Wie funktioniert moderne Unternehmensfinanzierung? Crowdfunding mit Fokus auf Initial Coin Offering


Thèse de Bachelor, 2019

47 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Crowdfunding
2.1 Finanzierungsmechanismus und Modelle
2.2 Ablauf und Bestandteile einer Crowdfunding-Kampagne
2.3 Marktstruktur in Deutschland
2.4 Crowdfunding-Plattformen

3 Initial Coin Offering
3.1 Blockchain-Technologie und Finanzierungsmechanismus
3.2 Ablauf und Bestandteile einer ICO-Kampagne
3.3 Rechtliche Betrachtung
3.4 Globale Marktstruktur
3.5 Erfolgsfaktoren einer ICO-Kampagne

4 Bewertung der Finanzierungsformen
4.1 Unternehmensperspektive
4.2 Investorenperspektive
4.3 Vergleich zu klassischen Finanzierungsformen

5 Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1- Entwicklung des Crowdfunding-Finanzierungsvolumens

Abbildung 2- Entwicklung des ICO-Finanzierungsvolumens

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

In einer zunehmend globalisierten Wirtschaft gewinnt die Innovationsfähigkeit von Unternehmen für die Wohlstandswahrung einer Volkswirtschaft immer mehr an Bedeutung.1 Die Innovationskraft geht dabei meist von sogenannten Start-ups aus, die sich im Gründungsprozess ihrer Unternehmung befinden, jedoch über ein überdurchschnittliches Wachstums- und Renditepotenzial verfügen. Aufgrund dieser frühen Unternehmensphase herrscht ein hohes Unternehmensrisiko, da die eigenen Umsätze noch sehr gering sind, jedoch eine stets ausreichende Liquidität überlebensnotwendig ist.2 Hierdurch sind für den ansteigenden Kapitalbedarf externe Finanzierungsquellen in Form von Wagniskapitalgebern von elementarer Bedeutung.

Die Vorschriften der Bankenregulierung durch Basel III haben nach der Finanzkrise 2008/2009 dazu geführt, dass Banken als bisherige Wagniskapitalgeber in ihrer Investitionsbereitschaft stark eingeschränkt wurden.3 Die Wissenschaft hat somit in dieser Gründungsphase eine Finanzierungslücke festgestellt, sprich ein Ungleichgewicht von Kapitalbedarf und -angebot.4

Im Rahmen dieser Arbeit werden somit moderne Finanzierungsformen für Unternehmen in der Gründungsphase vorgestellt und ihr Potenzial beurteilt, diese Finanzierungslücke zu schließen. Im Konkreten werden das Crowdfunding und Initial Coin Offering5 (ICO) näher beleuchtet.

Das ICO baut auf der Grundform des Crowdfundings auf und verbindet diese mit der Blockchain-Technologie, die als eine der disruptivsten Innovationen gilt. So gelang es dem Unternehmen „Block.one“ innerhalb eines Jahres mehr als 4 Mrd. USD an Finanzmitteln einzusammeln und das mit lediglich einer Geschäftsidee. Dies gilt zwar als die bisher erfolgreichste Kampagne, jedoch konnten eine Vielzahl weiterer Unternehmen innerhalb weniger Stunden Millionenbeträge verzeichnen.6

Zunächst werden die theoretischen Grundlagen, elementaren Bestandteile und Marktstrukturen von Crowdfunding und Initial Coin Offering in Kapitel 2 und 3 behandelt. Das ICO wird, wie im Titel beschrieben, als junges Phänomen nochmals ausführlicher vorgestellt. Dabei wird auch im Speziellen die Blockchain- Technologie als Voraussetzung prägnant wiedergegeben, rechtliche Rahmenbedingungen beschrieben und auf die Erfolgsfaktoren einer Kampagne verwiesen. In Kapitel 4 werden die Finanzierungsformen anhand konkreter Merkmale aus Unternehmens- und Investorenperspektive bewertet und anschließend mit traditionelleren Formen der Start-up-Finanzierung verglichen. Kapitel 5 fasst die wichtigsten Aspekte der behandelten Finanzierungsformen in einem Fazit zusammen und wagt eine Zukunftseinschätzung. Als Grundlage der Arbeit wurde eine Literaturrecherche durchgeführt, die durch qualitative Erkenntnisse aus Experteninterviews (n=3) ergänzt wurde.

