Meta-Life Cycle Assessment in der Textilindustrie. Umweltauswirkungen und Empfehlungen für eine umweltschonende Produktion


Livre Spécialisé, 2019

202 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Motivation und Zielsetzung der Arbeit

2 Grundlagen des Life Cycle Assessments (LCA)
2.1 Funktion und Definition des LCA
2.2 Festlegung von Ziel und Untersuchungsrahmen
2.3 Sachbilanzierung (LCI)
2.4 Wirkungsabschätzung (LCIA)
2.5 Auswertung

3 Wertschöpfungsstufen der industriellen Fertigung von Kleidung
3.1 Produktion von textilem Garn
3.2 Produktion textiler Flächen
3.3 Veredelung textiler Flächen
3.4 Konfektionierung von Kleidungsstücken

4 Qualitative Literaturanalyse von LCA-Studien zu Umweltauswirkungen entlang der industriellen Fertigung von Kleidung
4.1 Methodik
4.2 Ergebnisse der qualitativen Literaturanalyse
4.3 Diskussion und Implikationen
4.4 Limitationen

5 Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Komponenten einer Ökobilanz (LCA) nach ISO EN 14040:

Abbildung 2: Vereinfachte Darstellung des Systemfließbildes eines Produktsystems

Abbildung 3: Rahmen der Wirkungskategorien für die Charakterisierungsmodellierung auf Midpoint- und Enpointebene

Abbildung 4: Anteil der verwendeten Faserarten in der EU 2015 gekaufter Kleidung

Abbildung 5: Anzahl der Studien zu definierten Untersuchungskategorien

Abbildung 6: Häufigkeit von Wirkungsindikatoren mit hoher Ausprägung in der Garnproduktion

Abbildung 7: Häufigkeit von Wirkungsindikatoren mit hoher Ausprägung in der textilen Flächenproduktion

Abbildung 8: Produktionsphasen als Hotspots nach Anzahl untersuchter Studien

Abbildung 9: Häufigkeit von Umweltwirkungsindikatoren: Färbung, Druck und Bleichung

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zeitliche Verteilung der analysierten Publikationen

Tabelle 2: Literaturübersicht mit Abdeckungsgrad der Untersuchungskategorien und Einordnung in Effekthierarchie

Tabelle 3: Hotspots entlang der Garnproduktion

Tabelle 4: Hotspots entlang der Produktion textiler Flächen

Tabelle 5: Hotspots entlang der textilen Veredelung

Tabelle 6: Hotspots entlang der textilen Konfektionierung

Tabelle 7: Hotspots in der Lieferkette der textilen Produktion

Tabelle 8: Übersicht der Ergebnisse zu Technologien und Ansätzen zur Reduzierung produktionsbedingter Umweltauswirkungen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Motivation und Zielsetzung der Arbeit

Die weltweiten Exporte in der Bekleidungsindustrie sind wertmäßig in den letzten zehn Jahren um 29,2 % gestiegen (vgl. World Trade Organization 2018). Eine stetig wachsende Weltbevölkerung sowie verbesserte Verhältnisse des Pro-Kopf-Einkommens in aufstrebenden Schwellenländern wie den BRICS-Staaten stellen bedeutsame Treiber für diese Entwicklung dar (vgl. Manda et al. 2015, S. 47). Einen verstärkenden Faktor bildet der fast fashion trend, wodurch am Markt bestehende Modelinien auf einem möglichst niedrigem Preisniveau in immer kürzeren Zeitintervallen durch neue Trendmodelinien ersetzt werden. Dies führt insgesamt zu einem verkürzten Produktlebenszyklus und somit zu einer stetig steigenden Nachfrage an neuer Kleidung und infolgedessen zu steigenden Produktionsvolumina (vgl. Fletcher 2014 S. 189ff.; Roos et al. 2015, S. 5). Der Preisdruck zieht sich folglich durch die gesamte Wertschöpfungskette, was die Verlagerung der Produktion in Niedriglohnländer des asiatischen Raums und die Fertigung mit möglichst kostengünstiger Produktionstechnologie zur Folge hat (vgl. McNeill/ Moore 2015, S. 213). So stellt derzeit China wertmäßig mit Abstand den größten Importeur von Kleidung für den europäischen Markt (EU-28) dar, gefolgt von Bangladesch und der Türkei (vgl. EURATEX 2018, S. 2). Neben negativen sozialen Auswirkungen wie unfairer Entlohnung und mangelhaftem Arbeitsschutz entstehen durch die Textilindustrie, verstärkt durch den fast fashion trend, zudem signifikante negative Einflüsse auf die Umwelt, beispielsweise durch hohe Treibhausgasemissionen, Ressourcenverbräuche sowie Abwasseremissionen (vgl. Baydar et al. 2015, S. 213; Choudhury 2014, S. 1ff.; Fletcher 2014, S. 189ff.).

Mithilfe der Ökobilanzierung, methodisch gleichbedeutend mit der englischsprachigen Terminologie Life Cycle Assessment (LCA), ist eine wissenschaftlich detaillierte Erfassung, Analyse und anschließende Auswertung aller entlang des Produktlebenszyklus von Kleidung entstehenden Umwelteinflüsse und damit verbundenen potenziellen ökologischen Auswirkungen möglich (vgl. Klöpffer/ Grahl 2009, S. 1f.). So kann beispielsweise auf Basis verschiedener LCA-Studien, welche den gesamten Produktlebenszyklus von Kleidung untersuchen, die Nutzungsphase aufgrund der Wasch- und Trockenzyklen als ein Bereich im Lebenszyklus von Kleidung mit besonders hohen potenziellen Umweltauswirkungen bezeichnet werden (vgl. Baydar et al. 2015; Busi et al. 2016; Hicks/ Theis 2017; Manda et al. 2015; Walser et al. 2011).

Doch auch entlang der gesamten Produktion von Kleidung entstehen signifikante Einflüsse auf die Umwelt, beispielsweise in Form eines erhöhten Energie­verbrauchs in der Garnproduktion oder durch einen hohen Wasserverbrauch und Emissionen kritischer Chemikalien während der Färbung (vgl. Allwood et al. 2008, S. 1245; vgl. Parisi et al. 2015, S. 514). Aufgrund des hohen Ressourcenverbrauchs und der umweltschädigenden Emissionen rückt die Thematik einer nachhaltigeren textilen Produktion zunehmend in den Fokus von Regierungen, Kunden und Lieferanten sowie der Wissenschaft (vgl. Zhang et al. 2015, S. 994). In der Forschung existiert hierzu bereits eine Vielzahl an Studien, welche die Produktion von Kleidung entlang der Produktionsstufen Rohstoffherstellung, Faserproduktion, Produktion textiler Flächen, Vorbehandlung, Färbung, Veredelung und Konfektionierung im Rahmen eines LCA auf Umwelteinflüsse und damit verbundene potenzielle Umweltauswirkungen untersuchen, Hotspots identifizieren und daraus Handlungsempfehlungen für eine umweltverträglichere Produktion ableiten (vgl. Piontek/ Müller 2018, S. 759ff.).

Die Vergleichbarkeit der Studienergebnisse wird jedoch häufig aufgrund von diversen funktionellen Einheiten als Referenzgröße, unterschiedlich getroffenen Annahmen, bedingt durch Datenlücken und der verwendeten LCA-Methode sowie durch die unterschiedliche Auswahl der Umweltwirkungskategorien erschwert (vgl. Piontek/ Müller 2018, S. 760). Die Art und das Ausmaß der Umweltwirkungen hängen zudem signifikant von der verwendeten Technologie und der geografischen Lage der Produktionsstätten des untersuchten Produktsystems ab (vgl. Nieminen et al. 2007, S. 1261; Zhang et al. 2015, S. 995). Gerade neuen Technologien wird hierbei enormes Potenzial hinsichtlich einer effektiven Reduzierung von negativen Umwelteinflüssen vorausgesagt, was sich in der Empfehlung der European Cooperation in Science and Technology (COST 628) für die Entwicklung neuer umweltverträglicherer Technologien auf Basis von LCA-Forschung widerspiegelt (vgl. Agnhage et al. 2017, S. 1221). Die Vielzahl an Untersuchungen, methodischen Herangehensweisen sowie Ergebnissen führt zu der Notwendigkeit, diese in einem einheitlichen Rahmen zusammenzubringen und die Umweltauswirkungen der Produktion innerhalb der Textilindustrie daraus abzuleiten.

