Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Begriffsdefinition „Lebenszufriedenheit“
2.2 Segmentationstheorie (Sengenberger 1975, 1987)
2.3 Die Handlungsrestriktionstheorie (Fryer, 1986)
2.4 Soziale Stigmatisierungskonzepte (Goffman, 1967)
2.5 Deprivationsansätze (Stouffer et al. 1949)
2.6 Die Theorie der sozialen Identität (Tajfel, 1978)
3 Ableitung der Forschungshypothese
4 Aufarbeitung des bisherigen Forschungsstandes
5 Datengrundlage und Schätzmethode
5.1 Datenbasis
5.2 Schätzverfahren
6 Operationalisierung und Deskription der Variablen
6.1 Operationalisierung der Variablen
6.1.1 Abhängige Variable
6.1.2 Unabhängige Variable
6.1.3 Kontrollvariablen und Mediatoren
6.1.3.1 Modell 1
6.1.3.2 Modell 2
6.2 Deskriptionen – Beschreibung der Verteilung der Variablen
7 Analyseverfahren
7.1 Regressionsanalyse – Fixed-Effects Regressionen
7.1.1 Ergebnisse Modell 1: Analyse des totalen Effekts der Arbeitsmarktposition auf die Lebenszufriedenheit
7.1.2 Ergebnisse Modell 2: Analyse des direkten Effekts der
Arbeitsmarktposition auf die Lebenszufriedenheit
7.2 Regressionsanalyse – KHB-Modell: Ergebnisse Modell 3: Analyse des direkten Effekts der Arbeitsmarktposition auf die Lebenszufriedenheit
8 Ergebnisse der Regressionsanalysen – Rückbezug zu aufgestellter Theorie und Hypothese
9 Kritische Reflexion, Diskussion und Fazit
10 Literatur- und Quellenverzeichnis
11 Anhang
Anhang 1: Hausman-Test – Entscheidung zwischen Random-Effects und Fixed-Effects Modellen
Anhang 2: Fixed-Effects Regressionsmodelle für die Mediatorvariablen
Anhang 3: Alternatives KHB-Modell (alternatives Modell 3)
1 Einleitung
„Wer wohl zufrieden ist, ist wohl bezahlt“ (William Shakespeare, 1564-1616).
Vermutlich intendiert dieses Zitat von William Shakespear eine andere Bedeutung des Wortes „bezahlt“, jedoch scheinen Shakespeares Worte auch zutreffend in Anbetracht der heutigen Arbeitswelt. So ziegen Studienergebnisse, dass das Einkommen einen signifikant positiven Effekt auf die Lebenszufriedenheit der befragten Personen ausübt (vgl. Zeit-Online, 2017). Doch ist das Einkommen ebenso eine abhängige Variable, ist sie doch stark davon beeinflusst, wo auf dem Arbeitsmarkt man als Berufstätiger positioniert ist.
So zeigt die Theorie des dualen Arbeitsmarktes von Werner Sengenberger schon in den 1970er Jahren, dass es deutliche Unterschiede auf dem Arbeitsmarkt gibt, je nachdem welchem der Teilmärkte der eigene Job zuzuordnen ist.
Sengenberger erarbeitet aus dem Konzept des dualen Arbeitsmarktes – einem Segmentationsentwurf, entwickelt in den 1950er Jahren in den USA – in Verbindung mit den Konzepten der deutschen Arbeitsmarkt- und Berufsforschung den Ansatz des zweigeteilten Arbeitsmarktes. Dieser unterscheidet zwischen den internen Arbeitsmärkten und dem externen Arbeitsmarkt, dem sogenannten Jedermannsarbeitsmarkt. Die Differenzierung in unterschiedliche Teilarbeitsmärkte resultiert aus deren verschiedenen Charakteristika. So unterscheiden sich die internen Arbeitsmärkte von dem externen Arbeitsmarkt unter anderem durch die Arbeitsbedingungen (vgl. Sengenberger, 1975). Durch das Prinzip der Handlungsrestriktionstheorie (vgl. Fryer, 1986), das aufgrund von Einschränkungen in der freien Lebensplanung eine Reduzierung der Lebenszufriedenheit erklärt, durch soziale Stigmatisierungskonzepte (vgl. Goffman, 1967), die ein Gefühl von Zweitklassigkeit als Ursache für eine geringere Lebenszufriedenheit sehen, durch Stouffers Deprivationsansätze, die eine geringere Lebenszufriedenheit durch enttäuschte Erwartungshaltungen erklären (vgl. Stouffer, 1949), sowie durch Tajfels Theorie der sozialen Identität, die ein missglücktes Emporheben der Eigengruppe im Vergleich zu Fremdgruppen als Ursache für eine geringere Lebenszufriedenheit erachten (vgl. Tajfel, 1978), könnten sich unterschiedliche Angaben bzgl. der eigenen Lebenszufriedenheit aufgrund unterschiedlicher Arbeitsplatzbedingungen oder aufgrund unterschiedlicher Arbeitsmarktpositionen selbst, erklären lassen.