2 Crowdfunding

2.1 Finanzierungsmechanismus und Modelle

Der Begriff „Crowdfunding“ entstammt aus dem Grundgedanken des „Crowdsourcing“ von Howe. Hierbei werden monetäre und nicht-monetäre Wertschöpfungsprozesse an eine Vielzahl von Personen ausgelagert, die ihre Ressourcen für die Erreichung des Vorhabens nutzbar machen.7

Bei “Crowdfunding” (dt. “Schwarmfinanzierung”) handelt es sich im weiteren Sinne um einen öffentlichen Aufruf im Web 2.08 zur Beschaffung finanzieller Mittel für Projekte von Einzelpersonen oder Organisationen. Das Vorhaben wird dabei durch zahlreiche kleine Geldbeträge von einer Vielzahl von Unterstützern, der sogenannten „Crowd“ gefördert, die sich letztendlich zum gesamten Finanzierungsvolumen, dem „Funding“, zusammensetzen.9

Der Begriff „Crowdfunding“ dient dabei als Sammelbegriff von vier verschiedenen Arten.10 Diese können nach Massolution anhand der Art der Gegenleistung für den erfolgten finanziellen Beitrag unterteilt werden. Die Terminologie der verschiedenen Arten variiert in der Literatur, da es sich um Begriffe handelt, die aus dem Englischen übersetzt wurden.11 Die im Folgenden vorgestellten Bezeichnungen werden im weiteren Verlauf dieser Arbeit verwendet.

Das „Crowdinvesting“ und „Crowdlending“ fallen unter die Arten mit finanzieller Gegenleistung auf das eingesetzte Kapital.12

Beim Crowdinvesting handelt es sich um eine Beteiligung am finanziellen Erfolg des Unternehmens. Die Beteiligung wird meist in Form von Mezzanine-Kapital realisiert, welches konkret (partiarische-) Nachrangdarlehen, stille Beteiligungen oder Genussrechte umfassen kann. Für den Investor steht hierbei die Rendite der Investition im Vordergrund, welche je nach Form der Anlage durch Zinsen oder eine Gewinnbeteiligung ausbezahlt wird.13

Beim Crowdlending wird das gesammelte Geld der Unterstützer in Form eines Kredites an eine Privatperson oder ein Unternehmen ausbezahlt. Das Finanzierungsvolumen wird durch verschiedene Tilgungsformen plus Zinsen innerhalb einer bestimmten Zeit zurückbezahlt. Für die Kreditgeber steht auch hier durch den Zinsertrag die finanzielle Rendite im Vordergrund und dient somit als Kapitalanlage.14

Weitere Unterformen des Crowdfundings sind das „Reward-basierte Crowdfunding“ und „Crowddonating“, welche sich durch Gegenleistungen nicht- finanzieller Art auszeichnen.15

Beim Reward-basierten Crowdfunding wird die finanzielle Unterstützung als Kapitalüberlassung für ein Projekt betrachtet, für das der Investor eine ideelle oder materielle Gegenleistung erhält. Im kommerziellen Kontext wird diese Form als Vorauszahlung des Investors für einen zukünftigen Nutzen des Projektes angewandt. Hierbei sind eine Vielzahl von werthaltigen Leistungen denkbar, wie beispielsweise Prämien, Rabatte, Erstrechte zur Nutzung oder das finale Produkt selbst.16

Beim Crowddonating handelt sich der Beitrag um eine Spende, ohne dabei eine Gegenleistung zu erhalten. Da es sich hierbei um eine Unterstützung von rein sozialen oder politischen Projekten handelt, spielt es für die Finanzierung von kommerziellen Projekten keine Rolle und wird demnach im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter thematisiert.17

Der Überbegriff „Crowdfunding“ im engeren Sinne, definiert demnach eine externe Finanzierungsform für Unternehmen und kommerzielle Projekte.18 In diesem Kontext werden die Formen „Crowdinvesting“, „Crowdlending“ und „Reward- basiertes Crowdfunding“ weiter betrachtet. Dem Internet wird hierbei ein spezieller Stellenwert zugerechnet, da es die weitflächige Verbreitung der Projekte sowie den Abwicklungsprozess stark vereinfacht.19 Die Crowdfunding-Plattform dient als digitaler Marktplatz und bringt die zwei Hauptparteien, Initiator und Kapitalgeber, zusammen. Der Initiator sucht demnach externes Kapital für die Finanzierung eines Geschäftszweckes und stellt das Projekt auf der Plattform vor. Die Unternehmensphase der Finanzierung kann in der Praxis je nach Crowdfunding- Art variieren und wird in 2.3 näher beleuchtet. Die Kapitalgeber unterstützen mit ihrem bereitgestellten Kapital ausgewählte Projekte.20 Die Motivation dahinter kann mehrere Motive haben und reicht von der ideellen Bindung an das Projekt, über die Teilhabe am unternehmerischen Wirken bis hin zur wirtschaftlichen Rendite. Die Online-Plattform nimmt als Intermediär eine Dienstleistungsfunktion ein. Diese umfasst je nach Ausgestaltung der Plattform die technische Infrastruktur, das Bezahlsystem sowie das Marketing des Projektes. Weiterführend werden auch vereinzelt Projektbewertungen durchgeführt, um das Erfolgspotential zu evaluieren.21

