining
- Lernen/Gedächtnis (Schulung, Entwicklung)
- Sehen und visuelle Wahrnehmung
- Räumlich-konstruktive Intelligenzleistungen
- Entspannungsverfahren
- Hilfe bei der Krankheitsbewältigung
- Gesundheitstraining
- Diagnostik und Therapie von psychopathologischen Auffälligkeiten

(Vgl. Mäurer et al 1996)

Leider ist es nicht möglich im Rahmen einer Psychotherapie neuro-psychologischen Ressourcen und inhaltlichen Thematiken in ausreichendem Maße auszuschöpfen. Es bedarf der Zusammenarbeit mit anderen Therapiemethoden (Bsp.: Sporttherapie), welche spezifischer auf diese Problematiken eingehen und Alltagsbezug herstellen können. Es ist des Weiteren erforderlich die psychologische Rehabilitation ganzheitlich im Sinne der angesprochenen Modelle zu strukturieren. Dies hat schon in den ersten Tagen nach dem Akutereignis Relevanz und nimmt im Laufe der rehabilitativen Behandlung an Bedeutung eher zu (Rusk 1977). Depressive Verstimmungen kombinieren sich, besonders bei neurologischen Erkrankungen mit körperlichen Symptomatiken (Begleitdepressionen). Bei Schlaganfall findet sich die statistisch höchste gesicherte Wahrscheinlichkeit aller neurologischen Erkrankungen für die Ausprägung des Phänomens Begleitdepression (13%), wobei keine Geschlechtsunterschiede nachweisbar sind. Partnerschaftliche Probleme und Persönlichkeitsveränderungen sind mögliche Auswirkungen. Es ist daher unumgängliche Therapiemethoden anzubieten, welche spezifisch auf das Phänomen Begleitdepression abgestimmt sind, wobei neue Übungswege einen erheblichen Beitrag dazu leisten können. Bei der Klärung der Risikofaktoren wurde schon deutlich, welchen hohen Stellenwert psychischer Vorgänge auf physiologischer Ebene haben können und das sie als eine der Hauptursachen für die das Erleiden eines Schlaganfalls ausgewiesen werden können. Es kann davon ausgegangen werden, dass eine unzureichende psychologische Auseinandersetzung mit der Erkrankung das Risiko eines Re-infarktes deutlich erhöht. Die Psychotherapie stellt wichtige psychologische Ressourcen zur Krankheitsbewältigung und Emotions- bzw. Affektkontrolle im Umgang mit der Erkrankung bereit. Darüber hinaus werden wichtige Widerstandquellen geschaffen, um sich den Problemen des alltäglichen Lebens zu widmen. Motorisch relevante Rehabilitationsziele, sowie körperorientierte Methoden der psychologischen Bewältigung (psychophysiologische Verfahren), wobei die Wichtigkeit und die Zusammenhänge von motorischen bzw. sensomotorischen Qualitäten im Verlauf der Arbeit dargelegt wurden, werden nur mangelhaft bzw. meist nicht erfüllt. Die Psychotherapie ist daher als isolierte Rehabilitationsmethode nur bedingt einsetzbar und bedarf der fachübergreifenden Unterstützung anderer Therapiemaßnahmen, um ganzheitlich wirken zu können. (Hartmann et al 1987, Mäurer et al 1996, Michael 2003, Rusk 1977, Schöley 2002, Stiller 2004).

Sprachtherapie nach Schlaganfall

Sprachtherapie besitzt in der Rehabilitation bei Schlaganfallbetroffenen einen wichtigen Stellenwert (siehe Kap. 2.3). „Beim Vorliegen einer aphatischen Störung wird ab der 2. Woche mit Beginn der Mobilisationsphase auch die entsprechende logopädische Übungstherapie begonnen.“ (Barolin 1980, S.187). Im Mittelpunkt steht die Einzelbehandlung durch einen qualifizierten Therapeuten (Logopäde, Sprachheilpädagoge oder Linguist). Es können auch Gruppentherapien im Sinne eines sprachlichen Rollenspieles oder psycholinguistischer Aspekte sinnvoll sein, der Wert der Einzeltherapie ist jedoch nicht ersetzbar. Aphasietherapie bedeutet die Behandlung aller sprachlichen Modalitäten einschließlich der Schriftsprache. Zur inhaltlichen Struktur gehören die Diagnostik und Therapie von Aphasien (Sprachstörungen) und Dysarthrien (Sprechstörungen), die Behandlung von Schluckstörungen und die Behandlung von Stimmstörungen. Die Sprachtherapie ermöglicht es dem Betroffenen neues Selbstwertgefühl aufzubauen und im Alltag, sowie der beruflichen bzw. sozialen Wiedereingliederung selbstbewusster und selbstbestimmter aufzutreten. (Vgl. Barolin 1980, Hartmann et al 1987, Mäurer et al 1996, Michael 2003). Sprachtherapie stellt eine wichtige Teilrehabilitation dar, wodurch wichtige Voraussetzungen für weitere Übungswege geschaffen werden können.