Die nicht nur aktuelle, sondern permanente Relevanz der Konstanthaltung oder gar der Verbesserung der eigenen Lebenszufriedenheit macht dieses Thema zum Inhalt dieser Forschungsarbeit und miteinhergehend die Überprüfung eben erwähnter Theorien. Diese Arbeit analysiert ausschließlich die Lebenszufriedenheit von Berufstätigen, da der Beruf einen Großteil des Lebens ausmacht. Sie versucht, die Frage zu beantworten, ob die Struktur des deutschen Arbeitsmarktes durch die mit ihr verbundenen Eigenschaften der Arbeitsplätze mit der Lebenszufriedenheit von Beschäftigten zusammenhängt. Zusätzlich wird der Frage nachgegangen, ob neben diesem unterstellten totalen Effekt der Arbeitsmarktposition auf die Lebenszufriedenheit auch unter Kontrolle der den totalen Effekt vermutlich hervorrufenden, arbeitsmarktspezifischen Merkmale (Mediatorvariablen) weiterhin ein direkter Effekt der Arbeitsmarktposition auf die Zufriedenheit von Berufstätigen existiert und wenn ja, wie groß dieser ist.
Dafür wird zuerst der theoretische Hintergrund zu den Forschungsfragen aufgearbeitet (Abschnitt 2). Dieser gliedert sich in die Definition des Begriffs „Lebenszufriedenheit“. Dann wird Sengenbergers Segmentationstheorie zur Einteilung der Arbeitsplätze auf dem Arbeitsmarkt und zur Beschreibung der jeweiligen Arbeitsmarktmerkmale erläutert. Schließlich werden die Handlungsrestriktionstheorie nach Fryer, die sozialen Stigmatisierungskonzepte nach Goffman, die Deprivationsansätzen nach Stouffer et al. sowie Tajfels Theorie der sozialen Identität beschrieben. Auf deren Basis wird die in dieser Arbeit zu überprüfende Hypothese abgeleitet, die in Form von drei Modellen getestet werden soll (Abschnitt 3). Die Darstellung bisheriger Forschungsergebnisse schließt sich an (Abschnitt 4). Danach werden die verwendete Datenbasis und die Schätzmethode erläutert (Abschnitt 5), auf deren Basis die relevanten Variablen operationalisiert und deren Verteilung beschrieben werden (Abschnitt 6).
Es folgt die Datenauswertung (Abschnitt 7). In diesem Abschnitt werden die drei Modelle gerechnet und deren Ergebnisse interpretiert. Die Ergebnisse der Regressionsanalysen werden in Abschnitt 8 sowohl auf die Hypothese, wie auch auf den theoretischen Hintergrund rückbezogen. Eine kritische Reflexion dieser Arbeit sowie ein Diskussionsteil und ein abschließendes Fazit (Abschnitt 9) beenden diese Arbeit.
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Begriffsdefinition „Lebenszufriedenheit“
„Innerlich ausgeglichen [sein], sich mit den Gegebenheiten in Einklang befindend und keine Veränderung der Umstände wünschend“ und „mit den gegebenen Verhältnissen, Leistungen o.Ä. einverstanden; nichts auszusetzend habend [sein]“ (vgl. DUDEN, 2002, S. 1081), das bedeutet zufrieden sein gemäß dem DUDEN (2002). Zufriedenheit wird im Allgemeinen als emotionaler Zustand einer Person verstanden, in dem sie die eigenen Bedürfnisse als befriedigt ansieht.
Der Begriff der Lebenszufriedenheit basiert „auf der individuellen kognitiven Bewertung der vergangenen und gegenwärtigen Lebensbedingungen sowie der Zukunftsperspektive, wobei die aktuelle Lebenssituation mit eigenen Lebenszielen, Wünschen und Plänen, aber auch mit der Situation anderer Menschen verglichen wird“ (Schumacher/Gunzelmann, Brähler, 1996, S. 1).
Grundsätzlich wird zwischen der allgemeinen Lebenszufriedenheit „und einer auf der Bilanzierung individuell mehr oder weniger wichtiger Lebensbereiche basierender bereichsspezifischer Lebenszufriedenheit unterschieden“ (Schumacher et. Al., 1996, S. 2).
Als einen „kognitiven Bewertungsprozess der eigenen Lebensqualität“ definiert Dette (2005) den Begriff der Lebenszufriedenheit und unterscheidet ihn somit von affektiven Maßen wie Freude, positiver Stimmung oder guter Laune (vgl. Dette, 2005, S. 31).
Die Einschätzung der eigenen Lebenszufriedenheit resultiert aus drei verschiedenen Erhebungsebenen: Zuerst ist sie eine rein subjektive Beurteilung, außerdem resultiert sie aus einem Vergleichsstandard. Dieser bezieht sich entweder auf eine frühere Lebensphase, oder auf andere Personen. Letztlich kann Lebenszufriedenheit mittelfristig beurteilt werden: Sie ist moderat veränderlich, das heißt sie kann einerseits über längere Zeit konstant bleiben, andererseits kann sie sich zusammen mit den Situationen und dem Kontext, in dem sich die Person befindet, ändern (vgl. Dette, 2005, S. 38).
Gemessen werden kann die subjektive Lebenszufriedenheit anhand der Frage nach der Selbsteinschätzung der untersuchten Personen. Durch Serien von Items oder Skalen oder mittels eindimensionaler Maße, wie sie bspw. im SOEP abgefragt werden, kann der/die Befragte seine persönliche Lebenszufriedenheit einstufen.
