Eine Betrachtung des fiktiv-autobiografischen Romans "Im Westen nichts Neues" unter besonderer Berücksichtigung des Soldatenalltags im I. Weltkrieg


Term Paper, 2012

13 Pages, Grade: 1,7

Kilian Norden (Author)


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Facetten des Soldatenalltags im Roman
2.1 Arbeit bzw. Dienst 2 2.2 Kommunikation
2.3 Konsum
2.4 Hygiene

3. Quellenwert des Romans

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einführung

Im Jahr 1929 erschien im Ullstein-Verlag der Roman “Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Das Werk gilt als Klassiker der Weltliteratur und erreichte bis heute eine Auflage von geschätzten 20 Mio. Exemplaren in mehr als 50 Sprachen.1

Im Roman schildert Remarque die Geschichte des ersten Weltkriegs aus der Sicht des einfachen Soldaten Paul Bäumer. Hierbei ist hervorzuheben, dass politische Ereignisse, Kriegsursachen oder Schlachten im Werk gänzlich ausgespart werden und die Romanerzählung sich somit vollständig auf das Kriegserlebnis der einfachen Frontsoldaten konzentriert. Remarque war selbst Kriegsteilnehmer und sein Roman trägt teilweise auch autobiografische Züge. Allerdings sind ihm viele der im Roman beschriebenen Ereignisse von Kameraden zugetragen worden, weshalb das Werk “Im Westen nichts Neues“ in die Gruppe der fiktiv-autobiografischen Romane einzuordnen ist.2

Noch bis in die Mitte der 1980er Jahre war das Individuum keine relevante Größe in der geschichtswissenschaftlichen Beschäftigung mit dem ersten Weltkrieg. Erst damals begannen Historiker wie Detlev Peukert das Individuum als Forschungsobjekt zu entdecken und den methodischen Ansatz der “Alltagsgeschichte“ zu verfolgen. Die Weltkriegsforscher die sich der Alltagsgeschichte verschrieben, stellten für sich fest, dass der wichtigste Gegenstand der Geschichte, nämlich der Mensch, bisher nicht angemessen betrachtet und zentrale Aspekte des menschlichen Daseins im Kriege, wie bspw. das Erleben des Kriegsalltags, völlig vernachlässigt wurden.3

In der vorliegenden Seminararbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern der fiktiv-autobiografische Roman “Im Westen nichts Neues“ als relevante Quelle in Bezug auf den soldatischen Alltag im I. Weltkrieg dienen kann. Für die Bearbeitung werden zunächst Facetten des Soldatenalltags im Roman exemplarisch herausgearbeitet und dargestellt. Im Anschluss an diese Darstellung wird der Quellenwert des Romans untersucht und somit die argumentative Basis für die im Fazit erfolgende Beantwortung der Leitfrage gelegt.

2. Facetten des Soldatenalltags im Roman

Im Roman “Im Westen nichts Neues“ wird die Thematik des Soldatenalltags beständig sowie äußerst facettenreich aufgegriffen. Bevor in diesem Abschnitt auf einzelne Facetten des Soldatenalltags eingegangen wird, soll jedoch zunächst die Strukturierung der nachfolgenden Darstellung kurz hergeleitet werden.

Für den allgemeinen Gebrauch wird der Begriff “Alltag“ im Duden als „ tägliches Einerlei [bzw. als], gleichförmiger Ablauf im [Arbeits]leben4 definiert. Darüberhinausgehend und konkretisierend wird der Begriff u.a. im Handbuch der Geschichts-didaktik bestimmt. Hiernach wird “Alltag“ als Lebenswelt bezeichnet „… in der sich Menschen tagtäglich oder regelmäßig in Aktionen, Interaktionen und Reaktionen mit der von ihnen vorgefundenen Wirklichkeit auseinandersetzen.5

Ausgehend von dieser kurzen Begriffsbestimmung sowie angepasst an die im Roman besonders hervortretenden Alltagsbereiche, wird im Rahmen dieser Arbeit die Darstellung verschiedener Facetten des Soldatenalltags nach den folgenden Überpunkten erfolgen: 1. Arbeit bzw. Dienst; 2. Kommunikation; 3. Konsum und 4. Hygiene.