2.2 Ablauf und Bestandteile einer Crowdfunding-Kampagne

Die Crowdfunding-Kampagne bildet den erfolgskritischen Prozess eines jeden Projektes und entscheidet demnach, inwiefern eine gute Geschäftsidee durch eine Crowdfinanzierung realisiert werden kann. Durch die Vielzahl von Crowdfunding- Plattformen und unterschiedlichen Crowdfunding-Arten haben sich zwar spezifische Eigenheiten entwickelt, jedoch folgen alle grundsätzlich einem einheitlichen Ablauf.22 Die Literatur ordnet die einzelnen Vorgänge unterschiedlichen Phasen zu. Im Rahmen dieser Arbeit gelten die Vorbereitungs-, Bewerbungs-, Finanzierungs- und Betreuungsphase als der strukturelle Rahmen einer Kampagne.23

Die Vorbereitungsphase

Da sich die Plattformen auf einzelne Crowdfunding Arten spezialisiert haben, stellt die Auswahl des Anbieters eine Grundsatzentscheidung für die Form der Crowdfunding-Art dar.24 Die Plattformen geben individuell an, welche Projektunterlagen im Detail für die Veröffentlichung zur Verfügung gestellt werden müssen.25 Wichtige Aspekte der Unterlagen bilden die Beschreibung der Projektidee und eine konkrete Vorstellung der Finanzierungssumme, die benötigt wird, um diese umzusetzen.26 Da im Rahmen des Projektes meist eine heterogene Gruppe von potenziellen Gelegenheitsinvestoren angesprochen wird, ist es notwendig, durch klare Formulierungen den Zusammenhang der Finanzierungssumme und der Projektidee zu erläutern.27 Der Kern einer Kampagne bildet ein Video, das das dahinterstehende Team und das Projekt prägnant präsentiert, wodurch die potentiellen Unterstützer eine emotionale Bindung aufbauen können.28 Diesen Zusammenhang wiesen Lawton und Marom in ihrer Studie nach, welche besagt, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit durch die Veröffentlichung eines Videos signifikant ansteigt.29 Darüber hinaus sollte angegeben werden, in welcher Zeitspanne die Kampagne stattfindet. Dies gilt auch als kritischer Erfolgsfaktor, da nach Steinberg eine kürzere Laufzeit von 30 Tagen, eine um 20 Prozentpunkte höhere Erfolgsquote darstellt, als bei 90 Tagen.30 Dieses Phänomen wird auch für die ICO-Kampagne dokumentiert und wird somit in 3.5 nochmals aufgegriffen.

Die Bewerbungsphase

Nachdem die notwendigen Unterlagen erstellt wurden, wird die Idee bei einzelnen Plattformen automatisch veröffentlicht, bei einigen wird jedoch eine Vorauswahl getroffen. Für das Crowdinvesting im Speziellen, wird in Form eines Screening-Prozesses eine Plausibilitätsprüfung des Geschäftsmodells und der Finanzdaten durchgeführt sowie der Hintergrund des Projektteams untersucht. Der Umfang und die Qualität der Überprüfung sind abhängig von der jeweiligen Plattform, da es auf der Grundlage eigener Kriterien basiert. Generell soll dieser Prozess die Erfolgsaussichten des Projektes erhöhen und den Anlegern einen standardisierten Rahmen für ihre Investitionsentscheidung bieten.31

