Die Gewinnermittlung einer ausländischen Betriebsstätte unter Beachtung des Authorized OECD Approach


Masterarbeit, 2019

98 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsund Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Problemstellung

2 Die Betriebsstätte als steuerlicher Anknüpfungspunkt
2.1 Die Betriebsstätte nach nationalem Recht
2.2 Die Betriebsstätte nach internationalem Recht
2.3 Sonderfälle der Betriebsstättenbegründung
2.3.1 Vertreterbetriebsstätte
2.3.2 Dienstleistungsbetriebsstätte
2.4 Internationale Neuentwicklungen
2.4.1 Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs
2.4.2 Multilaterales Instrument

3 Laufende Besteuerung ausländischer Betriebsstätten inländischer Investoren
3.1 Nationales Besteuerungsrecht
3.1.1 Persönliche und sachliche Steuerpflicht
3.1.2 Unilaterale Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung
3.2 Besteuerung im Abkommensrecht
3.2.1 Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich
3.2.2 Bilaterale Maßnahmen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung
3.2.3 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung von Minderbesteuerungen
3.2.4 Diskriminierungsverbote

4 Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung ausländischer Betriebsstätten nach dem Authorized OECD Approach
4.1 Grundsätze der steuerlichen Gewinnermittlung und Gewinnaufzeichnung
4.2 Steuerliche Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung nach nationalem Recht
4.2.1 Einordnung der Gewinnabgrenzung in die zweistufige Gewinnermittlung
4.2.2 Erfolgsund Vermögensabgrenzung nach § 1 Abs. 5 AStG für nach dem 31.12.2014 beginnende Wirtschaftsjahre
4.3 Gewinnabgrenzung nach Abkommensrecht

5 Thesenförmige Zusammenfassung

Rechtsprechungsverzeichnis

Verwaltungsanweisungen

Literaturverzeichnis

Abbildungs und Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zeitgrenzen für Bauausführungen und Montagen in ausgewählten deutschen DBA, Stand 01.01.2019

Tabelle 2: Auswirkung des Art 13 Abs. 2 MLI auf ausgewählte deutsche DBA, Stand 01.01.2018

Tabelle 3: Berechnung der Einkommensteuer nach dem Grundtarif für den VZ 2019

Tabelle 4: Vorrangige Methode zur Beseitigung der Doppelbesteuerung von Betriebsstätteneinkünften in ausgewählten deutschen DBA, Stand 01.01.2019

Abbildung 1: Verkürztes Schema der zweistufigen Gewinnermittlung

Abbildung 2: Zuordnung von Personalfunktionen nach § 4 Abs. 1 und 2 BsGaV

Tabelle 5: Übersicht zur Auslegung des Art. 7 OECD-MA in deutschen DBA

Abkürzung sverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Problemstellung

Die wachsende Bedeutung grenzüberschreitender Geschäftsbeziehungen, die Globalisierung von Wirtschaftstätigkeiten sowie die Verbreitung internationaler Investitionen im freien Welthandel haben eine beständige Zunahme ausländischer Betriebsstätten zur Folge. Für den Großteil ausländischer Investitionen sind Großunternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 500 Millionen verantwortlich. Mehr als die Hälfte aller Großunternehmen hat im Jahr 2014 im Ausland investiert. Hierfür wurde im Durchschnitt eine Gesamtsumme von 125 Millionen Euro aufgewendet.1 Darüber hinaus nehmen auch Mittelständler mit einem Jahresumsatz zwischen 50 und 500 Millionen an internationalen Märkten teil. So hat im Jahr 2016 jeder Fünfte der ungefähr 3,6 Millionen Mittelständler ausländische Investitionen getätigt und damit durchschnittlich 27 % seines Gesamtumsatzes erzielt. Dies entspricht 547 Milliarden Euro und rund 38 % der gesamten deutschen Warenund Dienstleistungsexporte.2 Dabei führt die Errichtung eines ausländischen Produktionsoder Vertriebsstandortes langfristig zu höheren Auslandsumsätzen.3 Eine Produktionsoder Vertriebsstätte kann entweder in Form einer Kapitalgesellschaft oder in Form einer Betriebsstätte eingerichtet werden. Der große Vorteil von Betriebsstätten besteht darin, dass diese grundsätzlich zu den gleichen Bedingungen wie Kapitalgesellschaften betrieben werden können, ohne dabei einer finanziellen Mindestausstattung mit Grundoder Stammkapital zu bedürfen.

Im internationalen Steuerrecht wird der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit durch eine Betriebsstätte eine ausreichende Intensität an Geschäftsbeziehungen in einem Staat beigemessen. Somit ermöglicht eine Betriebsstätte die Ausübung des Besteuerungsrechts im Quellenstaat und dient auf diese Weise zur Abgrenzung der Besteuerungsansprüche der am Sachverhalt beteiligten Staaten.

Die Bemühungen der OECD zur Bekämpfung der Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) haben in den letzten Jahren zu einer Veränderung der Rechtslage des internationalen Steuerrechts geführt. Sämtliche Mitgliedsstaaten sind dazu aufgefordert, die internationalen Vorgaben in nationales Recht umzusetzen. Mit den Änderungen muss sich jedoch nicht allein der Gesetzgeber auseinandersetzen. Vielmehr haben sich auch die Steuerpflichtigen an die veränderte Rechtslage anzupassen.

Auf internationaler Ebene lässt sich eine beständige Absenkung der Anforderungen zur Begründung einer Betriebsstätte beobachten. Somit haben Unternehmen, die auf internationalen Märkten auftreten, diese Umstände auch im Rahmen ihrer Tax Compliance zu berücksichtigen, um die Lage des Unternehmens besser prognostizieren zu können. Die ausagekräftigen Zahlen dienen dabei zum einen dem Erreichen von Zielen innerhalb des Unternehmens. Zum anderen haben Unternehmen Pflichten gegenüber den Finanzbehörden zu erfüllen. Ist ein Unternehmen in einem anderen Staat physisch präsent, so ist es darüber hinaus möglich, dass eine Betriebsstätte ohne Absicht begründet wird. Nicht oder nicht rechtzeitig erkannte Betriebsstätten haben nicht nur unerwartete Folgen für die Unternehmensführung, sondern können auch zu Steuerordnungswidrigkeiten führen.

Das Ziel der vorliegenden Masterarbeit besteht darin, die steuerrechtlichen Aspekte in Verbindung mit der Unterhaltung einer ausländischen Betriebsstätte aus Sicht einer betrieblichen Tax Compliance zu untersuchen. Zu diesem Zweck wird eine qualitative Untersuchung der relevanten Literatur durchgeführt.

Im folgenden zweiten Kapitel wird zunächst der Begriff der Betriebsstätte nach nationalem sowie internationalem Recht definiert. Zudem werden in diesem Zusammenhang die Voraussetzungen für die Begründung einer Betriebsstätte dargelegt. Im Anschluss daran werden die internationalen Entwicklungen in Bezug auf die ausländische Betriebsstättenbegründung erläutert. Im dritten Kapitel wird dann die laufende Besteuerung einer ausländischen Betriebsstätte nach nationalem Recht wie auch nach Abkommensrecht diskutiert. Dabei wird unter anderem auf die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und die Voraussetzungen für deren Anwendung eingegangen. Im Anschluss sollen die Rechte des Steuerpflichtigen gegen die steuerliche Diskriminierung im anderen Staat aufgeführt werden. Im vierten Kapitel werden zunächst die Pflichten erläutert, denen der Steuerpflichtige hinsichtlich der Gewinnermittlung und der Gewinnaufzeichnung nachzukommen hat. Im Anschluss daran werden die Schritte der steuerlichen Gewinnermittlung erklärt und die Regeln der Gewinnabgrenzung nach nationalem Recht sowie nach Abkommensrecht vorgestellt. Hierbei werden die Gewinnabgrenzung nach dem Authorized OECD Approach (AOA) für die nach dem 31.21.2014 beginnenden Wirtschaftsjahre untersucht und die allgemeinen Grundsätze herausgearbeitet. Sonderfälle der Gewinnabgrenzung wie auch die Gewinnabgrenzung für die vor dem 01.01.2015 beginnenden Wirtschaftsjahre werden dabei nicht berücksichtigt.

