Der Prosaroman Fortunatus - Ein Spiegel der Frühen Neuzeit


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2005

15 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis Seite

1. Die frühe Neuzeit – historischer Hintergrund für die Gattung des Prosaromans

2. Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Entwicklungen in der frühen Neuzeit

3. Auswirkungen der neuen Tendenzen auf die Literatur

3.1 Der Buchdruck als entscheidender Anstoß für den Entwicklungsprozess
3.2 Die Abgrenzung der frühneuzeitlichen literarischen Tendenzen zum Mittelalter

4. Die terminologische Problematik

5. Der Prosaroman „Fortunatus“

5.1 Wichtige Merkmale des Prosaromans im „Fortunatus“
5.1.1 Die Motivik
5.1.2 Die Darstellung der frühneuzeitlichen Verhältnisse
5.2 Die herausragende Rolle des „Fortunatus“ unter den Prosaromanen
5.2.1 Die Eigenständigkeit des Fortunatus im Vergleich zu anderen Prosaromanen
5.2.2 Die Heldenfiguren im Prosaroman „Fortunatus“
5.2.3 Das moralisch-didaktische Lehrkonzept des „Fortunatus“

6. „Fortunatus“ im Zeichen der Neuzeit

Literaturverzeichnis

1. Die frühe Neuzeit – historischer Hintergrund für die Gattung des Prosaromans

Die Genese jeder literarischen Gattung muss im Kontext der jeweiligen historischen und sozialen Begebenheiten gesehen werden. Die Denkweise der Menschen und deren Reaktion auf die Vorgänge in ihrer Umwelt sind ausschlaggebend für die Entwicklung der Literatur. Aus diesem Grund scheint es interessant die Gattung des Prosaromans genauer zu betrachten, da diese vor dem Hintergrund eines bedeutsamen Einschnitts in der Geschichte entstand: dem Übergang vom Mittelalter zur frühen Neuzeit. Einen zentralen Repräsentanten für die Gattung des Prosaromans stellt der 1509 erstmals erschienene, von einem anonymen Autor verfasste „Fortunatus“ dar. An diesem Werk soll exemplarisch untersucht werden, inwieweit die gewaltigen Veränderungen, die diese Zeit mit sich gebracht hat, für die zeitgenössische Literatur eine Rolle spielt. Die vorliegende Arbeit richtet sich in ihrer Konzeption danach, dass sich zunächst sowohl den historischen als auch den allgemeinen literarischen Tendenzen der angesprochenen Umbruchszeit gewidmet werden wird, um auf dieser Basis die Gestaltung des Prosaromans „Fortunatus“ im Speziellen zu untersuchen.

2. Sozial- und wirtschaftsgeschichtliche Entwicklungen in der frühen Neuzeit

Der Prosaroman gilt als die „Zielform eines Prozesses“[1]. Um diese Gattung richtig erfassen zu können, ist es notwendig, die Entwicklungstendenzen dieses Prozesses, die mannigfaltigen Veränderungen infolge des Übergangs vom Mittelalter zur frühen Neuzeit, kurz anzusprechen. An der Schwelle zur Neuzeit standen vielfältige Neuerungen, die insbesondere auf dem Gebiet der Wirtschaft einen enormen Wandlungsprozess in Kraft setzten. Neben dem verstärkten technischen Fortschritt und dem Ausbau des Verkehrswesens trug vor allem die Ausweitung des Handels[2] im 15. Jahrhundert zu einem erstaunlichen wirtschaftlichen Aufschwung bei. Auch das Geld- und Bankenwesen gewann immer mehr an Bedeutung. Notwendiger Bestandteil für diese ökonomische Entwicklung waren natürlich die Kaufmänner, die sich unter anderem durch eben diesen wirtschaftlichen Erfolg immer mehr in der Gesellschaft etablierten[3]. Aus diesem Grund veränderte sich nicht nur die wirtschaftliche Lage in der frühen Neuzeit grundlegend, sondern auch die soziale Struktur: Das schon zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert entstandene Bürgertum[4] ist seit der frühen Neuzeit endgültig eine feste Größe in der Gesellschaft geworden.