Die Finanzierungsphase

Sobald das Projekt veröffentlicht ist, können sich potenzielle Unterstützer darüber informieren und im angegebenen Zeitraum konkrete Finanzierungsbeiträge über gewöhnliche Zahlungsanbieter beisteuern.32 Die Plattform dient hierbei als Treuhänder der getätigten Zahlungen bis die Kampagne abgeschlossen ist.33 Der Finanzierungsfortschritt kann auf der Plattform der Kampagne jederzeit nachvollzogen werden, da sowohl die Anzahl der Unterstützer als auch die jeweiligen Beträge veröffentlicht werden.34 Die Finanzierungsphase gilt als beendet, wenn entweder die Zielsumme erreicht wurde oder der angegebene Zeitraum verstrichen ist.35 Als ein elementarer Bestandteil dieser Finanzierungsphase gelten das Marketing und die Kommunikation mit den Unterstützern. Das Marketing soll die Aufmerksamkeit und den Bekanntheitsgrad des Projektes steigern und somit eine möglichst große Anzahl an Unterstützern generieren. Da der Prozess sich vorrangig im Internet abspielt, gelten soziale Medien durch ihre hohe Reichweite und geringen Kosten als wichtige Kanäle hierfür. Die Kommunikation sollte mit den potenziellen Unterstützern nach Hahn stets offen und transparent vollzogen werden, was als sehr zeitintensiv gilt, jedoch eine Notwendigkeit für die Investitionsentscheidung darstellt.36

Die Betreuungsphase

Mit Abschluss der Kampagne werden die Finanzierungszusagen in der Regel nach dem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ zugeteilt. Sollte das Finanzierungsziel erreicht werden, so bekommt der Initiator das eingesammelte Geld abzüglich der Plattformprovision ausbezahlt. Wurde es allerdings verfehlt, so gilt die Kampagne als gescheitert und die Zahlungsversprechen werden rückabgewickelt.37 Erfolgreiche Kampagnen beginnen nun mit der Realisierung des Projektes und müssen letztendlich die versprochene Gegenleistung gewähren. Die Unterstützer können in einem geschlossenen Informationskanal über den Fortschritt des Vorhabens informiert werden.38 Beim Crowdinvesting bestehen konkrete Informationspflichten an die Investoren. Der Umfang hierfür wird im Speziellen in den Beteiligungsverträgen definiert.39 Die Unterstützer sollten zudem aktiv in das Marketing und die Projektentwicklung miteinbezogen werden, welches in Kapitel 4.1 näher beschrieben wird.

2.3 Marktstruktur in Deutschland

Der Crowdfunding Markt ist nach wie vor stark fragmentiert und aufgrund unterschiedlicher Gesetzgebungen und Sprachbarrieren auf die nationalen Märkte konzentriert.40 Vor diesem Hintergrund werden nun die deutschen Marktgegebenheiten näher betrachtet und im internationalen Kontext eingeordnet. Im deutschen Crowdfunding Markt wurde im Zeitraum von 2014 bis 2018 ein Gesamtfinanzierungsvolumen von 270,3 Mio. EUR ausgewiesen.41 Für das Crowdlending und Crowdinvesting, welche die bedeutenderen Anteile des Volumens darstellen, können umfangreiche Marktdaten der „Crowdinvest“ Datenbank abgerufen werden. Hierbei werden nur Rendite-Projekte berücksichtigt, die ausschließlich unternehmerische Vorhaben unterstützen und somit private Projekte außen vor lassen.42 Das Volumen des Crowdinvestings hat sich im Zeitraum von 2014 bis 2018 mehr als verdreifacht und markiert im Jahr 2018 rund 43,7 Mio. EUR. Das Crowdlending verzeichnete im Jahr 2018 rund 36,1 Mio. EUR Finanzierungsvolumen, wobei aufgrund des noch geringen Volumens in 2014 ein weitaus größerer Anstieg von mehr als 700 % zu dokumentieren ist.43 Die Marktzahlen für das Reward-basierte Crowdfunding sind limitiert. Zum einen sind nur verlässliche Zahlen bis zum Jahre 2016 verfügbar und zum anderen ist nicht transparent dokumentiert, welcher Anteil der Projekte einen kommerziellen Hintergrund besitzt. Dies sollte für die Bewertung der Zahlen berücksichtigt werden. Generell kann aber hier für das Jahr 2014 bis 2016 ein geringes Wachstum des Volumens von knapp über 10 % beobachtet werden.44

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 - Entwicklung des Crowdfunding-Finanzierungsvolumens 45