Ziel dieser Arbeit ist, die in der Literatur vorhandenen LCA-Studien zur Herstellung von Kleidungsstücken qualitativ auf Hotspots zu untersuchen und kritisch zu reflektieren. Dabei soll eine Literaturübersicht hinsichtlich der als wesentlich zu beurteilenden potenziellen Umweltauswirkungen und Verbesserungspotenziale geschaffen werden. Der Untersuchungsrahmen erstreckt sich von der Faserproduktion über die Produktion textiler Flächen, Vorbehandlung, Färbung, Veredelung bis zur Konfektionierung der Kleidung. Transporte zwischen den Produktionsphasen werden ebenfalls berücksichtigt. Mittels dieser qualitativen Analyse sollen somit folgende Forschungsfragen beantwortet werden:

Welche potenziellen Umweltauswirkungen entstehen durch die industrielle Fertigung von Bekleidung? Welches sind die größten potenziellen Umweltauswirkungen in den einzelnen Produktionsphasen sowie in der Gesamtproduktion? Welche spezifischen Hotspots in der Produktion können dafür verantwortlich gemacht werden?

Im Zuge dessen soll auch auf technologische Unterschiede im Herstellungsprozess und regionale Unterschiede eingegangen werden, welche das Maß der Umweltauswirkungen beeinflussen. Als wesentlichen Anknüpfungspunkt für Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeit sollen zudem Einsparpotenziale identifiziert werden.

Hierzu wird zunächst in Kapitel 2 der Begriff des Life Cycle Assessments (LCA) definiert. Insbesondere gilt es dabei den Zweck und den methodisch grundlegenden Aufbau einer LCA-Studie aufzuzeigen, wodurch Elemente des LCA identifiziert werden sollen, welche die Qualität der Ergebnisse eines LCA grundlegend beeinflussen. Um ein Verständnis für die einzelnen Produktionsabschnitte und Subprozesse der Kleidungsproduktion als Grundlage für die folgende qualitative Analyse zu schaffen, werden diese in Kapitel 3 vorgestellt. Anschließend folgt in Kapitel 4 eine qualitative Literaturanalyse relevanter LCA-Studien, welche die Ergebnisse innerhalb des festgelegten Untersuchungsrahmen hinsichtlich der definierten Fragestellungen analysiert. Zunächst wird hierzu das methodische Vorgehen beschrieben. Die Ergebnisse der qualitativen Analyse und kritischen Reflexion relevanter Studien hinsichtlich der Umweltauswirkungen, technologischer Unterschiede, Forschungslücken und Verbesserungsmöglichkeiten werden darauffolgend auf Ebene der definierten Produktionsabschnitte dargestellt. Weiterhin werden Hotspots in der Fertigung, welche eine besonders hohe potenzielle Umweltauswirkung erzeugen, aufgezeigt. Anschließend werden die Ergebnisse diskutiert, Implikationen für Forschung und Produzenten abgeleitet sowie identifizierte Forschungslücken und Limitationen aufgezeigt. Kapitel 5 schließt die Arbeit mit einem Fazit ab.

2 Grundlagen des Life Cycle Assessments (LCA)

Der methodische Aufbau des LCA lässt sich gliedern Festlegung von Ziel und Untersuchungsrahmen, Sachbilanz (LCI), Wirkungsabschätzung (LCIA) und Auswertung. Die einzelnen Phasen werden nachfolgend erläutert.

2.1 Funktion und Definition des LCA

Das Life Cycle Assessment (LCA), im deutschen Sprachgebrauch als Ökobilanzierung bezeichnet, stellt eine Methode zur ganzheitlichen Analyse potenzieller Umweltwirkungen dar, welche die Erfassung und Bewertung sämtlicher entlang des Lebenszyklus eines Produktsystems (von der Rohstoffgewinnung bis zum Recycling) einfließender Inputs und austretender Outputs umfasst (vgl. DIN EN ISO 14044:2006 2006, S. 1; Klöpffer/ Grahl 2014, S. 1). Als Produktsystem wird hierbei die Gesamtheit aller relevanten Prozessmodule mit ihren Elementar- und Produktflüssen bezeichnet. Diese modellieren den Lebensweg eines Produktes und erfüllen mehrere festgelegte Funktionen (vgl. Klöpffer/ Grahl 2009, S. 12). Prozessmodule stellen dabei die kleinsten Bestandteile in der Sachbilanz einer LCA-Studie dar, für die „[…] Input- und Outputdaten quantifiziert werden“ (DIN EN ISO 14040:2006 2006, S. 5, eigene Übersetzung). Somit wird nicht lediglich ein Gut oder eine Dienstleistung auf Umweltwirkungen untersucht, sondern ein System, welches sämtliche Prozesse, Inputs und Outputs entlang des gesamten Lebenszyklus beinhaltet, um die Funktion eines Guts bzw. einer Dienstleistung zu erfüllen (Bjørn et al. 2018, S. 12).

Das LCA fokussiert sich ausschließlich auf die ökologischen Aspekte eines Produktsystems, wonach soziale und ökonomische Aspekte nicht analysiert werden (vgl. Klöpffer/ Grahl 2014, S. 2). Neben der Identifizierung und Quantifizierung von potenziellen ökologischen Umweltauswirkungen erfüllt das LCA zudem eine wesentliche Aufgabe im Kontext der Identifizierung potenzieller ökologischer Verbesserungsmöglichkeiten entlang des Lebenszyklus eines bestehenden Produktsystems sowie im Rahmen der Entwicklung neuer, nachhaltigerer Produkte (vgl. Jolliet et al. 2016, S. 7). Letzterer Prozess erfordert jedoch zwingend die Einbeziehung, Analyse und Bewertung sowohl sozialer als auch ökonomischer Faktoren (vgl. Klöpffer/ Grahl 2014, S. 2). Einen weiteren essenziellen Zweck des LCA bildet die Möglichkeit des direkten Vergleichs von Produkten, einzelner Prozesse, Systeme oder bestimmter Produktlebenszyklusphasen anhand ihrer potenziellen Umweltwirkungen, wodurch wiederum Schwachstellen an Produkten und Prozessen in Form erhöhter negativer Umweltwirkungen festgestellt und Verbesserungspotenziale aufgezeigt werden können (vgl. Bjørn et al. 2018, S. 13; Jolliet et al. 2016, S. 7). Die Anwendungsbereiche und Gründe für die Durchführung eines LCA sind vielfältig. So wird es beispielsweise auch dazu verwendet, umweltbelastende Hotspots entlang des Lebenszyklus eines Produktsystems zu identifizieren und Handlungsempfehlungen abzuleiten (vgl. Weidema 1998, S. 238), Entscheidungsträger aus Industrie, Politik und NGOs mit Informationen zu versorgen sowie als Grundlage für Marketingmaßnahmen, beispielsweise in Form von Umweltproduktdeklarationen, zu dienen (vgl. DIN EN ISO 14040:2006 2006, S. 8ff.).

Der Rahmen eines LCA setzt sich aus der Festlegung des Zieles und des Untersuchungsrahmens zusammen, gefolgt von der Zusammenstellung einer Sachbilanz (LCI), einer Wirkungsabschätzung (LCIA) auf Basis der Sachbilanzergebnisse sowie der Auswertung der Ergebnisse (siehe Abbildung 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Komponenten einer Ökobilanz (LCA) nach ISO EN 14040:2006

(Quelle: in Anlehnung an Klöpffer/ Grahl 2009, S. 12).

Zwar bauen die einzelnen Phasen des LCA aufeinander auf, jedoch stehen diese, wie in Abbildung 1 durch Pfeilverbindungen dargestellt, in einer wechselseitigen Beziehung zueinander. Hierdurch wird eine iterative Vorgehensweise verfolgt, die es ermöglicht, Änderungen innerhalb einer bestimmten Phase in allen vor- und nachgelagerten Phasen zu erfassen und zu berücksichtigen und somit die Konsistenz und Vollständigkeit einer Studie zu gewährleisten. Insbesondere den Untersuchungsrahmen gilt es bei relevanten Änderungen in den verschiedenen Phasen anzupassen, um der Zieldefinition zu entsprechen (vgl. DIN EN ISO 14040:2006 2006, S. 7ff.).

Damit ein direkter Vergleich der Ergebnisse verschiedener LCA-Studien möglich ist, sollten sich sowohl die getroffenen Annahmen als auch der Kontext der zu vergleichenden Studien decken. Zudem schreibt die DIN EN ISO Norm 14044 vor, dass die funktionelle Einheit, die Wahl der Systemgrenze, die Datenqualität, Regelungen zur Bewertung von In- und Outputs und deren Auswirkungen sowie Allokationsmaßnahmen identisch sein müssen (vgl. DIN EN ISO 14044:2006 2006, S. 11). Folglich können nur Systeme miteinander verglichen werden, die einen vergleichbaren Nutzen aufweisen (vgl. Klöpffer/ Grahl 2014, S. 4). Ein wichtiger Grund, weshalb das LCA per Definition die Umweltwirkungen entlang des gesamten Lebenszyklus oder mehrerer Lebenszyklusphasen eines Produktes erfasst und bewertet, anstatt nur eine Lebenszyklusphase zu betrachten, ist die Vermeidung des Risikos der Verlagerung von Umweltwirkungen. Dies kann beispielsweise durch Maßnahmen zur Verringerung von negativen Umweltwirkungen in einem Lebensabschnitt oder Prozess erfolgen, was jedoch zur Erhöhung der Umweltwirkungen in einem anderen Lebensabschnitt oder Prozess führen kann. Aus diesem Grund werden auch mehrere Umweltwirkungskategorien betrachtet, um zu vermeiden, dass Maßnahmen lediglich die Art negativer Umwelteffekte verändern, diese jedoch nicht gänzlich verringern (vgl. Hauschild et al. 2018, S. 12f.). Nachfolgend werden die einzelnen Phasen einer LCA-Studie beschrieben und deren Elemente jeweils erläutert.

