Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Darstellungsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die Strategie „Commerzbank 4.0“
3. Status Quo der Strategie „Commerzbank 4.0“
4. Umweltanalyse
4.1. Branchenstrukturanalyse
4.2. Umfeldanalyse
4.3. Wettbewerbsanalyse
5. Eignungsbewertung der Strategie „Commerzbank 4.0“
5.1. Grundlagen des Strategic-Fit-Ansatzes
5.2. System-Umwelt-Fit
5.3. Intra-System-Fit
6. Zukunftsszenario: Fusion Commerzbank – Deutsche Bank?
7. Fazit
Anhang
Literaturverzeichnis
Verzeichnis der verwendeten Quellen aus dem Internet
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Darstellungsverzeichnis
Darstellung 1: Geschäftssegmente des Commerzbank-Konzerns vor der Verkündung des Strategieprogrammes „Commerzbank 4.0“
Darstellung 2: Umstrukturierung im Rahmen der Strategie Commerzbank 4.0
Darstellung 3: Einordnung der Umweltanalyse im strategischen Management
Darstellung 4: Porters Five Forces
Darstellung 5: Analyse des deutschen Bankenmarktes auf Grundlage von Porters
Five Forces
Darstellung 6: Ergebnisse der Umfeldanalyse
Darstellung 7: Strategic Fit der Commerzbank AG
1. Einleitung
Mit über 1.700 Kreditinstituten ist der deutsche Bankensektor der wettbewerbsträch- tigste in ganz Europa.1 In den letzten Jahren hat sich der deutsche Bankenmarkt er- heblichen Veränderungen unterzogen.2 Übergeordnete Entwicklungen wie die Globa- lisierung und Digitalisierung sorgen dafür, dass sich die Umwelt und die Ansprüche des modernen Bankkunden rasant ändern. So genießen Privat- und Unternehmens- kunden eine erhöhte Informationstransparenz und einen verbesserten Marktüberblick, mit der Folge einer steigenden Preissensibilität und Angebotsindifferenz.3,4 Zudem for- dert der moderne Bankkunde nun regelmäßig, dass die Hausbank eine Omnichannel- Strategie verfolgt und somit sowohl online, als auch offline erreichbar ist.5 Gemäß der Bain Retail Banking Study aus dem Jahr 2014 gelten digitale Kundenkontaktpunkte zu der wichtigsten Stellschraube, um das Kundenerlebnis der modernen Kundschaft zu- friedenstellend zu gestalten.6 Gestützt wird diese Beobachtung auch dadurch, dass zunehmend FinTech-Unternehmungen in rasanter Geschwindigkeit den Markt erobern und Institute mit veralteten Strukturen in Bedrängnis bringen.7 Zudem ringen Kreditin- stitute weiterhin mit den Auswirkungen der Finanzkrise, insbesondere im Hinblick auf regulatorische Reformierungen hinsichtlich Kapital- und Liquiditätsanforderungen.8
Neue Umstände wie diese zwingen die Banken dazu, ihre Marktpositionierung und Strategie anzupassen. Auch die Commerzbank, derzeit die viertgrößte deutsche Bank gemessen an ihrer Bilanzsumme, kann sich derartigen Veränderungstreibern der Ge- genwart nicht entziehen. Seit vielen Jahren befindet sie sich daher in einem kontinu- ierlichen Wandlungs- und Restrukturierungsprozess.9
Just nachdem die Übernahme der Dresdner Bank verkündet und rechtlich abgeschlos- sen wurde, geriet die Commerzbank im Zuge der Finanzkrise in eine anhaltende wirt- schaftliche Schieflage. Ein provisorischer Ausweg wurde in der medial kontrovers dis- kutierten Teilverstaatlichung durch den Finanzmarktstabilisierungsfonds der Bundes-republik Deutschland gefunden (nachfolgend: „SoFFin“). Der SoFFin bescherte der Commerzbank zunächst existenzsichernde Liquidität zur Krisenbewältigung.10Die al- lerdings noch bis heute erkennbare Schieflage manifestiert sich in dem kürzlichen Ab- stieg aus dem Deutschen Aktienindex.11
Die Stabilität der Commerzbank soll nun durch eine zeitgerechte und nachhaltige Stra- tegie wiederhergestellt werden. Zu diesem Zweck wurde innerhalb der deutschen Großbank die Strategie „Commerzbank 4.0“ ins Leben gerufen. Diese verspricht eine starke Neupositionierung der Commerzbank bis zum Jahr 2020 mittels starker Vision, klarem Zielbild und neuem Eigenverständnis.12
Vor diesem Hintergrund soll in der folgenden Ausarbeitung nun untersucht werden, inwiefern das strategische Konzept „Commerzbank 4.0“ dazu geeignet ist, den gegen- wärtigen und zukünftigen Anforderungen der Finanzbranche aus eigener Kraft gerecht zu werden. Die nachfolgende Untersuchung ist insofern als Eignungsbewertung des strategischen Konzeptes „Commerzbank 4.0“ zu verstehen.
