Fallskizze: Sie sind seit 2 Jahren Leiter der Personalabteilung einer Uhrenfirma namens ‚Time’, die sich mit 1.600 Mitarbeitern auf hochpreisige Armbanduhren spezialisiert hat. Einmal im Jahr kommen alle 50 Führungskräfte für zwei Tage zusammen, um Informationen auszutauschen und über strategische Fragen zu diskutieren.
Aufgabe 1 (50 Punkte)
Sie wurden von der Geschäftsleitung beauftragt, den Prozess der unternehmensinternen Personalauswahl bei Time bei dem 2-Tages-Treffen als Tagesordnungspunkt zu thematisieren. Es wurde in den letzten Monaten festgestellt, dass die Auswahlgespräche sehr unterschiedlich geführt werden und die Bewerber zum Teil etwas verärgert sind über die Art wie Auswahlgespräche geführt werden. Was können Sie tun, um dieses Problem zu lösen? Wie stellen Sie sich einen optimalen Ablauf von Auswahlgesprächen vor?
Aufgabe 2 (25 Punkte)
Zur Verbesserung der internen Personalauswahl wollen Sie den Einsatz eines biographischen Fragebogens vorschlagen. Was ist ein biographischer Fragebogen? Was kann man zur Validität von biographischen Fragebögen sagen?
Aufgabe 3 (25 Punkte)
Des Weiteren wird bei Time über eine Reduzierung des Koordinationsbedarfs nachgedacht. Nennen und beschreiben Sie 4 Aspekte, die den Koordinationsbedarf reduzieren. Nennen Sie 4 zentrale Koordinationsinstrumente und beschreiben Sie 2 davon näher.
Es wurde festgestellt, dass Auswahlgespräche zur internen Personalauswahl unterschiedlich geführt werden und Bewerber zum Teil verärgert sind über die Gespräche. WIe kann dieses Problem gelöst werden? Wie stellen Sie sich den Ablauf von Auswahlgesprächen vor?
Zur Verbesserung der internen Personalauswahl wollen Sie den Einsatz eines biographischen Fragebogens vorschlagen. Was ist ein biographischer Fragebogenund was kann man zu ihrer Validität sagen?
Beschreiben Sie 4 Aspekte, die den Koordinationsbedarf reduzieren. Nennen Sie 4 zentrale Koordinationsinstrumente und beschreiben Sie 2 davon.
Abkurzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Aufgabenteil 1
Auswahlgesprache sind seit jeher ein relevantes und beliebtes Mittel der Perso- nalauswahl. Fast jedes Bewerbungsverfahren fur Arbeitsplatze mittlerer und ho- herer Qualifikation beinhaltet ein Auswahl-/Bewerbungsgesprach; Personaler be- ziehen einen GroGteil ihres Eindrucks von Bewerbern aus solchen personlichen Gesprachen und diese werden in Untersuchungen auch von Bewerbern in einem positiveren Licht gesehen als beispielsweise psychologische Tests (Fruhner, Funke, Moser & Schuler, 1991, S. 170-178; Half, 2016). Validitat, Praktikabilitat und Akzeptanz werden von Personalern hoher eingeschatzt als bei vielen ande- ren Verfahren (Boramir, Hell, Schaar & Schuler, 2006, S. 71). In der internen Personalauswahl wenden laut Boramir et al. bis zu 94% der Unternehmen Interviews in der einen oder anderen Form an (2006, S. 64).
In dieser Einsendeaufgabe werden die Begriffe ..Interview", „Auswahlgesprach" und „Bewerbungsgesprach" synonym verwendet. In der Praxis existieren selbst- verstandlich viele verschiedene Arten solcher Gesprache, worauf weiter unten im Text auch eingegangen wird. Auswahlgesprache haben nicht nur fur den Arbeit- geber Vorteile: der Informationsaustausch erfolgt in Interviews beidseitig. Der Be- werber lernt das Unternehmen mit seiner Kultur kennen, und kann sich ein Bild von der offenen Stelle mitsamt ihren Anforderungen und Chancen machen. Somit erhalt der Bewerber mehr Informationen, auf deren Basis er dann eine Entschei- dung in Bezug auf ein mogliches Angebot treffen kann.