Berufsbezogene Therapiemaßnahmen nach Schlaganfall

Berücksichtigt man den hohen Anteil der unter 50jährigen Schlaganfallbetroffenen, so wird verständlich, dass berufliche Maßnahmen in den Rehabilitationsplan früh einbezogen werden müssen. Die inhaltlichen Maßnahmen umfassen eine Analyse des Arbeitsplatzes, beruflicher Werdegang und Anforderungen, Belastungserprobung (Feststellung der verbleibenden Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit), Berufstraining (berufliche Fertigkeiten), berufliche Anpassung (praxisorientierte Anpassung vorhandener Kenntnisse und Fertigkeiten an veränderte Anforderungen am Arbeitsplatz), sowie Berufsvorbereitung (Grundlage für die anschließende Anpassungs-, bzw. Umschulungsmaßnahme) (Vgl. Hartmann et al, 1987). Während der vorangehenden medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen sollte überprüft werden, ob der Schlaganfallbetroffene berufs- bzw. erwerbstätig werden kann und die nötige mentale Stabilität für den Arbeitsalltag aufweist. Darüber hinaus werden sozialpädagogische Hilfestellungen angeboten, wie sie die Beratung über gesetzliche Möglichkeiten des Schwerbehindertenrechts, die Organisation von Hilfen für die Nachsorge, Angehörigkeitsarbeit und die Kontakte zu Selbsthilfegruppen darstellen (Vgl. Mäurer et al 1996). Auch bei der berufsbezogenen Rehabilitation wird deutlich, dass sie dem dringenden Vorhandenseins weiterer ergänzenden Therapiemaßnahmen bedarf, um den Ziele einer ganzheitlichen Rehabilitation gerecht zu werden. Sie kann im Zuge dieser hohen Ziele als wichtiger Schritt zur beruflichen und sozialen Integration angesehen werden.

2.5.1 Sport- und Bewegungstherapeutische Rehabilitation nach Schlaganfall

„Sporttherapie ist eine bewegungstherapeutische Maßnahme, die mit geeigneten Mitteln des Sportes gestörte körperliche, psychische und soziale Funktionen kompensiert, regeneriert, Sekundärschäden vorbeugt und gesundheitliche orientiertes Verhalten fördert. Sporttherapie beruht auf biologischen Gesetzmäßigkeiten und bezieht besonders pädagogische, psychosoziale und soziotherapeutische Verfahren mit ein und versucht eine überdauernde Gesundheitskompetenz zu erzielen.“ (Schöley 2002). Das Mittel der Sporttherapie (ebd.) wird den Betroffenen stationär und/oder ambulant angeboten. Sie ist allen Behinderten, von Behinderung Bedrohten und Chronisch Kranken zugänglich, von speziellen Fachkräften durchgeführt und verfügt über spezielle sachgerechte Diagnostiken mit speziell ausgewählten Inhalten und mit indikationsspezifischen Methoden. Sie ist durch sorgfältige Wahrung der möglichen Belastungs- und Bedingungsspezifik auf die Erzielung langfristiger Erfolge ausgelegt (Innenmoser 1999).