Hierzu soll zunächst im Kapitel 2 der Wandlungsprozess der Commerzbank AG in Form der Strategie „Commerzbank 4.0“ vorgestellt und ihre individuellen Komponen- ten dargestellt werden. Konkret werden somit die Ziele dargestellt, welche sich die Commerzbank im Rahmen dieser Strategie gesetzt hat.
Im Sinne eines Soll-Ist-Vergleiches soll anschließend in Kapitel 3 aufgezeigt werden, inwieweit diese Planziele bereits realisiert worden sind. Die Kapitel 2 und 3 fungieren somit als Strategiedarstellung und konkretisieren den Untersuchungsgegenstand der Leitfrage als Ausgangspunkt für die weiteren Betrachtungen.
Im darauffolgenden Kapitel 4 wird eine Umweltanalyse erarbeitet, die in ihrer Struktur Wirtz (2003) folgt. Neben der Branchenstruktur werden dabei insbesondere auch das Umfeld und die Wettbewerbssituation analysiert. Theoretisch untermauert wird dies durch eine Anwendung von Porters Five Forces.13
Anschließend erfolgt in Kapitel 5 die Darstellung des Strategic-Fit-Ansatzes, der Stra- tegie und Umwelt in Beziehung zueinander setzt und die Kompatibilität der beiden Bereiche untersucht. Mit Hilfe dieses Ansatzes wird dann die Strategie „Commerzbank 4.0“ kritisch beleuchtet und in ihrer Eignung bewertet. Somit widmet sich Kapitel 5 der Kernargumentation zur Beantwortung der oben genannten Fragestellung.
Bevor das Kapitel 7 schließlich die Untersuchungsergebnisse zusammenträgt und da- mit die Fragestellung beantwortet, wird noch in Kapitel 6 angesichts offizieller Gesprä- che zwischen der Commerzbank und der Deutschen Bank14 exkursartig das Zukunfts- szenario einer Fusion beleuchtet.
2. Die Strategie „Commerzbank 4.0“
Anlässlich der o.g. wirtschaftlichen Schieflage der Commerzbank, wurde im Septem- ber 2016 ein Strategieprogramm mit dem Namen „Commerzbank 4.0“ vorgestellt. Mit Hilfe dieses Programmes will sich die Bank bis zum Jahr 2020 durch radikale Verän- derungsprozesse nachhaltig, im Sinne von langfristig erfolgreich, im Wettbewerb auf- stellen und darüber hinaus ihre Profitabilität steigern.15
Diese übergeordneten Ziele des Programmes werden im Rahmen der Strategie an einigen Kennzahlen festgemacht. Zunächst soll die Netto-Eigenkapitalrendite (Return on Tangible Equity) bei gleichbleibend niedrigen Zinsen (Stand: September 2016) Ende 2020 mindestens sechs Prozent, bei steigenden Zinsen mindestens acht Prozent umfassen. Die Erträge sollen im Jahr 2020, bei schwierigem Zinsumfeld, zwischen 9,8 und 10,3 Mrd. Euro liegen. In einem steigenden Zinsumfeld sollen sogar 11,3 Mrd. Euro möglich sein. Darüber hinaus soll die Kostenbasis auf 6,5 Mrd. Euro gesenkt werden, sodass die Aufwandsquote (Cost-Income-Ratio) bei niedrigen Zinsen auf etwa
66 Prozent fällt oder bei steigenden Zinsen auf ca. 60 Prozent sinkt. Schließlich sollen noch die aufsichtsrechtlich wichtigen Quoten des Kernkapitals und harten Kernkapitals (Tier-1-Equity und Common-Equity-Tier-1) bei mindestens 13 Prozent liegen.16
Um die übergeordneten Ziele in Gestalt der Kennzahlen zu erreichen, basiert das Stra- tegieprogramm „Commerzbank 4.0“ auf drei Strategierichtungen. Zum einen sollen, im Sinne eines fokussierten Geschäftsmodelles, eigene Stärken und Wettbewerbsvor- teile, bei gleichzeitiger Einstellung von Randaktivitäten, in den Vordergrund gestellt werden. Zum anderen soll sich das Unternehmen in digitaler Hinsicht weitgehend transformieren. Mit diesen zwei Strategierichtungen verbunden soll dann schließlich eine Effizienzsteigerung bewirkt werden. Das Strategieprogramm „Commerzbank 4.0“ lässt sich somit kurz mit den Schlagworten Fokussierung, Digitalisierung und Effizienz zusammenfassen.17