2 Die Betriebsstätte als steuerlicher Anknüpfungspunkt

Im internationalen Steuerrecht spielt die Betriebsstätte eine entscheidende Rolle für die Beurteilung, ob ein Staat Besteuerungsrecht hat.4 Gewinne eines Unternehmens unterliegen der Besteuerung in demjenigen Staat, in dem das Unternehmen ansässig ist. Dies gilt jedoch nach dem sogenannten Betriebsstättenprinzip nicht, soweit das Unternehmen seine Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat durch eine dort belegene Betriebsstätte ausübt. In diesem Fall werden die der Betriebsstätte zugerechneten Einkünfte in dem anderen Vertragsstaat besteuert (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA). Im nächsten Schritt stellt der Ansässigkeitsstaat diese Einkünfte von der Besteuerung frei oder rechnet die im Betriebsstättenstaat erhobene Steuer an.5 Da die Begründung einer Betriebsstätte über den Umfang der Steuerpflicht entscheidet, wird sie auch als Gestaltungsmittel angesehen.6

Ob eine Betriebsstätte vorliegt, ist an erster Stelle nach nationalem Recht zu prüfen. Einzig wenn eine Betriebsstätte nach den deutschen Vorschriften besteht, finden die Regelungen eines eventuell einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) Anwendung.7

Wurde zwischen Deutschland und dem anderen Staat, in dem die Betriebsstätte belegen ist, ein DBA abgeschlossen, so ist die nationale Norm für die Auslegung des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs ohne Bedeutung. DBA sind mit dem Ziel gestaltet, die Besteuerungsrechte zwischen den Vertragsstaaten aufzuteilen. Sie sind mithin zwingend in diesem Zusammenhang auszulegen, wobei ein Rückgriff auf das nationale Recht grundsätzlich nicht möglich ist. Hat Deutschland mit dem betreffenden Staat dagegen kein DBA abgeschlossen, so bleibt es bei dem nationalen Gesetzeswortlaut.8

Das Betriebsstättenprinzip sorgt im Sinne des Äquivalenzprinzips dafür, dass der Tätigkeitsstaat bei der Zurverfügungstellung seiner Güter – z. B. der Infrastruktur, der Sicherheit oder der Umwelt – unterstützt und für deren intensive Nutzung durch Zurechnung von Steuersubtrat entschädigt wird.9 Damit dient die Betriebsstätte der Abgrenzung zwischen intensiver geschäftlicher Bindung und lockeren wirtschaftlichen Beziehungen zu einem anderen Staat. Internationale Entwicklungen zeigen die Tendenz, die Intensität internationaler wirtschaftlicher Verbundenheit für die Anerkennung einer Betriebsstätte zu mildern.10

2.1 Die Betriebsstätte nach nationalem Recht

Der Ort der Betriebsstätte ist nicht nur als räumlicher und steuerlicher Anknüpfungspunkt eines Gewerbebetriebs zum Inland11 oder Ausland,12 sondern auch für die örtliche Zuständigkeit13 im Inland maßgebend.14 Die Begriffsbestimmung gilt für Gewerbetreibende wie auch für Steuerpflichtige, die Einkünfte i. S. d. §§ 13 und 18 EStG erzielen.15

Die zentrale Legaldefinition findet sich in § 12 AO. Sie wird in den Einzelsteuergesetzen für Besteuerungszwecke herangezogen, sofern diese den Begriff nicht selbst bestimmen.16 Nach § 12 S. 1 AO wird die Betriebsstätte definiert als „ jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient “. Die Definition enthält drei entscheidende Tatbestandsvoraussetzungen für das Vorliegen einer Betriebsstätte.17

Zunächst muss eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage bestehen. Das Wort ‚fest‘ ist mit einem zeitlichen wie auch einem räumlichen Element verbunden. Einerseits erfordert die Geschäftseinrichtung eine örtliche Bindung zur Erdoberfläche, andererseits muss sie von einer gewissen Dauer sein.18 Als Betriebseinrichtung ist jeder körperliche Gegenstand bzw. jede Zusammenfassung körperlicher Gegenstände geeignet, die Grundlage eines Unternehmens zu bilden. Im Gegensatz zu körperlichen Gegenständen können unkörperliche Gegenstände wie Rechte oder Webseiten keine Betriebsstätte begründen.19 Klassische Beispiele für feste Geschäftseinrichtungen sind Gebäude und Wohnungen.20 Verkaufsund Spielautomaten21 oder Plakatsäulen22 entsprechen dem Betriebsstättenbegriff jedoch ebenfalls. Ferner sind auch bewegliche Räumlichkeiten, die keine feste Beziehung zur Erdoberfläche aufweisen, geeignet die Tatbestandsvoraussetzungen zu erfüllen. Im Abschnitt9 AEAO (AEAO zu § 12) wird in diesem Zusammenhang das Beispiel einer fahrbaren Verkaufsstätte mit wechselndem Stehplatz angeführt. Derartige Räumlichkeiten sind jedoch nur dann als Betriebsstätten anzusehen, wenn zusätzlich die zeitliche Komponente erfüllt wird. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die einzelnen Standplätze an bestimmten Tagen der Woche belegt sind.23

Das zweite Kriterium der Definition betrifft die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die Geschäftseinrichtung. Eine alleinige Verfügungsmacht wird dabei nicht gefordert.24

Allerdings muss die Verfügungsmacht über eine bloße Mitbenutzung der Räumlichkeiten hinausgehen.25 Dabei ist es unerheblich, ob die Betriebseinrichtung oder Anlage im Eigentum des Unternehmens steht oder ob sie dem Unternehmen als Pächter oder Mieter zur Verfügung gestellt wird.26 Vielmehr kommt es auf eine hinreichende Verfügungsmacht an. Der Steuerpflichtige muss eine Rechtsposition innehaben, die ohne seine Mitwirkung nicht ohne Weiteres entzogen oder verändert werden kann. 27 So begründet das Homeoffice trotz arbeitsrechtlicher Weisungsgebundenheit des Angestellten mangels Verfügungsmacht des Arbeitgebers keine Betriebsstätte.28 Bei der Beurteilung der nachhaltigen Betätigungsdauer bietet die in § 9 AO bzw. § 12 S. 2 Nr. 8 AO verankerte Sechsmonatsdauer einen Anhaltspunkt,29 der je nach Einzelfall zu überprüfen ist. Mithin kann für die Begründung einer Betriebsstätte auch eine kürzere Dauer als ausreichend erachtet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine längere Nutzung geplant war, diese jedoch aufgrund unerwarteter Ereignisse abgebrochen wurde.30

Schließlich muss die feste Geschäftseinrichtung oder Anlage der Tätigkeit des Unternehmens dienen. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn durch sie der unternehmerische Zweck gefördert wird. Ob dies durch Ausübung der Hauptoder Nebentätigkeit geschieht, ist dabei unerheblich.31 Mit dem sogenannten Pipeline-Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) bestätigt, dass hierfür kein Personaleinsatz erforderlich ist. Vielmehr können auch vollautomatisch arbeitende Geschäftseinrichtungen eine dem Unternehmen dienende Funktion erfüllen.32 Dieser Dienst muss unmittelbar und von einer gewissen Dauer sein. Folglich ist eine gelegentliche Nutzung der Räumlichkeiten nicht ausreichend. Die Tätigkeit muss durch Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit gekennzeichnet sein.33

Neben dem Grundtatbestand in § 12 S. 1 AO enthält S. 2. einen – wie sich aus dem Wort „ i nsbesondere“ ergibt – nicht abschließenden Positivkatalog des Betriebsstättenbegriffs. Frotscher vertritt die Meinung, dass die Regelbeispiele eine doppelte Funktion erfüllen. Demnach sollen die Beispiele zum einen die Anwendung der allgemeinen Definition nach S. 1 durch Konkretisierungen erleichtern. Zum anderen wird durch diese der allgemeine Begriff konstitutiv erweitert. So wird eine Betriebsstätte in den Fällen der in S. 2 genannten Einrichtungen sogar bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen des S. 1 begründet.34 Jacobs u. a. kommen zu dem Ergebnis, dass dies zu einer Betriebsstättenfiktion führt.35 Dieser Auffassung zufolge darf die vollständige Prüfung des Vorliegens aller Tatbestandsmerkmale auch dann nicht unterlassen werden, wenn sie im Falle der Betriebsstättenbeispiele in der Regel gegeben sind. Dies ergibt sich aus einem jüngeren Urteil des BFH, das zumindest in Bezug auf Verkaufsstellen bestätigt hat, dass auf die nicht nur vorübergehende örtliche Fixierung (d. h. feste Geschäftseinrichtung) nicht verzichtet werden kann.36 K oenig schließt sich der Meinung Frotschers an und weist auf eine ältere Entscheidung des BFH hin,37 die die Definitionserweiterung durch die in S. 2 aufgezählten Beispiele explizit zum Ausdruck bringt.38 Auf dieses Urteil stützt sich auch die Auffassung der Finanzverwaltung.39 Werth verbindet beide Auffassungen miteinander, indem sie die konstitutive Erweiterung des allgemeinen Begriffs an das Vorliegen der festen Geschäftseinrichtung knüpft.40

