Die Möglichkeit der Entschuldung natürlicher Personen durch den Insolvenzplan


Seminararbeit, 2018

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Gliederung

A. Der Insolvenzplan

B. Aufbau und Inhalt eines Insolvenzplans
I. Darstellender Teil
II. Gestaltender Teil
1. Bildung der Gruppen, § 222 Abs. 1 InsO
2. Bildung der Gruppen, § 222 Abs.2 InsO

C. Abstimmung und Annahme des Insolvenzplans 6
I. Gerichtliche Vorprüfung durch das Insolvenzgericht
II. Die Annahme des Plans durch die Gläubiger
1. Stimmberechtigung
2. Planannahme durch die Mehrheit
3. Das Obstruktionsverbot nach § 245 I InsO
III. Gerichtliche Bestätigung, Wirkung und Überwachung des Plans

D. Die Vorteile für natürliche Personen zum Regelinsolvenzverfahren
I. Die Verfahrensdauer
II. Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung
III. Die Offenlegung von Versagungsgründen der Restschuldbefreiung

E. Der Insolvenzplan im Lichte des außergerichtlichen Einigungsversuchs

F. Schlussbetrachtung

G. Literaturverzeichnis

A. Der Insolvenzplan

Bruno ist 36 Jahre alt, geschieden, Vater einer 4 - jährigen Tochter, ungelernt und arbeitet z. Z. als Bauhelfer für einen monatlichen Nettolohn i .H. v. 1450 €. U. a. aufgrund einer gescheiterten Selbstständigkeit hat Bruno Verbindlichkeiten bei vier Gläubigern: Bei einem Bekannten, beim Finanzamt, einem Rechtsanwalt und schließlich bei einer Warenhauskette. Das Finanzamt hat einen außergerichtlichen Vergleich, trotz der Bereitschaft seitens Brunos Bruders 5000 € für die Gläubiger zur Verfügung zu stellen, abgelehnt. Folglich wird Bruno die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Erteilung der Restschuldbefreiung beantragen müssen, die er, sofern er redlich war, in einigen Jahren erteilt bekommt. Einen alternativen Weg für Bruno bietet u. U. der Insolvenzplan. Dieser ermöglicht abweichende Regelungen von den starren Vorgaben der InsO. Ein Insolvenzplan soll die Möglichkeit bieten, ein Maximum an Flexibilität und Gläubigerautonomie zu realisieren und das für den jeweiligen Einzelfall beste Ergebnis zu erreichen.[1] Gem. § 217 S. 1 InsO sind abweichenden Regelungen über die Verteilung der verwerteten Insolvenzmasse möglich, abweichende Regelungen zur Befriedigung der Gläubiger, oder anders lautende Regelungen zur Haftung des Schuldners nach Beendigung des Insolvenzverfahrens. Es geht also regelmäßig um Stundungen, Kürzungen und Verzicht von Insolvenzforderungen, sowie mögliche Eingriffe in Absonderungsrechte.[2] Anders lautende Regelungen für die Haftung des Schuldners können entgegen §§ 287 II, 300 I InsO eine Restschuldbefreiung in nur wenigen Monaten bedeuten. Der beachtliche Gestaltungsspielraum eines Insolvenzplans kann dies zulassen. Die InsO gibt lediglich einen Rahmen für das Verfahren vor, ansonsten wird autonom entschieden und es gilt die Annahme „sie werden schon wissen, was gut für sie ist!“[3]

B. Aufbau und Inhalt eines Insolvenzplans

§ 219 InsO schreibt die Gliederung eines Insolvenzplans vor. Demnach besteht der Insolvenzplan aus dem darstellenden Teil (§ 220 InsO) und dem gestaltenden Teil (§ 221 InsO), sowie den in §§ 229, 230 InsO genannten Anlagen.