Im Folgenden werden nun die drei Strategierichtungen in ihren Einzelheiten vorge- stellt. Dadurch wird es möglich einen Eindruck von dem Veränderungsprozess, den sich die Bank vorgenommen hat, zu gewinnen. Der seitens der Commerzbank ange- strebte Soll-Zustand wird somit dargestellt.
Als erste der drei Stoßrichtungen wird von der Commerzbank in der Regel die Fokus- sierung des eigenen Geschäftsmodelles aufgeführt.18 Wie es aus dem Geschäftsbe- richt des Jahres 2016 hervorgeht, will sich die Bank „konsequent auf ihr Kerngeschäft konzentrieren“19. Geschäftssegmente mit starker Positionierung sollen gestärkt wer- den, wohingegen Segmente mit geringem Zukunftspotenzial aufgegeben werden sol- len.20
Vor der Verkündung des Strategieprogrammes Commerzbank 4.0 agierte die Com- merzbank im Grunde in vier operativen Geschäftssegmenten: „Privatkunden“, „Central & Eastern Europe“, „Mittelstandsbank“ sowie „Corporates & Markets“. Das Segment Privatkunden umfasste das deutsche Filialgeschäft der Commerzbank für Privat-, Ge- schäfts- und Wealth-Management-Kunden aus den operativen Bereichen Nord, Ost, Mitte, West und Süd sowie den Bereich des Direct Banking, und damit die Aktivitäten der comdirect Gruppe (comdirect bank AG und ebase GmbH), und die Kunden der in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaft Commerz Real AG. Das Segment Mittel- standsbank enthielt in ähnlicher Struktur die operativen Bereiche Nord, Ost, Mitte, West und Süd, innerhalb der, neben mittelständischen Kunden, auch institutionelle Kunden und Kunden aus dem öffentlichen Sektor gebündelt wurden. Darüber hinaus umfasste das Segment noch die Bereiche Corporate Banking sowie Corporates Inter- national & Financial Institutions. Zu ersteren beiden zählte das Geschäft mit größeren Firmenkunden mit einem Umsatz von mehr als 500 Mio. Euro, wenn diese nicht bör- sennotiert waren in DAX oder M-DAX, und das Geschäft mit kleineren Konzernen mit höherer Kapitalmarktaffinität. Zu letzterem ist das Interbankengeschäft mit anderen in-und ausländischen Banken bzw. Zentralbanken zuzuordnen. Das Segment Central & Eastern Europe enthielt überwiegend die Kunden der in Polen ansässigen Tochterge- sellschaft mBank. Unter dem Segment Corporates & Markets wurden schließlich die operativen Einheiten Advisory & Primary Markets, Equity Markets & Commodities, Fixed Income & Currencies, Credit Portfolio Management, Research und Transition London zusammengefasst. Dieses Segment bündelte somit die Aktivitäten der Com- merzbank im Bereich Investmentbanking. Kunden aus allen anderen Segmenten hat- ten dabei die Möglichkeit auf die Produkt- und Servicepalette des Investmentbankings zuzugreifen. Durch die einzelnen operativen Einheiten war dieses Segment mit den anderen Segmenten vernetzt. Ferner bestand noch ergänzend das Segment der Non- Core Assets, welches sämtliche nicht strategische Aktivitäten der gewerblichen Immo- bilienfinanzierung und Schiffsfinanzierung enthält und darüber hinaus noch das Staats- finanzierungsgeschäft in sich vereint.21 Dieses stellte aber bereits vor Strategieverkün- dung ein Abbausegment dar. Aus dem Non-Core Assets-Segment wurden bereits im ersten Quartal 2016 verwertbare Vermögenswerte auf die anderen Segmente übertra- gen. In diesem Zuge wurde es dabei umbenannt in Asset & Capital Recovery und wird weiter abgebaut.22 Im weiteren Verlauf der Arbeit ist es daher zu vernachlässigen. Eine Übersicht über die dargestellte Segmentierung der Commerzbank bietet die folgende Darstellung 1.