Beim Crowdinvesting wurde seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2011 bis zum Zeitpunkt des Verfassens dieser Arbeit ein kumuliertes Volumen von 170,5 Mio. EUR investiert. Rund 62 % dieser Summe ging dabei in Unternehmen in der Start- up-Phase, 33 % in die Wachstumsfinanzierung und 5 % in Unternehmen im Mittelstand.46 Dies zeigt, dass der Finanzierungsmechanismus vorwiegend für Unternehmen in der Gründungsphase genutzt wird. Die Finanzmittel kommen hierbei durch die begrenzte Anzahl an Kampagnen wenigen Unternehmen zu, wodurch das durchschnittliche Kampagnenvolumen rund 408.000 EUR beträgt und somit einen umfassenden Finanzierungsrahmen ermöglicht.47 Im Investmentfokus stehen hierbei vor allem Start-ups mit innovativen Web- und Mobile-Applikationen und E-Commerce-Geschäftsmodelle.48

Beim Crowdlending hingegen wurde im selben Zeitraum das kumulierte Volumen von rund 104,6 Mio. EUR ausschließlich an Mittelstandsunternehmen vergeben.49 Dies kann nach Hahn auf die Tatsache zurückgeführt werden, dass Fremdkapital vorrangig an Unternehmen vergeben wird, die den Schuldtitel durch Vermögensgegenstände absichern können. Dies trifft jedoch in der Regel nicht auf innovative Start-ups zu. Zudem zeichnet sich die Gründungsphase durch geringe Umsätze aus, wodurch eine regelmäßige Zinsbelastung und der damit verbundene Liquiditätsabfluss unvorteilhaft sind. 50 Aufgrund dieser Gegebenheiten kommt das Crowdlending für die Finanzierung von Start-ups grundsätzlich nicht infrage und wird im weiteren Verlauf dieser Arbeit nicht mehr berücksichtigt.

Das Reward-basierte Crowdfunding legt für die Unternehmensphase der Finanzierung keine Daten offen. In der Literatur wird diese Form jedoch als frühe Gründungsfinanzierung einzelner Projekte betrachtet. Die Anzahl der erfolgreichen Kampagnen ist hierbei wesentlich größer, wodurch das durchschnittliche Finanzierungsvolumen mit rund 8.200 EUR aber auch deutlich geringer ausfällt als beim Crowdinvesting.51 Es werden vor allem Personen in der Kreativwirtschaft wie Künstler, Musiker oder Filmemacher gefördert. Allerdings finanzieren sich auch immer häufiger Soft- und Hardwareprojekte oder spezielle IT-Unternehmungen über diese Crowdfunding Art, die oftmals nur ein geringes Startkapital benötigen. Der Wertbeitrag dieser Projekte sollte für eine Volkswirtschaft jedoch nicht unterschätzt werden, wie durch Sixt umfangreich beschrieben wird.52

Um den deutschen Markt für Crowdfunding international vergleichbar zu machen, dient der Marktbericht des „Cambrige Centre for Alternative Finance“ als Benchmark. Für das gesamte Marktvolumen pro Kopf in diesem Segment rangiert Deutschland mit 3,89 Mio. EUR auf Platz 14 in Europa, das darüber hinaus im internationalen Kontext zu Asien und Nordamerika weit abgeschlagen ist. Dazu muss erwähnt werden, dass im Segment der „Alternativen Finanzierung“53 nicht nur Crowdfunding für kommerzielle Zwecke berücksichtigt wird. Im Allgemeinen wird hier aber zum Ausdruck gebracht, dass der deutsche Crowdfunding-Markt noch wesentliches Entwicklungspotential im Vergleich zu anderen Crowdfunding- Märkten besitzt.54

2.4 Crowdfunding-Plattformen

Eine besondere Bedeutung beim Crowdfunding-Prozess wird der Plattform als Intermediär zugerechnet, welche zudem, wie man in Kapitel 3 erkennen wird, ein zentrales Unterscheidungsmerkmal zu einer ICO-Kampagne darstellt. Für kapitalsuchende Unternehmen wird hier der Zugang zu einem Investorenpool ermöglicht und Investoren profitieren von einer transparenten Darstellung von Gründungsideen.55 Im Folgenden sollen somit die Rahmenbedingungen der Start- up-Finanzierung für das Crowdinvesting und das Reward-basierte Crowdfunding anhand der Plattformangaben dargestellt werden. Für das Crowdinvesting der Start- up-Finanzierung gilt „Companisto“ mit einem Marktanteil von rund 49 % im Jahr 2018 als Marktführer.56 Der Markt des Reward-basierten Crowdfunding wird von „Startnext“ mit rund 90 % Marktanteil dominiert.57