I. Darstellender Teil

Gem. § 220 Abs. 2 InsO sollen im darstellenden Teil alle Angaben zu den Grundlagen und Auswirkungen des Plans zu finden sein, die für die Entscheidung der Beteiligten über die Zustimmung des Plans erheblich sind. Dazu gehören z.B. rechtliche und wirtschaftliche Verhältnisse des Schuldners (Arbeitseinkommen), zukünftige berufliche Entwicklung, Vermögensübersicht, Ausschüttungssicherheit, Kriterien zur Gruppenbildung, die Quotenhöhe und Quelle.[4] Zu den wesentlichen Entscheidungsgrundlagen gehört auch, obwohl nicht explizit im Gesetz niedergeschrieben, dass eine Vergleichsrechnung notwendig ist, also welche Befriedigung der Gläubiger auf seine angemeldeten Forderungen ohne Plan hätte erwarten können.[5] Den Gläubigern muss aufgezeigt werden, dass sie beim Durchlauf des Regelverfahrens mit einer geringeren Quote zu rechnen hätten, als das bei Akzeptanz des Insolvenzplans der Fall wäre. Für natürliche Personen gilt zusätzlich, dass sie im Rahmen der Vergleichsrechnung auch auf die Erfolgsaussichten des Antrages auf Restschuldbefreiung aufmerksam machen müssen. Es ist durchaus erwähnenswert, ob der Gläubigerzugriff ohne Plan auf pfändbares Einkommen „nur“ wenige Jahre (§ 300 Abs.1 InsO) oder aber 30 Jahre (§ 197 BGB, § 201 InsO) andauert.[6] Grundsätzlich wird der darstellende Teil eines Insolvenzplans einer natürlichen Person mit überschaubaren wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnissen weniger komplex ausfallen, als der von einer juristischen Person, die etwa börsennotiert ist. Der Umfang der dargestellten Informationen ist von den wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnissen des Schuldners abhängig, so auch der BGH.[7] Insofern existieren keine starren Vorgaben. Allerdings werden Pläne zurückgewiesen, wenn sie entscheidungserhebliche Informationen nicht dargestellt haben.[8] Der darstellende Teil ist deutlich mehr, als eine „Art Geschichtserzählung ohne weitere rechtliche Bedeutung“[9], weil er wichtige Überzeugungskraft für die Annahme leisten muss.

II. Gestaltender Teil

Gem. § 221 S. 1 InsO wird im gestaltenden Teil festgelegt, wie die Rechtsstellung der Beteiligten durch den Plan geändert werden soll. Es handelt sich also um die entscheidenden materiell – rechtlich relevanten Regelungen, die die Rechtspositionen der Absonderungsberechtigten, der Insolvenzgläubiger und die des Schuldners festlegen.[10] Dies kann auf denkbar vielfältige Weise geschehen. Einschränkungen finden sich neben verfassungsrechtlichen Grenzen lediglich in der Fantasie des Verfassers.[11] Ausgenommen und somit Nicht- Beteiligte des Plans sind jedoch die Aussonderungsberechtigten- und Massegläubiger. Über alle denkbaren Eingriffe und Veränderungen ihrer Rechtsposition sind sie erhaben.[12] Regelmäßig wird sich der darstellende Teil bei natürliche Personen in erster Linie zu den Rechten der Insolvenzgläubiger äußern.[13] § 224 InsO zählt hier beispielhaft das Kürzen und Stunden von Forderungen auf. Ebenfalls möglich sind alle anderen denkbaren Möglichkeiten, wie Zinserlass oder gar der komplette Forderungserlass. Nicht außen vor zu lassen ist die mögliche Gestaltung der eigenen Haftung des Schuldners, gem. § 227 InsO. Sofern nichts anderes bestimmt, wird der Schuldner bereits mit rechtskräftiger Planbestätigung von seinen restlichen Schulden befreit.[14] Die InsO eröffnet hier die Möglichkeit eine deutlich schnellere Entschuldung zu erreichen, als mit dem Restschuldbefreiungsverfahren. Ganz uferlos ist die Gestaltung der Beteiligtenrechte jedoch nicht. Gem. § 222 Abs. 1 InsO sind bei der Festlegung der Rechte im Insolvenzplan Gläubigergruppen zu bilden, sofern denn Beteiligte mit unterschiedlicher Rechtsstellung betroffen sind. Die Bildung von Gläubigergruppen ist ein zentraler Punkt im Insolvenzplan und kann von entscheidender Bedeutung sein. Sie ist deshalb so wichtig, weil einzelne Gruppen die über den Plan mit „Nein“ abstimmen überstimmt werden können (§ 245 InsO). Eine vorausschauende und bedachte Gruppenbildung kann daher planentscheidend sein[15], wie bei der Abstimmung und Annahme des Plans deutlich wird.

