Ausdruck von Erotik im Hohelied im Kontrast zu Denkmustern der Bußbücher


Hausarbeit, 2018

13 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhalt

1.0 Einleitung

2.0 Bußbücher

3.0 Das Hohelied Salomos
3.1 Analyse
3.1.1 Augen wie Tauben
3.1.2 Die Metapher des Turmes
3.1.3 Naturvergleiche

4.0 Fazit

1.0 Einleitung

Das sexuelle Verhalten war schon immer, und ist es teilweise immer noch, auffallend stark von religiösen Normen beeinflusst. Auch wenn es mittlerweile im deutschen Sprachraum eine offene Haltung gegenüber dem damaligen Tabuthema ‘Sexualität’ gibt, war das freie Ausüben von Sexualität Jahrhunderte lang, sogar innerhalb der Ehe, stark von der Kirche beeinflusst und wurde teils hart bestraft. Sex sollte ein Akt mit dem einzigen Ziel des Kindersegens sein. Alles andere wurde verurteilt und als Schwächung des Geistes angesehen. Kirchenväter sahen die Sexualität bestenfalls als ein, für die Fortpflanzung, nötiges Übel, das zu tolerieren war. Doch findet man tatsächlich nur dieses eine, ablehnende, sexualpessimistische Bild in religiösen Relikten des Mittelalters, oder gibt es noch eine andere Seite? Wie kann es zum Beispiel sein, dass ein explizit erotischer Text, nämlich das ‘Hohelied‘, Teil des Alten Testamentes und des Tanachs ist? Unterwarfen sich die Liebenden tatsächlich den strengen Vorschriften der Kirche, und ließen sich derart in ihrem Liebesverhalten einschränken? Oder besser gesagt, gibt es eine tatsächliche Grundlage in religiösen Relikten für ausdrückliche Verbote und Einschränkungen in der Ausübung von Sexualität und Erotik? Noch 1975 verurteilte Papst Paul VI in seiner „Erklärung zu einigen Fragen der Sexualethik“, Onanie als schwere Sünde:

Eine tatsächliche und schwere Schuld würde nur insoweit vorliegen, als der Handelnde mit freiem Willen einer in sich abgekapselten Selbstbefriedigung (»Ipsation«) nachgeben würde, da in diesem Fall die Handlung von ihrem Wesen her der liebenden Vereinigung zweier Personen verschiedenen Geschlechtes entgegengesetzt wäre (…).“ 1

Doch zeigt es sich, dass Quellen wie die Reden des Papstes, nicht besonders aufschlussreich für das tatsächliche Verhalten der Menschen im Mittelalter sind. Weitaus detailliertere Einsicht in das damalige Liebesleben können etwa Aufzeichnungen der Kirchenmänner, bezüglich der Beichte und Buße, geben. Die Hausarbeit soll zunächst einen Einblick in die Erkenntnisse der Bußbücher des Christentums im Mittelalter geben. Aufbauend auf diesem Basiswissen der kirchlichen Tabus, innerhalb des Erotischem zweier Menschen, soll eine genaue Analyse des Hohelied Salomos erfolgen. Für diese nutze ich die Übersetzung des Alten Testaments von Luther ins Deutsche. Dieses erstaunliche Zeugnis zweier sich Liebenden, beinhaltet das Suchen und Sehnen und die Wiedervereinigung beider, geschildert in zärtlicher bis erotischer, kunstvoll, metaphorischer Sprache. Genauer eingehen, soll die Analyse auf den Vergleich der Augen mit Tauben, die Metapher des Turmes und Naturmetaphern. Anschließend sollen gewonnene Erkenntnisse der Bußbücher sowie des Hohelieds, in Hinblick auf Bedeutung für Verbote und Handhabung von Erotik, ausgewertet werden. Im Fazit soll versucht werden, ein Bild des sexuellen Verständnisses der Menschen im Mittelalter zu geben, soweit es religiöse Relikte zulassen und daraus resultierende Hypothesen aufgestellt werden.