Darstellung 1: Geschäftssegmente des Commerzbank-Konzerns vor der Verkündung des Strategieprogrammes „Commerzbank 4.0“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: in Anlehnung an Commerzbank AG (2016c), S. U4.
Mit der Transformation zur Commerzbank 4.0 werden die vier ursprünglichen operati- ven Geschäftssegmente (in Darstellung 1 nicht schraffiert) in zwei zusammengefasst und Teile einiger Segmente ausgelagert oder aufgegeben. Aus den Segmenten „Pri- vatkunden“, „Central & Eastern Europe“ und anteilig auch „Mittelstandsbank“ entsteht das neue Segment „Privat- und Unternehmerkunden“. Dieses neue Segment umfasst dabei einerseits sämtliche Privatkunden der Commerzbank sowie jene der comdirect Gruppe, der Commerz-Real AG und der mBank. Andererseits enthält es als Gruppe der Unternehmerkunden zum einen Geschäftskunden und zum anderen kleinere Mittelstandskunden mit einem Jahresumsatz bis zu 15 Mio. Euro.23Im zweiten neuen Segment „Firmenkunden“ werden die Aktivitäten der beiden früheren Segmente „Mit- telstandsbank“ und „Corporates & Markets“ gebündelt. Sämtliche Kunden des Seg- ments „Mittelstandsbank“ mit einem Umsatz von mehr als 15 Mio. Euro sowie der Be- reich des Investmentbankings werden somit fortan gemeinschaftlich betrachtet. Im Zuge dieser Umstrukturierung sollen dann die Handelsgeschäfte im Bereich Invest- mentbanking reduziert werden.24 Betroffen von der Reduktion sind dabei insbesondere die Bereiche Fixed Income & Currencies (FIC) sowie Equity Markets & Commodities (EMC). Im ersteren Bereich verabschiedet sich die Bank von seinen Handelsaktivitäten mit exotischen Zins- und Devisenderivaten.25 Im letzteren Bereich werden Investment- produkte im Bereich Commodities zukünftig nur noch separiert vertrieben, genauso wie strukturierte Aktienprodukte im Bereich Equity.26 Die folgende Darstellung 2 fasst die Änderungen an der Segmentstruktur des Konzerns kurz zusammen.