1. Bildung der Gruppen, § 222 Abs. 1 InsO

Die zwingend vorgeschrieben Gruppenbildung berücksichtigt die unterschiedlichen rechtlichen Stellungen der Beteiligten. So sind nach Abs. 1 Gruppen zu bilden für die absonderungsberechtigten Gläubiger, für die nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger, für einzelne Rangklassen der nachrangigen Insolvenzgläubiger, soweit deren Forderungen nicht als erlassen gelten und die am Schuldner beteiligten Personen, wenn deren Anteilsrechte in den Plan miteinbezogen werden sollen. Für natürliche Personen könnte sich die zwingend vorgeschriebene Gläubigergruppeneinteilung aufgrund der weniger komplexen wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse auf wenige, wenn nicht sogar regelmäßig nur auf die der Insolvenzgläubiger, beschränken.[16] Umso mehr lohnt sich ein Blick in Abs. 2.

2. Bildung der Gruppen, § 222 Abs.2 InsO

Nach § 222 Abs. 2 InsO können Gruppen bestehend aus Beteiligten mit gleicher Rechtsstellung gebildet werden, wenn sie gleichartige wirtschaftliche Interessen besitzen. Im Umkehrschluss hat das zur Folge, dass verschiedene Gruppen gebildet werden können, solange sie nur unterschiedliche wirtschaftliche Interessen besitzen und sachgerecht voneinander abgegrenzt werden. Fraglich ist, wann eine nach InsO geforderte sachliche Abgrenzung der Gruppen vorliegt. Die InsO schreibt weiter vor, dass die Kriterien, die zur Gruppenbildung angewandt wurden, im Plan mitanzugeben sind. Die Abgrenzungskriterien können je nach Plan vielfältig sein und von der persönlichen Beziehung des Schuldners und der Gläubiger, bis hin zum Entstehungsgrund der Forderung reichen.[17] In Brunos Fall könnte das dann wie folgt aussehen: Alle Gläubiger haben die gleiche Rechtsposition, und zwar die des Insolvenzgläubigers. Eine Einteilung nach § 222 Abs. 1 ist also nicht notwendig. Eine Einteilung nach § 222 Abs. 2 InsO ist aber möglich. Brunos Kriterien könnten lauten: Die persönliche Verbundenheit (Brunos Bekannter, Gruppe 1), die Eingruppierung in öffentliche Forderungen[18] (Finanzamt Erfurt, Gruppe 2), die der zugrundeliegenden Vertragsart[19] (Dienstleistungsvertrag mit dem Rechtsanwalt, Gruppe 3) und eine Gruppe, die aus Privatkonsum resultiert (Online - Warenhaus, Gruppe 4). Der Zuschnitt der Gruppen obliegt allein dem Planverfasser und damit auch die Möglichkeit sich im Hinblick auf die Abstimmung des Plans gewisse und für ihn günstige Wahlkreise zuzuschneiden.[20] Folglich ist es möglich, ein opponierendes Finanzamt durch geschickte Strategie zu überstimmen. Allerdings könnte das Finanzamt auch bei der Bildung von nur einer Gruppe bestehend aus den vier Gläubigern, überstimmt werden, wie bei der Annahme deutlich wird. Eine Überprüfung der sachgerechten Einteilung findet durch das Gericht im Rahmen der Annahme und Bestätigung des Plans statt (§ 231 Abs. 1 Nr. 1 InsO). Durch die Möglichkeit des § 222 Abs. 2 InsO wird deutlich, dass dem Plan ein naturgemäßes taktisches Verhandlungskalkül und die Pflicht zum Kompromiss für die Gläubiger innewohnt.[21] Diese Norm besitzt in jedem Fall eine große Sprengkraft[22] und ist nicht frei von Kritik.

a) Missbrauch durch Gruppenbildung?