2.5.1.1 Ziele der sport- und bewegungstherapeutischen Rehabilitation bei Schlaganfallbetroffenen

Schlaganfallpatienten müssen aufgrund ihrer motorischen, sowohl auch psychisch-kognitiven und sozialen Einschränkungen Trainingsmöglichkeiten angeboten werden, die dem Prinzip des biopsychosozialen Modells entsprechen. Das Training der Koordination, der lokalen und allgemeinen dynamischen Ausdauer, sowie die Schulung der Sensomotorik und Wahrnehmung, als auch das Training der Konzentration und die Verbesserung kognitiver Leistungsvoraussetzungen ist für Schlaganfallbetroffenen von großer Bedeutung (Schöley 2002, 2005 Woldag). Dabei sind die höchstmögliche Selbstständigkeit bei der Bewältigung des Alltags und die Vermeidung von Sekundärschäden und Funktionsstörungen anzustreben. Weiterhin muss Wert auf die Vermittlung von Spaß, Freude und Genussfähigkeit gelegt werden und der Schlaganfallbetroffene zu der Erkenntnis befähigt werden durch regelmäßige, moderat betriebene Bewegung einen wesentlichen Beitrag zur individuellen Gesunderhaltung zu leisten. Es besteht der Anspruch, durch Beachtung der methodischen Prinzipien der Differenzierung, Individualisierung, Modifizierung und Improvisation möglichst jeden Betroffenen zu erreichen. Hierbei ist die Integration verschiedener Prinzipien und Methoden des Trainings (Zyklisierung, Belastungsgestaltung, Vielseitigkeit, Übungsauswahl) von tragender Bedeutung. Entsprechend seiner diagnostisch bestimmbaren individuellen Leistungsgrenze sollte der Schlaganfallbetroffene ohne Über-, (Gefahr von Verletzungen bzw. contraindikativen Wirkungen) und Unterforderung (Adaptationsschwelle wird nicht erreicht) üben bzw. trainieren. Die aktive Mitarbeit und ein hohes Maß an Selbstwirksamkeit und Motivation sind im Rehabilitationsprozess daher unverzichtbar (Vgl. Schöley, Innenmoser, Woldag 2005, unveröffentlicht).

Zielstellungen ( nach Schöley 2002)

Motorische Ziele

- Verbesserung und Stabilisation der Hand- und Armfunktion
- Rumpfstabilisation
- Verbesserung der Gleichgewichtsfähigkeit
- Alltagbewältigung mit speziell entwickelten Handlungsstrategien
- Erhalt bzw. Ausgleich der physiologischen Körpersymmetrie
- Stabilisation des funktionellen Körperschemas
- Hemmung kompensatorischer Hyperaktivität
- Handlungsfähigkeit der betroffenen Körperseite
- Entwicklung fähigkeits-, und fertigkeitsspezifischer Voraussetzungen zur Befähigung eigener Trainingseinheiten

Sensomotorische Ziele

- Erwerb von Bewegungs- und Haltungskontrolle (Verbesserung und Stabilisierung der Gleichgewichtsreaktion beim Stehen, gehen und Übersteigen von Hindernissen, sowie der Arm- und Handfunktion)
- Verbesserung und Stabilisation der Körperwahrnehmung
- Verbesserung und Stabilisation der Herz-Kreislauffunktionen
- Vermeidung von Kontrakturen und Verringerung spastischer Bewegungsmuster
- Wiedererlernung motorischer Alltagsanforderungen (Haushalt, Verkehrsmittel, Straßenverkehr)

Kognitive Ziele

- Schulung der Konzentrationsfähigkeit
- Verbesserung der Aufmerksamkeit
- Schulung der Merkfähigkeit und des Gedächtnisses
- Verbesserung der Entspannungsfähigkeit
- Training der geistigen Fähigkeiten, sowie der geistigen Belastbarkeit

Psychosoziale Ziele

- Abbau von psychosozialen Hemmungen und krankheitsbedingter Isolation
- Wiedergewinnung von Selbstvertrauen und Durchsetzungsfähigkeit
- Vermittlung von Lebensfreude in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter und Betroffener
- Akzeptanz, sowie selbstbewusster Umgang mit der Krankheit
- Einbeziehung der Lebensgefährten (Ehepartner, Familienmitglieder, Freunden) zur Schulung richtiger Hilfestellung und Bewusstmachung wiedererlangter Fähig-, und Fertigkeiten
- Überwindung der gelernten Hilflosigkeit nach langzeitigen Pflegemaßnahmen

Es wird deutlich, dass psychische Faktoren nur wenig benannt werden. Mentale Stabilität, Selbstwirksamkeit, ein gesundes Körperbild, sowie das Entwickeln von Selbstvertrauen müssen ebenfalls die genannten Zielstellungen ergänzen, welche durch neue Übungswege integriert werden könnten (Vgl. Regli et al 1996, Schimpf 1999, Schöley 2002, Schöley, Innenmoser, Woldag 2005).

2.5.1.2 Inhalte und Prinzipien der sport- und bewegungs- therapeutischen Rehabilitation bei Schlaganfallbetroffenen

Inhalte richten sich nach dem individuellen Leistungsstand (motorisch, kognitiv, psychisch etc.), der Motivation der Betroffenen, der speziellen Symptomatik und der Verfügbarkeit materieller und räumlicher Mittel zur Durchführung der Bewegungsaufgaben. Von großer Wichtigkeit sind die Individualisierung, sowie die exakte Differenzierung (Vgl. Woldag und Schöley 2005).