Darstellung 2: Umstrukturierung im Rahmen der Strategie Commerzbank 4.0
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Commerzbank AG (2016b), S. 6
Durch diesen partiellen Ausstieg aus Investmentbanking-Aktivitäten verspricht sich die Bank eine Reduktion von Ergebnisvolatilitäten und Risiken aus regulatorischen Ände- rungen. Schließlich soll dadurch insbesondere auch gebundenes Kapital freigesetzt werden, welches dann wiederum in das Geschäft mit Privat- und Unternehmerkunden reinvestiert werden soll.27
Für die im Rahmen dieser Fokussierung und Umstrukturierung geschaffenen Ge- schäftssegmente hat die Bank darüber hinaus noch konkretere Teilstrategien mit ei- genen Zielvorgaben formuliert.28
Im Segment der Privat- und Unternehmerkunden will die Bank bis 2020 im deutschen Markt netto zwei Mio. Neukunden hinzugewinnen. Um dies zu erreichen will sich die Bank einerseits zu einer digitalen Multikanalbank wandeln und setzt somit auf die Di- gitalisierung.29 Andererseits will die Bank weiter an ihrem dichten Filialnetz festhalten und für Privat- und Unternehmerkunden als regionaler Partner auftreten. Neben Flags- hip-Filialen mit Beratungsschwerpunkt in Ballungszentren sollen in der Fläche kleinere City-Filiale mit reduzierter Infrastruktur und Betriebskosten Kundenservice bieten. Ge- koppelt mit passgenauen Produktportfolios und der Möglichkeit im neuen Segment so- wohl private als auch geschäftliche Angebote zugleich anbieten zu können, sollen beide Vorhaben den Marktanteil der Commerzbank im Bereich der Unternehmerkun- den bis 2020 um drei Prozentpunkte auf acht Prozent steigern. Insgesamt wird im gan- zen Segment ein Ertragswachstum von 1,1 Mrd. Euro bis Ende 2020 angestrebt.30
Im neuen Segment der Firmenkunden will die Bank durch die Verknüpfung der Exper- tise aus den Segmenten Mittelstand und Corporates & Markets ihre Kundenbetreuung verbessern und sich durch die Reduktion von Teilen ihrer Handelsaktivitäten effizienter und kostengünstiger aufstellen. Auch in diesem Segment setzt die Commerzbank auf Wachstum durch Netto-Kundengewinnung. Im Trade-Finance-Geschäft will die Bank in attraktiven Handelskorridoren und Zukunftsmärkten dadurch sowie durch Investitio- nen in Compliance und Digitalisierung ihren Marktanteil um drei Prozentpunkte bis 2020 auf etwa 22 Prozent erhöhen. Im Bereich der Kreditfinanzierung soll ein Anstieg des Marktanteils um ebenfalls drei Prozentpunkte von zehn auf 13 Prozent erfolgen. Als Wachstumstreiber und Wettbewerbsvorteil sieht die Bank insbesondere eine Sek- torenkompetenz, die sich aus einer Durchdringung der deutschen Schlüsselindustrien AutomobilundTransport,ChemieundPharma,Maschinenbau,Energieund Infrastruktur sowie Konsumgüter und Handel beziehe. Dies wird an Kundenzahlen festgemacht, die in all diesen Sektoren zur Zeit der Strategieverkündung im vierstelli- gen Bereich lagen. Insgesamt wird im ganzen Segment schließlich ein Ertragswachs- tum von mehr als 300 Mio. Euro bis 2020 angestrebt.31
Im nächsten Schritt soll die Strategiekomponente „Digitalisierung“ vorgestellt werden. Wie es bereits im Kapitel zur Fokussierung des Geschäftsmodelles der Commerzbank an einigen Stellen anklang, spielt die Digitalisierung für den Veränderungsprozess, dem sich die Commerzbank verschrieben hat, ebenfalls eine entscheidende Rolle. Als zweite der drei Strategierichtungen des Programmes „Commerzbank 4.0“ soll daher nun die Digitalisierungsstrategie betrachtet werden.
Mit der Verkündung des Strategieprogrammes „Commerzbank 4.0“ hat sich die Commerzbank ambitionierte Ziele im Hinblick auf den digitalen Wandel gesetzt. In den vier Jahren von 2016 bis 2020 soll sich die Bank zu einem digitalen Technologieunternehmen wandeln. Die Bank kündigte an, jährlich ungefähr 700 Mio. Euro durch Umvertei- lung vorhandener Mittel in die Digitalisierung und Informationstechnologien zu investieren. Bis zum Jahr 2020 sollen dadurch 80 Prozent der relevanten Geschäftspro- zesse digitalisiert sein, wodurch auch eine Komplexitätsreduktion der internen Struktur erzielt werden soll. Um Digitalisierungsprojekte