Die dramatische Umsetzung des "The Inside of His Head" Motivs in Arthur Millers Bewusstseinsdramen Death of a Salesman und After the Fall


Dossier / Travail de Séminaire, 2004

25 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

II Millers dramentheoretische Position
II.1. Millers Dramenverständnis, seine Grundthematik und seine Rolle als Autor
II.2. Grundzüge des Realismus und des Expressionismus

III Millers dramatische Umsetzung des „The Inside of His Head“ Motivs
III.1. Präsentation von Bewusstseinsinhalten in Death of a Salesman
III.1.1. Plot und Erinnerungsszenen
III.1.2. Raumgestaltung
III.1.3. Geräuschkulisse und optische Signale
III.2. Präsentation von Bewusstseinsinhalten in After the Fall im Vergleich
III.2.1. Fehlender Plot und dramatisierte Vergangenheit
III.2.2. Raumgestaltung
III.2.3. Geräuschkulisse und optische Signale

IV Evaluation der individuellen Gestaltung des “The Inside of His Head” Motivs
IV.1. Vergleich der Protagonisten zur Begründung der Dramenform
IV.2. Abschließendes Fazit

Bibliographie

I. Einleitung

Das menschliche Gehirn ist ein außerordentlich komplexes Produkt der Natur. Es ist unter anderem für die Gedächtnisfähigkeit und die Intelligenz eines Menschen zuständig und weiterhin für Gefühle und Assoziationen verantwortlich. Emotionale Stimmungen kommen in der Regel auch in der Körpersprache zum Ausdruck, jedoch kann ein Mensch seine Gedankengänge und Erinnerungen der Außenwelt nur dadurch vermitteln, indem er sie in Worte zu fassen versucht. Die Versprachlichung innerer Vorgänge wiederum setzt eine gewisse Selbstkenntnis und Artikulationsfähigkeit voraus und das persönliche Interesse an einer ehrlichen Wiedergabe.

Die häufige Unzulänglichkeit in der sprachlichen Übersetzung subjektiven Erlebens umgeht Arthur Miller in seinen beiden Bewusstseinsdramen Death of a Salesman und After the Fall, in denen er dem Zuschauer durch szenische Darstellung einen Einblick in den Kopf des Protagonisten verschafft. So hieß das Stück Death of a Salesman vor der Uraufführung im Jahre 1949 auch zunächst The Inside of His Head. Diese Arbeit wird sich damit beschäftigen, aus welchen Gründen dieser Arbeitstitel am Ende verworfen wurde und inwiefern das „The Inside of His Head“ Motiv in Millers zweitem Versuch, dem 1964 uraufgeführten Bewusstseinsdrama After the Fall, eine konsequente Umsetzung findet. Hierfür wird untersucht, welcher dramatischer Techniken sich Miller jeweils bedient, um die Gedankenwelt des Protagonisten und seine inneren Erfahrungen auf der Bühne vorzuführen. Dabei richtet sich das Hauptaugenmerk auf die Kernfiguren und die Darstellung ihrer Erinnerungen sowie auf den plot, die Raumgestaltung, die Geräuschkulisse und die Beleuchtung der Bühne. Durch die Gegenüberstellung der Protagonisten wird die unterschiedliche Wahl der dramatischen Mittel begründet und bewertet.

Um Millers Stücke dramentheoretisch einordnen zu können, wird zunächst ein kurzer Überblick über Millers Vorstellungen von Drama, seine Theorie über Mensch und Gesellschaft und sein Selbstverständnis als Autor gegeben. Im Kontrast zum traditionellen realistischen Drama werden daraufhin die wesentlichen Merkmale des expressionistischen Bewusstseinsdramas herausgestellt, bevor in den folgenden Kapiteln mit der Analyse der konkreten Umsetzung dieser Charakteristika in Death of a Salesman und After the Fall zur Verwirklichung des „The Inside of His Head“ Motivs begonnen werden kann.