Wenn die im Unternehmen Time durchgefuhrten Auswahlgesprache also auf Un- mut unter den Bewerbern stolen, sollte dies durchaus AnstoG zu einer Nachfor- schung und darauf aufbauend zu einer Verbesserung des Verfahrens geben. Be- vor jedoch eine konkrete Evaluation der im Unternehmen angewendeten Verfahren erfolgt, lohnt sich eine Auseinandersetzung mit den bekannten Kritikpunkten an personlichen Gesprachen als Auswahlverfahren: Bewerbungsgesprache als Auswahlverfahren haben namlich trotz ihrer Beliebtheit und haufigen Anwendung auch offensichtliche Schwachen. So finden Studien und Metaanalysen gerade bei unstrukturierten Interviews geringe Vorhersagevaliditaten in Bezug auf zukunftige Arbeitsbeurteilungen (Huffcut & Arthur, 1994, S. 189-190). Des Wei- teren zeigen verschiedene Arten von Auswahlgesprachen auch differierende Va- liditaten in Bezug auf unterschiedliche Konstrukte (Moscoso & Salgado, 2002, S. 299). Auch die Konstruktvaliditat kann bei Auswahlgesprachen also in Frage ge- stellt werden.
Dass die Objektivitat ebenso bei allen Formen des Auswahlgespraches in Frage gestellt werden kann, uberrascht nicht weiter: Die Person des durchfuhrenden Interviewers und die Eigendynamik der Interaktion zwischen diesem und dem Bewerber kann die Urteilsbildung ungewollt beeinflussen. Als ein Beispiel sei hier der sogenannte Halo-Effekt genannt, nach dem eine positiv auffallende Eigen- schaft eines Bewerbers andere, negative Eigenschaften „uberstrahlen“ kann. Au- Gerdem konnen jegliche Vorurteile des Interviewers zur Geltung kommen: in ei- ner Studie fanden Dugoni, Pingitore, Spring & Tindale, dass ubergewichtige Frauen signifikant geringere Chancen hatten, in Auswahlgesprachen positiv be- urteilt zu werden (1994). Angesichts der gesellschaftlichen Aktualitat von The- men wie Geschlechterdiskriminierung oder Rassismus soll an dieser Stelle auf solche Vorurteile nicht weiter eingegangen werden. Es wird an dieser Stelle nur angemerkt, dass eine Vielzahl an psychologischen Effekten und anderen Fakto- ren die Objektivitat von personlichen Auswahlgesprachen gefahrdet. Bei Werth (2004, S. 109-156) sowie Franke-Berthold, Kersting & Strobel (2018, S. 80-82) finden sich zahlreiche solcher Faktoren und Effekte, die die Wahrnehmung und Beurteilung anderer Menschen beeinflussen konnen.
Im Folgenden wird nun diskutiert, welche Moglichkeiten existieren, auf die kon- krete Kritik an den Auswahlgesprachen des Unternehmens Time zu reagieren. Die Bewerberkritik lasst die beiden Punkte „Unterschiede zwischen einzelnen Interviews" sowie „Arger uber die Durchfuhrung der Interviews" erkennen. Diese Kritikpunkte lassen vermuten, dass bis jetzt freie Gesprache verwendet wurden, die nicht standardisiert (strukturiert) durchgefuhrt wurden. Damit werden die Re- liabilitat und Objektivitat des Auswahlverfahrens verletzt. Unter anderem konnte eine Studie von Maurer die Reliabilitatssteigerung eines strukturierten Verfahrens zeigen (2006, S. 307). Auch Objektivitat und Vorhersagevaliditat werden maG- geblich durch Strukturierung von Auswahlgesprachen erreicht (Moscoso, 2000, S. 237; Culbertson, Huffcutt & Weyhrauch, 2013, S. 274-276). Die Kritik der Be- werber ist also gut verstandlich.