2.2 Die Segmentationstheorie (Sengenberger 1975, 1987)
Die bis heute am häufigsten verwendete Segmentationstheorie des zweigeteilten Arbeitsmarktes (dualer Arbeitsmarkt) wurde in den 1970er Jahren von Lutz und Sengenberger entwickelt. Der Segmentationsansatz postuliert, dass „verschiedenartige Typen von Teilarbeitsmärkten mit jeweils unterschiedlichen Organisationsmustern der Qualifizierung, Allokation und Entlohnung von Arbeitskraft und unterschiedlichen Weisen der Vermittlung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen“ (Sengenberger, 1987, S. 55) im Arbeitsmarkt koexistieren. Die theoretische Zweiteilung des Arbeitsmarktes differenziert zwischen dem unspezifischen Arbeitsmarkt (auch: externer, Jedermannsarbeitsmarkt) einerseits und den internen Arbeitsmärkten1 andererseits.
Die internen Arbeitsmärkte sind mit dem externen Arbeitsmarkt durch Übergangspositionen (ports of entry, ports of exit) verbunden, „über die sich der Austausch von Arbeitskräften vollzieht. Alle übrigen Arbeitsplätze werden durch interne Mobilität von Beschäftigten besetzt, die bereits Zutritt zu den internen Märkten erlangt haben. Folglich sind deren Arbeitsplatzpositionen dem direkten Einfluß des Wettbewerbs auf dem externen Arbeitsmarkt entzogen“ (Sengenberger, 1975 S. 28). Zwischen den Segmenten bestehen folglich Mobilitätsbarrieren, das heißt die einzelnen Teilmärkte sind „nicht allen Arbeitskräften in gleicher Weise zugänglich“ (Blossfeld & Mayer, 1988, S. 262). Berufstätige, die in den internen Teilarbeitsmärkten tätig sind, dürfen sich somit einer privelegierteren Behandlung erfreuen im Vergleich zu auf dem Jedermannsarbeitsmarkt Beschäftigten (vgl. Sengenberger, 1975, S. 28).
Die Arbeitsmärkte werden auf zwei Ebenen unterschieden. Einerseits wird hinsichtlich der Betriebsgröße und der Qualifikationsanforderung differenziert, andererseits bezüglich der Bindungsstärke zwischen den Arbeitsmarktparteien, bzgl. der Stärke institutionalisierter Regelungen und Richtlinien sowie bzgl. der Qualität des Arbeitsplatzes.
Interne Arbeitsmärkte enstehen vorwiegend in größeren Betrieben und sind dementsprechend eher dort zu finden. Größere Betriebe selektieren durch Zugangskriterien die Bewerber. Eine abgeschlossene Ausbildung, ein Studium oder Berufserfahrung sind für eine dortige Beschäftigung folglich Voraussetzung. Eine Anstellung in den internen Arbeitsmärkten zeichnet sich meist durch eine gute Arbeitsplatzqualität und überbetrieblich festgelegte Standards aus. Diese begrenzen das Machtgefälle zwischen Unternehmen und Arbeitskräften, etwa durch gesetzlichen Kündigkungsschutz oder gesetzlich festgeschriebene (Maximal- )Arbeitszeiten, die nicht unentgeltlich überschritten werden dürfen. Ein weiteres Merkmal der internen Arbeitsmärkte sind Prozesse betrieblicher Weiterbildungen und Aufstiegschancen.
In kleinen Betrieben können sich, aufgrund der geringen Größe meist keine internen Arbeitsmärkte herausbilden. Kleine Betriebe sind somit vorwiegend dem externen Arbeitsmarkt zuzuschreiben. Charakteristisch für dortige Arbeitsplätze sind eine geringere Arbeitsplatzqualität (oft aufgrund körperlich anstrengender Arbeit oder wegen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, bspw. aufgrund von Lärm oder Staub), niedrigere Anforderungen und Qualifikationen sowie wenig betriebsinterne Aufstiegsmöglichkeiten. Eine Regulierung der Lohnstruktur sowie institutionell festgelegte Standards fehlen weitgehend, sodass sich zwischen Arbeitgeber und -nehmer ein Machtungleichgewicht zugunsten des Arbeitgebers bildet. Dieses Ungleichgewicht kann dazu führen, dass Arbeitnehmer der Willkür ihrer Arbeitgeber stärker ausgesetzt sind2.
Während die internen Teilarbeitsmärkte eine hohe Beschäftigungssicherheit und gute Löhne gewähren, sind eine eher geringe Beschäftigungssicherheit sowie eine im Vergleich schlechtere Bezahlung Kennzeichen des Jedermannsarbeitsmarkt. Aufgrund des Arbeitskräfteüberschusses findet sich dort auch keine Beschäftigungsstabilität: Arbeitnehmer sind auf dem externen Arbeitsmarkt, anders als auf den internen Arbeitsmärkten, hohen Einkommens- und Beschäftigungsrisiken ausgesetzt (vgl. Sengenberger, 1975; Sengenberger, 1987).