voranzutreiben setzt die Bank auf ein Konzept namens „Digital Campus“. An einem zum Zeitpunkt der Strategieverkündung noch undefinierten Ort sollen dabei von Mitarbeitern große Digitalisierungsprojekte oder auch „Master Journeys“ bearbeitet werden. Je Großprojekt soll eine Führungskraft die Verantwortung tragen. Zwei Vorstandsmitglieder sollen als „Paten“ für die Projektumsetzung fungieren. Klare Ziele gibt es für die Projektteams nicht. Stattdessen wird eine Bandbreite an möglichen Lösungen vorgegeben. Lediglich der Fertigstellungstermin ist vorgegeben. Der Digital Campus soll somit zugleich als eine Testplattform für neue Arbeitsmethoden dienen.32 Über konkrete Projekte des Campus äußerte sich die Bank zum Zeitpunkt der Strategieverkündung nur wenig. Dennoch lassen sich ein paar Meilensteine herausfiltern. Im Oktober 2016 sollte z. B. eine einheitliche und digitale Vertriebsplattform mit dem Namen „One“ eingeführt werden, mit welcher der Vertrieb und Kunden zugleich und am selben Ort Informationen abrufen und Vorgänge bear-beiten können. Dadurch will sich die Bank insbesondere im Privatkundengeschäft als Multikanalbank profilieren. Über die Plattform „One“ soll ferner im Jahr 2017 das Abschließen eines digitalen Ratenkredites möglich sein. Ein digitales Asset-Management und Robo-Advisory mit der comdirect sollen ebenso folgen. Außerdem will die Bank zukünftig Kunden beispielsweise gezielt über eine flexible Smart-Data-Architektur ansprechen und für beide Segmente ein einheitliches und cloudbasiertes Customer-Relationship-Management-System einführen.33, 34 Zudem sollen in den Folgejahren zahlreiche Kooperationen mit FinTechs eingegangen werden, um die Digitalisierung innerhalb der Commerzbank voranzutreiben.35
Zusätzlich zur Entwicklungsumgebung des Digital Campus ist schließlich noch Teil der Strategie, dass es in jedem Segment eine Abteilung zur digitalen Transformation gibt, dessen Aufgabe es ist, Szenarien zu entwickeln, wie zukünftige Produkte aussehen sollen und wie sich dessen Schnittstellen zwischen den Segmenten ausgestalten. Dies soll dazu dienen die Belegschaft durch passende Schulungen nicht auf dem Weg der digitalen Transformation abzuhängen. In jeder Niederlassung soll hierbei ein „Digital Ambassador“ die Mitarbeiter auf Themen der digitalen Transformation aufmerksam machen.36
Als letzte der drei strategischen Stoßrichtungen wird von der Commerzbank schließlich noch die Effizienzsteigerung angeführt.37 Es ist jedoch zweifelhaft, ob darunter tatsächlich eine eigene strategische Stoßrichtung, ähnlich zu den zwei vorgelagerten, zu verstehen ist. Vielmehr stellt die Effizienzsteigerung eine Folge aus den zwei vorgelagerten strategischen Teilbereichen dar. Denn durch die Fokussierung des Geschäftsmodelles, also die Zusammenlegung einzelner Geschäftsbereiche sowie den Exit aus bestimmten Bereichen, aber auch durch die Digitalisierung, und damit verbunden die Automatisierung und Beschleunigung von Geschäftsprozessen, werden die oben genannten Profitabilitäts- und Kostensenkungsziele versucht zu erreichen. Diese zielen jedoch selbst bereits auf Effizienzsteigerungen ab.
Ein Aspekt, der aus diesem Anlass erst zum Abschluss noch angesprochen werden soll, da auch er Folge der Digitalisierung und Fokussierung ist, ist der geplante Stellenabbau, der mit der Verfolgung des Programmes „Commerzbank 4.0“ verbunden ist. Im Rahmen der Transformation der Bank zur „Commerzbank 4.0“ sollen 9.600 Voll- zeitarbeitskräfte entlassen werden. Die Bank kündigte bereits damals an, Gespräche mit den verantwortlichen Arbeitnehmergremien zu ersuchen. In Geschäftsfeldern mit Wachstumspotenzial will die Bank dagegen etwa 2.300 Stellen schaffen. Der Nettostellenabbau wird somit bei circa 7300 Vollzeitarbeitskräften liegen.38
3. Status Quo der Strategie „Commerzbank 4.0“
Im Kapitel 2 wurde die Strategie „Commerzbank 4.0“ in ihre Kernkomponenten des fokussierten Wachstums, der Digitalisierung und der Effizienz zergliedert. Nach die- sem Schema soll auch die Prüfung der derzeitigen Zielrealisierung erfolgen.