An dieser Stelle kann man in dem Fall des Unternehmen Time auch den Ansatz verfolgen, strukturierte Evaluationen der Auswahlgesprache von den interviewten Kandidaten einzuholen, um die einzelnen Kritikpunkte zu konkretisieren. So kann man die Verbesserung des Interviewprozesses zielgerichteter angehen. In unse- rem Falle lasst sich vermuten, dass auf den Kritikpunkt „Arger uber die Art, wie die Interviews gefuhrt werden" zumindest zu einem Teil durch eine bessere Pla- nung des Auswahlprozesses effektiv reagiert werden kann. Des Weiteren richtet sich der Kritikpunkt aber wohl auch an die Interviewer. Dem kann moglicherweise durch ein qualifizierendes Training vorgebeugt werden. Huffcutt und Woehr vermuten, dass Trainings der Interviewenden durch die Erhohung der Konsistenz zwischen den Interviewenden zur besseren Erfullung der wissenschaftlichen Gu- tekriterien beitragen konnten (Huffcutt & Woehr, 1997, S. 549-550). „Ein Training sollte sich an diesen Anforderungen [gemeint sind Qualifikationsanforderungen der Interviewer nach DIN 33430 Norm, Anm. d. Verf.] ausrichten und entspre- chend z.B. auf die Themen Interviewklassifikationen, Handhabung von Interview- leitfaden, Frage- und Formulierungstechniken oder die rechtliche Zulassigkeit von Fragen eingehen" (Franke-Berthold, Kersting & Strobel, 2018, S. 76).
Bevor man sich nun im Rahmen der Verbesserung der Gesprachsdurchfuhrung fur konkrete Methoden des Auswahlgespraches entscheidet, sollte nach dem Di- agnostik- und Testkuratorium „Klarheit uber Ziele, Rahmenbedingungen und Konsequenzen des geplanten Vorgehens hergestellt werden [...]“ (Franke-Berthold, Kersting & Strobel, 2018, S. 72). Weiterhin solle eine Anforderungsanalyse ausgefuhrt werden: eine solche Analyse kann bei der Formulierung „anforde- rungsbezogener Fragen" helfen, sowie bei der Entscheidung fur Auswertungs- und Beurteilungsinstrumente helfen (Franke-Berthold, Kersting & Strobel, 2018, S. 72). Hier kann angemerkt werden, dass eine Anforderungsanalyse meist schon seitens der Personalabteilung zum Zweck der kompetenten Stellenaus- schreibung existiert. SchlieGlich erfolgt die Erstellung eines Interviewleitfadens, in dem dann auch die konkreten Fragen sowie die allgemeine Struktur des Aus- wahlgesprachs vorgegeben sind. „Grob umrissen sollte jeder Leitfaden aus einer Gesprachseinleitung, einem Hauptteil zur Erhebung der Eignungsmerkmale sowie einem Gesprachsabschluss bestehen" (Franke-Berthold, Kersting & Stro- bel, 2018, S. 73). Ein solcher Leitfaden sorgt dafur, dass die gestellten Fragen aussagekraftig sind und erleichtert dem Interviewenden die spontane Beurtei- lung, ob die Antwort genugend Informationen fur die Auswertung bereitstellt. Der im Leitfaden festgehaltene Ablauf eines Auswahlgespraches konnte sich wie im Folgenden geschildert darstellen:
Nach der Einleitung des Gespraches durch eine kurze BegruGung und Vorstel- lung des/der Interviewenden sowie Darstellung des Gesprachsablaufes wird der Kandidat gebeten, sich und seinen Werdegang vorzustellen sowie seine Motivation fur die Bewerbung auf den Arbeitsplatz darzulegen.