All diese Unterschiede können als mögliche Ursachen für eine geringere Lebenszufriedenheit in Frage kommen, denn
„die Merkmale der Arbeitsplätze werden mit der Zeit auf die Arbeitskräfte übertragen. Die im stabilen Primärsegment Beschäftigten werden gemäß ihren Beschäftigungsbedingungen zu stabilen Arbeitern mit langfristiger, betriebsbezogener Arbeits- und Arbeitsmarktorientierung. Doch auch die Arbeitskräfte des sekundären Sektors nehmen die Eigenheiten ihrer Arbeitsplatzumgebung und ihrer Beschäftigungsbedingungen an: Durch die Kurzlebigkeit der Arbeitsplätze und den dadurch ausgelösten Zwang zum Betriebswechsel werden sie ungewollt zu instabilen Arbeitnehmern, tragen alle damit verbundenen Risiken und werden darüber hinaus zunehmend als »ungeeignet« für eine Beschäftigung im Primärsektor abgestempelt“ (Sengenberger, 1987, S. 61).
Da die Arbeit nun einen Großteil des Lebens einnimmt, ist zu vermuten, dass sich die Unterschiede in den Arbeitsbedingungen auch auf Differenzen in der Lebenszufriedenheit zwischen auf den internen Arbeitsmärkten und auf dem externen Arbeitsmarkt Beschäftigten zeigen.
2.3 Die Handlungsrestriktionstheorie (Fryer, 1986)
Menschen haben nach Fryers Handlungsrestriktionstheorie (1986) eine intrinsische Motivation, ein zufriedenstellendes Leben zu planen. Durch eine freie Lebensgestaltung gelingt dieses Ziel. Diese freien Gestaltungsmöglichkeiten sind jedoch nur durch eine gewisse finanzielle Basis möglich. Durch eine Beschäftigung auf dem Jedermannsarbeitsmarkt reduzieren sich die finanziellen Möglichkeiten und mit ihnen die Handlunsspielräume der Menschen. Folglich kann die Lebensführung nicht mehr so frei gestaltet werden, wie gewünscht. Dies kann zu einer Reduktion der Lebenszufriedenheit der auf dem externen Arbeitsmarkt Tätigen führen (vgl. Fryer, 1986).
2.4 Soziale Stigmatisierungskonzepte (Goffman, 1967)
Nach Goffman (1967) ist eine Person aufgrund besonderer Attribute stigmatisiert. Dieses Stigma wird Teil ihrer Identität. Ist eine Person auf dem externen Arbeitsmarkt tätig, wird auch dieses Attribut zu einem Teil ihres Identität. Da extern Beschäftigte meist keine höhere Bildung oder geringere Qualifikationen für ihre Tätigkeit benötigen als intern Beschäftigte, könnte das Stigma des gering Gebildeten zu einem Teil ihrer Identität werden. Ein Gefühl von „Zweitklassigkeit“ sowie soziale Abwertungen werden im Rahmen dieses Stigmas der Beschäftigung auf dem Jedermannsarbeitsmarkt erfahren (vgl. Goffman, 1967), was die Lebenszufriedenheit der dort Beschäftigten senken könnte.
2.5 Deprivationsansätze (Stouffer et al. 1949)
Der Entzug von etwas Erwartetem, worauf Menschen frustriert oder verärgert reagieren und sich ein Gefühl von Unzufriedenheit einstellt beschreibt den Begriff der Deprivation. Von den Deprivationsansätzen wird hier im Speziellen der der relativen Deprivation erläutert:
„We define relative deprivation as a judgment that one or one’s ingroup is disadvantaged compared to a relevant referent, and that this judgment invokes feelings of anger, resentment, and entitlement” (Smith & Pettigrew, 2015, S. 2).
Relative Deprivation beschreibt demzufolge das subjektive Urteil eines Menschen darüber, dass die eigene Person oder die eigene Gruppe im Vergleich zu einer – tatsächlich oder vermeintlich – ebenbürtigen und gleichrangigen anderen Person oder Fremdgruppe ungerecht behandelt und benachteiligt, d.h. diskriminiert wird. Die Entstehung von Gefühlen wie Ärger, Missgunst, Verbitterung oder Feindseligkeit sowie ein Anspruchsdenken über Ressourcen, die diesem subjektiven Urteil nach eigentlich hätten zugestanden werden müssen, sind die Folge. Das Prinzip der relativen Deprivation folgt dabei stets vier grundlegenden Abläufen: In einem ersten Schritt werden wahrnehmbare Vergleiche aufgestellt. Im Anschluss bildet sich auf Basis dieser Vergleiche die Meinung, dass die eigene Person / die Eigengruppe diskriminiert wird (ob tatsächlich der Fall oder lediglich subjektiv empfunden spielt hierbei keine Rolle). Dieser Sachverhalt wird als unangemessen und „nicht fair“ empfunden, was in der Folge oben beschriebene Gefühle der Unzufriedenheit und Verbitterung hervorruft (vgl. Stouffer et al., 1949; Smith & Pettigrew, 2015).
Handelt es sich also bspw. um das Gefühl der Benachteiligung auf dem deutschen Arbeitsmarkt, hervorgerufen durch eine dortige als „nicht angemessen“ oder „zu niedrig“ empfundene Positionierung oder davon abhängige arbeitsmarktspezifische Jobeigenschaften (wie etwa eine als zu gering angesehene Bezahlung oder ein als zu unsicher empfundener Arbeitsplatz), kann das die Lebenszufriedenheit der (gefühlt) benachteiligten Arbeitnehmer beeinträchtigen.