2.1 Arbeit bzw. Dienst

Der Alltagsabschnitt der Arbeit ist für Soldaten gleichzusetzen mit dem Zeitabschnitt des Dienstes. In Friedenszeiten wird dieser begrenzt durch Dienstbeginn sowie Dienstschluss. In Zeiten des Krieges wird hingegen mit Ausnahme von Heimaturlaub rund um die Uhr gearbeitet bzw. gedient. Selbst Phasen der Erholung in rückwärtigen Räumen können dem Abschnitt der Arbeit zugerechnet werden, da Soldaten stets in Bereitschaft sein müssen um auf Abruf schnell zurück an die Front verlegen zu können. Dementsprechend ist der Alltagsabschnitt der Arbeit für Frontsoldaten beinahe allumfassend und auch in Remarques Roman ziehen sich die verschiedenen Facetten des soldatischen Dienstes quer durch alle Kapitel – beginnend mit Paul Bäumers freiwilliger Meldung zum Kriegsdienst und endend mit dessen Tod.

Meldung als Freiwilliger – Motiviert bzw. überzeugt durch den Klassenlehrer Kantorek meldet sich die ganze Klasse Paul Bäumers geschlossen zum Kriegsdienst: „ Kantorek hielt uns in den Turnstunden so lange Vorträge, bis unsere Klasse unter seiner Führung geschlossen zum Bezirkskommando zog und sich meldete.6

Remarque stellt die Meldung zum Kriegsdienst nicht an den Beginn seines Romans, sondern in die Mitte des ersten Kapitels. Paul Bäumer erinnert sich somit an dieses Ereignis als er bereits erste desillusionierende Kriegserfahrungen an der Front erlebt hat. Er reflektiert selbstkritisch den vormals uneingeschränkten Glauben an die Autoritäten und stellt ausgehend von der freiwilligen Meldung seinen eigenen sowie den Fehler seiner Lehrer fest: „ Das erste Trommelfeuer zeigte uns unseren Irrtum, und unter ihm stürzte die Weltanschauung zusammen, die sie uns gelehrt hatten.7

Ausbildung – Gleichwohl äußerst fordernd wird die Ausbildung im Roman als sinnvoll8 und erfolgreich beschrieben: „ Wir wurden hart, mißtrauisch, mitleidlos, rachsüchtig, roh – und das war gut; denn diese Eigenschaften fehlten uns gerade. Hätte man uns ohne diese Ausbildungszeit in den Schützengraben geschickt, dann wären wohl die meisten von uns verrückt geworden. So aber waren wir vorbereitet für das, was uns erwartete.9 Als wichtigster Aspekt der Ausbildung wird ferner die Entwicklung eines Gefühls der Zusammengehörigkeit herausgestellt: „ Das wichtigste aber war, daß in uns ein festes, praktisches Zusammengehörigkeitsgefühl erwachte, das sich im Felde dann zum Besten steigerte, was der Krieg hervorbrachte: zur Kameradschaft!10

Kriegshandlungen – Einer der Hauptaspekte im Rahmen des Dienstes als Frontsoldat sind Kriegshandlungen. Remarque lässt den Protagonisten hierbei einige der schrecklichsten Facetten durchleben, u.a.:

- Nahkampf mit dem Dolch: „ Ich denke nichts, ich fasse keinen Entschluß – ich stoße rasend zu und fühle nur, wie der Körper (eines französischen Soldaten, d. Verf.) zuckt und dann weich wird und zusammensackt.11
- Artilleriebeschuss: „ Die Erde dröhnt. Schweres Feuer liegt über uns. […] Der Unterstand bebt, die Nacht ist ein Brüllen und blitzen. […] Jeder fühlt es mit, wie die schweren Geschosse die Grabenbrüstung wegreißen, wie sie die Böschung durchwühlen und die obersten Betonklötze zerfetzen.12
- Abwehr eines Sturmangriffs: „ Das Trommelfeuer hat aufgehört, dafür liegt hinter uns ein schweres Sperrfeuer. Der Angriff ist da. […] Wir sehen die Stürmenden kommen. Unsere Artillerie funkt. Maschinengewehre knarren, Gewehre knattern.13