2.2 Festlegung von Ziel und Untersuchungsrahmen

Die Definition des Ziels bildet die elementare Grundlage eines LCA, da auf dessen Basis der Untersuchungsrahmen erstellt wird, welcher wiederum den Raum für Sachbilanz und Wirkungsabschätzung vorgibt. Damit eine möglichst richtungssichere und korrekte Auswertung der Studienergebnisse gewährleistet wird, sollte das Ziel bereits zu Beginn so exakt wie möglich formuliert werden (vgl. EC-JRC 2010a, S. 9). Durch das formulierte Ziel werden somit die Genauigkeit und die Tiefe einer Studie festgelegt (vgl. Klöpffer/ Grahl 2014, S. 27). Insbesondere die Qualität der Studie wird anhand der Anforderungen, welche sich aus dem Ziel ergeben, geprüft. Gemäß der ISO-Norm 14044 muss die Zielformulierung beschreiben, was untersucht wird (Anwendungsbereich), die Gründe für die Durchführung darlegen (Erkenntnisinteresse), spezifizieren, für wen sie durchgeführt wird (Zielgruppe(n)), sowie Angaben enthalten, ob die Ergebnisse der Studie für vergleichende Aussagen herangezogen und veröffentlicht werden sollen (vgl. DIN EN ISO 14044:2006 2006, S. 7). Hinsichtlich des mit einer LCA-Studie verfolgten Zwecks sind hierbei zwei Arten des LCA inhaltlich und methodisch zu unterscheiden: Attributional LCA und Consequentional LCA (vgl. Curran 2016, S. 8). Das Attributional LCA erfasst und modelliert sämtliche Prozesse innerhalb eines Produktsystems sowie Energie- und Stoffflüsse, welche die Prozesse miteinander verbinden. Dabei werden alle durch das Produktsystem entlang des gesamten Lebenszyklus verursachten potenziellen Umweltwirkungen aufgezeigt. Das Consequential LCA hingegen identifiziert und untersucht die Konsequenzen getroffener Entscheidungen, indem die betroffenen Prozesse analysiert werden, welche durch Ursache-Wirkungs-Beziehungen miteinander verbunden sind (vgl. EC-JRC 2010a, S. 71f.). Hierbei gilt es zu beachten, dass für beide LCA-Arten entweder ein retrospektiver (Analyse auf Basis von Vergangenheitswerten) oder ein prospektiver (Analyse auf Basis von Zukunftswerten) Ansatz gewählt werden kann (vgl. Curran et al. 2005 S. 856).

Ist das Ziel präzise formuliert, ist der Untersuchungsrahmen festzulegen, indem ein zu untersuchendes Produktsystem eindeutig und vollständig mit allen seinen Funktionen beschrieben wird. Durch die Bildung einer funktionellen Einheit werden die Funktionen eines Produktsystems in Form von Leistungsmerkmalen quantifiziert, worauf Inputs und Outputs referenziert werden können. Dies bildet zugleich eine der Grundvoraussetzungen, um Ergebnisse verschiedener LCA-Studien vergleichen zu können (vgl. DIN EN ISO 14044:2006 2006, S. 8). Baydar et al. (2005, S. 214) definieren in ihrer Vergleichsstudie zu verschiedenen T-Shirt Produktionen beispielsweise die funktionelle Einheit: 1000 Stück Baumwoll-T-Shirts, gestrickt und gefärbt mit einem Gesamtgewicht von 200 kg, mit einer Lebensdauer von 50 Waschgängen bei 60 Grad Waschtemperatur. Sämtliche Inputs und Outputs entlang des untersuchten Produktsystems stehen somit quantitativ in direktem Verhältnis zur Erfüllung der funktionellen Einheit (vgl. Baydar et al. 2015, S. 214). Die Outputs von Prozessen innerhalb des Produktsystems, welche zur Erfüllung der Funktion, die durch die funktionelle Einheit definiert wird, notwendig sind, werden auch als Referenzflüsse bezeichnet (vgl. DIN EN ISO 14040:2006 2006, S. 5). Welche Lebenszyklusphasen, Prozessmodule sowie In- und Outputs im Untersuchungsrahmen liegen, wird durch die Wahl der Systemgrenzen bestimmt, was sich letztlich auch auf den Detailgrad einer LCA-Studie auswirkt. Hierbei muss stets sichergestellt sein, dass die Systemgrenzen im Einklang mit dem Ziel und dem festgelegten Untersuchungsrahmen stehen und die Ein- und Ausschlusskriterien zur Wahl der Systemgrenzen hinreichend erklärt werden (vgl. DIN EN ISO 14044:2006 2006, S. 8). Dies kann in Form eines Systemfließbildes dargestellt werden, welches sämtliche Prozessmodule und deren Wechselbeziehungen, die für die Erfüllung der Funktionen des Systems verantwortlich sind, beinhaltet (vgl. DIN EN ISO 14040:2006 2006, S. 5). Abbildung 2 zeigt exemplarisch das Systemfließbild des Produktsystems eines Baumwoll-T-Shirts, welches sämtliche Prozessmodule entlang des gesamten Lebenszyklus von der Rohstoffgewinnung über die Produktion und Verwendung bis zur Entsorgung abbildet. Zudem werden Elementarflüsse (Wasser, Energie) und Produktflüsse (Materialien), welche als Inputs in das Produktsystem einfließen, sowie Emissionen, die das Produktsystem verlassen, erfasst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Vereinfachte Darstellung des Systemfließbildes eines Produktsystems

(Quelle: in Anlehnung an Zhang et al. 2015, S. 996).

Die Systemgrenzen können weiterhin zwischen Vordergrund- und Hintergrundsystem unterschieden werden. Ersteres umfasst dabei hauptsächlich Prozesse, für welche spezifische Primärdaten existieren, die direkt durch den Betreiber eines Produktsystems beeinflusst werden können. Dies kann beispielsweise der Energieverbrauch in einer Produktionsanlage vor Ort sein. Das Hintergrundsystem beinhaltet hingegen Prozesse, für welche Sekundärdaten auf Basis von beispielsweise branchenspezifischen oder länderbezogenen Datenbanken verwendet werden, auf welche kein direkter Einfluss genommen werden kann. Dies kann beispielsweise der vorgelagerte Energieerzeugungsprozess sein. Somit stellt diese Definition eine entscheidende Basis für die Bestimmung der erforderlichen Datenqualität dar, welche zur Zielerreichung notwendig ist. Hierbei gilt es auch, gegebenenfalls erforderliche Annahmen zu bestehenden Datenlücken zu treffen, welche über sämtliche LCA-Phasen konsistent gelten müssen (vgl. EC-JRC 2010a, S. 97ff.). Die Wahl der Datenquellen bildet folglich die Grundvoraussetzung für die Durchführung der Sachbilanzierung. Weiterhin bestimmen zu definierende Abschneideregeln zum Beispiel, ab welchem quantitativen Ergebnis marginale Daten in die Systemgrenze inkludiert werden, um einen einheitlichen Detailgrad zu gewährleisten. Der iterative Ansatz des LCA ermöglicht dabei die spätere Anpassung der Abschneideregeln auf Basis der gemessenen potenziellen Umweltwirkungen (vgl. Bjørn et al. 2018 S. 103).