II. Millers dramentheoretische Position

II.1. Millers Dramenverständnis, seine Grundthematik und seine

Rolle als Autor

In seinem Vorwort zu den Collected Plays legt Arthur Miller (1994 [1957]: 113ff) ausführlich sein Verständnis von Drama dar und versucht sowohl sich als Autor als auch die seinen Stücken zugrunde liegende Intention einzuordnen. Er sieht sich demnach als Künstler und experimentierfreudiger Autor, der sich aber auch mit den bestehenden Theatertraditionen beschäftigt und auskennt. So spielen bei ihm auch Aristoteles Begriffe der „katharsis“ und der „hamartia“ eine große Rolle. Seine Dramen sollen beim Zuschauer Furcht und Mitleid hervorrufen und behandeln einen tragischen Fehler, der durch die Fügung des Schicksals noch begünstigt wird. Insbesondere die Leidenschaft, mit der die Problematik des Protagonisten dargestellt wird und wodurch die Emotionen des Publikums erweckt werden, ist nach Miller ausschlaggebend für gutes Drama. Dagegen lehnt er die vom klassischen Drama postulierte Fallhöhe des Helden ab, da die Zeiten der antiken Könige und deren Landeseroberungen der heutigen Gesellschaft nicht mehr entsprechen. Millers Hauptfigur ist sozusagen ein „mittlerer“ Held, bei dem es darauf ankommt, dass er Statur hat, also dass er eine interessante Persönlichkeit darstellt. Auch die Einheit von Raum und Zeit sowie das Festhalten an der klassischen Handlungsstruktur sind für Miller nicht zwingend.

Der formale Aufbau seiner Stücke ist nicht auf einen bestimmten Dramentyp festgelegt. Die Wahl der Form ist stattdessen themenbedingt, und führt bei Miller nicht selten zu einer Vermischung von Stilmitteln verschiedener Dramentypen. Je nach Inhalt setzt er unterschiedliche dramatische Elemente ein, um seine Idee künstlerisch vollkommen entfalten zu können. Die originelle Idee ist eine weitere wesentliche Voraussetzung eines guten Dramas im Sinne Millers, die von Anbeginn des Schreibens vorhanden sein soll, aber während des Schreibprozesses noch reifen muss. Dabei drehen sich seine Themen immer um das paradoxe Verhältnis zwischen dem einzelnen Menschen und der Gesellschaft, in der er lebt: Einerseits kann der Mensch nur innerhalb einer Gesellschaft sich selbst verwirklichen, gleichzeitig wird er aber von ihr bedroht, da sie eine Selbstentfremdung des Menschen provoziert, indem sie dazu tendiert, das Individuum durch gesellschaftliche Normen zu konditionieren. Nach Millers Anschauung ist der Mensch ein selbständiges, rationales Wesen, das für das eigene Leben und innerhalb der Gesellschaft eine gewisse Verantwortung trägt und so auch zur Verantwortung gezogen werden kann.

Dieses Bild eines zur Verantwortung gezogenen Menschen liefert drei Hauptthemen. Zum einen geht es in Millers Werken um den Grad der Einsicht in diese Verantwortung. Die Charaktere werden mit der Frage konfrontiert, ob sie ihren Verpflichtungen nachgekommen sind, und stehen vor der Entscheidung, sich der Frage entweder zu stellen oder ihr auszuweichen. Das letztere führt konsequenterweise zu einem weiteren zentralen Aspekt, der bei Miller in den verschiedensten Facetten präsentierten Schuldthematik. Er hält es für unausweichlich, dass man im Laufe seines Lebens Schuld auf sich lädt und er verlangt dem Menschen ab, dass er sich seine Schuld bewusst eingesteht und dadurch seine Verantwortung akzeptiert. Nur so kann der Mensch sich dem Manipulationsapparat gesellschaftlicher Institutionen entziehen, die mit Begnadigung durch Unterwerfung locken und damit die menschliche Sehnsucht nach Unschuld und Reinheit ausnutzen. Schuld im Sinne bereits begangener Fehler verweist gleichzeitig als drittes Hauptthema auf den Zusammenhang zwischen Gegenwart und Vergangenheit. Der Mensch soll bei Miller erkennen, dass die Gegenwart durch die Geschichte kausal bedingt ist. Millers Figuren, die davor die Augen verschießen, werden in den Stücken von ihrer Vergangenheit eingeholt. Ihre Lebenslügen, mit denen sie vergangene Fehler verdrängen und als Ursache gegenwärtiger Folgen leugnen, müssen abgebaut werden. Nur wenn es ihnen gelingt, werden sie ihrer Verantwortung gerecht und gewinnen sie an Menschenwürde.