Das erste Regelbeispiel für die Begründung einer Betriebsstätte ist die Stätte der Geschäftsleitung.41 Hierbei ist auf den Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung nach §10 AO abzustellen. Dieser befindet sich am Ort der maßgebenden Willensbildung über das Tagesgeschäft.42 Wo diese Entscheidungen wirksam oder ausgeführt werden und wo die die Beschlüsse beeinflussenden Tätigkeiten durchgeführt werden, ist dagegen unerheblich.43 Die maßgebende Willensbildung geschieht regelmäßig im Büro des Geschäftsführers.44 Sollte das Unternehmen über keine Büroräume und auch über keine ähnlichen Ein- richtungen verfügen, so ist die Privatwohnung des Geschäftsführers als Ort der Geschäftsleitung anzusehen.45 Mithin kann auch ein Reisegewerbebetrieb ohne feste Geschäftseinrichtung die Voraussetzungen des § 12 S. 2 Nr. 1 AO erfüllen.46 Des Weiteren ist es irrelevant, ob die Einrichtung zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehört.47 Die Geschäftsleitungsbetriebsstätte hat insbesondere für Unternehmen mit Matrixstruktur praktische Bedeutung. Bei solchen Unternehmen sind mehrere Stellen für die Kontrolle und Koordinierung zuständig.48 Die Festlegung mehrerer Mittelpunkte ist jedoch ausgeschlossen.49 Zur Bestimmung des jeweiligen Mittelpunkts ist eine Gewichtung der tatsächlichen, rechtsgeschäftsfähigen Handlungen im Rahmen des gewöhnlichen Betriebs vorzunehmen. Die geschäftliche Oberleitung befindet sich dabei an dem Ort, an dem – dem Gesamtbild nach zu urteilen – der wirtschaftliche und organisatorische Schwerpunkt liegt.50 Kommen mehrere Personen von verschiedenen Orten aus gleichwertigen Geschäftsführungsaufgaben nach, so können mehrere Geschäftsleitungsbetriebsstätten zugelassen werden.51

Die Begründung einer Betriebsstätte durch eine Zweigniederlassung ist in § 12 S. 2 Nr. 2 AO festgelegt. Die Zweigniederlassung kann als eine Zwischenform zwischen einem eigenständigen Unternehmen und einer Unternehmensabteilung interpretiert werden.52 So verfügt sie aufgrund der räumlich getrennten Ausübung der (Teil-)Unternehmenstätigkeit über eine unternehmensähnliche Selbständigkeit, bleibt jedoch als unselbständiges Rechtssubjekt von der Hauptniederlassung abhängig.53 Die Zweigniederlassung ist in das Handelsregister einzutragen.54 Hierbei handelt es sich jedoch um eine bloß deklaratorische Regelung; steuerlich ist die tatsächliche Gestaltung maßgebend.55 Durch die Registereintragung entsteht eine steuerlich maßgebende Betriebsstätte. Diese widerlegbare Vermutung kann durch einen Nachweis des Steuerpflichtigen entkräftet werden.56

In § 12 S. 2 Nr. 3 AO ist die Annahme einer Betriebsstätte bei Vorliegen einer Geschäftsstelle kodifiziert. Bei einer Geschäftsstelle handelt es sich um außerhalb des Hauptbetriebs eingerichtete Büroräume oder sonstige dem Publikumsverkehr dienende Einrichtungen.57 Der Unterschied zwischen einer Geschäftsstelle und einer Zweigniederlassung besteht darin, dass an ersterer keiner Tätigkeit nachgegangen werden muss, die derjenigen des Hauptbetriebs gleichartig ist. Die tatsächliche Nutzung zu betrieblichen Zwecken genügt – vorausgesetzt, dass die Einrichtung unmittelbar dem Betrieb dient und der Unternehmer darüber verfügen kann.58 Aus diesem Grund sind die Räumlichkeiten eines selbständigen Vertreters nicht als Betriebsstätten des von ihm vertretenen Unternehmens anzusehen.59 Geschäftsstellen sind beispielweise Annahmestellen von Lotterieunternehmen, unselbständige Bankfilialen, Reisebüros, Fahrschulen, Beratungsstellen und Lohnbüros.60 Es wird jedoch nicht vorausgesetzt, dass eine Geschäftsstelle nach außen auftritt.61 So können Kontrollund Koordinierungsstellen, die für bestimmte Aufgabenbereiche zuständig sind – wie z. B. die Aufstellung des Jahresabschlusses oder die Überwachung des Rechnungswesens – ebenso Geschäftsstellen verkörpern.62

Ein weiteres Beispiel für eine Betriebsstätte bietet die Fabrikationsoder Werkstätte.63 Hierbei handelt es sich um eine feste Einrichtung oder Anlage zur unmittelbaren Ausführung nachhaltiger produktionstechnischer oder handwerklicher Tätigkeiten. Als handwerkliche Tätigkeit ist in diesem Zusammenhang die Herstellung, Beoder Verarbeitung von Sachen i. S. d. § 90 BGB zu verstehen. Für die Bestimmung einer Werkstätte als Betriebsstätte ist es dabei unerheblich, ob die Leistung in Form einer automatisierten, industriellen Herstellung oder einer individuellen handwerklichen Erstellung von Einzelwerken erbracht wird.64 Da es in diesem Zusammenhang auf die Eigentümerverhältnisse nicht ankommt, erfüllen Wartungsund Reparaturarbeiten in einer festen Geschäftseinrichtung ebenfalls die in Nr. 4 aufgeführten Voraussetzungen.65

Ebenfalls als Betriebsstätte anzusehen ist gemäß § 12 S. 2 Nr. 5 das Warenlager. Die Kernaufgabe eines Warenlagers besteht in der Aufbewahrung beweglicher Gegenstände – insbesondere von Waren und Produkten – zwecks Verkaufs, Auslieferung oder Verarbeitung.66 Für das Vorliegen einer Betriebsstätte ist zudem die Verfügungsmacht über das Warenlager erforderlich.67 Dabei benötigt der Unternehmer eigenes oder fremdes wei- sungsgebundenes Personal sowie eine Verfügungsbefugnis über die Lagereinrichtungen.68 Warenlager sind insbesondere Ausstellungsräume, Speditionskontore, Tanklager und Auslieferungslager.69

Einund Verkaufsstellen konstituieren unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 12 S. 1 AO eine Betriebsstätte.70 Unter Einund Verkaufsstellen sind feste Geschäftseinrichtungen oder Anlagen zu verstehen, die zum Einund Verkauf von körperlichen Gegenständen (Sachen) oder unkörperlichen Wirtschaftsgütern (Rechte) bestimmt sind.71 Eine Ausnahme bilden hier sogenannte Innentransaktionen, d. h. Insichgeschäfte zwischen Stammhaus und unselbständigen Geschäftseinrichtungen.72 Die bloße Verkaufstätigkeit ist für die Begründung einer Einund Verkaufsstelle jedoch nicht hinreichend; demnach wird hierdurch auch keine Betriebsstätte begründet.73

Einrichtungen oder Anlagen zur Gewinnung von Bodenschätzen begründen nach § 12 S. 2 Nr. 7 AO eine Betriebsstätte. Hierzu zählen beispielweise Bergwerke für Metalle und Mineralien, Steinbrüche, Kiesabbau, Salzgewinnung, Torfabbau, Ölund Gasförderung sowie Ölförderplattformen, nicht aber Einrichtungen zur Erkundung von Bodenschätzen. Da auch Schiffe unter die gegebene Bestimmung fallen, erfährt der allgemeine Betriebsstättenbegriff hierdurch eine Erweiterung. In diesem Zusammenhang ist eine örtliche Fixierung nicht zwingend erforderlich.74

Die Erfassung von Bauausführungen und Montagen in § 12 S. 2 Nr. 8 AO führt mangels einer festen Geschäftseinrichtung zu einer eindeutigen Definitionserweiterung des S. 1. Diese begründen stets eine Betriebsstätte, sofern die Arbeiten mehr als sechs Monate in Anspruch nehmen. Somit hat der Gesetzgeber auch den Straßenund Schienenbau sowie die Verlegung von Kanalisationsrohren und Versorgungsleitungen in den Betriebsstättenbegriff eingeschlossen.75 Der Begriff der Bauausführung ist dabei weit auszulegen. So fallen darunter sämtliche Arbeiten, die zur Errichtung von Hochund Tiefbauten dienen.76 Dagegen dienen Montagearbeiten dem Zusammenfügen von Einzelteilen. Reparaturund Instandsetzungsarbeiten sind weder dem Begriff der Bauausführung77 noch demjenigen der Montage zu subsumieren.78 Die Fristberechnung beginnt mit dem Eintreffen der ersten eingesetzten Person am Ort der Montage und endet mit der ordnungsgemäßen Erfüllung der Werklieferungsverpflichtung oder frühestens mit der förmlichen Abnahme, sofern eine solche vereinbart wurde. Ist eine Mitwirkung des Werklieferers bei der Abnahme nicht erforderlich, so endet die Frist mit der Abreise der letzten an der Werklieferung beteiligten Person.79 Betriebsbedingte Unterbrechungen sind unabhängig von ihrer Dauer in die Montagefrist einzubeziehen.80 Bei Bauausführungen werden dieselben Regeln zur Fristberechnung zugrunde gelegt wie bei Montagen.81