2.3 Sachbilanzierung (LCI)

In der Sachbilanz (LCI) als zentralem Bestandteil eines LCA werden sämtliche auftretende In- und Outputs eines Produktsystems entlang seines Lebensweges zusammengestellt und quantifiziert (vgl. DIN EN ISO 14040:2006 2006, S. 2). Als Input werden dabei alle Produkte in Form von Vorprodukten oder Zwischenprodukten aus vorgeschalteten Prozessmodulen (innerhalb des Produktsystems) sowie Materialien in Gestalt von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen, Energieträger (z. B. thermische oder elektrische Energie) und Inputs wie beispielsweise Wasser (außerhalb des Produktsystems) bezeichnet, welche in ein Prozessmodul einfließen. Analog dazu bilden Materialien und Produkte (inklusive Zwischenprodukte für nachgelagerte Prozessmodule, die das Produktsystem nicht verlassen), Abfall, Emissionen in Luft, Wasser und Boden sowie Abwärme, Abluft und Abwasser die Outputs, welche ein Prozessmodul verlassen. Durch das LCI können somit alle durch ein Produktsystem verursachten Umwelteinflüsse ermittelt werden. Das LCI folgt dabei den Gesetzen zur Erhaltung von Masse, wonach die Summe der Masse aller Inputs gleich der Summe der Masse aller Outputs eines jeden Prozessmoduls innerhalb des entsprechenden Produktsystems sein soll (vgl. Klöpffer/ Grahl 2014, S. 63ff.). Als Datenbasis für das LCI dienen je nach Verfügbarkeit standortspezifische, exakte Primärdaten (z. B. Farbstoffeinsatz) oder generische Sekundärdaten, welche vorgelagerte Elementarflüsse quantifizieren (z. B. Elementarflüsse zur Bereitstellung des benötigten Farbstoffes) und in Form von LCA-Datenbanken zur Verfügung stehen. Je nach Anforderung an die Datenqualität der Studie und vorhandener Datenlage gilt es, hieraus die beste Lösung im Sinne der Zielerreichung zu wählen. Auf dieser Datenbasis aufbauend können anschließend im Rahmen einer Wirkungsabschätzung die potenziellen Umweltauswirkungen, welche durch die Umwelteinflüsse des Produktsystems verursacht werden, ermittelt und quantifiziert werden (vgl. ebd. S. 127ff.).

2.4 Wirkungsabschätzung (LCIA)

Das LCI quantifiziert sämtliche In- und Outputs eines Produktsystems, woraus jedoch noch keine wissenschaftlich fundierte Aussage zu potenziellen Umweltauswirkungen getroffen werden kann. An diesem Punkt setzt die Wirkungsabschätzung (LCIA) an, indem wesentliche Umwelteinflüsse und daraus resultierende potenzielle Umweltauswirkungen, welche mit dem untersuchten Produktsystem korrelieren, auf Basis des LCI-Ergebnisses erfasst und quantifiziert werden. Das LCIA ermittelt im Gegensatz zu tatsächlichen Effekten potenzielle Effekte, was auf den geringen oder meist nicht vorhandenen zeitlichen und örtlichen Bezug der LCI-Daten zurückzuführen ist und somit eine Zuordnung der Wirkungen zu diesen Parametern nicht möglich macht. Weiterhin stellt die potenzielle Umweltauswirkung einen relativen Aussagewert dar, welcher sich auf eine weitestgehend frei wählbare funktionelle Einheit bezieht (vgl. Klöpffer/ Grahl 2014, S. 181ff.). Zunächst sind hierzu Umweltwirkungskategorien mit entsprechenden Wirkungsindikatoren und Charakterisierungsfaktoren, welche dem Ziel und Zweck der Studie entsprechen und bereits in der ersten Phase ausgewählt werden, auf Relevanz und Eignung für das Produktsystem zu überprüfen und die Wahl ist zu begründen (vgl. DIN EN ISO 14044:2006 2006, S. 17). Die Ermittlung des LCI orientiert sich hierbei an den im Vorfeld gewählten Umweltwirkungskategorien, woraus bereits potenziell relevante Inputs und Outputs identifiziert werden können. Bei Abweichungen nach finaler Auswahl muss das LCI oder die Wahl der Umweltwirkungskategorien gegebenenfalls angepasst werden. Eine Umweltwirkungskategorie repräsentiert wichtige Umweltthemen (z. B. Klimaänderung), welchen im Rahmen der Klassifizierung quantitative LCI-Ergebnisse (z. B. Treibhausgasemissionen, CO2, CH4 etc.) zugeordnet werden. Je nach Art gewählter Umweltwirkungskategorien können LCI-Ergebnisse auch mehrfach verschiedenen Kategorien zugeordnet werden. Hierbei kann zwischen inputbezogenen und outputbezogenen Umweltwirkungskategorien unterschieden werden. Erstere quantifizieren die potenziellen Auswirkungen durch die Entnahme von Ressourcen aus der Ökosphäre und zielen auf die Erhaltung natürlicher Ressourcen ab. Letztere hingegen quantifizieren und gewichten die mit den Emissionen eines Produktsystems verbundenen potenziellen Beeinträchtigungen auf das Ökosystem und die menschliche Gesundheit (vgl. Klöpffer/ Grahl 2014, S. 181ff.).

Damit für eine Umweltwirkungskategorie ein quantifizierbares Ergebnis in Form eines einheitlichen, aus relevanten LCI-Ergebnissen aggregierten Wertes ermittelt werden kann, welcher das Umweltwirkungspotenzial der funktionellen Einheit widerspiegelt, bedarf es eines passenden Charakterisierungsfaktors sowie Wirkungsindikators. Charakterisierungsfaktoren werden anhand von Charakterisierungsmodellen abgeleitet und dienen der Überführung einer Umweltwirkungskategorie zugewiesener LCI-Ergebnisse in die Einheit der Umweltwirkungskategorie. Hierbei gilt es, sofern möglich und von Bedeutung, sowohl zeitliche als auch räumliche Faktoren wie beispielsweise die unterschiedliche Persistenz von Substanzen in der Umwelt zu berücksichtigen (vgl. DIN EN ISO 14044:2006 2006, S. 17ff.).

Beispielsweise stellt für die Umweltwirkungskategorie Klimaänderung die Verstärkung der Infrarotstrahlung als Primäreffekt, bezogen auf eine Referenzsubstanz, den Wirkungsindikator dar. Auf Basis des Strahlungseinsatzes von einem Kilogramm CO2 als Referenzsubstanz werden unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Verweildauer von Treibhausgasen durch Einbezug eines einheitlichen Zeithorizonts Charakterisierungsfaktoren für sämtliche Treibhausgase gebildet, wodurch deren Emissionen in Kilogramm CO2-äquivalente Werte umgerechnet werden. In diesem Fall handelt es sich um den Charakterisierungsfaktor GWP, der einen Zeithorizont von 100 Jahren umfasst (GWP100). Als Ergebnis lässt sich ein kumulierter Gesamtwert, der sogenannte Wirkungsindikatorwert, als GWP100 Jahre in Kilogramm CO2-Äquivalenten pro funktioneller Einheit (kg CO2-eg/ fu) ermitteln, welcher die potenzielle Verstärkung der Infrarotstrahlung (Primäreffekt) im beschriebenen Zeithorizont angibt, die sich mittelfristig durch eine Erhöhung der mittleren Temperatur der Troposphäre und langfristig in den Folgen des Klimawandels, beispielsweise durch die Verschiebung von Klimazonen, äußern kann. Aus dieser Effekthierarchie lassen sich verschiedene Wirkungsendpunkte (Midpoints und Endpoints) ablesen, welche stets für sämtliche Wirkungskategorien festzulegen sind. Midpointbezogene Umweltwirkungskategorien klassifizieren LCI-Daten emissionsnah nach dem Vorsorgeprinzip und quantifizieren potenzielle Primär- und Sekundäreffekte, was aufgrund von Objektivität relativ weniger Annahmen bedarf und geringe Unsicherheiten aufweist. Schadenbasierte Umweltwirkungskategorien (Endpoint-Bezug) orientieren sich hingegen an realen Auswirkungen, wonach gemäß Verursacherprinzip durch Berechnung von existenten Konzentrationen und entsprechender Auswirkungen eine Bewertung des Produktsystems auf Basis tatsächlicher Wirkungen erfolgt. Zwar erscheinen Schadenskategorien zunächst greifbarer, dennoch ist hierbei auf die Notwendigkeit subjektiver Annahmen und die Problematik einer unvollständigen Datenlage hinzuweisen, was die Ergebnisqualität beeinträchtigen kann (vgl. Klöpffer/ Grahl 2014, S. 206ff.). Abbildung 3 zeigt eine Übersicht des Charakterisierungsmodells des ILCD Handbooks, wonach sämtliche midpointbezogenen Umweltwirkungskategorien, auf welche die Elementarflüsse des LCI referenzieren, sowie die endpointbezogenen Schadenskategorien (Schutzbereiche) und Referenzen auf die Umweltwirkungskategorien dargestellt sind (vgl. EC-JRC, 2010b S. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Rahmen der Wirkungskategorien für die Charakterisierungsmodellierung auf Midpoint- und Enpointebene

(Quelle: in Anlehnung an EC-JRC 2010b, S. 3).