Mit dieser kritischen Auseinandersetzung mit dem Menschen und der Gesellschaft beabsichtigt Miller, dem Publikum die eigene gesellschaftliche Anpassung bewusst zu machen. Er versteht sich als Moralist, dem es um Kritik an der amerikanischen Gesellschaft seiner Zeit geht. Dabei sieht er das Theater als Mittel, bei den Zuschauern eine Bewusstseinsbildung möglicher eigener Entfremdung anzuregen. Die (dramatische) Kunst losgelöst von ethischen Aspekten ist für Miller dagegen bedeutungslos. So lässt Miller sich auch nicht als Vertreter eines bestimmten, von ihm als künstlerisch vollkommen angesehenen Dramentyps einordnen. Seine Kunst liegt vielmehr darin, durch Experimentieren eine Kombination von dramatischen Stilmitteln zu finden, mit der sich seine Idee am wirkungsvollsten umsetzen lässt und die die zugrunde liegende Moral des Stückes am besten zum Ausdruck bringt.

II.2. Grundzüge des Realismus und des Expressionismus

Da in Death of a Salesman und After the Fall insbesondere die Einflüsse des realistischen und expressionistischen Dramas dominieren, sollen hier die Hauptmerkmale dieser zwei Grundtypen des modernen Dramas skizziert werden, bevor im folgenden Kapitel ihre konkrete Verwirklichung in den beiden vorliegenden Stücken untersucht wird. Wie der Begriff Realismus schon andeutet, geht es bei diesem Dramentyp um eine möglichst mimetische Abbildung eines Lebensausschnitts. Der Zuschauer soll sozusagen vergessen, im Theater zu sein, und sich der Illusion hingeben können, dass er gerade Augenzeuge eines realen Vorgangs sei. Dafür ist die Einheit von Raum und Zeit von Bedeutung, denn durch große Zeitsprünge und extreme Ortswechsel wird eine lebensechte Darstellung unglaubwürdig. Die Raumgestaltung kennzeichnet sich dadurch aus, den Spielort wirklichkeitsgetreu abzubilden und ist dementsprechend aufwendig und reich im Detail. Ebenso gilt für die Licht- und Tonregie, dass sie eine reale Geräuschkulisse und Beleuchtung schaffen, z.B. dunkle Beleuchtung in der Nacht oder die Signale eines Zuges am Bahnhof. Die Guckkastenbühne ist durch ihren Illusionscharakter als Bühnenform für das realistische Drama optimal geeignet. Manfred Pfister sieht den beleuchteten Bühnenraum und den verdunkelten Zuschauerraum durch eine imaginäre vierte Wand getrennt, die den Illusionierungseffekt unterstützt:

Bühnenbild, Kostüme, Requisiten, Schauspielstil und Sprache sind auf getreue Wirklichkeitsnachahmung angelegt, und der Vorhang erspart die Erschütterung der Illusion beim Wechsel des Bühnenbilds. Man blickt gleichsam in einen Raum, in dem eine Wand fehlt – ohne daß dies den Personen in diesem Raum bewußt wäre. (2001 [1977]: 44)