Bereits vor 25 Jahren fürchtete man durch die Aufteilung der über den Plan abstimmenden Gläubiger in beliebig viele Gruppen, dass dadurch der Manipulation Tür und Tor geöffnet wird.[23] Der Gesetzgeber setzt der Manipulationsgefahr, die grundsätzlich möglich scheint, mit der Voraussetzung nach einer sachgerechten Trennung der Gruppen, eine Grenze. Eine willkürliche Einteilung ist somit nicht möglich, auch wenn dem Verfasser mit ausreichend Fantasie und nachvollziehbarer Kriterien im Plan ein großer Spielraum zur Verfügung steht. Dieser Spielraum ist aber bewusst gewollt. Aus Sicht des Gesetzes ist es legitim, wenn der Planverfasser sich passende Gruppen zurechtschneidet, um den Widerstand bestimmter Gläubiger mit der Mehrheit „niederzukämpfen“.[24] Anders hingegen Wertenbruch, der die gerichtliche Überprüfung gem. § 231 Abs. 1 InsO in der Pflicht sieht, missbräuchliche, nur der Mehrheitsbeschaffung dienenden Gruppenbildung zu vermeiden.[25] Das Gericht überprüft gem. § 231 Abs. 1 S. 1 InsO die sachgerechte Abgrenzung der Gruppen nach wirtschaftlichen Interessen. Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann der Vorwurf von Missbrauch keine Geltung mehr beanspruchen. Andernfalls hebt man die ausdrücklich gewollten Möglichkeiten des § 222 Abs. 2 InsO aus seinen Angeln. Ein strategisches Verhalten ist zulässig und legitim.[26] In einem unmittelbaren Zusammenhang mit der strategischen Vielzahl von Gruppenbildungen steht die Kritik an den Einzelgläubigergruppen. Smid lehnt die Bildung von „Einzelgläubigergruppen“ ab, weil sie den Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung eher erschweren.[27] Bei natürlichen Personen wird die Bildung solcher Gruppen kein seltenes Phänomen sein, bei einer strategisch gewählten Gruppenausrichtung und einer Anzahl überschaubarer Gläubiger. Sofern es immer nur einzelne Gläubiger mit unterschiedlichen Interessen gibt, ist die Entstehung von Einzelgläubigergruppen eine Notwendigkeit.[28] Diese müssen die Gläubigergleichbehandlung aber nicht erschweren. Unterschiedliche Interessen lassen nämlich auch unterschiedliche Abstimmungsverhalten erwarten.[29]

[...]


[1] Lissner, DGVZ 2017, 68, 69.

[2] HK-InsO/Haas; Vor §§ 217, Rn. 13.

[3] Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 470.

[4] HK-InsO/Haas; § 220, Rn. 2.

[5] Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rn. 372.

[6] Madaus, NZI 2017, 697, 699.

[7] BGH ZInsO 2010, 85, Rn. 3.

[8] Madaus, NZI 2017, 697, 699.

[9] Zimmermann, Grundriss des Insolvenzrechts, Rn. 524.

[10] Reischl, Insolvenzrecht, Rn. 828.

[11] BeckOK-InsO/Geiwitz/von Danckelmann, § 221, Rn. 7.

[12] Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 479.

[13] Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, Rn. 381.

[14] HambKomm/Thies, § 227, Rn. 2.

[15] Gleußner, Insolvenzrecht, Rn. 465.

[16] Schmidt, Privatinsolvenz, Rn. 10.

[17] HambKom/Thies, § 222, Rn. 17.

[18] HambKom/Thies, § 222, Rn. 17.

[19] HambKom/Thies, § 222, Rn. 17.

[20] Foerste, Insolvenzrecht, Rn. 483.

[21] Braun, Insolvenzrechtshandbuch, § 67, Rn. 43.

[22] Gleußner, Insolvenzrecht, Rn. 466.

[23] Grub, ZIP 1993, 393, 398.

[24] Hingerl, ZinsO 2007, 1337, 1339.

[25] Wertenbruch, ZIP 2013, 1693, 1702.

[26] MüKoInsO/Eidenmüller, § 222, Rn. 111.

[27] Smid, InVo 1997, 169, 176.

[28] Hingerl, ZinsO 2007, 1337, 1339.

[29] Hingerl, ZinsO 2007, 1337, 1339.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Möglichkeit der Entschuldung natürlicher Personen durch den Insolvenzplan
Hochschule
Universität Erfurt
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
19
Katalognummer
V490735
ISBN (eBook)
9783668988361
ISBN (Buch)
9783668988378
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Insolvenzrecht, natürliche Personen, Insolvenzplan, Entschuldungsmöglichkeit, Restschuldbefreiuung, Insolvenzordnung, Vorteile
Arbeit zitieren
Armin Groenewold (Autor:in), 2018, Die Möglichkeit der Entschuldung natürlicher Personen durch den Insolvenzplan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/490735

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