In ihrem Zwischenbericht vom September 2018 verweist die Commerzbank auf einen planmäßigen Wachstumskurs im Segment Privat- und Unternehmerkunden. Seit der Strategieimplementierung im Oktober 2016 konnten rund 900.000 Nettoneukunden in jenem Segment gewonnen werden. Im Rahmen der Strategie „Commerzbank 4.0“ ist bis Ende 2018 ein Zielwert von einer Million Nettoneukunden anvisiert worden, welcher kalkulatorisch erreicht werden könne.39 Diese Akquisition kommt zu einem hohen Preis: zwischen 150 und 250 Euro wendet die Commerzbank auf, um einen Neukun- den im Privat- und Unternehmerkundensegment zu gewinnen.40 Während die Com- merzbank einst eine profitable Geschäftsbeziehung nach rund 18 Monaten antizipierte, verdiene sie nun deutlich weniger als erwartet mit diesen Neukunden.41
Zeitgleich zeigt sich die Commerzbank nicht zufrieden mit der Entwicklung im Segment Firmenkunden. Aufgrund geopolitischer Unsicherheitsfaktoren und politischer Risiken sei die Firmenkundschaft weniger offen für internationale Geschäftsaktivitäten. Die Commerzbank verweist zudem auf den weiter steigenden Wettbewerb im genannten Segment. Die zuletzt geringer werdende Nachfrage für strukturierte Kapitalmarkt- und Exportfinanzierungsprodukte stoße daher auf ein kontinuierlich größer werdendes An-gebot.42 Die für das Geschäftsjahr 2018 geplanten Erträge im Segment Firmenkunden seien vor diesen Hintergründen nicht mehr zu erreichen.43 Kritisch sind diese Entwick- lungen dahingehend, dass das Segment Firmenkunden als Kernbestandteil der Com- merzbank-DNA beschrieben wird, also die mitunter größte Relevanz im Konzern ein- nimmt. Erschwerend kommt hinzu, dass Firmenkundenchef Michael Reuther im De- zember 2018 seinen zeitnahen Rücktritt bekanntgab.44
Die schmalen Margen stellen die Commerzbank unter Druck: faktisch würde mehr Geld benötigt werden, um in die Kernpfeiler der Strategie „Commerzbank 4.0“ zu in- vestieren. Stattdessen können Mitstreiter, die in ihrer Digitalisierungs- und Prozessop- timierungsagenda bereits weiter vorangeschritten sind, die Commerzbank mit günsti- geren Angeboten herausfordern und übertrumpfen. Dies mache es wiederum umso schwieriger, das nötige Investitionskapital zu erwirtschaften – ein Teufelskreis.45
Die dargestellten Entwicklungen spiegeln sich auch im Zahlenwerk wider: so liegt das volljährig-hochgerechnete operative Ergebnis des PUK-Segments bei 752 Mio. Euro (Vorjahr: 867 Mio. Euro), während das Firmenkunden-Segment 697 Mio. Euro (Vor- jahr: 809 Mio. EUR) ausweist. Zeitgleich ist die operative EK-Rendite des PUK-Seg- ments von 26,1% im Jahr 2016 auf 16,0% per Q3 2018 gefallen, während das Firmen- kunden-Segment einen Fall von 11,1% im Jahr 2016 auf 6,4% per Q3 2018 zeigt.46
Auf Gesamtbankebene hat der Konzern per Q3 2018 ein operatives Ergebnis von 1,02 Mrd. Euro ausgewiesen, verglichen mit rund 1,13 Mrd. Euro im Vorjahreszeitraum. Da- bei lagen die bereinigten Erträge zum Q3 2018 dennoch bei etwa 5,5 Mrd. Euro, was kalkulatorisch nahe dem Zielkorridor des Jahres 2020 liegt.47,48 Zeitgleich ist die Ei- genkapitalquote von 18,3% im Q3 2017 auf 16,8% im Q3 2018 gesunken. Auch die aufsichtsrechtlich wichtige Kernkapitalquote sank von 15,2% auf 13,7% in selbigem Vergleichszeitraum.49 Der Rückgang der Eigenkapitalquoten hat vor allem kalkulatori- sche Gründe: die Bilanzsumme als Berechnungsbasis ist per Q3 2018 überproportio- nal auf 493,2 Mrd. Euro gestiegen, verglichen mit 452,5 Mrd. Euro im Vorjahr (+9,3%). Dieser Anstieg sei auf vielerlei Faktoren zurückzuführen, so z. B. auf den Anstieg in Baufinanzierungsgeschäften mit Privat- und Unternehmerkunden, höheren Volumina in besicherten Geldmarktgeschäften und dem Anstieg in der Ausgabe von Schuldver- schreibungen.50
[...]