Im darauffolgenden Hauptteil des Interviews werden solche Fragen gestellt, de- ren Informationsgewinn ein valider Pradiktor fur die in der Anforderungsanalyse aufgezeigten eignungsdiagnostischen Merkmale ist. Schon im Interviewleitfaden konnen auch mogliche Antworten und Gegenfragen antizipiert und Moglichkeiten des Nachhakens angeboten werden. Zur besseren Einschatzung der Reliabilitat konnte im Hauptteil des Interviews die „split-half Methode verwendet werden, indem ahnliche Fragen nochmals gestellt und die Antworten verglichen werden.
Heutzutage werden meist zwei Arten von Fragen in Auswahlgesprachen verwendet. Auf der einen Seite gibt es die sogenannten „behavioralen" Fragen. Diese beziehen sich auf in der Vergangenheit vom Bewerber gezeigtes Verhalten (auch „Critical Incidence Technique"): „Vor welchen Problemen standen Sie in der Vergangenheit? Wie sind Sie damit umgegangen? Wie wirkte sich die Implementie- rung Ihrer Losungen aus?" Es handelt sich bei behavioralen Fragen also um bi- ografiebezogene Fragen nach dem Modell des „Verhaltensdreiecks" (Reinhardt, 2016, S. 65-66).
Auf der anderen Seite werden haufig „situative" Fragen gestellt. Diese Art von Frage bezieht sich nicht auf vergangenes Verhalten, sondern gibt dem Kandida- ten vielmehr eine imaginare Situation vor, fur die er dann seine Losungsstrategie und Reaktion darlegen soll. Es handelt sich also um die Simulation einer mogli- chen Situation im Arbeitsalltag der zu besetzenden Stelle. Diese Fragen haben den Vorteil, dass sie dem Kandidaten gleichzeitig zeigen, welche Herausforde- rungen an dem Arbeitsplatz auf ihn zukommen konnten (Reinhardt, 2016, S. 66).
Neben diesen Arten der Fragestellung ist im Hauptteil des Auswahlgespraches auch ein Teil als freies Gesprach denkbar. AuGerdem kann durch Fragen nach den Vorstellungen des Bewerbers bezuglich der Stelle sowie das realistische Darstellen der Anforderungen durch den Interviewer festgestellt werden, ob der Arbeitsplatz den Vorstellungen des Bewerbers entspricht. SchlieGlich konnen auch praxisorientiertere Methoden verwendet werden (Franke-Berthold, Kersting & Strobel, 2018, S. 73). Dazu gehoren Rollenspiele, die Bearbeitung von Fallstu- dien oder in technischen Berufen gar die Bearbeitung realer Aufgaben (diese Moglichkeit kann bis zu einem sogenannten „Probearbeiten“ ausgeweitet wer- den).
Gegen Ende des Auswahlgespraches konnen Informationen uber Gehaltsvor- stellungen und andere „Eckdaten" des Beschaftigungsverhaltnisses (Datum des Arbeitsbeginns, Karriereprogression, ...) ausgetauscht werden. SchlieGlich sollte auch noch Zeit bleiben, um auf Fragen des Bewerbers einzugehen.
Hier lasst sich auGerdem anmerken, dass auch die gute Planung einer reibungs- losen und fur die Bewerber angenehmen praktischen Durchfuhrung zu einer ver- besserten Wahrnehmung des Prozesses bei Bewerbern fuhren kann: Wo sollen die Gesprache stattfinden? Ist dort fur Ruhe gesorgt, konnen Storungen ausge- schlossen werden? Ist genugend Zeit (auch fur Pausen und Fragen der Bewer- ber) eingeplant?
Als letzten Punkt kann man schlieGlich festhalten, dass auch die Auswertung der Auswahlgesprache selbstverstandlich nach wissenschaftlichen Gutekriterien er- folgen sollte. Auch hier konnen vorab festgelegte Regeln und Schemata helfen. Schon die Strukturierung der Gesprache an sich sorgt fur eine vereinfachte Auswertung. Nachdem jedoch in diesem konkreten Fall eher die Durchfuhrung im Mittelpunkt steht, wird die Auswertung nicht weiter behandelt.
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