Durch die Beschreibungen der Kriegshandlungen wird ferner auch das “neue“ Antlitz des Krieges deutlich. Denn das vor dem Krieg propagierte Bild, des “ritterlich“ in offener Feldschlacht kämpfenden Soldaten, konnte der Realität nicht standhalten. Diese war geprägt durch Grabenkrieg und dem technisierten Töten mit neuen Waffen, wie:

- Gasangriff: „ Der dumpfe Knall der Gasgranaten mischt sich in das Krachen der Explosivgeschosse. […] Die ersten Minuten mit der Maske entscheiden über Leben und Tod: ist sie dicht? Ich kenne die furchtbaren Bilder aus den Lazaretten: Gaskranke, die in tagelangen Würgen die verbrannten Lungen stückweise auskotzen.14
- Flugzeuge: „ …die Beobachtungsflugzeuge hassen wir wie die Pest; denn sie holen uns das Artilleriefeuer herüber. Ein paar Minuten nachdem sie erscheinen, funkt es von Schrapnells und Granaten.15
- Panzer und Flammenwerfer: „ Es heißt, daß von drüben jetzt auch hier Tanks eingesetzt werden sollen … beim Angriff. Das interessiert uns aber weniger als das, was von den neuen Flammenwerfern erzählt wird.16

Tod und Verwundung – Den Bereich des Dienstes als Frontsoldat abschließend soll nun auf die Aspekte von Tod und Verwundung eingegangen werden. Remarque verwendet dieses Themenfeld fast in jedem Kapitel, wodurch Tod und Verwundung ständig präsent sind und schlussendlich, kurz vor Kriegsende, auch Paul Bäumer fällt.

- Verwundung: „ …im selben Moment fühle ich, wie mir die Spannung entgleitet … der Gedanke »Du bist verloren« zuckt auf mit einer würgenden, schrecklichen Angst – und im nächsten Augenblick fegt ein Schlag wie von einer Peitsche über mein linkes Bein.17
- Militärhospital: „ Im Stockwerk tiefer liegen Bauch- und Rückenmarkschüsse, Kopfschüsse und beidseitig Amputierte. Rechts im Flügel Kieferschüsse, Gaskranke, Nasen- Ohren- und Halsschüsse. Links im Flügel Blinde und Lungenschüsse, Beckenschüsse, Gelenkschüsse, Nierenschüsse, Hodenschüsse, Magenschüsse. Man sieht hier erst, wo ein Mensch übel getroffen werden kann.18
- Das langsame Sterben eines Kameraden: „ Aber er weint nur, den Kopf zur Seite gewandt. Er spricht nicht von seiner Mutter und seinen Geschwistern, er sagt nichts, es liegt wohl schon hinter ihm; – er ist jetzt allein mit seinem kleinen neunzehnjährigen Leben und weint weil es ihn verläßt.19
- Paul Bäumers Tod: „ Er fiel im Oktober 1918 …20 – „ Er war vornübergesunken lag wie schlafend auf der Erde … sein Gesicht hatte einen so gefaßten Ausdruck, als wäre er beinahe zufrieden damit, daß es so gekommen war.21