Die Anzahl der Personen ist realistisch gering gehalten; dafür handelt es sich überwiegend um runde, vielschichtige Figuren, die ihren Charakter im Verlauf des Stückes durch die Konfrontation mit anderen Figuren enthüllen. Sie vermitteln vergangene Geschehnisse im Dialog und die Glaubwürdigkeit des Gesagten wird durch das Verhalten der Figuren überprüfbar. Im Kontrast zum klassischen Theater wird im modernen Drama nicht mehr an die Ausdrucksfähigkeit, Selbstkenntnis oder auch Ehrlichkeit des Menschen geglaubt, weshalb Gestik, Mimik und das Sprechverhalten der Figuren eine große Rolle spielen. Dagegen übernimmt das realistische Drama wiederum die klassische Handlungsstruktur, unterteilt das Stück jedoch nur noch in drei Akte, wobei eine lange Einführungsphase typisch ist. Ihre Aufgabe besteht darin, in eine bereits laufende Handlung einzuleiten und den Anschein eines alltäglichen Vorgangs zu erwecken, obwohl schon auf mögliche Probleme hingedeutet wird. Der präsentierte Alltag offenbart in der Regel zwischenmenschliche Konflikte und Gesellschaftsprobleme, die insbesondere auf psychologischer Ebene betrachtet werden. In Ibsens analytischen Drama geht es dabei immer um eine in der Vergangenheit begangene Schuld, die in der Gegenwartshandlung sukzessive aufgearbeitet wird und bei ihm immer tragisch endet.

Die Expressionisten stehen dem Realismus ablehnend gegenüber, da dieser durch objektive Beschreibung von Wirklichkeit nicht die individuell vollzogene subjektive oder emotionale Erfahrung von Wirklichkeit wiedergeben kann. Die Ausdruckskraft des subjektiven Erlebens gilt dagegen als Hauptkriterium des Expressionismus. Der Mensch wird aus der Perspektive seiner persönlichen Wahrnehmungen und Empfindungen dargestellt, die nicht selten im Widerspruch mit der objektiven Außenwelt stehen. Im Gegensatz zu den oben genannten Beispielen kann hier die dunkle Beleuchtung am helllichten Tag eingesetzt werden, um die düstere Stimmung einer Figur zu symbolisieren; und die Zugsignale können z.B. für die Erinnerung an eine bereits vergangene Szene am Bahnhof stehen. So geht es oft um die Darstellung menschlicher Vereinsamung, Einengung und innerer Zerrissenheit bis hin zur Schizophrenie. Die expressionistische Literatur, die insbesondere von 1910-1925 in Deutschland hervortrat, „versteht sich somit in erster Linie als Plattform für Assoziationen, Emotionen und Projektionen des angesichts zeitgeschichtlicher Entwicklungen zutiefst desorientierten, verängstigten und frustrierten Menschen“ (Nieragden 1998: 141). Zu den zeitgeschichtlichen Merkmalen gehören ein selbstzufriedenes, geistig erstarrtes Bürgertum, die fortschreitende Technisierung in allen menschlichen Bereichen, das Elend in den Großstädten und der allgemeine Werteverfall, wogegen der Expressionismus rebelliert. Diese Auflehnung wird durch die Sprengung konventioneller Formen deutlich, z.B. durch die Auflösung des Satzgefüges, der Typisierung von Personen und durch visionäre Bildhaftigkeit, die sich von der objektiven Realität abhebt.

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Fin de l'extrait de 25 pages

Résumé des informations

Titre
Die dramatische Umsetzung des "The Inside of His Head" Motivs in Arthur Millers Bewusstseinsdramen Death of a Salesman und After the Fall
Université
University of Cologne
Note
1,0
Auteur
Année
2004
Pages
25
N° de catalogue
V49158
ISBN (ebook)
9783638456807
Taille d'un fichier
606 KB
Langue
allemand
Mots clés
Umsetzung, Inside, Head, Motivs, Arthur, Millers, Bewusstseinsdramen, Death, Salesman, After, Fall
Citation du texte
Barbara Groß-Langenhoff (Auteur), 2004, Die dramatische Umsetzung des "The Inside of His Head" Motivs in Arthur Millers Bewusstseinsdramen Death of a Salesman und After the Fall, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49158

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