Bevor ein Unternehmen für die Finanzierung seines Geschäftsvorhabens bei Companisto zugelassen wird, findet eine Projektbewertung durch die Plattform statt. Als Einflussfaktoren hierfür werden vorrangig das Gründerteam, der Businessplan, das Marktpotential, das Alleinstellungsmerkmal der Geschäftsidee und die langfristigen Erfolgschancen evaluiert. Nach Angaben von Companisto wird dementsprechend nur 1 % der Bewerbungen letztendlich zu einer Finanzierung zugelassen. Voraussetzung an die Unternehmen, die sich für eine Start-up-Finanzierung auf Companisto bewerben, ist die Rechtsform der „GmbH“. Die Beteiligung der Investoren wird hier durch Mezzanine-Kapital der Rechtsstellung eines „Partiarischen Nachrangdarlehen“ realisiert. Der Vorteil hierdurch ist, dass speziell diese Rechtsform bis 2,5 Mio. EUR von der Verkaufsprospektpflicht58 ausgenommen ist und somit eine umfangreiche und kostenintensive Prospekterstellung umgangen wird.59 Die Investoren erhalten hierbei keine Mitspracherechte bei der operativen Geschäftsführung, jedoch bei Übernahmeangeboten des Start-ups. Die Rendite bei dieser Beteiligungsform wird in Form einer Gewinnbeteiligung in Höhe der Investmentquote ausbezahlt und darüber hinaus werden die Investoren bei Verkauf des Start-ups an den Erlösen beteiligt. Die Mindestlaufzeit der Anlage wird bei Companisto auf 7-8 Jahre festgelegt, wobei auch nach Ablauf dieser Periode nur der Investor die Möglichkeit hat, das Vertragsverhältnis zu kündigen. Die Gebühren beim Marktführer beinhalten eine erfolgsabhängige Provision von rund 15 % zuzüglich einer Verwaltungspauschale in Höhe von 0,4 % der Finanzierungssumme, welches über dem Marktdurchschnitt liegt. Zudem weist die Plattform ein umfangreiches Netzwerk mit rund 70.000 registrierten Investoren auf.60

Startnext hat für das Segment des Reward-basierten Crowdfundings mehr als 6.900 Projekte erfolgreich finanziert, wobei die Erfolgsquote der abgeschlossenen Kampagnen rund 48 % beträgt. Dabei kann auf ein umfangreiches Netzwerk von rund 1,05 Mio. registrierten Nutzern zurückgegriffen werden. Der Fokus der Plattform liegt im Speziellen auf Projekten und Start-ups von Gründern, Erfindern und Kreativen. Die Kampagne muss somit thematisch in eines von 24 vorgegebenen Kategorien passen. Die erfolgreichsten Projekte, gemessen an der Anzahl der abgeschlossenen Kampagnen, sind die Kategorien Musik (29,60%), Film/Video (18,25%), Bildung (8,19%), Community (7,03%) und Theater (6,83%). Zudem werden auch Technologieprojekte (1,04%) und Erfindungen (1,52%) finanziert, die aber generell einen sehr geringen Anteil der Projekte repräsentieren.61 Die Provision der Plattform basiert auf einer freiwilligen Basis und kann frei bestimmt werden, sodass letztendlich nur eine Transaktionsgebühr der Zahlungsanbieter in Höhe von 4 % des Finanzierungsvolumens obligatorisch gezahlt werden muss. Die Unterstützungsbeiträge und die festgelegte Gegenleistung definiert Startnext im Sinne eines Kaufvertrages. Es wird zudem ausdrücklich die Gegenleistung in Form von Unternehmensanteilen oder einer Kapitalanlage untersagt.62

3 Initial Coin Offering

3.1 Blockchain-Technologie und Finanzierungsmechanismus

Nachdem das Crowdfunding in seiner Grundform betrachtet wurde, widmet sich dieses Kapitel nun dem ICO, das den Finanzierungsmechanismus mit der Blockchain-Technologie erweitert.

Der Begriff Blockchain definiert eine dezentrale und meist öffentliche, digitale Datenbank, die in ihr getätigte Transaktionen abspeichert und für alle Netzwerkteilnehmer zugänglich macht. Die Kommunikation der Netzwerk- Akteure findet hierbei über das Internet statt. Jeder Vorgang innerhalb des

Netzwerks bildet einen einzigartigen und speicherfähigen Block der durch kryptografische „Hashes“ mit anderen Blöcken zu einer Kette verbunden wird.63 Die Netzwerkteilnehmer müssen mit Hilfe eines sogenannten „Konsensfindungsverfahrens“ jeden einzelnen Vorgang auf seine Richtigkeit verifizieren. Durch diese dezentrale Kontrolle der Vorgänge wird eine manipulationssichere Verkettung aller Blöcke ausgeführt, die nicht mehr verändert oder entfernt werden kann.64 Somit werden alle Transaktionen innerhalb des Netzwerkes in einer zeitlichen Reihenfolge dokumentiert und von einer Vielzahl von unabhängigen Akteuren überwacht, weshalb eine zentrale Instanz als überflüssig gilt.65

[...]