In der Forschung existieren verschiedene LCIA-Methoden, welche eine Auswahl von rein midpointbezogenen (z. B. CML 2001, ILCD 2011+) oder rein endpointbezogene Umweltwirkungskategorien (z. B. Ecoindicator99) abdecken. Weiterhin gibt es LCI-Methoden, welche die gesamte Effekthierarchie bis hin zum Wirkungsendpunkt abbilden (z. B. ReCiPe 2008, IMPACT2002+). Allen gleich werden zudem bereits passende Charakterisierungsmodelle (z. B. IPCC 2007 für die Midpoint-Kategorie Klimaänderung) und abgeleitete Charakterisierungsfaktoren bereitgestellt. Zwar sind diese Methoden bereits in gängige LCA-Modellierungssoftware (z. B. GaBi oder SimaPro) integriert, dennoch ist stets im Vorfeld die Anwendbarkeit der einzelnen Charakterisierungsmodelle insbesondere hinsichtlich des Umweltwirkungsmechanismus, des zeitlichen Bezugsrahmens und der geografischen Gültigkeit durch Abgleich mit Produktsystem, Ziel und Untersuchungsrahmen zu prüfen (vgl. ILCD Handbook LCIA Background Analysis 2010, S. 1ff.). Weiterführende Ansätze im Rahmen der Wirkungsabschätzung, welche auf Basis ermittelter Wirkungsindikatorwerte auf die Erzeugung einer relativen Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Umweltwirkungskategorien und einzelnen Bereichen eines Produktsystems (z. B. Normalisierung) abzielen, werden im Rahmen der Auswertung in Kapitel 2.5 näher erläutert.

2.5 Auswertung

Ziel der Auswertungsphase sind das Treffen von Schlussfolgerungen auf Basis der Ergebnisse von LCI und LCIA sowie das Ableiten von Handlungsempfehlungen. Zunächst sind hierbei signifikante Parameter beispielsweise in Form einer relativen Beitragsanalyse von Emissionswerten aus dem LCI oder Wirkungsindikatorwerten aus dem LCIA als Gesamtergebnis zu identifizieren und zu beurteilen (vgl. Klöpffer/ Grahl 2014, S. 355ff.). Je nach Ziel und Zweck der Beurteilung können unter anderem einfache, normalisierte und gruppierte Ergebnisse dargestellt werden. Die Normalisierung der Wirkungsindikatoren gilt hierbei als Mittel zur Herstellung einer ersten annäherungsweisen Vergleichbarkeit der Bedeutung ihrer Wirkung zueinander. Dabei werden die absoluten Werte eines Wirkungsindikators des Produktsystems pro funktioneller Einheit oder eines Bereichs in das Verhältnis zur Gesamtwirkung des gewählten geografischen Bezugsraumes (z. B. eines Landes) gesetzt. Dies geschieht durch Division des Indikatorwertes (z. B. GWP kg CO2-eq/ fu) durch den Gesamtwert des Landes GWP kg CO2-eq. Voraussetzung hierfür ist jedoch die Verfügbarkeit von Äquivalenzwerten desselben geografischen Bezugsraumes für zu vergleichende Wirkungsindikatoren. Einige LCIA-Methoden (z. B. CML 2001) stellen diese Referenzgrößen bereits zur Verfügung. Ein weiteres nützliches Mittel zur Analyse von Ergebnissen und Identifikation signifikanter Ergebnisse stellt die Rangbildung oder Dominanzanalyse dar, wonach Phasen innerhalb eines Produktsystems hinsichtlich ihrer relativen Ergebnisanteile gruppiert werden und somit Hotspots identifiziert werden können (vgl. ebd. 192ff.). Damit valide Schlussfolgerungen und zielgerichtete Handlungsempfehlungen ausgegeben werden können, bedarf es im Rahmen der Ergebnisbeurteilung einer gründlichen Prüfung auf Vollständigkeit der Informationen auf Konsistenz durch Abgleich getroffener Annahmen und gewählter Methoden. Insbesondere dann, wenn generische Daten aus Datenbanken oder Schätzwerte aufgrund fehlender oder unvollständiger Daten verwendet werden, gilt es, das Ergebnis durch eine Sensitivitätsanalyse auf Plausibilität der verwendeten Daten zu prüfen, indem die entsprechenden Parameterwerte verändert und die Ergebnisse mit dem Basisszenario verglichen werden. Hierdurch kann auch festgestellt werden, ob Daten irrelevant für das Endergebnis sind und folglich nicht berücksichtigt werden müssen. Die Auswertung nimmt aufgrund des iterativen Charakters des LCAs eine zentrale Schnittstelle ein, was sich darin zeigt, dass die Ergebnisse sowohl aus dem LCI als auch aus dem LCIA im Rahmen der Auswertung stets geprüft, mit dem Ziel und Untersuchungsrahmen abgeglichen und gegebenenfalls angepasst werden, bevor aus der Auswertung valide Handlungsempfehlungen hervorgehen können (Hauschild et al. 2018, S. 323ff.).

Schließlich erfolgt die Berichterstattung als wesentlicher Bestandteil des LCA, welcher sowohl Ergebnisauswertung und Handlungsempfehlungen als auch sämtliche methodischen Schritte des durchgeführten LCA beschreibt und insbesondere Annahmen und Datenqualität ausreichend dokumentiert, sodass eine eindeutige Lesbarkeit für die entsprechende Zielgruppe gewährleistet ist. Eine wichtige abschließende Maßnahme zur Erhöhung der allgemeinen Glaubwürdigkeit und Verbesserung der wissenschaftlichen und technischen Qualität eines LCA ist die kritische Prüfung. Hierbei werden unter anderem sowohl die wissenschaftliche Begründung und Gültigkeit angewandter Methoden als auch die Zielkonformität der Auswertung und Transparenz des Berichts von unabhängigen Dritten überprüft. Dieser Prozess kann bereits parallel zur Durchführung der Studie ablaufen, wodurch Entscheidungsträger in den einzelnen Phasen des LCA unterstützt werden können (vgl. Curran 2016, S. 10ff.).

3 Wertschöpfungsstufen der industriellen Fertigung von Kleidung

Ziel dieser Arbeit ist, durch eine qualitative Analyse relevanter LCA-Studien die größten potenziellen Umweltwirkungen, welche in den einzelnen Phasen der Produktion von Kleidung entstehen, zu identifizieren sowie Hotspots und Verbesserungspotenziale aufzuzeigen. Der Untersuchungsrahmen erstreckt sich hierbei über die Produktionsphasen von der Herstellung des Textilgarns und der Textilfläche über Veredelungsprozesse bis hin zur Konfektionierung des Kleidungsstücks, weshalb diese für ein besseres Verständnis im Folgenden erläutert werden sollen.

Abbildung 4 zeigt den Anteil der in den Kleidungsstücken verwendeten Faserarten in der Europäischen Union (EU) gekaufter Kleidung. Hieraus geht deutlich hervor, dass Baumwolle mit Abstand das größte Verarbeitungsvolumen in der Textilproduktion für den EU-Markt aufweist, gefolgt von Polyester als synthetisches Fasermaterial. Weiterhin ist zu erkennen, dass synthetische Faserarten zusammengefasst mit 45 % weniger als die Hälfte des Produktionsvolumens für den EU-Markt ausmachen (vgl. Beton et al. 2014, S. 28, Gray 2017, S. 17).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Anteil der verwendeten Faserarten in der EU 2015 gekaufter Kleidung

(Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Gray 2017, S. 17).

Die pflanzliche Naturfaser Baumwolle stellt den in der industriellen Kleidungsproduktion am häufigsten verwendeten natürlichen Rohstoff dar (vgl. Paul 2008, S. 3) und wird in den meisten LCA-Studien als weiterverarbeitetes Endprodukt analysiert (siehe Kapitel 4.1), weshalb der Fokus in den folgenden Erläuterungen der Produktionsschritte neben dem chemischen Faserstoff Polyester auf Baumwolle als natürlichem Rohstoff liegt.

3.1 Produktion von textilem Garn

Die Faser- und Garnproduktion stellt den ersten Produktionsschritt im zu betrachtenden Produktionsgesamtprozess dar. Naturfasern und Chemiefasern bilden hierbei zwei Grundarten textiler Fasern. Naturfasern werden gemäß ihrer Herkunft in pflanzliche (z. B. Baumwolle, Leinen etc.), tierische (z. B. Seide, Schafwolle etc.) und mineralische (z. B. Asbest) Fasern unterschieden. Chemiefasern lassen sich weiterhin in natürliche Polymere (z. B. zellulosische Fasern wie Viskose und Modal), synthetische Polymere (z. B. Polyester, Elasthan etc.) und anorganische Polymere unterteilen.

Der Spinnprozess von Garn ist grundsätzlich in Primärspinnerei und Sekundärspinnerei zu differenzieren. Während bei der Primärspinnerei chemische Filamente (Endlosfasern) in beliebiger Länge produziert und direkt zu Filamentgarn versponnen werden können, ist es bei der Sekundärspinnerei notwendig, zunächst natürliche Stapelfasern (Fasern begrenzter Länge) zu gewinnen, zu Faserbändern zu verbinden und für die Weiterverspinnung zu Spinngarn vorzubereiten (vgl. Verband der Chemischen Industrie e. V. 2007, S. 26).