2.2 Kommunikation

Die interne Kommunikation von Soldaten unterscheidet sich deutlich von der “zivilen“ Alltagssprache. Remarque lässt seinen Protagonisten diesbezüglich speziell über den Aspekt der “Fäkalvokabeln“ sinnieren: „ Dem Soldaten ist sein Magen und seine Verdauung ein vertrauteres Gebiet als jedem anderen Menschen. Drei Viertel seines Wortschatzes sind ihm entnommen …22. Das diese Form der Sprache für Außenstehende schwerlich nachvollziehbar ist, wird durch Paul Bäumer explizit herausgestellt: „ Unsere Familien und unsere Lehrer werden sich schön wundern, wenn wir nach Hause kommen, aber es ist hier nun einmal Universalsprache.23 In einem späteren Kapitel wird der mit “Fäkalvokabeln“ durchsetzte “Soldatenjargon“ vom Protagonisten gerechtfertigt und als wichtige Bewältigungsstrategie bezeichnet: „ Das Grauen der Front versinkt, wenn wir ihm … mit gemeinen und grimmigen Witzen zuleibe [rücken]; wenn jemand stirbt, dann heißt es, daß er den Arsch zugekniffen hat, und so reden wir über alles, das rettet uns vor dem Verrücktwerden, solange wir es so nehmen, leisten wir Wiederstand.24

2.3 Konsum

Die Alltagsfacette des Konsums wird im Roman mehrfach aufgegriffen, wobei vor allem die beiden Aspekte Nahrung und Drogen hervorzuheben sind. Im Bereich der Nahrung wird dabei neben dem Verzehr25 auch die Nahrungsbeschaffung (bspw. Diebstahl einer Gans)26 thematisiert. Ferner wird die für Soldaten große psychologische Bedeutung von gutem Essen angedeutet: „ Das Essen, das er uns dort vorsetzt, ist tadellose Offizierskost. So haben wir im Augenblick wieder die beiden Dinge, die der Soldat zum Glück braucht: gutes Essen und Ruhe.27

[...]


1 Vgl. Erich Maria Remarque-Friedenszentrum 2012a [online].

2 Vgl. Erich Maria Remarque-Friedenszentrum 2012b [online]; vgl. Remarque 1987, S. 303ff.; Vgl. Wieland 2007, S. 50.

3 Vgl. Peukert 1982, S. 21ff.; vgl. Kocka 1986, S. 890ff.; vgl. Wehler 1983, S. 99ff.; vgl. Hirschfeld 2004, S.8.

4 Bibliographisches Institut 2012 [online].

5 Bergmann/Thun 1985, S. 315.

6 Remarque 2000, S. 17.

7 Remarque 2000, S. 18.

8 Ausgenommen von der “sinnvollen“ Ausbildung ist das Handeln des Unteroffiziers Himmelstoß.

9 Remarque 2000, S. 27.

10 Remarque 2000, S. 27f.

11 Remarque 2000, S. 147.

12 Remarque 2000, S. 78.

13 Remarque 2000, S. 82.

14 Remarque 2000, S. 54.

15 Remarque 2000, S. 93.

16 Remarque 2000, S. 78.

17 Remarque 2000, S. 162.

18 Remarque 2000, S. 177.

19 Remarque 2000, S. 31.

20 Remarque 2000, S. 197.

21 Remarque 2000, S. 197.

22 Remarque 2000, S. 15.

23 Remarque 2000, S. 15.

24 Remarque 2000, S. 100.

25 Vgl. u.a. Remarque, S. 73; S.160.

26 Vgl. Remarque, S. 70f.

27 Remarque 2000, S. 99.

Excerpt out of 13 pages

Details

Title
Eine Betrachtung des fiktiv-autobiografischen Romans "Im Westen nichts Neues" unter besonderer Berücksichtigung des Soldatenalltags im I. Weltkrieg
College
Helmut Schmidt University - University of the Federal Armed Forces Hamburg
Grade
1,7
Author
Year
2012
Pages
13
Catalog Number
V489771
ISBN (eBook)
9783668964730
ISBN (Book)
9783668964747
Language
German
Keywords
eine, betrachtung, romans, westen, neues, berücksichtigung, soldatenalltags, weltkrieg
Quote paper
Kilian Norden (Author), 2012, Eine Betrachtung des fiktiv-autobiografischen Romans "Im Westen nichts Neues" unter besonderer Berücksichtigung des Soldatenalltags im I. Weltkrieg, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/489771

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