1 Vgl. Sixt, E. (2014), S. 39.

2 Vgl. für die letzten zwei Sätze Hahn, C. (2018), S. 4, 28.

3 Vgl. Sixt, E. (2014), S. 39.

4 Vgl. Ley, A./ Weaven, S. (2011), S. 85f.

5 Nachfolgend als ICO ausgewiesen.

6 Vgl. für diesen Absatz Fisch, C. (2019), S. 6; CoinSchedule (o. J).

7 Vgl. für diesen Absatz Howe, J. (2006), S. 1.

8 Dies stellt eine aus sozio-technischer Hinsicht veränderte Nutzung des Internets dar, bei der durch die Einbindung der Beteiligten ein Zusatznutzen generiert wird; Vgl. hierfür Lackes, R./Siepermann, M. (2018).

9 Vgl. für die letzten zwei Sätze Pechlaner, H./Poppe, X.-I. (2017), S. 190; Hemer, J. (2011), S. 7; Assenmacher, K. (2017), S. 5.

10 Vgl. Horak, D./Pöltner, P. (2016), S. 3.

11 Vgl. für die letzten zwei Sätze Massolution (2012), S. 19; Runge, C.A./Užík, M./von Reden-Lütcken, K. (2014), S. 56.

12 Vgl. Sixt, E. (2014), S. 57.

13 Vgl. für diesen Absatz Sixt, E. (2014), S. 57; Moritz, A./Block, J. (2013), S. 61; Assenmacher, K. (2017), S. 9.

14 Vgl. für diesen Absatz Sterblich, U. et al. (2015), S. 12; Poppe, X.-I. (2017), S. 193; Schramm, D.M./ Carstens, J. (2014), S. 7.