2.6 Die Theorie der sozialen Identität (Tajfel, 1978)
Soziale Identität beschreibt das Bewusstsein einer Person zu einer oder mehreren Gruppen dazuzugehören. Essentiell ist, dass dieses Wissen um die Dazugehörigkeit dabei von mehreren Personen geteilt wird. Die Gruppenangehörigkeit wird mit der Vorstellung von der Gruppe in Verbindung gebracht. Dementsprechend wird sie entweder positiv oder negativ bewertet und hat so eine individuell emotionale Bedeutung. Tajfel beschreibt soziale Identität
„as that part of an individual's self-concept which derives from his knowledge of his membership of a social group (or groups) together with the value and emotional significance attached to that membership" (Tajfel, 1978, S. 63).
Eine soziale Gruppe meint eine Versammlung von Menschen, die ein Zusammengehörigkeitsgefühl teilen, die überzeugt sind, selbst Mitglied dieser Gruppe zu sein und deren Angehörigkeitsgefühl von den anderen Gruppenmitgliedern geteilt wird, d.h. von diesen gleichermaßen als Mitglied kategorisiert wird (vgl. Schaupp, 2012, SS. 107, 120). Wörtlich definiert Tajfel eine Gruppe als
„a collection of individuals who perceive themselves to be members of the same social category, share some emotional involvement in this common definition of themselves, and achieve some degree of social consensus about the evaluation of their group and of their membership in it." (Tajfel/Turner, 1986, S. 15).
Kurzum: eine Anzahl von Menschen, die „eine soziale wie psychologische Realität darstellen“ (Jonas & Beelmann, 2009, 19). Soziale Identität definiert sich folglich als die Summe der eigenen Mitgliedschaften in den jeweiligen sozialen Gruppen. Dabei entscheidet der Prozess der sozialen Kategorisierung3, d.h. Gruppierung durch Abgrenzung nach Merkmalen wie Geschlecht oder Status etc. darüber, welchen Gruppen Personen angehören („Ingroup“/Eigengruppe) und welchen nicht („Outgroup“/Fremdgruppe). Die „Ingroup“ unterscheidet sich also von „Outgroups“.
Da soziale Identität einen großen Teil der Selbstwahrnehmung einer Person mitbestimmt und das Individuum grundsätzlich eine möglichst positive Selbstbewertung anstrebt, ist es also zugleich bemüht, die Eigengruppe mittels sozialer Vergleiche zu den Fremdgruppen möglichst positiv darzustellen, d.h. eine positive Distinktheit zur Outgroup zu generieren (vgl. Schaupp, 2012, SS. 110-114). Positive Distinktheit kann durch unterschiedliche Strategien erreicht werden: Eine Option ist das gezielte Herabstufen der Outgroup und vice versa das Emporheben der Eigengruppe. Sollte das nicht zur erstrebten positiven Distinktheit führen, kann der Fokus des Vergleichs verschoben, oder die Vergleichsgruppe getauscht werden und der Vergleich findet gezielt mit „schwächeren“ Gruppen statt. Als letzte Option bleibt das Verlassen der Ingroup, durch Quittieren der Mitgliedschaft und durch den Anschluss an statushöhere Gruppen, die nun wieder die Möglichkeit bieten, die Vergleichsgruppen abzuwerten, um ein positives Selbstwertgefühl durch das Favorisieren der Ingroup herzustellen (vgl. Schaupp, 2012, SS. 116-119).
Anders als bei den Deprivationsansätzen entscheidet bei der Theorie der sozialen Identität also nicht der Entzug von etwas Erwartetem über das Entstehen von Frust und Ärger, wodurch die Lebenszufriedenheit beeinrtächtigt werden kann. Bei der Theorie der sozialen Identität resultiert eine niedrigere Zufriedenheit nicht aufgrund von Merkmalen, die bspw. eine jeweilige Positionierung auf dem Arbeitsmarkt mit sich bringt. Hier ist vielmehr ein negatives Selbstbild ausschlaggebend, das aus dem Gefühl hervorgeht, einer subjektiv als schwach empfundenen Gruppe anzugehören, d.h. durch die Gruppenzugehörigkeit selbst. Dieses negative Selbstbild kann auf die Lebenszufriedenheit belastend wirken.
Durch ihre besseren Arbeitsplatzbedingungen (siehe Abschnitt 2.2) können Angehörige von internen Arbeitsmärkten dementsprechend ein positives Selbstbild erzeugen, indem sie eben diese Bedingungen mit denen auf dem externen Arbeitsmarkt vergleichen.
Der Gruppe des externen Arbeitsmarktes Angehörige setzen sich dementsprechend ebenfalls in den Vergleich mit der anderen Arbeitnehmergruppe des dualen deutschen Arbeitsmarktes, mit den intern Beschäftigten. Auch der extern Beschäftigte ist bestrebt den intern Beschäftigten gegenüber, eine positive Distinktheit herzustellen, um eine möglichst gute Selbstwahrnehmung zu generieren. Gelingt dies, bspw. aufgrund der schlechteren Arbeitsplatzbedingungen auf dem externen Arbeitsmarkt nicht, so bleibt als letzte Option die Beeindigung der Mitgliedschaft und der Anschluss an statushöhere Gruppen.