3. Auswirkungen der neuen Tendenzen auf die Literatur

3.1 Der Buchdruck als entscheidender Anstoß für den Entwicklungsprozess

Nachdem nun die Grundtendenzen der frühen Neuzeit kurz thematisiert wurden, stellt sich nun aber die Frage, welchen Einfluss diese neuen Aspekte auf die Literatur ausübten. Selbstverständlich muss hier auf die Erfindung des Buchdrucks hingewiesen werden, eine technische Neuerung, die für den literarischen Markt natürlich von unermesslicher Bedeutung war, da durch sie – wenn auch schon vorher Bücher zum Teil ihre „Exklusivität und sakrale Aura“[5] zunehmend eingebüßt hatten – die Produktionszahl von Büchern um ein Vielfaches erhöht und so ein größeres Publikum erreicht werden konnte. Dieser Prozess brachte neben der steigenden Tendenz zur stillen Lektüre[6] zum einen mit sich, dass die Leserschaft dem Autor nun als anonyme Gruppe gegenüberstand, sich die beiden Parteien „buchstäblich aus den Augen verloren“[7]. Zum anderen konnte sich erst durch die neue Drucktechnik Literatur zu einer Profitquelle entwickeln[8]. Unter anderem diese beiden Konsequenzen aus der Erfindung des Buchdrucks machten erst die „Dynamisierung des literarischen Marktes“[9] möglich, d.h. es konnten sich neue Merkmale in der Literatur herausbilden, die letztlich durch die neue Drucktechnik zu erklären sind. Auch dadurch, dass Bücher nun aufgrund des wirtschaftlichen Profits geschrieben wurden, änderten sich etwa die verwendeten Thematiken, die nun vor allem darauf ausgerichtet wurden, dass sie den Leser unterhalten, ihm „kurtzweyl“ bereiten sollten[10]. Natürlich ändern die Autoren in der Zeit des Übergangs vom Mittelalter zur Neuzeit auch deshalb ihre Thematiken, da sich ihre Leserschaft nicht nur vergrößert, sondern auch durch den gesellschaftlichen Aufstieg des Bürgertums, das nun auch zunehmend liest, gewandelt hat. Vor diesem Hintergrund scheint es nicht mehr verwunderlich, dass nun etwa Episoden über Kaufmänner in Werke integriert werden, denn dadurch versuchten sich die Autoren den Verkaufserfolg in dieser Schicht zu sichern. Auch wenn der Wandel der Zeit enorme Veränderungen am literarischen Markt mit sich gebracht hat, muss deutlich darauf hingewiesen werden, dass es sich bei den Büchern des 15. und 16. Jahrhunderts noch keinesfalls um „Massenmedien“ bzw. „Volksliteratur“ handelt, da die Leserschaft noch nicht die ausgedehnte Dimension erreicht hat, die der oft verwendete Begriff „Volksliteratur“ suggeriert.

3.2 Die Abgrenzung der frühneuzeitlichen literarischen Tendenzen zum Mittelalter

Der literarische Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit wird durch einige markante Kennzeichen markiert, aus denen besonders die Abkehr von der Versform hin zur Prosa hervortritt. Die Komplexität dieser Entwicklung kann in diesem Rahmen nur durch wenige zentrale Kriterien angedeutet werden; die Erklärungsversuche für den Wechsel von Vers zu Prosa sind vielfältig. Der soziale Aufstieg des Bürgertums in der frühen Neuzeit wäre als „Katalysator“ für die zunehmende Verwendung der Prosa denkbar, da diese lange Zeit „als Medium einer rationalen Weltsicht und der antiidealistischen Haltung des Bürgertums“[11] galt. Allerdings darf dieser Einfluss nicht überschätzt werden.[12] Auch die Veränderungen in der Lesererwartung zu Beginn der frühen Neuzeit spielte für die Tendenz zur Prosa eine wichtige Rolle: Das Publikum bevorzugte unter anderem aus dem Grund zunehmend die Prosa, dass diese Form eher den Wahrheitsgehalt einer Geschichte suggeriert als der Vers.[13] Dies entsprach dem damals vorherrschenden Zeitgeist.

Eine weitere wichtige Entwicklung, die die frühe Neuzeit vom Mittelalter abgrenzt, betrifft die Neugierde des Menschen, die so genannte curiositas[14]: Im Mittelalter war es den Menschen nur insofern erlaubt sich mit der Welt zu beschäftigen, dass es ihr Seelenheil positiv beeinflusst, denn das Schicksal der Erde war vertrauensvoll in die Hände Gottes gelegt ohne diese göttliche Autorität kritisch hinterfragen zu dürfen.[15] In der frühen Neuzeit lösten sich die Menschen allerdings teilweise von der Religion und ergriffen zunehmend selbst die Initiative für ihr Leben. Diese Änderung in der Denkweise der Gesellschaft setzte das mittelalterliche curiositas-Verbot, das den Menschen die „Weltneugierde“[16] untersagt hatte, außer Kraft.[17] Dies nutzten die Autoren von Prosaromanen, indem sie bewusst Elemente wie etwa Wunder oder die Fremde in ihre Werke mit einbauten, die die Neugierde der Menschen wecken konnte. Auf diese Weise konnte eine größere Leserschaft angezogen und so der Verkaufserfolg der Prosaromane gesichert werden.