2.0 Bußbucher

Bußbücher sind aus heutiger Sicht nicht nur in der Hinsicht interessant, weil sie einen Einblick in die kirchliche Beurteilung von Sexualität geben, sondern zeigen sie auch sehr detailliert auf, wie Sexualität und Erotik im Mittelalter praktiziert wurde. So wurde für jedes einzelne ‘Vergehen’ eine entsprechende Strafe verordnet, notiert und in den Bußbüchern bis zur heutigen Zeit aufbewahrt. Der Theologe Hubertus Lutterbach stellt sich die Frage nach einer Logik hinter den Vorschriften der Bußbücher und vielmehr noch; welche Auswirkungen diese auf das kultische Denken der Menschen hatte. Indem er die Lehren des Christentums als „christliches Kontrastprogramm zur römischen Gesellschaft“2 bezeichnet, wird die drastisch, neue Denkweise bezüglich des Themas Sexualität deutlich. Die ablehnende Sicht hinsichtlich der Sexualität wurde einerseits mit einer ‘Verunreinigung ‚im Sinne eines Erfüllt-Werdens von gefährlichen Tabukräften und dämonischen Mächten‘ infolge dieser, begründet. Andererseits wurde der „geistig, leibliche Kraftverlust des Mannes [beim Geschlechtsverkehr bzw. danach]“3 dafür verantwortlich gemacht, dass die Berührung bzw. Verbindung mit dem Göttlichem verhindert werden würde. Für diese Verbindung müsste die Kraft nämlich konzentriert sein. Besonders aufschlussreich ist die simple Tatsache, dass es im Alten Testament keine Begriffe für die primären Geschlechtsteile ‘Vagina’ und ‘Penis’ gab. Abscheu und Angst vor dem, als unrein erachteten Geschlechtsorganen, sind eine der Erklärungsansätze für diese „sexuelle Sprachlosigkeit“4, die das gesamte Alte Testament durchzieht. Auch Berührung des Mannes mit dem Blut während der Regel der Frau war streng untersagt. Mit der Maßnahme, den Kontakt zu Menstruationsblut der Frau zu verbieten, „sollte nicht die gesundheitliche Schonung der Frau sichergestellt werden, noch ging es um den Aspekt der Hygiene. Vielmehr sollten die Geschlechtskräfte als besondere, göttliche Schöpfermächte, nicht gestört, beleidigt, kontaminiert werden ‚sonst würden Glück und Lebenserwartung in Entsetzen und Tod umschlagen.“5 Wie dieser Nachweis eindrücklich zeigt, versuchte die Kirche das Verbot von Lust und dem Versuch eine Liebe zu erzwingen, die ausdrücklich Gott und der Kirche gelten solle, mit Angst zu schüren. Ein besonderes Anliegen der Kirchenmänner, die die Bußbücher verfassten, war die Wahrung der Reinhaltung. Diese galt zunächst gleichermaßen bezüglich des Geistes, sowie für das Körperliche. „Für die Einhaltung der kultischen Reinheit ist es notwendig, daß kultische Befleckung - hervorgerufen vor allem durch die Ausübung der Sexualität - von dem heiligen Ort und der heiligen Zeit, von der Kulthandlung und den Kultgegenständen, von den Priestern und den am Ritus beteiligten Gläubigen ferngehalten wird. “6 Die Christen sahen den Körper nicht nur als ‚Tempel des Heiligen Geistes‘ sondern auch als Eigentum Gottes. Mit dem sexuellen Verzicht sollte die göttliche Ordnung bewahrt werden, und ein Verstoß gegen diese, richtete sich direkt gegen Gott. Der Körper eines Menschen ist aus christlicher Sicht also „allein dafür da, verwaltet, nicht aber verändert zu werden.“7 Ging es nach dem Neuen Testament, wurden Strafe und Verurteilung weniger streng geahndet. So schreibt Hubertus über das Verständnis von ‘Reinheit‘ im Neuen Testament:

„‘Wenn die neutestamentlichen Autoren auf die Reinheit als eine Grundkategorie christlicher Lebensführung bestehen, dann verstehen sie Reinheit allein im metaphorischen Sinne (...), als Reinheit des Herzens. ’ Am offensichtlichsten gilt diese Feststellung gewiß für die Verunreinigung des Menschen durch Menstruation und Pollution, die das Neue Testament ebenso konsequent übergeht wie das Verbot der Bestialität (…).“8 Doch auch im Neuen Testament gab es eindeutige Tabus. So wurde etwa Homosexualität konsequent verachtet. Mit der „Abkehr von dem einen Gott“ (Paulus in Rom 1,26-27) durch eine gleichgeschlechtliche sexuelle Aktivität, macht Apostel Paulus im neuen Testament deutlich, welch weitgehende Folgen Homosexualität im Christentum hatte. Sex unter Männern hatte aus seiner Sicht die sofortige Verbannung aus dem Himmelsreich zufolge.9 So viele Unterschiede Lutterbach auch in den unzähligen Bußbüchern aufzeigen mag, einen Kanon hatten diese jedoch: Das Verbot der Bestialität, also jede Vereinigung eines Menschen mit einem Tier. Die genaue Bestrafung richtete sich zwar nach Alter und Familienstand, aber galt immer und ohne Ausnahme als Sünde. Die Strafen variieren nach Lutterbachs Angaben stark von etwa 40 Wochen bis zu 10 Jahren Fasten und Sünde tun, da sich die Frage stellte, ob die Verunreinigung durch das „Einswerden des Fleisches bzw. des Geistes“ auch eine andere Person oder gar Jesus Christus beeinflusste.10 Ebenso der Verzehr von Menstruationsblut, Urin, Sperma oder Kot in Hinsicht des Einsatzes als Heilmittel oder auch als „liebesbeförderndes Mittel“ war streng untersagt vom Christentum: „Insgesamt ist aus Perspektive der biblischen Schöpfungsgeschichte her festzuhalten, daß weder das Blut der Frau noch der männliche Same als magisches Mittel gedacht, sondern sie vielmehr allein in dem Dienst des Lebens gestellt sind (…).“11 Dass mit dem Voranschreiten des Mittelalters auch die Zahl der Art, eine Sünde der Sexualität zu begehen stieg, zeigt Lutterbach in dem Kapitel ‚Das Begehren einer Frau‘. So wurde man schon allein für das Denken in Kombination mit erotischen Sehnen oder sexuellen Gelüsten an eine Frau, damit bestraft genügend Buße zu tun. In mehreren Bußbüchern zeigt Lutterbach Strafen auf, die dem Sündiger ein Jahr Buße bzw. 40 Tage Wasser und Brot anordnen.12 Der französische Historiker Jean Louis Flandrin schätzt, dass ein Paar, das im 8. Jahrhundert gott- und kirchengefällig lieben und leben wollte, "sich nur an 91 bis 93 Tagen im Jahr vereinigen konnte".13 Nun wurden einige Tätigkeiten aus den Bußbüchern aufgezählt, die als Tabu und Sünde verachtet wurden. Doch wie konnte man sich der Verbannung aus dem Himmel und dem Begehen einer Sünde entziehen, wenn schon allein das Denken von sexuellen Gelüsten als Sünde galt? Auf diese Frage bietet das Alte Testament eine einfache Antwort: die Heirat der jeweiligen Person. „Jeder Ausdruck von Sympathie und auch jeder voreheliche, von menschlicher Wärme getragener Kontakt eines unverheirateten Mannes mit einer unverheirateten Frau, galt als Sünde, insofern er keine Eheschließung nach sich zog.“14 Ist man jedoch einmal dieses Bündnis der Ehe eingegangen, wurde auch erwartet, diese bis zum Lebensende beizubehalten. So ist das Ausmaß eines Ehebruchs aus damaliger Sicht nachzuvollziehen. Selbst wenn eine Frau Ehebruch begangen hatte und der Mann die Ehe auflöste um neu zu heiraten, wurde der Neuheirat eine entsprechende Buße auferlegt. Abschließend möchte ich Lutterbach selbst auf seine Frage nach Sinn und Logik der auferlegten Buße in Folge auf sündhafte Gedanken und sündhaftes Handeln im erotischen, sexuellen Sinn zitieren: „Die Sexualvorschriften der Bußbücher unterscheiden sich insofern von den Sexualvorschriften des Alten Testaments, daß sie nicht nur ethisch ausgerichtet sind bzw. einer kultischen Argumentationsreihe folgen.“15 Abgesehen von der Frage, wie ernst die Bußbücher in Hinblick auf ihre Willkür und dem Fehlen von Belegen in der Bibel zu nehmen sind, zeigt der Einblick in die Bußbücher ein eindrücklich antisexuelles und Sexualität-verachtendes Bild der Gläubigen im Mittelalter, das nicht nur den Heiden, die es zu bekehren galt, auferlegt wurde, sondern eine omnipräsente Ideologie darstellte.