Inhalte der sport- und bewegungstherapeutischen Rehabilitation (nach Schöley 2002, Schöley, Woldag, Innenmoser 2005)

Motorische bzw. sensomotorische Inhalte

- Aktives Bewegungs- und Verhaltenstraining
- Übungen zur Verbesserung der koordinativen Fähigkeiten durch Teil- und Ganzkörperbewegungen
- Übungen zur Verbesserung der konditionellen Fähigkeiten (Laufbandgehen, Fahrradergometrie, Laufen auf verschiedenen Untergründen)
- Gehschulprogramme zur Verbesserung und Stabilisation der individuellen optimalen Gehtechnik
- Bewegungsspiele zur Provokation der Benutzung der betroffenen Körperseite
- Spezielle Übungen zur Steigerung der Körperwahrnehmung bzw. des kinästhetischen Empfindens
- Übungen zur Bewusstmachung bzw. Verarbeitung taktiler, vestibulärer und kinästhetischer Informationen
- Übungen zum Aufbau einer gesunden Körperhaltung und Fortbewegung

Kognitive Inhalte

- kognitives Training durch Bewegungsspiele zur Verbesserung der Konzentration, der Reaktion, der Aufmerksamkeit, der Merkfähigkeit, bzw. des motorischen und informationellen Gedächtnisses
- Erlernen und Anwenden von speziellen Entspannungsverfahren (Progressive Muskelrelaxation (PMR), psychophysischer Regulation, Körperreisen und Körperwanderungen, Fantasiereisen, Tiefenentspannungen, Musikentspannungen, Eigen- und Fremdmassage

Psychosoziale Inhalte

- Steigerung kommunikativer Prozesse unter Verwendung mimischer und gestischer Signale (Pantomimische Übungen, Darstellungsübungen, Verbalisation der motorischen Handlungen, Beschreibung auftretender Gefühle und Empfindungen)
- Angehörigentraining: Erlernen bestimmter Hilfstechniken zur Anwendung in Situationen hoher motorischer Beanspruchung
- Entspannungsübungen in der Gruppe bzw. mit dem Partner
- Durchführung geselliger Aktivitäten mit der Gruppe (Durchführung von feierlichen Jahrestagen, jahreszeitliche Freizeitaktivitäten bis zu außersportlichen kulturellen Ausflügen)

Die dargebotenen Inhalte in der Schlaganfalltherapie müssen einer zweckmäßigen Zusammenstellung unterliegen, damit Über-, bzw. Unterforderung vermieden werden. Kompensationsphasen müssen eingeplant sein, wobei das wahlweise Ausführen der Übungen in Sitz oder Stand von Vorteil sein kann. Die Inhalte sollten niemals unter Zeitdruck vermittelt werden. Der Betroffene muss stets die Möglichkeit haben einen entsprechenden zeitlichen Rahmen zur Ausführung der Übungen zur Verfügung zu haben, um bewusstes und erkennendes motorisches Handeln zu fördern und die Motivation am Lernprozess aufrecht zu erhalten (Schöley 2002, Schöley, Innenmoser, Woldag 2005).

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Ende der Leseprobe aus 184 Seiten

Details

Titel
Untersuchung zur Wirkungsweise von Tai-Yo-Chi® (Tai Chi, QiGong und Yoga) bei Schlaganfallbetroffenen
Hochschule
Universität Leipzig  (Sportwissenschaftliche Fakultät; Rehabilitation)
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
184
Katalognummer
V48643
ISBN (eBook)
9783638452991
ISBN (Buch)
9783638742993
Dateigröße
1273 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Arbeit befasst sich mit den Wirkungsweisen von TaiChi, QiGong und Yoga (Tai-Yo-Chi®) bei Schlaganfallbetroffenen im Rahmen eines mehrwöchigen Interventionsprogrammes. Mit Hilfe von Gleichgewichtsmessungen, Messungen des Körperbildes, der Befindlichkeit, der Krankheitsbewältigung, Reaktionstest, Konzentrationsmessungen, sowie der Bestimmung der alltagsrelevanten motorischen Leistung soll geklärt werden, ob durch eine mehrwöchige Intervention Verbesserungen erreicht werden können. Die Rohdatenblätter der Gleichgewichtsmessung können auf diesen Seiten nicht veröffentlicht werden, da sie dem Datenschutz unterliegen!
Schlagworte
Untersuchung, Wirkungsweise, Tai-Yo-Chi®, QiGong, Yoga), Schlaganfallbetroffenen
Arbeit zitieren
Dipl. Sportlehrer, stud. med. Mario Heinrichs (Autor:in), 2006, Untersuchung zur Wirkungsweise von Tai-Yo-Chi® (Tai Chi, QiGong und Yoga) bei Schlaganfallbetroffenen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48643

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