Die Betriebsstätte beginnt, sobald das Unternehmen damit anfängt, seine Tätigkeit durch eine feste Geschäftseinrichtung auszuüben, und endet mit der Einstellung jeder unternehmerischen Tätigkeit oder mit der Aufgabe der Verfügungsmacht über die feste Geschäftseinrichtung. Ein ruhender Betrieb bildet keine Betriebsstätte – auch wenn der Steuerpflichtige aus dessen Verpachtung weiterhin Einkünfte erzielt.82

2.2 Die Betriebsstätte nach internationalem Recht

DBA enthalten eigenständige Definitionen und damit verbundene Rechtsfolgen. Gemäß § 2 AO ist derartigen Bestimmungen ein genereller Vorrang vor vergleichbaren nationalen Vorschriften einzuräumen. Als Verhandlungsgrundlage bzw. Vorschlag für solche völkerrechtlichen Verträge erfüllt das OECD-Musterabkommen eine leitende Funktion für die Abkommenspraxis.83 Die erstmalige konsolidierte Betriebsstättendefinition wurde in dem OECD-MA 1963 erfasst. Ihrer Struktur nach ähnelt sie der heute gültigen Definition. In den folgenden Jahren wurden nur wenige Änderungen vorgenommen. Diese beschränkten sich auf kleinere Revisionen sowie redaktionelle Anpassungen und stammen vor allem aus dem Jahr 1977.84 Eine umfassende Reform wurde durch die BEPS-Initiative in die Wege geleitet. Im Zuge dessen wurde schließlich die OECD-MA 2017 verabschiedet. Die aktuelle Fassung ist nicht rückwirkend gültig, sondern kommt allein bei Neuabschluss eines DBA zur Anwendung.85 In diesem Sinne wird im folgenden Abschnitt zunächst die Betriebsstättendefinition nach dem OECD-MA 2014 erläutert, um auf das OECD-MA 2017 dann in Abschnitt 2.4.1 einzugehen. Die separate Darstellung dient zusätzlich einer Verdeutlichung der Neuerun- gen, die die jüngsten Entwicklungen mit sich bringen.

Die allgemeine abkommensrechtliche Begriffsbestimmung ist in Art. 5 Abs 1 OECD-MA verankert. Dort wird die Betriebsstätte definiert als „eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird“. Die Merkmale des Grundtatbestands ähneln denjenigen, die im § 12 AO angegeben sind.86 Das OECD-MA verfolgt dabei jedoch andere Ziele als das innerstaatliche Recht. Auch wenn Art. 5 OECD-MA stark vom deutschen Recht beeinflusst ist und wörtlich übereinstimmende Begriffe enthält, ist dieser Umstand bei der Auslegung zu berücksichtigen.87 Damit die Besteuerung im Betriebsstättenstaat und nicht im Ansässigkeitsstaat des Steuerpflichtigen bewirkt wird, müssen die angegebenen Merkmale im ersteren kumulativ erfüllt sein.88

Der abkommensrechtliche Begriff fordert eine Geschäftseinrichtung, d. h. eine Einrichtung, die Räumlichkeiten, maschinelle Anlagen oder Ausrüstungen umfasst.89 Unkörperliche Gegenstände (immaterielle Wirtschaftsgüter) sind hiervon ausgenommen.90 Der rechtliche Besitz oder ein anderweitiges förmliches Nutzungsrecht an der Geschäftseinrichtung wird nicht vorausgesetzt.91 In diesem Zusammenhang ist es sogar unerheblich, ob der Unternehmer eine rechtmäßige Verfügungsmacht über die Einrichtung hat.92 Um eine Betriebsstätte zu begründen, kann sich die Geschäftseinrichtung in den Räumlichkeiten eines anderen Unternehmens befinden, sofern alle Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 OECD-MA erfüllt sind.93 Mit anderen Worten muss die Tätigkeit über die bloße Anwesenheit hinausgehen.94

Die Festigkeit der Geschäftseinrichtung umfasst eine räumliche wie auch eine zeitliche Dimension. So muss sie an einem bestimmten Ort und für eine gewisse Dauer bestehen.95 Die räumliche Stetigkeit bedingt eine nachhaltige Verbindung mit einem abgrenzbaren Teil der Erdoberfläche. Hierbei muss es sich jedoch nicht zwingend um eine feste Verbindung mit dem Grund handeln. Vielmehr genügt es, wenn die Gegenstände der Einrichtung dauerhaft an einem bestimmten Ort verbleiben.96 Ist eine räumliche Beständigkeit nicht gege- ben und wird zudem eine regelmäßige Versetzung der Geschäftseinrichtung vorgenommen, so ist die betreffende Räumlichkeit nicht als Betriebsstätte anzuerkennen. Dies wird auch nicht dadurch geheilt, dass der Ortswechsel innerhalb des jeweiligen Vertragsstaates vollzogen wird.97 Von einer gewissen zeitlichen Dauerhaftigkeit wird in Anlehnung an Art. 5 Abs. 3 OECD-MA nach Ablauf eines Zwölfmonatszeitraums zweifellos ausgegangen. Gleichwohl zeigt die Praxis der meisten OECD-Mitgliedstaaten, der auch Deutschland unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 19.05.199398 folgt, dass die Begründung einer Betriebsstätte bereits nach Ablauf von sechs Monaten angenommen werden kann.99 Zeitliche Unterbrechungen der durch eine örtlich fixierte Einrichtung ausgeübten Tätigkeit sind dahingegen unschädlich, sofern diese die Tätigkeit nicht auf eine gelegentliche unternehmerische Aktivität beschränken.100 Das zeitliche Moment muss für jede räumlich begrenzte Geschäftseinrichtung gesondert geprüft werden.101

In Art. 5 Nr. 6 OECD-MK 2014 werden zwei Ausnahmen zum Grundsatz der zeitlichen Stetigkeit genannt. Diese betreffen zum einen wiederkehrende Tätigkeiten und zum anderen einmalige Tätigkeiten, die ausschließlich im Quellenstaat ausgeübt werden. Nach Auffassung der OECD führen die Ausnahmen zur Betriebsstättenbegründung. Bei den wiederkehrenden Aktivitäten handelt es sich um wirtschaftliche Betätigungen, die ihrer Natur nach – z. B. aufgrund saisonaler Bedingungen – jeweils nur über eine kurze Zeitperiode ausgeübt werden, sich aber über mehrere Jahre erstrecken.102 Die einzelnen Zeiträume, im Rahmen derer eine Geschäftseinrichtung genutzt wird, müssen in Verbindung mit der Anzahl der Nutzungen betrachtet werden. Die andere Ausnahme erfasst Tätigkeiten, denen zwar über eine kurze Zeit, jedoch ausschließlich im anderen Vertragsstaat nachgegangen wird. Da sie vollständig in diesem Staat erbracht werden, weisen sie eine besondere Verbindung mit dessen Gütern auf.103 Eine Betriebsstätte wird in diesem Fall in Abhängigkeit von der übrigen Tätigkeit im Ansässigkeitsstaat angenommen.104 Deutschland teilt die Ansicht der OECD über die genannten Ausnahmen nicht105 und ließ dies ausdrücklich in Art. 5 Nr. 45.8 OECD-MK 2014 aufnehmen. In der Praxis bleibt abzuwarten, wie die internationale Recht- sprechung auf höchstgerichtliche Entscheidungen106 reagiert, die eine Betriebsstättenbegründung durch eine deutlich unter der Sechsmonatsgrenze liegende Tätigkeit bejahen. Die Herabsetzung der zeitlichen Grenze in den in Art. 5 Nr. 6 OECD-MK 2014 genannten Fällen liegt im besonderen Interesse solcher Staaten, deren Infrastruktur hauptsächlich von Unternehmen genutzt wird, die in anderen Staaten ansässig sind.107