3.0 Das Hohelied Salomos

Kaum eine Schrift des Alten Testaments hat so viele Auslegungen und Interpretationen erfahren wie das Hohelied und nur wenige Texte waren für die Kultur des Abendlandes dermaßen prägend. Künstler haben es immer wieder als Inspirationsquelle für künstlerisches Schaffen verwendet und Komponisten fanden in dieser Poesie Inspiration für ihre Musik.16 ‚Das Hohelied Salomos‘, ‚das Lied der Lieder‘ oder auch ‚Hohes Lied‘, sind einige Bezeichnungen für das Buch des Alten Testaments und der Tanach, wobei es bezüglich Letzterem zu einem von fünf Megillot (Festrollen) gehört. Der Originaltext ist in hebräischer Sprache verfasst: „(…) םירישה ריש Schir ha-Schirim. Er bedeutet wörtlich ‘Das Lied der Lieder‘ und drückt den hebräischen Superlativ aus.“17 Das Buch hat acht Kapitel mit insgesamt 177 Versen. Es bezeichnet sich selbst als Lied (Hld 1,1). Viele Theologen sehen darin eine Sammlung von verschiedenen Liedern, da ein einheitlicher Aufbau schwer zu entdecken ist. Eine genaue Datierung der Sammlung als Ganzes bzw. einzelner Gedichte des Hoheliedes ist jedoch schwierig. Eine detaillierte sprachliche Analyse kann zeigen, dass die Sprache des Hoheliedes am ehesten als „spätes Hebräisch“ bezeichnet werden kann, welches sich bereits auf dem Wege zum Hebräisch der Mischna befindet. Weitere Nachweise für eine späte Datierung der endgültigen Sammlung des Hoheliedes sind die auffallenden thematischen Parallelen aus dem griechischen Umfeld.18 Der Text handelt von erotischen Liebeserklärungen zwischen Mann und Frau, wobei jedoch nicht genau klar wird, wer zu wem spricht und in welchem genauen Kontext die Handlung eingebettet ist. Der Name ‚Sulamith‘ wird einmal in Hld 7,1 genannt und eine mögliche Interpretation ist es, diesen als Namen der Geliebten anzunehmen:

„ Kehre wieder, kehre wieder, o Sulamith! kehre wieder, kehre wieder, daß wir dich schauen! Was sehet ihr an Sulamith?“ 19

Auch wenn der Name ‚Salomo‘ oder ‚König Salomo’ häufig genannt wird20, muss das nicht unbedingt bedeuten, dass dieser kongruent mit dem des männlichen Sprechers ist, denn der Text kennzeichnet die wörtliche Rede nie eindeutig als zugehörig zu einer bestimmten Person. Auch ist von Salomo immer nur in der dritten Person die Rede: „Der König Salomo ließ sich eine Sänfte machen von Holz aus Libanon.“21 Folgt man Arne Reul’s Erläuterungen bezüglich der Entstehungseinflüsse des Hoheliedes, haben vor allem „die Liebesdichtung des Alten Orients und insbesondere Ägyptens das biblische Hohelied geprägt (…). Textliche Überlieferungen und Bilder aus der Pharaonenzeit, 1500 Jahre vor Christus, beweisen das. (…) In Palästina, insbesondere im Gebiet um Jerusalem wurden bei Tanz und Feierlichkeiten Liebeslieder nach den genannten Vorbildern gesungen. Daraus entwickelte sich schließlich eine hochstehende Kunstdichtung. “22

[...]


1 P. Jérôme Hamer, O. P.

2 Lutterbach 1995, S. 232.

3 Lutterbach 1999, S. 27.

4 Lutterbach 1999, S. 35.

5 Lutterbach 1999, S. 28.

6 Lutterbach 1995, S. 216.

7 Lutterbach 1995, S. 231.

8 Lutterbach 1995, S. 229.

9 Lutterbach 1999, S. 41.

10 Lutterbach 1999, S. 161.

11 Lutterbach 1999, S. 197.

12 Lutterbach 1999, S. 118.

13 ONLINE et al. 2016.

14 Lutterbach 1999, S. 121.

15 Lutterbach 1999, S. 64.

16 Arne Reul 2010.

17 Wikipedia 2018.

18 Vgl. Anselm Hagedorn 2006.

19 Luther 2018, 7,1.

20 1,1; 3,9.11; 8,11-12 des Hohelieds.

21 Luther 2018.

22 Arne Reul 2010.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Ausdruck von Erotik im Hohelied im Kontrast zu Denkmustern der Bußbücher
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
2,7
Autor
Jahr
2018
Seiten
13
Katalognummer
V492591
ISBN (eBook)
9783668991415
ISBN (Buch)
9783668991422
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Hohenlied, Hohelied, Mittelalter, Salomo, Naturvergleiche, Erotik
Arbeit zitieren
Vanessa Schlurmann (Autor:in), 2018, Ausdruck von Erotik im Hohelied im Kontrast zu Denkmustern der Bußbücher, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492591

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