Der Herstellungsprozess von Baumwollgarn, ausgehend vom Rohstoff Baumwolle in Form gepresster Baumwollballen, teilt sich in zwei Hauptprozesse auf: die Spinnvorbereitung und die Garnspinnerei. Die Spinnvorbereitung stellt den Prozess von der Verarbeitung der angelieferten Baumwollballen, der Auflösung und Reinigung sowie der Verarbeitung zu einem gleichmäßigen parallel ausgerichteten Streckenband dar. Als gebräuchlichstes Spinnverfahren ist hierbei die Ringspinnerei zu nennen. Das Streckenband wird zunächst im Flyer zur sogenannten Flyerlunte verzogen, bevor es in der Spinnstelle durch Rotation zu Garn gesponnen und auf eine Spule aufgewickelt wird. Hierbei sei darauf hingewiesen, dass neben Naturfasern auch auf Stapellänge geschnittene Chemiefasern den dargestellten Spinnprozess durchlaufen (vgl. Gries et al. 2014, S. 94ff.).

Chemiefasern mit beliebig herstellbarer Faserlänge werden in anderen speziellen Extrusionspinnverfahren hergestellt und anschließend zu Garn versponnen, welche nachfolgend erläutert werden. Für die Produktion synthetischer Polymerfasern, insbesondere für Polyester, wird das Polymer in Form von Granulat oder Chips zunächst durch Erhitzen in einer Spinnschmelze verflüssigt. Anschließend wird das Polymer in flüssigem Aggregatzustand durch eine Spinndüse gepumpt (vgl. ebd. S. 52f.). Kleine Bohrungen in der Spinndüse ermöglichen hierbei das Spinnen und die gewünschte Strukturierung der Polymerfaser. Die Faser beginnt sich beim Verlassen der Spinndüse durch Erkalten zu verfestigen. Während dieses Vorgangs werden die Moleküle durch Streckung längs der Faser ausgerichtet und somit die gewünschte Festigkeit und Elastizität erreicht. Thermoplastische Polymere (z. B. Polyester) besitzen nach Erkalten die ursprünglichen chemischen Eigenschaften und müssen folglich während des Faserspinnprozesses nicht durch Hinzugabe von Lösungsmitteln chemisch verändert werden. Dieses Verfahren wird als Schmelzspinnverfahren bezeichnet. Polymere, welche wie beispielsweise Polyacryl oder Viskose keine thermoplastischen Eigenschaften besitzen, müssen zunächst mit Lösungsmitteln versetzt oder chemisch verändert werden, um eine verflüssigte Spinnmasse zu erhalten. Wird die verflüssigte Spinnmasse, beispielsweise Viskose, anschließend in eine Lösung hineingesponnen (Fällbad), welche die Fasern festigt, wird dies als Nassspinnverfahren bezeichnet (vgl. Lawrence 2014, 216ff., Maute-Daul 1995, S. 36f.).

Verdampfen hingegen der Spinnmasse zugesetzte Lösungsmittel bereits bei der Verfestigung der Faser durch Warmluftzufuhr, spricht man vom Trockenspinnverfahren. Im Idealfall wird das gasförmige Lösungsmittel zur Wiederverwendung zurückgewonnen. Am Ende des Faserspinnprozesses bildet das aufgewickelte Filament, eine einzelne Faser beliebiger Länge, das Zwischenprodukt. Anschließend werden die einzelnen Fasern parallel aneinandergereiht, nochmals verstreckt und durch Verdrehung zu Garn gesponnen. In diesem Spinnprozess können auch verschiedenartige Faserarten, beispielsweise Baumwolle und Polyester, miteinander zu Garn versponnen werden (vgl. Verband der Chemischen Industrie e. V. 2007, S. 24ff.).

3.2 Produktion textiler Flächen

In der Textilindustrie werden fünf Fertigungsarten textiler Flächen unterschieden: das Gewebe, die Maschenware, das Geflecht, der Vlies und das Gelege. Da das Gelege nicht für die Bekleidungsindustrie verwendet wird, sondern als Verbundwerkstoff dient (vgl. Gries et al. 2014, S. 239f.) und sowohl Vlies als auch Geflechte als Bekleidungsmaterial in den für diese Analyse untersuchten LCA-Studien nicht enthalten sind, werden diese Materialien in den folgenden Erläuterungen nicht weiter berücksichtigt. Ein Gewebe entsteht durch die senkrechte Verkreuzung zweier Fadensysteme, den in Produktionsrichtung verlaufenden Kettfäden (Kette) und den Schussfaden (Schuss), welcher mit den Kettfäden durch Über- und Untereinanderlegen verwoben wird. Der Weberei von Ketten und Schuss zu Textilgewebe ist die sogenannte Webevorbereitung vorgeschaltet. Kettgarne sind besonders hohen mechanischen Belastungen ausgesetzt, weshalb diese zu festen Zwirnen zusammengedreht werden. Durch die Behandlung mit Schlichtemitteln werden abstehende Garnfasern verklebt und die Kettgarne verfestigt und geglättet, um deren Widerstandsfähigkeit gegenüber mechanischen Belastungen wie Reibungen des Schussfadens oder Zugkräfte der Webemaschine zu erhöhen. Hierbei wird zwischen fünf Verfahren unterschieden: Heißschmelzschlichten, Kaltschlichten, Trockenschlichten, Nassschlichten und Kettwachsen. (vgl. Gries et al. 2014, S. 139ff.; Zhang et al. 2018, S. 1355ff.). Es kann grundsätzlich zwischen synthetischen und biologischen Schlichtemitteln differenziert werden. Die synthetischen Schlichtemittel Polyvinylalkohol (PVA) und Polyacrylate (PAC) weisen sehr gute Schlichteeigenschaften auf, sind leicht wasserlöslich, jedoch schlecht biologisch abbaubar. Eine gebräuchliche Form der Schlichte bilden zudem die modifizierten natürlichen Stärken Stärkecarbamat, Hydroxypropylstärken und Carboxymethylstärke, welche im Abwasser hingegen biologisch gut abbaubar sind (vgl. Lerch 2000, S. 9ff.). Zum Schutz der Umwelt und aus wirtschaftlichen Gründen hat sich aufgrund der ökologisch kritischen Eigenschaften synthetischer Schlichtemittel die Ultrafiltration als effektives produktionsintegriertes Verfahren zur Filtration und Wiederverwendung synthetischer Schlichtemittel aus dem Waschwasser und anschließenden Waschwasserwiederaufbereitung etabliert (vgl. Heidemeier/ Mehlhorn 1997, S. 407; Gries et al. 2014, S. 147).

In der maschinellen Produktion von Gestricken und Gewirken ist das Garn durch den Kontakt mit Stricknadeln ebenfalls mechanischen Belastungen ausgesetzt. Deshalb werden Spinnöle in Form von Paraffinen und emulgierten Weißölen zur Reduzierung des Reibungswiderstands durch Glättung der Garnoberfläche eingesetzt, welche im Rahmen der Vorbehandlung wieder herausgewaschen werden (vgl. Verband der Chemischen Industrie e. V. 2007, S. 29). Gestricke und Gewirke unterscheiden sich von Gewebe grundlegend durch die Anordnung der Fäden, wonach miteinander verbundene Fadenmaschen, welche senkrecht übereinander sowie waagerecht nebeneinander angeordnet sind, das textile Flächengebilde erzeugen. Während beim Stricken eine Nadel einzeln bewegt und lediglich ein Faden zugeführt wird, geschieht die Nadelbewegung beim Wirken gleichzeitig mit einem oder mehreren Kettfäden (Spencer 2001, S. 16f.).