Für die Entstehung einer Betriebsstätte muss das Unternehmen seine Tätigkeit regelmäßig ganz oder teilweise durch die feste Geschäftseinrichtung ausüben.108 Den Worten „durch die“ kommt eine weite Bedeutung zu.109 Eine Gewinnerzielungsabsicht ist hier dementsprechend nicht vorausgesetzt.110 Vielmehr ist lediglich eine aktive geschäftliche Tätigkeit erforderlich, die sowohl mittels menschlicher Beteiligung als auch mithilfe von Automatisierung erfolgen kann. Demzufolge bilden auch Pipelines und Server Betriebsstätten, sofern deren Betrieb einen Beitrag zur unternehmerischen Tätigkeit leistet und nicht allein zwecks Vermietung stattfindet.111 Dies gilt gleichermaßen für Spielund Verkaufsautomaten. Die Begründung einer Betriebsstätte wird verneint, wenn die Aufstellung von Automaten die Tätigkeit des Unternehmens ausschöpft, d. h. über die erstmalige Aufstellung hinaus keine weitere Geschäftsaktivität erkennbar ist.112 Die Betriebsstätte bestimmt sich nach dem Ort, von dem aus der unternehmerische Zweck gewerblich gefördert wird, und nicht danach, wo das Betriebsvermögen belegen ist.113

Art. 5 Abs. 2 OECD-MA enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen, die in der Regel eine Betriebsstätte begründen. Eine konstitutive Wirkung der Aufzählung wird in Art. 5 Nr. 12 OECD-MK explizit ausgeschlossen. Die in Abs. 2 genannten festen Geschäftseinrichtungen (Ort der Leitung, Zweigniederlassung, Geschäftsstelle, Fabrikationsstelle, Werkstätte, Bergwerk, Ölund Gasvorkommen, Steinbruch und andere Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen) begründen eine Betriebsstätte nur, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt sind.114 Dies wird nicht nur durch den Wortlaut, sondern auch durch die Systematik des OECD-MA gerechtfertigt.115

Aufgrund praktikabler Anwendungsüberlegungen findet sich eine Lex-specialis-Regelung in Art. 5 Abs. 3 OECD-MA.116 Im Falle von Bauausführungen und Montagen entsteht eine Betriebsstätte erst nach Überschreitung einer Frist von zwölf Monaten. Es ist folglich zunächst auf die Art der Tätigkeit abzustellen.117 Die Betriebsstätte wird nach zwölf Monaten auch in dem Fall begründet, dass keine feste Geschäftseinrichtung im Tätigkeitsstaaat besteht. Umkehrt ist bei Unterschreiten der Zwölfmonatsfrist auch dann keine Betriebsstätte anzunehmen, wenn der Unternehmer über eine feste Geschäftseinrichtung verfügt.118 Der Begriff ‚Bauausführung und Montage‘ umfasst die Erstellung von Bauwerken, den Bau von Straßen, Brücken und Kanälen, die Renovierung von Gebäuden, Brücken, Straßen oder Kanälen, das Legen von Rohrleitungen sowie schließlich Erdund Baggerarbeiten.119 Bauausführungen und Montagen bestehen grundsätzlich ab dem Beginn der Arbeiten. Auch vorbereitende Arbeiten sind hierbei miteinzurechnen. Der für die Fristberechnung maßgebliche Zeitraum endet, sobald die Arbeiten vollständig abgeschlossen oder endgültig eingestellt wurden. In die Gesamtdauer sind bedingte und vorübergehende Unterbrechungen einzurechnen.120 Der Unterschied zu § 12 AO besteht darin, dass die Projekte abkommensrechtlich einzeln zu betrachten sind, d. h. sie müssen wirtschaftlich und geografisch eine Einheit bilden, damit eine Zusammenfassung möglich ist.121 Im nationalen Recht reicht es dagegen aus, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den Projekten erkennbar ist.122

In deutschen DBA begründen Bauausführungen und Montagen häufig bereits nach sechs Monaten eine Betriebsstätte.123 Wie in Tabelle 1 dargestellt, ist dies jedoch in denjenigen DBA, die Deutschland mit seinen – Importe und Exporte zusammengerechnet124 – bedeutendsten Handelspartnern abgeschlossen hat, nicht der Fall. Hier gilt in der Regel die Zwölfmonatsfrist des Art. 5 Abs. 3 OECD-MA. Die abkommensrechtlichen Regelungen zwischen Deutschland und China sowie Deutschland und Belgien bilden in diesem Zusammenhang eine Ausnahme. Hier gelten Fristen von sechs bzw. neun Monaten.

Tabelle 1: Zeitgrenzen für Bauausführungen und Montagen in deutschen DBA, Stand 01.01.2019

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Anlehnung an: Jacobs u. a. (2016), S. 319 ff.

Die Ausnahmevorschrift des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA enthält einen Negativkatalog, der eine Vergabe des Betriebsstättenstatus für bestimmte Tätigkeiten grundsätzlich ausschließt. Sinn und Zweck der Norm ist es, dass Vorbereitungsund Hilfstätigkeiten nur mittelbar zur Gewinnerzielung beitragen. Aus diesem Grund ist es schwierig, den darauf entfallenen Gewinn des Gesamtunternehmens zu bestimmen.125 In Buchst. a bis d werden Einrichtungen und Bestände aufgeführt, die keine Betriebsstätte begründen. Es handelt sich dabei um solche, die in einem direkten Zusammenhang mit der Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern stehen. Die Aufzählung ist jedoch nicht als erschöpfend anzusehen, da Buchst. e eine allgemeine Auffangvorschrift enthält.126 Nach Buchst. f ist die Ausübung von mehreren der in Buchst. a bis e genannten Tätigkeiten unschädlich, sofern die sich daraus ergebende Gesamttätigkeit weiterhin eine Hilfstätigkeit darstellt. Von einer Tätigkeit vorbereitender Art ist die Rede, wenn diese nicht dem Geschäftszweck des Unternehmens entspricht.127 Verkörpert die Tätigkeit einen Nebenzweck oder ist sie sogar innerhalb des Gesamtunternehmens von untergeordneter Bedeutung, so findet Art. 5 Abs. 4 OECD-MA keine Anwendung.128

Die sogenannte Anti-Organ-Klausel – verankert in Art. 5 Abs. 7 OECD-MA – stellt klar, dass allein aufgrund eines Beherrschungsverhältnisses zwischen Gesellschaften noch keine Betriebsstätte entsteht. Da sich diese Vorschrift von selbst versteht, wird sie im Allgemeinen als überflüssig erachtet.129 Die Worte „allein dadurch“ entfalten jedoch andere Beziehungen zwischen Gesellschaften, die unter Umständen zur Begründung einer Betriebsstätte führen.130 So ist es – insbesondere nach Prüfung des Abs. 1 bzw. Abs. 5 – möglich, dass die Beziehung über die Beherrschung dadurch hinausgeht, dass die Muttergesellschaft über im Eigentum der Tochtergesellschaft stehende feste Geschäftseinrichtungen verfügt oder die beherrschte Gesellschaft Abschlussvertreter der beherrschenden Gesellschaft ist.131

Der Beginn der Betriebsstätte erfordert das Bestehen einer festen Geschäftseinrichtung sowie die Aufnahme der geschäftlichen Tätigkeit. Sie entsteht, sobald das Unternehmen durch die feste Einrichtung tätig wird. Dies kann auch in Form vorbereitender Aktivitäten geschehen. Dahingegen wird durch die bloße Errichtung einer festen Geschäftseinrichtung keine Betriebsstätte begründet. Die Einstellung aller durch sie ausgeübten Tätigkeiten bzw. die Aufgabe der Verfügungsmacht über die feste Geschäftseinrichtung bedeutet das Ende der Betriebsstätte.132 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Betriebsstätte auch durch Tätigkeiten vorbereitender Art beginnt, sobald eine feste Einrichtung vorhanden ist, und endet, wenn eine der beiden Voraussetzungen entfällt.133

2.3 Sonderfälle der Betriebsstättenbegründung

Der zentrale Betriebsstättenbegriff ist von dem industriellen Leitprinzip der festen Geschäftsleitung geprägt.134 Seit der Fassung des Jahres 1977 blieb der Wortlaut des Art. 5 OECD-MA grundsätzlich unverändert.135 Zudem wurde er stets im traditionellen Rahmen der Industrialisierung ausgelegt.136 Eine Anpassung des Wortlautes – etwa aufgrund der Erscheinung neuer Geschäftsmodelle oder der durch den Anbruch des Informationszeitalters veränderten Markttransaktionen – erfolgte bislang nicht.137 Die Zunahme der Wertschöpfung grenzüberschreitender Dienstleistungen sowie die gestiegene Mobilität für deren Erbringung haben zudem zur Folge, dass Unternehmen in ihren Geschäftsaktivitäten nicht länger an eine örtlich feste Einrichtung gebunden sind. Vielmehr steht ihnen die freie Ent- scheidung über den Ort der Leistungserbringung zu.138 Mithin ergeben sich Fragen hinsichtlich der Betriebsstättenqualifikation, deren Beantwortung weitere Überlegungen erforderlich macht. Diese sollen im Folgenden erörtert werden.