Nun ist bei der Berufswahl, bzw. bei der Wahl der Arbeitsplatzposition auf dem deutschen Arbeitsmarkt der Gruppentausch nicht ohne weiteres möglich. Weil dafür bspw. bestimmte Qualifikationsanforderungen nötig sind, kann unter Umständen keine positive Distinktheit zur anderen Gruppe hergestellt werden und das Empohrherben der Eigengruppe scheitert. Das könnte zu einer niedrigeren Zufriedenheit der auf dem externen Arbeitsmarkt Beschäftigten führen.
3 Ableitung der Forschungshypothese
Auf der Basis des eben dargestellten theoretischen Hintergrundes wird, wie nachfolgend noch eingehender erläutert wird, folgende Hypothese aufgestellt, die diese Arbeit prüfen soll:
H: Im offenen Arbeitsmarkt (externer Arbeitsmarkt) Beschäftigte haben eine signifikant geringere Lebenszufriedenheit als in geschlossenen Arbeitsmärkten Tätige (interne Arbeitsmärkte).
Theoretisch lässt sich die aufgestellte Hypothese folgendermaßen fundieren: Gemäß dem Ansatz des zweigeteilten Arbeitsmarktes wird ein Arbeitsplatz entweder dem externen Arbeitsmarkt oder internen Arbeitsmärkten zugeschrieben. Diese Teilarbeitsmärkte (und darauf basierend auch die dortigen Arbeitsplätze) zeichnen sich durch gewisse Charakteristika aus.
Einerseits können diese Charakteristika durch das Wirken von relativer Deprivation einen Effekt auf die Lebenszufriedenheit der Arbeitnehmer haben: Ein Industriearbeiter beispielsweise, dessen Arbeitsplatz (den Ansätzen der Segmentationstheorie folgend) aufgrund typischer Eigenschaften wie etwa geringerer Qualifikationsanforderungen, aber auch ungeregelter Arbeitszeiten, schlechterer Arbeitsplatzbedingungen oder geringerer Bezahlung dem externen Jedermannsarbeitsmarkt zuzuschreiben ist, hätte eine im Vergleich zum intern Beschäftigten signifikant geringere Lebenszufriedenheit. Eine Bestätigung4 der Hypothese würde die Deprivationstheorie bestärken: Wenn sich Beschäftigte des externen Arbeitsmarktes aufgrund eben dieser schlechteren Arbeitsbedingungen als benachteiligt empfinden, können Missgunst, Ärger und Verbitterung entstehen. Diese Äußerungen negativer Gefühle könnten auch auf die Lebenszufriedenheit einwirken.
Andererseits können diese Arbeitsplatzeigenheiten dadurch die Lebenszufriedenheit beeinflussen, dass sie Handlungen ermöglichen (im Falle einer Beschäftigung in den internen Teilmärkten) oder restringieren (im Falle einer Beschäftigung auf dem externen Arbeitsmarkt). Wie bereits in Abschnitt 2.4 erläutert, sind Menschen intrinsisch motiviert, ein zufriedenstellendes Leben zu planen. Im Falle des oben beschriebenen Industriearbeiters sind die Handlungsspielräume aufgrund der geringeren finanziellen Möglichkeiten im Vergleich zu intern Beschäftigten weniger großzügig. Die Lebenführung kann nicht so unbefangen gestaltet werden wie gewünscht. Dies führt zu Frustration der extern Beschäftigten und die Lebenszufriedenheit dieser könnte im Vergleich zu intern Beschäftigten signifikant niedriger sein. Zeigen sich in der Analyse diese Ergebnisse, spricht das für die Handlungsrestriktionstheorie.
Letztlich könnten auch die sozialen Stigmatisierungskonzepte bestätigt werden, wenn die Hypothese nicht abgelehnt wird: Nach Goffman ist eine Person aufgrund besonderer Attribute stigmatisiert. Dieses Stigma wird Teil ihrer Identität (siehe Abschnitt 2.5). Der Industriearbeiter könnte folglich (bspw. aufgrund seiner niedrigeren Qualifikationen bzw. Bildung) soziale Abwertungen im Rahmen dieses Stigmas des auf dem Jedermannsarbeitsmarkt Beschäftigten erfahren. Dem intern Beschäftigten droht diese Stigmatisierung durch seinen höheren Bildungabschluss weniger. Es könnte sich bei extern Beschäftigten so ein Gefühl der „Zweitklassigkeit“ einstellen, das signifikant negativ auf die Lebenszufriedenheit wirkt.
Bei dieser Hypothese wird vermutet, dass der totale Effekt der Arbeitsmarktposition auf die Lebenszufriedenheit durch arbeitsmarktspezifische Merktmale (sog. Mediatoren) erklärt werden könnte. Das heißt der Effekt der Arbeitsmarktposition auf die Lebenszufriedenheit ensteht, wie eben beschrieben, durch enttäuschte Erwartungen bzgl. dem jeweiligen Arbeitsmarkt zugeschriebener Charakteristika und Merkmale5. Der totale Effekt der Arbeitsmarktposition auf die Lebenszufriedenheit meint also den Effekt, den die Jobposition auf die Zufriedenheit ausübt, wenn nicht auf arbeitsmarktspezifische Merkmale kontrolliert wird. Dieser wird in Modell 1 dargestellt (siehe Abschnitt 6.1.3.1 und Abschnitt 7.2.1).