1 Vgl. McKinsey (2016), S. 12.
2 Vgl. A.T. Kearney (2013a), S. 2f.
3 Vgl. Evers und Pinnow (2004), S. 92.
4 Vgl. PwC (2014), S. 11.
5 Vgl. A.T. Kearney (2013a), S. 5.
6 Vgl. Baxter und Vater (2014), S. 4ff.
7 Vgl. PwC (2016), S. 5f.
8 Vgl. Pfisterer (2016), S. 6f.
9 Vgl. Reuters (2017) und vgl. Commerzbank AG (2017a), S. 5f.
10 Vgl. Deutscher Bundestag (2017), S. 4ff.
11 Vgl. Dörner et al. (2018).
12 Vgl. Commerzbank AG (2018c), S. 2.
13 Vgl. dazu Porter (1979).
14 Vgl. dazu Tagesschau (2019a).
15 Vgl. Commerzbank AG (2017b), S.2 ff.
16 Vgl. Commerzbank AG (2016a), S. 1 f. und vgl. Commerzbank AG (2016b).
17 Vgl. Commerzbank AG (2016a), S.1 und vgl. Commerzbank AG (2016b).
18 Vgl. z.B. Commerzbank AG (2016a).
19 Vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 49.
20 Vgl. ebd.
21 Vgl. Commerzbank AG (2016c), S. U4, 11, 57ff., 72ff. und vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 49.
22 Vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 76.
23 Vgl. Commerzbank AG (2016a), S. 3 und vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 63.
24 Vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 49, 63ff.
25 Vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 50.
26 Vgl. Commerzbank AG (2016b), S. 15.
27 Vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 49 und vgl. Commerzbank AG (2016a), S. 2f.
28 Vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 50 und vgl. Commerzbank AG (2016b), S. 8ff.
29 Die Digitalisierung als zweite strategische Stoßrichtung wird in ihren Komponenten im nächsten Teilabschnitt beleuchtet.
30 Vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 50 und vgl. Commerzbank AG (2016a), S. 3 und vgl. Commerz- bank AG (2016b), S. 8ff.
31 Vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 50 und vgl. Commerzbank AG (2016b), S. 11ff.
32 Vgl. Commerzbank AG (2017b), S. 51, 86 und vgl. Commerzbank AG (2016b), S. 16f.
33 Vgl. Commerzbank AG (2016a), S. 4 und vgl. Commerzbank AG (2016b), S. 8f. und vgl. Commerz- bank AG (2017c), S. 6ff.
34 Einen Kurzüberblick über sämtliche „Master Journeys“ und begleitende „Support Journeys“ des Di- gital Campus bietet schließlich Commerzbank AG (2017c).
35 Vgl. Hanser (2017), S. 29.
36 Vgl. Hanser (2017), S. 28f.
37 Vgl. hierzu z.B. Commerzbank AG (2016a), S.1.
38Vgl. Commerzbank AG (2016a), S. 2.
39 Vgl. Commerzbank AG (2018a), S. 4.
40 Vgl. Scope Ratings AG (2017), S. 4 und vgl. FAZ (2018), o. S.
41 Vgl. Handelsblatt (2018b), o. S.
42 Vgl. Commerzbank AG (2018a), S. 12.
43 Vgl. Commerzbank AG (2018b), S. 15.
44 Vgl. Commerzbank AG (2018c), S. 3 und vgl. Finance Magazin (2018), o. S.
45 Vgl. FAZ (2018), o. S.
46 Vgl. Commerzbank AG (2018a), S. 10 u. 11.
47 Vgl. Commerzbank AG (2018a), S. 33.
48 Hierbei wird der bereinigte Ertrag nach folgender Formel definiert: (Zinsüberschuss + Provisions- überschuss + Dividendenerträge + Risikoergebnis)
49 Vgl. Commerzbank AG (2018a), S. 3.
50 Vgl. Commerzbank AG (2018a), S. 3 und S. 8.