2.3.1 Vertreterbetriebsstätte

Ist keine feste Einrichtung gegeben, so führt das Vorhandensein eines Vertreters gemäß dem Grundtatbestand des Betriebsstättenbegriffs nicht zur Entstehung einer Betriebsstätte. Ein ständiger Vertreter erhöht jedoch die Intensität der Beziehungen zu einem Staat, in dem das vertretene Unternehmen nicht ansässig ist.139 Nach deutschem Verständnis handelt es sich bei einem Vertreter um einen verlängerten Arm des ausländischen Unternehmens.140 Aufgrund dieser Verwurzelung wird das Merkmal ‚feste Geschäftseinrichtung‘ durch einen personellen Bezug in § 13 AO und Art. 5 Abs. 5 OECD-MA ersetzt und damit ein sachlicher Anknüpfungsmerkmal zur Steuerpflicht begründet. Im nationalen Steuerrecht ist der ständige Vertreter neben dem Begriff der Betriebsstätte als getrennter Steueranknüpfungspunkt erfasst. Das OECD-MA sieht das gleiche Ergebnis durch eine Fiktion als Unterfall der Betriebsstätte vor.141 Auf diese Weise bilden beide alternative Ausgangspunkte zur Besteuerung gewerblicher Einkünfte.142

Da der abkommensrechtliche Begriff das Zustandekommen des § 13 AO verursacht hat,143 sind die BFH-Entscheidungen aufgrund des § 16 StAnpG überholt. Somit hat der ständige Vertreter im deutschen innerstaatlichen Recht keine Bedeutung mehr. Der Tatbestand des § 13 AO ist nur noch für die beschränkte Steuerpflicht144 sowie für ausländische Einkünfte von unbeschränkt Steuerpflichtigen145 einschlägig.146

Bei der Vertreterbetriebsstätte handelt es sich um eine eigenständige Norm, weshalb die Anknüpfungsmomente der Betriebsstätte i. S. d. § 12 AO nicht zu prüfen sind. Wenngleich die Rechtsfolgen des § 13 AO mit denjenigen des § 12 AO identisch sind, ist dies umgekehrt nicht der Fall.147 Folglich entfällt die Prüfung von § 13 AO, wenn an einem Ort bereits eine Betriebsstätte anzunehmen ist.148

Die nationale Vorschrift zum ständigen Vertreter ist ebenso aufgebaut wie diejenige zur Betriebsstätte. § 13 S. 1 AO enthält die allgemeine Definition und in S. 2 wird diese durch eine nicht abschließende Aufzählung von Beispielen verdeutlicht.149 Nach dem allgemeinen Begriff ist der ständige Vertreter „eine Person, die nachhaltig die Geschäfte eines Unternehmens besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt“. 150

Für die Besorgung der Unternehmensgeschäfte kommt jede beliebige natürliche oder juristische Person in Frage – unabhängig davon, ob die betreffende Person in dem Staat, in dem sie die Tätigkeit ausübt, ansässig ist oder dessen Staatsangehörigkeit besitzt.151 Bei der Tätigkeit des Vertreters ist allein auf die tatsächlichen, wirtschaftlichen Umstände abzustellen.152 Dabei ist es unerheblich, ob er im eigenen oder fremden Namen handelt, über eine Vollmacht oder eine andere gesetzliche Vertreterbefugnis verfügt.153 Nicht einmal eine rechtsgeschäftliche Handlung wird vorausgesetzt.154 Er kann die Handlungen darüber hinaus im Rahmen seines eigenen Betriebs vornehmen.155 Jedenfalls muss die Geschäftsbesorgung der Tätigkeit des Vertretenen faktisch dienen, d. h. im Interesse von dessen unternehmerischem Zweck erfolgen. Dies ist bei solchen Handlungen der Fall, die grundsätzlich der vertretene Betrieb im Rahmen seiner ordentlichen Unternehmung ausführen würde156 – es sei denn, die Handlungen verwirklichen bloße Hilfsgeschäfte.157

Damit eine Person als ständiger Vertreter anerkannt wird, muss die Geschäftsbesorgung eine gewisse Nachhaltigkeit aufweisen. Diese Voraussetzung wird nicht bereits durch das wiederholte Ausnutzen sich bietender Gelegenheiten erfüllt,158 was umsatzsteuerlich zur Nachhaltigkeit führt.159 Vielmehr wird in diesem Zusammenhang eine Planmäßigkeit verlangt.160 Das zeitliche Moment schreibt das Gesetz nicht vor. Jedoch lässt eine über sechs Monate ausgeübte Tätigkeit bedingungslos darauf schließen, dass ihr nicht nur regelmäßig, sondern auch planmäßig, mithin nachhaltig nachgegangen wird.161

Letztlich ist die Person bei der Besorgung der Geschäfte an die Weisungen des Vertretenen gebunden. Hierdurch wird sichergestellt, dass das ausländische Unternehmen seinen Willen durchsetzen kann und der Vertreter daher als verlängerter Arm des ausländischen Unternehmens anzusehen ist.162 Die Weisungsgebundenheit beschränkt sich auf die besorgten Geschäfte. Daraus ergibt sich, dass der Vertreter nur den sachlichen, nicht jedoch zwingend auch den persönlichen Anweisungen des Vertretenen unterliegen muss. Unter der persönlichen Abhängigkeit ist hier die Eingliederung im Betrieb zu verstehen.163 Die Sachanweisungsbefugnis kann darauf beruhen, dass der Vertretene tatsächlich dazu imstande ist, seinen Willen durchzusetzen.164 Laut Buciek fallen hierunter sogar Verhältnisse, in denen der Vertreter die Anweisungen des anderen Unternehmens freiwillig befolgt.165 K oenig verneint das Vorhandensein eines ständigen Vertreters in diesem Fall.166

§ 13 S. 2 Nr. 1 und 2 AO erläutert lediglich beispielhafte Sachverhalte.167 Aus diesem Grund müssen die Voraussetzungen des S. 1 stets erfüllt sein, um einen ständigen Vertreter zu begründen. Zu Nr. 1 zählen z. B. Außendienstmitarbeiter, selbständige Handelsvertreter168 und Makler. Nr. 2 greift unter anderem bei Lagerhaltern und Kommissionären.169

Die abkommensrechtliche Vertreterbetriebsstätte war im Rahmen der OECD-MA vor der Aktualisierung im Jahr 2017 deutlich enger gefasst als in § 13 AO. So knüpfte Art. 5 Abs. 5 i. V. m. Abs. 6 OECD-MA 2014 die Begründung einer Betriebsstätte vorbehaltlich des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014 an einen abhängigen Vertreter mit Abschlussvollmacht.170 In der Beratungspraxis erscheint es ratsam, das Vorliegen einer Vertreterbetriebsstätte unabhängig von Abs. 1 zu prüfen und das Besteuerungsrecht dementsprechend einem Vertragsstaat zuzuweisen. Sollte das Prüfungsergebnis sowohl nach Abs. 1 als auch nach Abs. 5 eine Betriebsstätte ergeben, so ist die Vertretertätigkeit einer näheren Untersuchung zu unterziehen. Wird die Tätigkeit isoliert und außerhalb der festen Geschäftseinrichtung ausgeübt, so ist von zwei nebeneinander bestehenden Betriebsstätten auszugehen. Die At- traktivkraft der Betriebsstätte entfaltet sich in diesem Fall nicht und die Gewinnabgrenzung ist unabhängig durchzuführen. Auch sind die Auswirkungen für die Gewerbesteuer zu berücksichtigen.171 Diese Auffassung entspricht derjenigen der Finanzverwaltung.172

Im Gegensatz zu § 13 AO muss eine Vollmacht der Person i. S. d. Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA erteilt und diese gewöhnlich im anderen Vertragsstaat ausgeübt werden. Im Abkommensrecht wird davon ausgegangen, dass nur Personen im Besitz einer Vollmacht dazu in der Lage sind, intensiv am Wirtschaftsverkehr des anderen Vertragsstaats teilzunehmen. Daher können auch nur diese Personen der Besteuerung in diesem Staat unterworfen werden. Die gelegentliche Ausübung der Abschlussvollmacht genügt hierfür nicht.173 Vielmehr soll die Präsenz des Unternehmens, die es durch den Vertreter innehat, nicht nur vorübergehend sein.174 Darüber hinaus muss der Vertreter dem Wortlaut nach im Namen des Unternehmens Verträge abschließen.175 Zudem darf diese Tätigkeit nicht unter Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014 fallen.176 Hierdurch wird eine konsequente Struktur des abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriffs erreicht, da in solchen Fällen auch das Vorliegen einer Betriebsstätte verneint wird.177 Es ist dabei nicht auf den Umfang der Abschlussvollmacht, sondern auf den Umfang der tatsächlichen Tätigkeit abzustellen.178 Des Weiteren steht das Besteuerungsrecht dem anderen Vertragsstaat nur dann zu, wenn es sich bei dem Vertreter um einen abhängigen Vertreter handelt. Ist der Vertreter hingegen i. S. v. Art. 5 Abs. 6 OECD-MA 2014 als unabhängig anzusehen, so ist dies nicht der Fall. Wird eine Betriebsstätte durch einen abhängigen Vertreter begründet, so erstreckt sich die Besteuerung auf alle von der Person für das Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten.179