Anhand eines zweiten Modells soll nun überdies geklärt werden, ob es unter Kontrolle arbeitsmarktspezifischer Variablen (Mediatoren) zusätzlich einen direkten Effekt der Arbeitsmarktposition auf die Lebenszufriedenheit gibt. Dieser wird in Modell 2 dargestellt (siehe Abschnitt 6.1.3.2 und Abschnitt 7.2.2). Ist dies der Fall, bestärkt das Tajfels Theorie der sozialen Identität: Bei dieser wird ein positives Selbstbild nicht über die Eigenschaften und Merkmale einer Gruppe, sondern durch die Gruppenzugehörigkeit an sich hergestellt: Der gescheiterte Versuch des auf dem externen Arbeitsmarkt Beschäftigten, die Eigengruppe im Vergleich zur Fremdgruppe (hier: Mitglieder der internen Arbeitsmärkte) emporzuheben, d.h. eine positive Distinktheit der Eigengruppe zur Fremdgruppe herzustellen, verhindert, dass ein ausreichend positives Selbstbild erzeugt werden kann. Um dieses Ziel doch noch zu erreichen, bliebe dem extern Beschäftigten als einzige Option das Verlassen der Ingroup und der Anschluss an statushöhere Gruppen. In diesem Fall wäre das eine Anstellung in internen Arbeitsmärkten. Aufgrund von Mobilitätsbarrieren zwischen den Teilarbeitsmärkten ist ein Arbeitsplatzwechsel vom externen in einen internen Arbeitsmarkt jedoch oft nur schwer umsetzbar. Der Arbeitnehmer des externen Arbeitsmarkt verbleibt dort und damit gleichzeitig im Vergleich mit den intern Beschäftigten und er kann kein positives Selbstbild erzeugen. Auf diese Weise kann die Positionierung auf dem deutschen Arbeitsmarkt direkt zu einer niedrigeren (im Falle einer Anstellung auf dem externen Arbeitsmarkt) bzw. höheren Lebenszufriedenheit (falls in den internen Arbeitsmärkten tätig) führen.
In einem dritten Modell sollen letztlich die geschätzten Koeffizienten von Modell 1 und Modell 2 miteinander zu vergleichen, um so den indirekten Effekt der Arbeitsmarktposition auf die Lebenszufriedenheit zu ermitteln.
Zu welchen Ergebnissen bisherige Forschungen zu diesem Themas bereits gekommen sind, zeigt das anschließende Kapitel (Abschnitt 4).
Nachfolgend werden dann die Datengrundlage und die Schätzmethode genauer erläutert (Abschnitt 5). In Abschnitt 6 werden die eben kurz beschriebenen Modelle genauer erläutert und erklärt, wie die erwähnten Zusammenhänge und Abhängigkeiten zustande kommen und begründet sein können.
4 Aufarbeitung des bisherigen Forschungsstandes
Die Aufarbeitung des Forschungsstandes zu den Einflüssen der arbeitsmarktbedingten Arbeitsplatzcharakteristika auf die Lebenszufriedenheit von Berufstätigen zeigt zusammengefasst folgende Ergebnisse:
Vor allem Industriearbeiter, die gemäß Segmentationstheorie zu Arbeitern des externen Arbeitsmarktes zählen, sind nach einer Analyse von Osterland negativen Umgebungseinflüssen ausgesetzt. Belastungen wie Lärm, Staub und Hitze sowie körperliche Schwerarbeit sind täglich auszuhalten (vgl. Osterland, 1973). Böhle und Altmann zeigen, dass sich diese Belastungen auf die Lebenszufriedenheit der Arbeitskräfte auswirken kann. Die Bedienung von schweren Maschinen am Arbeitsplatz, meist Tätigkeiten, die eher auf dem Jedermannsarbeitsmarkt zu finden sind, lässt Arbeiter mit stetiger Ausübung dieser Tätigkeit in einen fatalen Kreislauf geraten: Die Anforderungen steigen im Vergleich zur Leistungsfähigkeit, wodurch die Sicherung des Arbeitsplatzes gefährdet wird. Die Angst, nicht mithalten zu können und darauf aufbauend die Angst um den Verlust des Lebensstandards oder sogar die Angst vor dem unfreiwilligen gänzlichen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben können die Folge sein und sich negativ auf dies Lebenszufriedenheit der extern Beschäftigten auswirken (vgl. Böhle & Altmann, 1972).
Doch nicht nur die von außen einwirkenden Faktoren haben Einfluss auf die Lebenszufriedenheit der Arbeitnehmer. Dass die eigene Arbeit als sinnhaft interpretiert und in dieser eine Selbstbestätigung wiedergefunden wird, beeinflusst die Lebenszufriedenheit wesentlich. Damit rückt das Hinnehmen von schlechten Arbeitsbedingungen in den Blick, welches mit einer Deprivation von Ansprüchen an die Arbeit einhergeht. Auch bei einfacheren Tätigkeiten, wie bspw. Fließbandarbeit, werden nach Knapp Ansprüche an Sinnhaftigkeit und subjektive Befriedigung in der Arbeit geltend gemacht (vgl. Knapp, 1981). Wenn die Handlungsspielräume als zu restringiert oder die Qualifikationsanforderungen als zu gering empfunden werden, so zeigen Volmerg et al., dass das, gemäß den Deprivationsansätzen, zu Verstimmung führt und sich auf die Lebenszufriedenheit der Berufstätigen auswirkt (vgl. Volmerg et al., 1986).