3.3 Veredelung textiler Flächen

Die textile Veredelung kann grundsätzlich in die drei Hauptprozesse Vorbehandlung, Farbgebung und Ausrüstung unterteilt werden, welche sich jeweils nach Materialart, funktionellen Eigenschaften, Griff und Aussehen des Endprodukts unterscheiden. Im Zuge der Vorbehandlung werden beispielsweise Verunreinigungen aus vorgelagerten mechanischen Prozessen durch Bürst- oder Klopfanlagen entfernt (vgl. Gries et al. 2014, S. 253ff.). Weiterhin werden durch eine Wärmebehandlung in einer Lösung aus Waschmittel und Benetzungsmittel Verunreinigungen herausgelöst. Zudem gilt es, Schlichtemittel aus der Webephase durch Entschlichtung herauszuwaschen, was mit einem hohen Wasserverbrauch und Abwasserbelastungen verbunden ist, wobei sich das Verfahren je nach eingesetzter Schlichte unterscheidet (vgl. Shamey/ Hussein 2005, S. 15ff.). Naturfasern (Baumwolle, Flachs etc.) werden zur Reinigung und gleichzeitigen Entschlichtung abgekocht und Verunreinigungen werden durch alkalische Lösungen herausgelöst, wodurch gleichzeitig eine verbesserte hydrophile Eigenschaft der Fasern erreicht wird. Weiterhin werden Naturfasern gebleicht, um eine reinweiße Faserfärbung sowohl für weiße Kleidung als auch für nachfolgende Färbeprozesse zu erreichen. Hierbei werden hauptsächlich oxidative Verfahren (z. B. Sauerstoffbleichung), beispielsweise durch Behandlung mit Wasserstoffperoxid, angewandt (vgl. Gries et al. 2014, S. 257ff.). Einen weiteren Schritt zur Erhöhung der Aufnahmefähigkeit, insbesondere von Farblösungen im Färbeprozess sowie zur Steigerung der Zugfestigkeit und des Glanzes, stellt die Mercerisierung dar, wodurch Baumwollfasern durch Natronlauge aufquellen, ihre Oberfläche vergrößern und glätten und den Hohlraum im Faserinnern verkleinern (vgl. Shamey/ Hussein 2005, S. 22f.). Weiterhin kann die Oberfläche durch Sengen und Scheren geglättet werden, damit die Farbaufnahme verbessert wird. Um nachfolgende Behandlungen mit Flüssigkeiten zu erleichtern, wird durch Benetzung mit einer Netzlösung die allgemeine Aufnahmefähigkeit von Fasern erhöht. Zur Neutralisierung vorherrschender Gewebespannungen dient die Fixierung auf einem gewünschten Spannungsniveau des Materials durch Erhitzung und Abkühlung. Wasch-, Spül- und Trocknungsprozesse werden je nach Prozessablauf zur Beseitigung von betriebsbedingten Rückständen mehrmals einzelnen Veredelungsverfahren zwischengeschaltet (vgl. Gries et al. 2014, S. 254ff.).

Färbeverfahren können unter anderem in Stückfärbung (Färbung von Gestricken und Geweben), Garnfärbung sowie Schmelzspinnfärbung (aus eingefärbtem Polymerrohstoff gesponnenes Filament) unterschieden werden. Je nach Affinität der Farbe zum Material und chemischem Aufbaus des Materials kommen dabei verschiedene Farbstoffe zum Einsatz, damit eine möglichst hohe Farbechtheit erreicht werden kann. Im Rahmen der Färbung wird der Farbstoff in der Färbeflotte solange vom Material aufgenommen, bis zwischen Flotte und Material ein Gleichgewicht besteht. Während hierzu für Baumwollfasern Reaktiv- und Küpenfarbstoffe als geläufige Färbemittel eingesetzt werden, kommen für Polyesterfasern beispielsweise Dispersionsfarbstoffe zum Einsatz. Hierbei stellt neben der richtigen Wahl des Farbstoffs das korrekte Flottenverhältnis einen wichtigen Parameter für ein gutes Färbeergebnis und einen effizienten Prozess dar. Weiterhin ist der Prozess mit einem hohen Verbrauch von Wasser, Heizenergie, Farbstoff und Färbehilfsstoffen verbunden, weshalb die Effizienz des Färbeprozesses einen besonderen Stellenwert einnimmt. Im Gegensatz zur Färbung wird beim Druck ein örtlich eingegrenzter Bereich eingefärbt, wobei der Farbstoff in Form einer Paste aufgetragen wird. Je nach Ergebnis wird hierbei zwischen einer Vielzahl unterschiedlicher Drucktechniken unterschieden. Im Anschluss an die Farbgebung kommt es zur Ausrüstung durch Behandlung der textilen Fläche zur Erzeugung der entsprechenden Eigenschaften des gewünschten Endprodukts. So werden beispielsweise ein Knitterschutz durch chemische Behandlung mit Kunstharzen oder ein schöner Warenfall und -griff durch Paraffine oder Seifen erreicht. Weiterhin kann beispielsweise unter Druck- und Hitzeeinwirkung durch Kalandern eine verdichtete und besonders glatte Oberfläche geschaffen werden (vgl. Gries et al. 2014, S. 266ff.).

3.4 Konfektionierung von Kleidungsstücken

Unter Konfektionierung wird im Kontext der Bekleidungsindustrie die Weiterverarbeitung von Textilflächen zum Endprodukt verstanden, welche sowohl die Prozesse des Teilens der Textilflächen als auch die des Fügens und Formgebens des Endprodukts beinhaltet. Im Vergleich zu den automatisierten Spinn-, Webe-, Strick- und Veredelungsverfahren stellt die Konfektionierung noch einen weitestgehend manuellen Prozess dar. Durch das Teilen wird ein Schnittbild erstellt und anschließend werden Kleidungselemente aus den Textilflächen herausgeschnitten. Um den Materialausschuss und damit sowohl wirtschaftliche als auch ökologische Folgen zu minimieren, kommt es hierbei auf eine möglichst effiziente Schnittbildausrichtung an. Anschließend wird der Zuschnitt entweder mit sich selbst oder mit anderen Textilelementen durch Nähen, Kleben und Fixieren sowie durch Schweißen verbunden. Einen weiteren elementaren Prozess der Konfektionierung stellt die Formgebung dar. Hierbei wird unter Einsatz von Dampf, Zug und Druck sowohl fertigen Erzeugnissen als auch Produktelementen zur besseren Weiterverarbeitung die gewünschte Form gegeben. Als gängigstes Verfahren der Formgebung stellt sich das Bügelverfahren heraus, wodurch eine glättende, formhaltende sowie formschaffende Wirkung erzielt werden kann (vgl. Gries et al. 2014, S. 281ff.).

4 Qualitative Literaturanalyse von LCA-Studien zu Umweltauswirkungen entlang der industriellen Fertigung von Kleidung

Im Rahmen der qualitativen Literaturanalyse von LCA-Studien zu potenziellen Umweltauswirkungen entlang der industriellen Fertigung von Bekleidungstextilien wird zunächst die Methodik (Kapitel 4.1) erläutert. Hierbei wird insbesondere auf das gewählte Untersuchungsdesign sowie das Vorgehen bei der Literaturauswahl eingegangen. Darauf aufbauend werden die Ergebnisse der Analyse für die verschiedenen Produktionsstufen, Transporte und Innovationsansätze präsentiert (Kapitel 4.2). Anschließend folgt eine Diskussion der Ergebnisse, die Ableitung von Implikationen (Kapitel 4.3) sowie Anmerkungen zu möglichen Limitationen der Analyse (Kapitel 4.4).

4.1 Methodik

Während in den vorangegangenen Kapiteln der theoretische Rahmen gespannt wurde, gilt es nachfolgend das methodische Vorgehen für den empirischen Teil der Arbeit zu erläutern. Hierzu wird zunächst das Untersuchungsdesign dargelegt, indem Ablauf und Anwendung der qualitativen Literaturanalyse in Form der inhaltlichen Strukturierung beschrieben werden (Kapitel 4.1.1). Anschließend wird das systematische Vorgehen der Literaturauswahl präsentiert, welche die Grundlage der anschließenden Analyse bildet (Kapitel 4.1.2).

4.1.1 Untersuchungsdesign

Das methodische Vorgehen dieser Arbeit liegt in Anlehnung an Mayring (2003) in der qualitativ strukturierenden Inhaltsanalyse zur Identifikation potenzieller Umweltauswirkungen, Hotspots und Verbesserungspotenziale der industriellen Produktion von Kleidung. Nach Mayring (2010, S. 12f.) erfüllt die qualitative Inhaltsanalyse den Zweck einer systematischen, regelgeleiteten sowie methodisch basierten Auswertung, wodurch Rückschlüsse auf definierte Aspekte gezogen werden können.

In Anlehnung an Mayring (2003, S. 53) folgt die qualitative Inhaltsanalyse einem inhaltsanalytischen Ablaufmodell. Hierzu gilt es zunächst im Rahmen der systematischen Literaturrecherche eine Literaturauswahl zu erstellen, welche im Endergebnis die Grundlage der Analyse darstellt, jedoch iterativ während der Analyse angepasst oder ergänzt werden kann (siehe Kapitel 4.1.2). Weiterhin ist die Auswahl der Analysemethode entscheidend. So werden im Rahmen der strukturierenden Inhaltsanalyse, als spezielle Form der qualitativen Inhaltsanalyse, bestimmte thematische Aspekte aus der Literatur extrahiert und im Vorfeld nach festgelegten Kriterien ein Gesamtbild der ausgewählten Literatur geschaffen (vgl. Mayring 2003, S. 58). Im Zuge der Strukturierung gilt es im Hinblick auf die Beantwortung der Forschungsfrage Kategorien mit einer möglichst klaren Trennschärfe zu definieren, welche den textlichen Inhalt der Studien einteilen, für die Analyse aufbereiten und zugleich den Untersuchungsrahmen der Analyse widerspiegeln (vgl. Mayring 2003, S. 83).