4. Die terminologische Problematik

Bevor man sich nun näher mit den spezifischen Merkmalen der Prosaliteratur der frühen Neuzeit beschäftigt, scheint es notwendig, einige Worte über die Bezeichnung dieser Erzählungen voranzustellen, da in der Forschung ganz verschiedene, mitunter problematische Termini nebeneinander existieren. Besonders die Benennungen „Volksbuch“ und „Prosaroman“ haben sich in dem Begriffschaos durchgesetzt. In der älteren Forschung findet meist die Bezeichnung „Volksbuchs“ Gebrauch[18], doch – wie Jan-Dirk Müller ausführlich darstellt[19] – darf diese Bezeichnung nicht ohne weiteres verwendet werden. Vor allem seine „romantisch-germanistische Erbmasse“[20] macht den Begriff „Volksbuch“ zu einer Bezeichnung, die für die Erzählliteratur des 15. und 16. Jahrhunderts keinesfalls geeignet ist. Der Terminus suggeriert, dass diese Werke „für das Volk“ geschrieben, also einem großen Publikum zugänglich waren. Tatsächlich beschränkte sich in der Entstehungszeit der neu aufkommenden Prosaschriften der Leserkreis aber auf einen relativ kleinen Rahmen, der lediglich die adligen Schichten und das aufstrebende Bürgertum umfasste. Trotz der großen Problematik, die die Verwendung des Volksbuch-Begriffs in sich birgt, konnte dieser jedoch bis heute nicht endgültig aus der Forschung verbannt werden.[21] In dieser Arbeit wird allerdings – der mehrheitlichen Meinung der neueren Forschung folgend[22] – auf den Begriff des „Volksbuchs“ verzichtet und stattdessen die Bezeichnung „Prosaroman“ für die hier zu besprechende Erzählliteratur des 15. und 16. Jahrhunderts verwendet werden.

[...]


[1] Braun: Historie, S.317.

[2] Vgl. Henning: Handbuch, S.570.

[3] Vgl. Lütge: Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, S.255.

[4] Vgl. Henning: Handbuch, S.387.

[5] Wittmann: Geschichte, S.16.

[6] Vgl. Müller: Volksbuch/Prosaroman, S.23.

[7] Müller: Kommunikation, S. 152.

[8] Vgl. Rö>

[9] Rö>

[10] Vgl. Müller: Volksbuch/Prosaroman, S.76.

[11] Ebd., S.15.

[12] Vgl. Schnell: Prosaauflösung, S.214.

[13] Vgl. Müller: Volksbuch/Prosaroman, S.18.

[14] Vgl. Müller: Curiositas, S.252.

[15] Vgl. Müller: Volksbuch/Prosaroman, S.90.

[16] Müller: Curiositas, S.252.

[17] Für Jan-Dirk Müller stellt sich dieser Sachverhalt umgekehrt dar: Er vertritt die Meinung, dass vom Prosaroman der aktive Anstoß für die neue Tendenz zur Befriedigung der curiositas ausgeht und nicht von der Gesellschaft (Vgl. Müller: Volksbuch/Prosaroman, S.90). Diese These sollte allerdings kritisch bewertet werden, da es wohl als wahrscheinlicher gelten dürfte, dass die Autoren der Prosaromane nur auf eine allgemeine, überall in der Gesellschaft aufzufindende Entwicklung reagierten und nicht selbst diese Entwicklung hervorgerufen haben. Das allgemeine Weltbild der Neuzeit, mit dem gleichzeitig die Bindung der Menschen an Gott nachließ und das damit dem curiositas-Verbot seine Grundlage entzog, muss wohl als Ursache dieser neuen Tendenz betrachtet werden.

[18] Vgl. Valckx: Volksbuch, S.91.

[19] Vgl. Müller: Volksbuch/Prosaroman, S.1-9.

[20] Roloff: Bemerkungen, S.41.

[21] Vgl. Wilkending: Lesestoffe, S.13f.

[22] Als Beispiel für die strikte Ablehnung des Begriffes „Volksbuch“ sei vor allem Hans-Gert Roloff genannt (Vgl. Roloff: Bemerkungen, S.41).

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Der Prosaroman Fortunatus - Ein Spiegel der Frühen Neuzeit
Université
University of Regensburg  (Institut für Germanistik)
Cours
Proseminar II: Fortunatus
Note
1,7
Auteur
Année
2005
Pages
15
N° de catalogue
V49079
ISBN (ebook)
9783638456166
Taille d'un fichier
491 KB
Langue
allemand
Mots clés
Prosaroman, Fortunatus, Spiegel, Frühen, Neuzeit, Proseminar, Fortunatus
Citation du texte
Annette Schießl (Auteur), 2005, Der Prosaroman Fortunatus - Ein Spiegel der Frühen Neuzeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49079

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