„Lernen [ist] nichts anderes […]als Wiedererinnerung“. Diese These – von Kebes vorgetragen, der damit aber nur eine von Sokrates häufig geäußerte Ansicht wiedergibt – leitet den zweiten Beweis für die Unsterblichkeit der Seele im 'Phaidon' ein.
Der Begriff des Lernens lässt sich definieren als die Aneignung von Kenntnissen und Fähigkeiten, als die Änderung von Denken, Einstellungen und Verhaltensweisen aufgrund von Einsicht oder Erfahrung. Bedingung der Möglichkeit zu lernen ist somit zuallererst die Wahrnehmung der Umwelt. Darauf folgen muss ein Verknüpfen mit Bekanntem (Erfahrung) und das Erkennen von Regelmäßigkeiten. Wahrnehmen und Erkennen sind zwei Aspekte des Lernens.
Warum aber setzen das Wahrnehmen und das Erkennen und somit das Lernen Wiedererinnerung voraus?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der zweite Beweis für die Unsterblichkeit der Seele (72e-76d)
- Zwischenbemerkung
- Zwischenbemerkungen
- Schlussbemerkung – Kritische Würdigung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay befasst sich mit der Frage, warum Wahrnehmen und Erkennen Wiedererinnerung voraussetzen, und beleuchtet dies anhand des zweiten Beweises für die Unsterblichkeit der Seele im Phaidon.
- Definition und Abgrenzung des Begriffs "Lernen" im Kontext von Wahrnehmen und Erkennen
- Analyse des zweiten Beweises für die Unsterblichkeit der Seele im Phaidon, insbesondere die Rolle der Wiedererinnerung
- Untersuchung des Verhältnisses von Ähnlichkeit und Unähnlichkeit im Prozess der Wiedererinnerung
- Die Verbindung zwischen Wiedererinnerung und der platonischen Ideenlehre, insbesondere das Verhältnis von Weltding und Idee
- Der Beweis für die seelische Präexistenz und die Rolle der sinnlichen Wahrnehmung im Wiedererinnerungsprozess
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Der Essay beginnt mit der Darstellung von Kebes' These, dass Lernen nichts anderes sei als Wiedererinnerung. Diese These bildet den Ausgangspunkt für den zweiten Beweis für die Unsterblichkeit der Seele im Phaidon.
Der zweite Beweis für die Unsterblichkeit der Seele (72e-76d)
Sokrates legt dar, dass die Wahrnehmung eines Gegenstandes, die neben der durch die Wahrnehmung entstandenen Vorstellung eine weitere, nicht identische Vorstellung hervorruft, als Erinnerung zu betrachten ist. Die Erinnerung entsteht durch die Beziehung von Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit zwischen den Wahrgenommenen und den Erinnerten.
Zwischenbemerkung
Der Autor äußert Kritik an Platons Argumentation, dass sich die Erinnerung auf Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit stützt. Die Kritik bezieht sich auf die Behauptung, dass sich die Erinnerung aus der Unähnlichkeit zwischen den Gegenständen ergibt, ohne dass die Ursache für die Assoziation berücksichtigt wird.
Zwischenbemerkungen
Der Autor analysiert die Argumentation Platons, dass die Erkenntnis von Ideen durch die Wahrnehmung gleichender Weltliches Ding erfolgt. Es stellt sich die Frage, ob man durch empirische Beobachtungen Ideen „erhält“, was die seelische Präexistenz in Frage stellen würde. Alternativ wird vorgeschlagen, dass die Ideen schon in der Seele lagern, sich aber außerhalb des Bewusstseins befinden, und durch die Wahrnehmung sinnlicher Gegenstände wieder ins Bewusstsein gerufen werden.
Schlüsselwörter
Die zentralen Themen und Begriffe dieses Essays umfassen: Lernen, Wahrnehmen, Erkennen, Wiedererinnerung, Seele, Unsterblichkeit, Platon, Phaidon, Ideenlehre, Ähnlichkeit, Unähnlichkeit, Weltliches Ding, Idee, seelische Präexistenz, sinnliche Wahrnehmung.
- Citation du texte
- Joachim Waldmann (Auteur), 2005, Warum setzen das Wahrnehmen und das Erkennen Wiedererinnerung voraus?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49192