Die Literaturanalyse im Rahmen dieser Arbeit gliedert sich hierzu in die einzelnen Produktionsstufen Garnherstellung, Herstellung textiler Flächengebilde, textile Veredelung, Konfektionierung von Bekleidung sowie Transporte und innovative Ansätze, welche in Anlehnung an Mayring (2003, S. 83) die Kategorien bilden. Im Sinne der Beantwortung der Forschungsfragen gilt es hierbei die Literaturauswahl jeweils auf wesentliche Ergebnisse im Sinne hoher potenzieller Umweltauswirkungen, Hotspots in Produktion und Transport sowie auf signifikante Einsparpotenziale zur Reduzierung der Umweltbelastung durch innovative Technologien oder Produktionsansätze zu überprüfen, welche zugleich das Anforderungsmerkmal zur Berücksichtigung von Studienergebnissen in den Kategorien darstellen. Die Auswahl als wesentlich geltender Ergebnisse erfolgt dabei jeweils studienspezifisch und basiert auf qualitativen Aussagen der Autoren, was in der Interpretation der Ergebnisse zu berücksichtigen ist. Die Strukturierung dieser Analyse erfolgt nach Mayring (2003, S.90) folglich typisierend, wonach die Analyse auf die Recherche und Beschreibung extremer Ausprägungen ausgerichtet ist. Sogenannte Kodierregeln gewährleisten zudem eine eindeutige und einheitliche Zuordnung zu den Kategorien (vgl. Mayring 2003, S. 83). Deckt eine Studie eine oder mehrere Kategorien ab, so wird sie themenspezifisch in den entsprechenden Kapiteln der Analyse aufgeführt. Beziehen sich Studien lediglich auf die gesamte Produktion, welche keine Aufteilung der Ergebnisse zulässt, wird diese in Kapitel 4.2.1 im Rahmen der deskriptiven Analyse mitaufgeführt. Als weiteren Sonderfall können Studien auch mehrere Phasen zusammenfassen und ein Ergebnis darstellen, ohne dass eine Trennung möglich ist. Hierbei werden die Studien in den jeweiligen Phasen aufgeführt und entsprechend kenntlich gemacht.

Neben der Darstellung der Literaturauswahl in Kapitel 4.1.2 erfolgt in den Kapiteln 4.2.1 bis 4.2.4 eine quantitative Darstellung wesentlicher gleichartiger Ergebnisse in Form von kumulierten Häufigkeiten in Anlehnung an Mayring (2000, S. 2ff.), welche die Relevanz bestimmter Produktionsphasen oder Umweltwirkungskategorien innerhalb der Produktionsphasen veranschaulichen sollen. Weiterhin werden entlang der untersuchten Kategorien zur Schaffung einer Übersicht identifizierte Hotspots mit korrelierenden Wirkungsindikatoren, betreffendem Material und Autoren tabellarisch aufgeführt.

4.1.2 Literaturauswahl

Im Rahmen einer Literaturrecherche und -auswahl nach Fink (2014) wird zunächst auf die Datenbasis der Literatursuche des Literature Reviews von Piontek und Müller (2018) zurückgegriffen, welche eine umfassende Sammlung vorhandener potenziell relevanter LCA-Studien bietet. Die von Piontek und Müller (2018) als relevant betrachteten Studien decken dabei sowohl Teile als auch den ganzen Produktlebenszyklus von Bekleidungstextilien ab. Die Autoren durchsuchten hierfür zunächst die Datenbanken Science Direct, Web of Science und Springer Link durch die Verwendung der Bezeichnung „Life Cycle Assessment“ in diversen Kombinationen, auch in Verbindung mit den Begriffen „Cloth“, „Garment“, „Textile“ und „Apparel“, auf relevante Studien. Im Zuge dessen konnten 3622 Studien gefunden werden, welche weiterhin inhaltlich auf definierte Ein- und Ausschlusskriterien analysiert wurden. Sämtliche Studien, die mindestens zu einer Wirkungskategorie quantitative Daten oder Analysen bereitstellen, sowie LCA-Studien oder Metastudien, welche LCI-Daten oder LCIAs anderer Studien zitieren, wurden als relevant berücksichtigt. Studien, welche LCA in einem anderen Kontext verwenden, beispielsweise zur Unterstützung der Produktentwicklung, wurden nicht einbezogen. Hierbei konnten insgesamt 71 Studien identifiziert werden, welche zwischen 1995 und 2017 publiziert wurden und den von Piontek und Müller (2018) festgelegten Kriterien entsprechen (vgl. Piontek/ Müller 2018, S. 759).

Diese Studien dienen der vorliegenden Arbeit als Literatursammlung für eine weitere Selektierung und inhaltliche Analyse der Untersuchungen hinsichtlich der Relevanz für die in dieser Arbeit formulierte Forschungsfrage. Den von Piontek und Müller (2018) definierten Ein- und Ausschlusskriterien (vgl. Piontek/ Müller 2018, S. 759) werden hierzu gemäß den Forschungsfragen (siehe Kapitel 1.1) weiterhin folgende Einschlusskriterien hinzugefügt. Berücksichtigt werden sämtliche Studien, welche mindestens eine der im Untersuchungsrahmen dieser Arbeit liegenden Produktionsstufen zur Herstellung von Bekleidung oder innovative Ansätze in der Produktion zur Reduzierung der Umweltauswirkungen untersuchen sowie quantitative Daten zu mindestens einer Umweltwirkungskategorie erheben oder analysieren. Weiterhin müssen die betreffenden Produktionsphasen Teil des Vordergrundsystems sein. Studien, welche diese Bedingung nicht erfüllen und lediglich die Lebenszyklusphasen Rohstoffgewinnung, Verwendung und Entsorgung/ Recycling betrachten, werden nicht berücksichtigt. Nach der inhaltlichen Überprüfung der 71 Studien von Piontek und Müller auf deren Relevanz hinsichtlich der festgelegten Kriterien verbleiben 23 Studien. Zudem werden zusätzlich elf Studien analog zur Systematik von Piontek und Müller (2018) und Fink (2014) unter Berücksichtigung der hinzugekommenen Auswahlkriterien identifiziert und in die Analyse einbezogen. Neben den somit in Summe 33 wissenschaftlichen und unabhängigen Studien wird zudem eine Studie von Modeherstellern in die Analyse mit einbezogen.

4.2 Ergebnisse der qualitativen Literaturanalyse

Die Ergebnisse dieser Analyse sollen im Folgenden dargestellt werden. Hierbei werden zunächst die deskriptive Analyse der Literaturauswahl präsentiert (Kapitel 4.2.1) und anschließend die Ergebnisse aus der qualitativen Inhaltsanalyse in den einzelnen Kategorien (Produktionsphasen, Transporte sowie innovative Technologien und Ansätze zur Reduzierung produktionsbedingter Umweltauswirkungen) dargelegt (Kapitel 4.2.2 bis 4.2.7).

4.2.1 Deskriptive Analyse der Literaturrecherche

Zur besseren Veranschaulichung der Datengrundlage sollen im Folgenden einige deskriptive Erkenntnisse zu den im Rahmen der Untersuchung 34 identifizierten Forschungsbeiträgen dargelegt werden. Hierbei wird zum einen auf die zeitliche Verteilung der Publikationen eingegangen, zum anderen wird die Einordnung der Studien in die Untersuchungskategorien dargestellt.

Tabelle 1 zeigt die zeitliche Verteilung der untersuchten Publikationen, welche sich besonders auf das Jahr 2015 konzentrieren, ansonsten aber in den vergangen Jahren recht konstant veröffentlicht worden sind. Für das Jahr 2019 können einschließlich bis zum Monat April hingegen keine relevanten Studien identifiziert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Zeitliche Verteilung der analysierten Publikationen

(Quelle: eigene Darstellung).

[...]

Fin de l'extrait de 202 pages

Résumé des informations

Titre
Meta-Life Cycle Assessment in der Textilindustrie. Umweltauswirkungen und Empfehlungen für eine umweltschonende Produktion
Auteur
Année
2019
Pages
202
N° de catalogue
V492911
ISBN (ebook)
9783960956723
ISBN (Livre)
9783960956730
Langue
allemand
Mots clés
Life Cycle Assessment, LCA, Meta-Life Cycle Assessment, Meta-LCA, potenzielle Umweltauswirkungen, Textilindustrie, industrielle Kleidungsproduktion, Umweltwirkungskategorien, Umweltwirkungsindikator, Hotspot, Literaturübersicht, qualitative LCA-Analyse, Textilfertigung, Garnspinnprozess, Webprozess, textile Flächenproduktion, Farbgebung, Färberei, textile Farbgebung, textile Färberei, Konfektionierung, Veredelung, textile Veredelung, Wirkungsabschätzung, LCIA, LCI, Sachbilanz, Erderwärmung, fast fashion, Ökobilanz, Umweltverschmutzung
Citation du texte
Stephan Panzner (Auteur), 2019, Meta-Life Cycle Assessment in der Textilindustrie. Umweltauswirkungen und Empfehlungen für eine umweltschonende Produktion, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/492911

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