Hinsichtlich der Vollmacht stellt sich die Frage, ob diese nach Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2014 im streng formaljuristischen Sinne auszulegen ist oder eine wirtschaftlich betrachtete faktische Abschlussvollmacht für die Begründung einer Vertreterbetriebsstätte ausreicht.180 Obwohl der Wortlaut des Art. 5 Abs. 5 OECD-MA 2014 ausdrücklich auf die formale Vollmacht für Vertragsabschlüsse im Namen des Unternehmens Bezug nimmt, findet sich eine Anmerkung in Art. 5 Nr. 32.1 OECD-MK 2014, die eine erweiterte Auslegung erlaubt. Görl hält den Inhalt der Befugnis und nicht deren Form für maßgebend. Er verweist in diesem Zu- sammenhang auf den bereits erwähnten Hinweis im OECD-MK 2014, der die Anwendung des Art. 5 Abs. 5 OECD-MA nicht auf solche Vertreter beschränkt, die im Namen des Unternehmens Verträge abschließen.181 An dieser Stelle ist jedoch das Folgende zu beachten. Auch wenn die wirtschaftliche Betrachtungsweise für ausreichend gehalten wird, ist ein Handeln im Namen des Unternehmens erforderlich, damit eine Betriebsstätte durch den abhängigen Vertreter begründet wird.182 Eine Ausnahme betrifft den Fall, dass der Vertreter Verträge im eigenen Namen, aber mit rechtsverbindlicher Wirkung für das Unternehmen abschließt.183 M eyer-Sandberg/Hecht erklären die Bedeutung von Art. 5 Nr. 32.1 OECDMK 2014 unter Hinweis auf das Gewohnheitsrecht. Dieses sieht eine mittelbare Stellvertretung vor, bei der der Vertreter im fremden Namen auftritt, jedoch an den Vertretenen rechtlich gebunden ist. Die Anmerkung im Musterkommentar nimmt somit implizit ausschließlich auf Staaten Bezug, die von gewohnheitsrechtlichen Traditionen geprägt sind – beispielweise die Vereinigten Staaten oder das Vereinigte Königreich. Dahingegen ist Art. 5 Nr. 32.1 OECD-MK 2014 für Rechtsordnungen außerhalb des Gewohnheitsrechts nicht anwendbar – beispielsweise im Rahmen der deutschen Rechtsordnung. Der Kommissionär handelt nach § 383 HGB im eigenen Namen, wobei eine unmittelbare Bindung an die Weisungen des Unternehmens sich nicht folgern lässt.184 Diese Auffassung wurde von nationalen Höchstgerichten bestätigt.185 Ungeachtet des Umstandes, dass dies in Einzelfällen zu Missbräuchen führt, ist eine anderweitige Auslegung nicht zu rechtfertigen. Um Missbräuche zu verhindern, gilt die allgemeine steuerliche Missbrauchsvorschrift i. S. d. § 42 AO.186

Gemäß Art. 5 Abs. 6 OECD-MA 2014 sind die unabhängigen Vertreter von der Begründung einer Betriebsstätte ausgenommen. Unabhängig im Sinne dieses Artikels sind Personen, die sowohl über eine rechtliche als auch über eine wirtschaftliche Unabhängigkeit verfügen.187 Es handelt sich demnach um Personen, die selbst die Verantwortung für das Ergebnis ihrer Handlungen tragen, so dass der Vertretene keinerlei Einfluss darauf hat, in welcher Weise die Tätigkeit ausgeübt wird.188 Der BFH spricht von sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit.189 Da hierbei die Kriterien des OECD-MK zugrunde gelegt werden,190 wird der Begriff der Unabhängigkeit jedoch letztendlich nicht in abweichender Weise ausgelegt.191

[...]


1 Vgl. B orger (2016, S. 1).

2 Vgl. A bel-Koch (2017, S. 1).

3 Vgl. ebenda S. 6 .

4 Vgl. OECD (2017a, Nr. 1).

5 Vgl. Frotscher (2015, S. 148).

6 Vgl. Gersch (2018, Rz. 1).

7 Vgl. ebenda, Rz. 1.

8 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 8).

9 Vgl. K ahle/Kindich (2015, S. 784).

10 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 1).

11 § 34d Abs. Nr. 2 Buchst. a EStG.

12 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.

13 § 18 Abs. 1 Nr. 1 AO.

14 Vgl. A x u. a. (2017, S. 48); Scheel/Brehm/Holzner (2018, S. 71).

15 Vgl. AEAO zu § 12 Nr. 4.

16 Vgl. Frotscher (2016a, Rz. 4).

17 Vgl. van der Ham/Wellens (2017, S. 621).

18 Vgl. Gersch (2018, Rz. 2).

19 Vgl. Werth (2018, Rz. 3).

20 Vgl. S cheel/Brehm/Holzner (2018, S. 71).

21 Vgl. BFH v. 05.10.1965, I B 387/62 U, Tz. 4.

22 Vgl. BFH v. 13.05.1958, I B 49/58 U, Tz. 4.

23 Vgl. BFH v. 09.10.1974, I R 128/73, Tz. 9 f.

24 Vgl. BFH v. 22.07.2008, VIII R 47/07, Tz. 24.

25 Vgl. BFH v. 04.06.2008, I R 30/07, Tz. 15.

26 Vgl. S cheel/Brehm/Holzner (2018, S. 71).

27 Vgl. BFH v. 03.02.1993, I R 80-81/91, Tz. 34; BFH v. 04.06.2008, I R 30/07 Tz. 14; BFH v.18.03.2009, III R 2/06, Tz. 14.

28 Vgl. BFH v. 23.05.2002, III R 8/00, Tz. 17.

29 Vgl. BFH v. 19.05.1993, I R 80/92, Tz.12; BFH v. 28.06.2006, I R 92/05, Tz. 18.

30 Vgl. Werth (2018, Rz. 5).

31 Vgl. Frotscher (2016a, Rz. 15 f.).

32 Vgl. BFH v. 30.10.1996, II R 12/92, Teil II. Nr. 1. Buchst. a Buchst. dd.

33 Vgl. Frotscher (2016a, Rz. 17).

34 Vgl. Frotscher (2016a, Rz. 3).

35 Vgl. Jacobs u. a. (2016, S. 305 f.).

36 Vgl. BFH v. 17.09.2003, I R 12/02, Tz. 19.

37 Vgl. BFH v. 28.07.1993, I R 15/93, Tz. 16.

38 Vgl. K oenig (2014a, Rz. 23).

39 Vgl. Jacobs u. a. (2016, S. 306).

40 Vgl. Werth (2018, Rz. 10).

41 § 12 S. 2 Nr. 1 AO.

42 Vgl. Frotscher (2016a, Rz. 27).

43 Vgl. Jacobs u. a. (2016, S. 306).

44 Vgl. BFH v. 23.01.1991, I R 22/90, Tz. 18.

45 Vgl. BFH v. 16.12.1998, I R 138/97, Tz. 13.

46 Vgl. K oenig (2014a, Rz. 24 m. w. N.).

47 Vgl. BFH v. 28.07.1993, I R 15/93, Tz. 16.

48 Vgl. Jacobs u. a. (2016, S. 306).

49 Vgl. BFH v. 03.09.1997, IV R 58/95, Tz. 54.

50 Vgl. BFH v. 23.01.1991, I R 22/90, Tz. 18.

51 Vgl. BFH v. 05.11.2014, IV R 30/11, Tz. 30.

52 Vgl. K oenig (2014a, Rz. 25).

53 Vgl. BFH v. 20.07.1988, I R 49/84, Tz. 24.

54 § 13 HGB.

55 Vgl. B uciek (2019a, Rz. 32).

56 Vgl. BFH v. 30.01.1981, III R 116/79, Tz. 14.

57 Vgl. Frotscher (2016a, Rz. 33).

58 Vgl. K oenig (2014a, Rz. 26).

59 Vgl. BFH v. 12.10.1965, I B 282/62 U, Tz. 19.

60 Vgl. B uciek (2019a, Rz. 33).

61 Vgl. K oenig (2014a, Rz. 26).

62 Vgl. K umpf (1982, S. 68).

63 § 12 S. 2 Nr. 4 AO.

