Olga Grjasnowas 2018 erschienener Roman Gott ist nicht schüchtern zeichnet ein Bild des syrischen Bürgerkriegs anhand mehrerer Einzelschicksale. Eines dieser Schicksale ist das von Hammoudi, einem jungen Syrer, der nach erfolgreichem Medizinstudium in Paris einer lukrativen Festanstellung als kosmetischer Chirurg entgegensieht, bei einem Kurzaufenthalt in seiner Heimat dann allerdings in den Strudel des syrischen Bürgerkriegs hineingezogen wird.
In den Episoden mit Hammoudi wird das vielleicht eindringlichste Bild des Krieges gezeichnet, da er diejenige Romanfigur ist, die in Syrien bleibt und in ihrer umkämpften Heimatstadt in einem Krankenhaus im Untergrund die Verletzten versorgt. Dort trotzt er als Arzt dem Chaos des Bürgerkrieges, der Willkür des Tötens und dem Machtkampf des Assad-Regimes.
In vielen Punkten erinnern Gott ist nicht schüchtern und insbesondere die Figur des Hammoudi an Albert Camus' mehr als siebzig Jahre zuvor, nämlich 1947, erschienenen Roman Die Pest. Der Protagonist des Buches, der sich gegen Ende auch als der Erzähler zu erkennen gibt, ist Dr. Bernard Rieux, ein verheirateter Arzt in seinen Dreißigern, der in der algerischen Küstenstadt Oran lebt und praktiziert. Als dort eine Pestseuche ausbricht, ist er derjenige, der als erstes und am entschlossensten dagegen ankämpft.
Joseph P. Strelka merkt zu der Figur und der Funktion des Arztes in Die Pest an: Der wichtigste Kämpfer gegen den in diesem Roman geschilderten Pestausbruch in Oran ist Dr. Bernard Rieux, der einen Autor und Humanisten symbolisiert, welcher das Chaos der totalitären Epidemie um einer positiven Ordnung der Gesundheit und des Lebens willen bekämpft.
Die drei von Strelka genannten Aspekte, auf denen auch die nachfolgende Textanalyse beruht, sind der Humanismus des Arztes, das ihn umgebende totalitäre Chaos und das Handeln um einer positiven Lebens- und Gesundheitsordnung willen. Diese Arbeit möchte aufzeigen, dass beide Arztfiguren als Widerstandskämpfer betrachtet werden können, die mit ihrem jeweiligen Handeln das sie umgebende totalitäre Chaos bekämpfen. Hierfür werden zunächst die Gemeinsamkeiten der beiden Figuren hinsichtlich ihres persönlichen Hintergrunds, des Kontexts ihres Wirkens und der Ausübung ihres Berufs aufgezeigt, bevor der Hauptunterschied zwischen Hammoudi und Dr. Bernard Rieux herausgearbeitet wird.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Mensch hinter dem Arzt
- Dr. Bernard Rieux
- Hammoudi
- Chaos und ärztlicher Widerstand
- Albert Camus
- Die Pestseuche in Oran
- Dr. Bernard Rieux
- Olga Grjasnowa
- Der Bürgerkrieg in Syrien
- Hammoudi
- Albert Camus
- Der Arzt in Friedenszeiten
- Der Sieg gegen die Pest
- Die Flucht vor dem Bürgerkrieg
- Fazit
- Gemeinsamkeiten
- Unterschiede
- Der Arzt als Widerstandskämpfer
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Arztfiguren Dr. Bernard Rieux in Albert Camus' "Die Pest" und Hammoudi in Olga Grjasnowas "Gott ist nicht schüchtern" und analysiert sie als Widerstandskämpfer, die mit ihrem Handeln dem totalitären Chaos ihrer jeweiligen Umgebung entgegentreten. Die Arbeit setzt sich zum Ziel, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden Figuren hinsichtlich ihres persönlichen Hintergrunds, ihres Wirkens und ihrer Berufsausübung aufzuzeigen.
- Der Arzt als Symbol des Widerstands im Angesicht des Chaos
- Der Einfluss des totalitären Kontexts auf die Handlungen der Ärzte
- Die Rolle des Humanismus im Handeln der Arztfiguren
- Der Arzt als Vermittler zwischen Mensch und Gesellschaft
- Die individuellen Entscheidungen der Ärzte im Kontext des Widerstandes
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik des Arztes als Symbol des Widerstands ein und stellt die beiden Romanfiguren Dr. Bernard Rieux und Hammoudi in ihren jeweiligen Kontexten vor. Im zweiten Kapitel werden die persönlichen Hintergründe der beiden Figuren beleuchtet. Dabei wird deutlich, dass Dr. Rieux eher geheimnisumwittert bleibt, während Hammoudis Lebensgeschichte ausführlicher beschrieben wird, wobei seine Unentschlossenheit und das Streben nach Autonomie hervorgehoben werden. Das dritte Kapitel widmet sich dem Chaos und dem ärztlichen Widerstand in den jeweiligen Romanen. Hier werden die Pestseuche in Oran und der syrische Bürgerkrieg als Rahmen für die Handlungen der Ärzte beschrieben. Im vierten Kapitel wird der Arzt in Friedenszeiten betrachtet, wobei der Sieg gegen die Pest und die Flucht vor dem Bürgerkrieg als Beispiele für die veränderten Lebensumstände der beiden Figuren dienen.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Analyse der Arztfiguren Dr. Bernard Rieux und Hammoudi als Symbole des Widerstands. Weitere zentrale Themen sind der Humanismus, die Bedeutung der individuellen Entscheidung im Kontext des totalitären Chaos und die Rolle des Arztes als Vermittler zwischen Mensch und Gesellschaft. Die Analyse der beiden Figuren wird mit Bezug auf die Werke "Die Pest" von Albert Camus und "Gott ist nicht schüchtern" von Olga Grjasnowa durchgeführt.
- Arbeit zitieren
- Florian Arleth (Autor:in), 2019, Der Arzt als Symbol des Widerstands bei Grjasnowa und Camus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/490591