15 Vgl. Sixt, E. (2014), S. 57.

16 Vgl. für diesen Absatz Schramm, D. M./ Carstens, J. (2014), S. 7; Sixt, E. (2014), S. 57; Grier, D.A. (2013), S. 79.

17 Vgl. für diesen Absatz Assenmacher, K. (2017), S. 7f.

18 Vgl. Belleflamme, P./Lambert, T./Schwienbacher, A. (2013), S. 586.

19 Vgl. Steinberg, D. (2012), S. 2; Schramm, D.M./Carstens, J. (2014), S.17.

20 Vgl. für die letzten vier Sätze Schramm, D. M./ Carstens, J. (2014), S. 6.

21 Vgl. für die letzten vier Sätze Hahn, C. (2018), S. 191; Hemer, J. (2011), S. 15.

22 Vgl. für die letzten zwei Sätze Assenmacher, K. (2017), S. 15; Hahn, C. (2018), S. 193.

23 Vgl. Beck, R. (2014), S. 15, 23; Horak, D./Pöltner, P. (2016), S. 7.

24 Vgl. Assenmacher, K. (2017), S. 10.

25 Vgl. Horak, D./Pöltner, P. (2016), S. 7; Beck, R. (2014), S. 20.

26 Vgl. Runge, C.A./Užík, M./von Reden-Lütcken, K. (2014), S. 83.

27 Vgl. Hahn, C. (2018), S. 193.

28 Vgl. Runge, C.A./Užík, M./von Reden-Lütcken, K. (2014), S. 85; Sixt (2014), S. 61.

29 Vgl. Lawton, K./Marom, D. (2012), S. 91.

30 Vgl. Steinberg, D. (2012), S. 88; Runge, C.A./Užík, M./von Reden-Lütcken, K. (2014), S. 84.

31 Vgl. für die letzten vier Sätze Sixt, E. (2014), S. 61; Hahn, C. (2018), S. 194.

32 Vgl. Bareiß, A. (2012), S. 458; Runge, C.A./Užík, M./von Reden-Lütcken, K. (2014), S. 85.

33 Vgl. Hahn, C. (2018), S. 195.

34 Vgl. Runge, C.A./Užík, M./von Reden-Lütcken, K. (2014), S. 86; Sixt, E. (2014), S. 62.

35 Vgl. Horak, D./Pöltner, P. (2016), S. 9.

36 Vgl. für die letzten vier Sätze Kaltenbeck (2011), S. 44; Sixt, E. (2014), S. 62; Hahn, C. (2018), S. 196.

37 Vgl. für die letzten drei Sätze Sixt, E. (2014), S. 65f.

38 Vgl. für die letzten zwei Sätze Gass, D. (2011), S. 8; Sixt, E. (2014), S. 62; Assenmacher, K. (2017), S. 17.

39 Vgl. Horak, D./Pöltner, P. (2016), S. 9.

40 Vgl. Sixt, E. (2014), S. 66f.

41 Siehe Abbildung 1 – Entwicklung des Crowdfunding-Finanzierungsvolumens.

42 Vgl. Harms, M. (2018), S. 10.

43 Siehe Abbildung 1 – Entwicklung des Crowdfunding-Finanzierungsvolumens.

44 Siehe Abbildung 1 – Entwicklung des Crowdfunding-Finanzierungsvolumens.

45 Siehe Anhang 1.1; Die verwendeten Daten stammen von Für-Gründer.de (2017), S. 2; Crowdinvest.de (2019a), (2019b), (2019c) zum 20.03.2019.

46 Siehe Anhang 1.1; Die verwendeten Daten stammen von Für-Gründer.de (2017), S. 2; Crowdinvest.de (2019a), (2019b), (2019c) zum 20.03.2019.

47 Siehe Anhang 1.2; Die verwendeten Daten stammen von Für-Gründer.de (2017), S. 2; Crowdinvest.de (2019b) zum 20.03.2019.

48 Vgl. Sixt, E. (2014), S. 129.

49 Siehe Anhang 1.1; Die verwendeten Daten stammen von Für-Gründer.de (2017), S. 2; Crowdinvest.de (2019a), (2019b), (2019c) zum 20.03.2019.

50 Vgl. für die letzten zwei Sätze Hahn, C. (2018), S. 38.

51 Siehe Anhang 1.2; Die verwendeten Daten stammen von Für-Gründer.de (2017), S. 2; Crowdinvest.de (2019b) zum 20.03.2019.

52 Vgl. für die letzten drei Sätze Sixt, E. (2014), S. 37f., 77ff.

53 Englische Terminologie „Alternative Finance“ ins Deutsche übersetzt.

54 Vgl. Ziegler, T. et al. (2017), S. 16, 26.

55 Vgl. für die letzten zwei Sätze Sixt, E. (2014), S. 130f.

56 Siehe Anhang 1.3; Die verwendeten Daten stammen von Crowdinvest.de (2019b).

57 Vgl. Für-Gründer.de (o.J.).

58 Durch einen rechtlich standardisierten Rahmen werden Informationen über die Risiken der zugrundeliegende Vermögensanlage bereitgestellt, Vgl. hierfür Bundesministerium der Finanzen (2015).

59 Vgl. Bundesministerium der Finanzen (2015).

60 Vgl. für diesen Absatz Companisto (o.J. a), (o.J. b); Jasch, A. (2018).

61 Siehe Anhang 1.4; Die verwendeten Daten stammen von Startnext (o.J. a) zum 21.03.2019.

62 Vgl. für diesen Absatz Schreiber, J. (2017); Startnext (o.J. a), (o.J. b), (o.J. c), Startnext (o.J. d); Startnext (o.J. e).

63 Vgl. für die letzten drei Sätze Hosp, J. (2018), S. 50; Palkovits, R. et al. (2017), S. 54f.

64 Vgl. für die letzten zwei Sätze Palkovits, R. et al. (2017), S. 55f.

65 Vgl. BaFin (2017), S.16.

Fin de l'extrait de 47 pages

Résumé des informations

Titre
Wie funktioniert moderne Unternehmensfinanzierung? Crowdfunding mit Fokus auf Initial Coin Offering
Université
Wiesbaden University of Applied Sciences
Note
1,3
Auteur
Année
2019
Pages
47
N° de catalogue
V489027
ISBN (ebook)
9783668963542
ISBN (Livre)
9783668963559
Langue
allemand
Mots clés
Crowdfunding, Initial Coin Offering, ICO, Start-up Finanzierung, Moderne Unternehmensfinanzierung, Kryptowährungen
Citation du texte
Christian Bernhardt (Auteur), 2019, Wie funktioniert moderne Unternehmensfinanzierung? Crowdfunding mit Fokus auf Initial Coin Offering, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489027

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