Ähnliche Ergebnisse zeigt der dritte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung von 2008 differenziert nach Geschlecht: Frauen leiden in un- und angelernten Tätigkeiten fünfmal, Männer dreimal häufiger unter einem schlechteren gesundheitlichen Zustand, der sich negativ auf die Lebenszufriedenheit auswirkt, als Frauen bzw. Männer in höheren Berufspositionen (BMAS, 2008). Großen Einfluss dabei haben die Arbeitsplatzbedingungen für Un- und Angelernte. Borell et al. weisen nach, dass eben diese Arbeitnehmergruppe einer Vielzahl an Belastungen wie Umgebungsbelastungen (wie bspw. Lärm, Staub oder Hitze), Nacht- oder Schichtarbeit oder Angst vor Arbeitsplatzverlust etc. ausgesetzt sind. Zudem sind ihre Tätigkeiten eher monoton, dafür körperlich anstrengend und repetitiv. Individuelle Entfaltungs- und Gestaltungsmöglichkeiten sowie Handlungsspielräume fehlen gleichzeitig (vgl. Borell et al., 2004). Dieses Ungleichgewicht aus Belastungen und Ressourcen bei der Arbeit wirkt sich in der Summe, nach den Ergebnissen von Bamberg et al., in vielfacher Weise negativ auf die Lebenszufriedenheit aus, meist in Form von Stress (vgl. Bamberg et al., 2003). Die Belastungen einer Beschäftigung auf dem Jedermannsarbeitsmarkt haben zudem Einfluss auf das subjektive psychische Befinden. Personen, die eher unteren sozioökonomischen Schichten angehören, berichten deutlich häufiger von psychosomatischen Störungen und Schmerzen, die wiederum auf die Lebenszufriedenheit einwirken können (vgl. Borell et al., 2004).
2009 zeigt Giesecke anhand einer Analyse über sozioökonomische Konsequenzen von atypischer Beschäftigung, dass Personen, die in einer solchen tätig sind im Vergleich zu Menschen, die einer geregelten, sicheren Arbeit nachgehen, Nachteilen bzgl. deren Einkommen und Aufstiegschancen ausgesetzt sind, welche die Lebenszufriedenheit der Arbeiter beeinflussen können. Giesecke findet heraus, dass diese Risiken und Benachteiligunen weder auf die Eigenschaften der Arbeitnehmer, noch auf deren Beruf zurückzuführen sind, sondern zeigt, dass sie auf den unterschiedlichen Arbeitsmarktpositionen auf dem deutschen Stellenmarkt basieren (vgl. Giesecke, 2009).
Lampert et al. (2010) belegen, dass soziale und materielle Benachteiligungen von Arbeitnehmern zu einem erhöhten Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko führen können. Berufstätige, die den unteren Einkommensklassen angehören, haben ein zweimal so hohes Risiko vor dem 65. Lebensjahr zu sterben als Beschäftigte der höchsten Einkommensklasse (vgl. Lampert et al., 2010). Eine Beschäftigung, die mit Benachteiligungen behaftet ist, welche meist aus den dortigen Arbeitsplatzbedingungen resultieren, hat außerdem oft zur Folge, dass Arbeitnehmer häufiger psychosozialen Belastungen ausgesetzt sind, als Personen mit höherem sozioökonomischen Status. Depressionen, denen eine Senkung der Lebenszufriedenheit nachfolgt, treten bei sozial benachteiligten Personen weitaus häufiger auf (vgl. Lampert & Kroll, 2010).
[...]
1 Die internen Teilarbeitsmärkte sind später in betriebsspezifischen Arbeitsmärkte und den fachspezifische Arbeitsmärkte weiter differenziert worden. Die Beschäftigungsbedingungen dieser beiden blieben jedoch dieselben (vgl. Sengenberger, 1987, S. 58), weshalb sich diese Arbeit nicht zusätzlich mit Unterschieden innerhalb der internen Teilarbeitsmärkte befasst.
2 Äußern könnte sich das beispielsweise durch unbezahlte Überstunden, die aus Angst vor eventuellem Jobverlust aufgrund von mangelhaftem Arbeitnehmerschutz geleistet werden.
3 Kategorien sind Bezeichnungen einer sozialen Gruppe. Es kann zwischen Selbstkategorien (aus der eigenen Perspektive betrachtet) oder soziologischen Kategorien (aus einer Außenperspektive betrachtet) unterschieden werden (vgl. Jonas & Beelmann, 2009, 22).
4 Die Bestätigung der Hypothese meint in dieser Arbeit die Nicht-Ablehnung der Hypothese.
5 Für diese Arbeit wurden die Merkmale/Variablen „monatliches Netto-Einkommen in 1000€“, „wöchentliche Arbeitsstunden“, „bezahlte Überstunden“ sowie der „Gesundheitszustand“ gewählt, da sie gut zu beobachten sind und nach der Segmentationstheorie eine große Rolle bei der Differenzierung der Arbeitsmärkte spielen (siehe Abschnitt 6).