64 Vgl. K oenig (2014a, Rz. 27).

65 Vgl. BFH v. 17.03.1982, I R 189/79, Tz. 17.

66 Vgl. K oenig (2014a, Rz. 28).

67 Vgl. BFH v. 30.06.2005, III R 76/03, Tz. 26.

68 Vgl. Jacobs u. a. (2016, S. 307, m. w. N.).

69 Vgl. B uciek (2019a, Rz. 35).

70 § 12 S. 2 Nr. 6 AO; vgl. BFH v. 17.09.2003, I R 12/02, Tz. 8 ff.

71 Vgl. K oenig (2014a, Rz. 29).

72 Vgl. BFH v. 20.07.1988, I R 49/84, Tz. 23.

73 Vgl. BFH v. 17.09.2003, I R 12/02, Tz. 15.

74 Vgl. Frotscher (2016a, Rz. 25).

75 Vgl. K oenig (2014a, Rz. 33).

76 Vgl. BFH v. 21.10.1981, I R 21/78, Tz. 15.

77 Vgl. BFH v. 16.05.1990, I R 113/87, Tz. 15.

78 Vgl. Frotscher (2016a, Rz. 44).

79 Vgl. Frotscher (2016a, Rz. 45).

80 Vgl. BFH v. 21.04.1999, I R 99/97, Tz. 23.

81 Vgl. Frotscher (2016a, Rz. 44).

82 Vgl. Gersch (2018, Rz. 8, m. w. N.).

83 Vgl. Wilke/Weber (2018, S. 143).

84 Vgl. Rehfeld (2015, Rn 5 ff.).

85 Vgl. Wilke/Weber (2018, S. 143).

86 Vgl. van der Ham/Wellens (2017, S. 624).

87 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 8).

88 Vgl. Rehfeld (2015, Rn 33).

89 Vgl. OECD (2014a, Nr. 2).

90 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 30).

91 Vgl. OECD (2014a, Nr. 4).

92 Vgl. ebenda, Nr. 4.1.

93 Vgl. ebenda, Nr. 4.

94 Vgl. ebenda, Nr. 4.2.

95 Vgl. ebenda, Nr. 2.

96 Vgl. ebenda, Nr. 5.

97 Vgl. Rehfeld (2015, Rn 44).

98 Vgl. BFH v. 19.05.1993, I R 80/92, Tz. 12.

99 Vgl. Rehfeld (2015, Rn 43).

100 Vgl. OECD (2014a, Nr. 6 und 11).

101 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 37).

102 Vgl. K obus (2018, S. 403).

103 Vgl. OECD (2014a, Nr. 6).

104 Vgl. K ahle/Kindich (2016a, S. 101).

105 Vgl. BFH v. 17.09.2003, I R 12/02, Tz. 20.

106 Vgl. Supreme Court of India, Urteil v. 24.4.2017, Civil Appeal No. 3849, 3850 and 3851 of 2017; Berufungsgericht Antwerpen, Urteil v. 6.2.2001, 2001 WTD S. 106 ff.; Tax Court of Canada, Joseph Fowler vs Her Majesty the Queen, CTC 1990 (2), 2351.

107 Vgl. K obus (2018, S. 408).

108 Vgl. OECD (2014a, Nr. 2 und 7).

109 Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, vgl. ebenda, Nr. 4.6.

110 Vgl. OECD (2014a, Nr. 3).

111 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 51).

112 Vgl. OECD (2014a, Nr. 10).

113 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 1).

114 Vgl. OECD (2014a, Nr. 12).

115 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 61).

116 Vgl. ebenda , Rz. 91 und 94.

117 Vgl. van der Ham/Wellens (2017, S. 630).

118 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 95).

119 Vgl. OECD (2014a, Nr. 17).

120 Vgl. ebenda, Nr. 19.

121 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 118).

122 Vgl. Drüen (2018a, Tz. 36).

123 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 95).

124 Vgl. S tatistisches Bundesamt (2019, S. 45).

125 Vgl. OECD (2014a, Nr. 23).

126 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 153).

127 Vgl. OECD (2014a, Nr. 24).

128 Vgl. Haase (2016a, Rn. 125).

129 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 4).

130 Art. 5 Abs. 7 OECD-MA

131 Vgl. Görl (2015, Rz. 168).

132 Vgl. OECD (2014a, Nr. 11).

133 Vgl. Wassermeyer/Kaeser (2018, Rz. 56 f.).

134 Vgl. K ahle/Kindich (2016a, S. 114).

135 Vgl. Rehfeld (2015, Rn. 5).

136 Vgl. K ahle/Kindich (2016a, S. 104).

137 Vgl. Jacobs u. a. (2016, S. 335 f.).

138 Vgl. K ahle/Kindich (2016a, S. 113 ff.).

139 Vgl. Jacobs u. a. (2016, S. 329).

140 Vgl. BFH v. 12.04.1978, I R 136/77, Tz. 20.

141 Vgl. Jacobs u. a. (2016, S. 329).

142 Vgl. Haase (2016a, Rn. 147).

143 Vgl. K oenig (2014b, Rz. 1).

144 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; § 121 Nr. 3 BewG.

145 § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG.

146 Vgl. BFH v. 30.06.2005, III R 47/03, Tz. 66.

147 Vgl. dazu Abschnitt 3.1.

148 Vgl. Buciek (2019b, Rz. 1).

149 Vgl. Frotscher (2016b, Rz. 2).

150 § 13 S. 1 AO.

151 Vgl. B uciek (2019b, Rz. 4, m. w. N.).

152 Vgl. K oenig (2014b, Rz. 4).

153 Vgl. BFH v. 12.04.1978, I R 136/77, Tz. 23.

154 Vgl. BFH v. 14.07.1971, I R 127/68, Tz. 16.

155 Vgl. BFH v. 28.06.1972, I R 35/70, Tz. 31.

156 Vgl. B uciek (2019b, Rz. 5 ff.).

157 Vgl. Drüen (2018b, Tz. 4, m. w. N.).

158 Vgl. Frotscher (2016b, Rz. 7).

159 Vgl. B uciek (2019b, Rz. 8).

160 Vgl. Drüen (2018b, Tz. 7).

161 Vgl. Buciek (2019b, Rz. 8).

162 Vgl. BFH v. 12.04.1978, I R 136/77, Tz. 20; Meyer-Sandberg/Hecht (2016, S. 174).

163 Vgl. BFH v. 30.04.1975, I R 152/73, Tz. 14.

164 Vgl. Frotscher (2016b, Rz. 8).

165 Vgl. B uciek (2019b, Rz. 9).

166 Vgl. K oenig (2014b, Rz. 6).

167 Vgl. Drüen (2018b, Tz. 8).

168 Vgl. BFH v. 27.11.1963, I 335/60 U, Tz. 11 f.

169 Vgl. B uciek (2019b, Rz. 10, m. w. N.).

170 Vgl. Frotscher (2016b, Rz. 12).

171 Vgl. Haase (2016a, Rn. 149 f.).

172 Vgl. BMF v. 24.12.1999, IV B 4 S 1300-111/99, Tz. 1.2.2.

173 Vgl. OECD (2014a, Nr. 32).

174 Vgl. ebenda, Nr. 33.1.

175 Art. 5 Abs. 4 OECD-MA 2014.

176 Vgl. OECD (2014a, Nr. 33).

177 Vgl. Meyer-Sandberg/Hecht (2016, S. 179).

178 Vgl. Görl (2015, Rz. 123).

179 Vgl. OECD (2014a, Nr. 34).

180 Vgl. Meyer-Sandberg/Hecht (2016, S. 192).

181 Vgl. Görl (2015, Rz. 118).

182 Vgl. Meyer-Sandberg/Hecht (2016, S. 195).

183 Vgl. OECD (2014a, Nr. 32.1).

184 Vgl. Meyer-Sandberg/Hecht (2016, S. 196).

185 Vgl. ebenda, S. 196 f., m. w. N.

186 Vgl. ebenda, S. 194.

187 Vgl. OECD (2014a, Nr. 37).

188 Vgl. ebenda, Nr. 38.3.

189 Vgl. BFH v. 14.09.1994, I R 116/93, Tz. 15.

190 Vgl. BFH v. 30.04.1975, I R 152/73, Tz. 14.

191 Vgl. Meyer-Sandberg/Hecht (2016, S. 181).

Ende der Leseprobe aus 98 Seiten

Details

Titel
Die Gewinnermittlung einer ausländischen Betriebsstätte unter Beachtung des Authorized OECD Approach
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Augsburg
Autor
Jahr
2019
Seiten
98
Katalognummer
V491161
ISBN (eBook)
9783668965034
ISBN (Buch)
9783668965041
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Authorized OECD Approach, Betriebsstätte, Ausland, ausländische Betriebsstätte, steuerliche Gewinnermittlung, Gewinnabgrenzung
Arbeit zitieren
Zsanna Savai (Autor:in), 2019, Die Gewinnermittlung einer ausländischen Betriebsstätte unter Beachtung des Authorized OECD Approach, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/491161

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