Die Entwicklung des modernen Buddhismus in Sri Lanka


Tesis (Bachelor), 2014

59 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

I. Einführung
1. Einleitung
2. Geschichte der Forschung

II. Geschichte
3. Der Buddhismus in Sri Lanka
4. Die Kolonialherrschaft
1. Kolonialgeschichte
2. Die politischen Veränderungen während der Kolonialzeit
3. Die wirtschaftlichen Veränderungen während der Kolonialzeit
4. Die sozialen Veränderungen während der Kolonialzeit
5. Die pädagogischen Veränderungen während der Kolonialzeit
6. Die strukturell-religiöser Veränderungen während der Kolonialzeit

III. Religiöse Begegnung
5. Die christliche Mission
1. Schulbildung
2. Druckerzeugnisse
3. Spracherwerb & Übersetzungsarbeiten
4. Predigten
6. Die buddhistische Widerstandsbewegung
1. Druckerzeugnisse
2. Öffentliche Debatten
3. Laientätigkeiten

IV. Äußere Einflüsse
7. Europäisches Interesse am Buddhismus
8. Theosophische Gesellschaft

V. Die buddhistische Erneuerungsbewegung
9. Anagārika Dhamapāla
1. Maha Bodhi Society
2. World Parliament of Religions
3. Nationalismus & Singhalesische Identität
4. Neuinterpretation des Buddhismus
5. Wirkung Dhamapālas

VI. Schlussbetrachtungen
10. Interpretation der buddhistischen Erneuerungsbewegung
1. Moderner & traditioneller Buddhismus
2. Protestantischer Buddhismus
11. Zusammenfassung

VII. Quellenverzeichnis
12. Literaturverzeichnis
13. Netzquellen

I. Einführung

1. Einleitung

Die vorliegende Ausarbeitung befasst sich mit den Transformationsprozessen des Buddhismus in Sri Lanka während der Kolonialzeit, die uneinheitlich unter den Begriffen »protestantischer Buddhismus«, »buddhistischer Modernismus« oder »moderner Buddhismus« subsummiert und verstanden werden.

Hierbei handelt es sich um verschiedene, ineinandergreifende und teils einander bedingende, elementare Veränderungen und Entwicklungsprozesse, die sich auf die singhalesische Gesellschaft und den singhalesischen Theravāda-Buddhismus nachhaltig auswirkten. Innerhalb des Buddhismus kam es als Reaktion auf die Kolonialherrschaft und christlicher Interventionen zu einer buddhistischen Widerstandsbewegung, die durch verschiedene Einflüsse zu einer buddhistischen Erneuerungsbewegung wurde, die den Buddhismus neu interpretierte. In ihrem Ergebnis wirkte sich diese Erneuerungsbewegung nachhaltig auf das heutige populäre Verständnis des Buddhismus als rationale Philosophie, die psychologische und naturwissenschaftliche Ideen umschließt, aus.

Ziel dieser Ausarbeitung ist es, diese Transformationsprozessen in ihrer Entstehung, ihrer Entwicklungsprozesse und in ihren Folgen darzustellen und zu klären inwiefern diese Transformationsprozesse interpretiert und die oben genannten begriffliche Konzepte darauf angewendet werden können.

Hierzu werden in Kap. 2 die begrifflichen Grundlagen und das Gegenstandsfeld skizziert und in Kap. 3 die wichtigen und für das Verständnis dieser Ausarbeitung notwendigen Ereignisse der Entwicklung des Theravāda-Buddhismus in Sri Lanka umrissen, während in Kap. 4 die elementaren und gesamtgesellschaftlichen Wandlungsprozesse der Kolonialzeit beschrieben werden. Kap. 5 und Kap. 6 befassen sich mit der religiösen Auseinandersetzung zwischen Christen und Buddhisten, durch die die buddhistische Widerstandsbewegung entstand und die sich durch äußere Einflüsse westlicher Philosophen und der Theosophischen Gesellschaft, Kap. 7 und 8, sowie durch das Engagement Anagārika Dhamapālas, Kap. 9, letztendlich in eine buddhistische Erneuerungsbewegung umwandelte. Diese Entwicklungsprozesse werden abschließend in Kap. 10 und Kap. 11 interpretiert, überprüft und zusammengefasst.

2. Geschichte der Forschung

Die Transformationsprozesse des Buddhismus in Sri Lanka rückten erstmals während der 1960er Jahre in den Fokus der Forschung, als man sich intensiv mit der Aufarbeitung der Kolonialzeit der kurz zuvor unabhängig gewordenen Staaten Asiens, wie bspw. Indien, Pakistan und Sri Lanka, zu beschäftigen begann. Hierbei standen insbesondere die Interdependenzen von Religion und Politik, als auch die gesamtgesellschaftlichen und -politischen Prozesse und Entwicklungen der Kolonialzeit in ihrer Wirkung auf die spätere Bildung nationaler Identitäten und Nationalstaaten im Mittelpunkt der Forschung1.

Konstitutiv im Forschungsbereich der buddhistischen Transformationsprozesse war das dreibändige Werk BECHERTs B uddhismus, Staat und Gesellschaft in den Ländern des Theravāda Buddhismus (1966). In seiner Forschung bezeichnete BECHERT diese Transformationsprozesse mit dem von ihm eingeführten Begriff des buddhistischen Modernismus. Hierbei orientierte er sich an der von COPLESTON 1892, in erstaunlicher Klarheit und die Ergebnisse der modernen Forschung schon vorwegnehmenden, getroffenen Unterscheidung des lebendigen singhalesischen Buddhismus in einen traditionellen Buddhismus und eine buddhistische Erneuerungsbewegung, die eine rationale Interpretation des Buddhismus anbot2. Obgleich nicht immer eine klare Trennung zwischen diesen beiden Formen des singhalesischen Buddhismus möglich sei, charakterisiere den buddhistischen Modernismus die Betonung eines rationalen, philosophischen, entmythologisierten und damit 'wissenschaftlichen' Charakter des Buddhismus, der aktives Engagement im sozialen, politischen und religiösen Bereich fordere3. In seinem Ergebnis bewirkte dieser buddhistische Modernismus nach BECHERT

»eine Neubelebung des Buddhismus […]. Er hat nicht nur einen erheblichen Beitrag zur Entwicklung des Nationalismus und zum Unabhängigkeitskampf der südasiatischen Länder geleistet, sondern darüber hinaus das Selbstbewusstsein der Buddhisten wiederhergestellt und sogar Ansätze zu einem über die Grenzen der Nationen hinausgehenden 'allbuddhistischen' Bewusstsein hervorgebracht«4.

BECHERTs konstitutive Ausarbeitungen und Ergebnisse wurden in den 1970er Jahren, in den Werken englischer Autoren wie OBEYESEKER, MALALGODA und GOMBRICH aufgegriffen und erst dadurch der internationalen Buddhismus- und Sri Lanka Forschung zugänglich gemacht5.

Im englischen Sprachgebrauch war OBEYESEKER einer der ersten, der sich auf die Forschung BECHERTs bezog. Seinerseits führte OBEYESEKER den Begriff Protestant Buddhism ein, da er zwischen der christlichen und buddhistischen Erneuerungsbewegung erhebliche Parallelen sah.

Zusammen mit GOMBRICH erarbeitete er in Buddhism Transformed (1988) eine komplexe und ausführliche Definition dieser protestantische Erneuerungsbewegung, die 1) vor allem als Protest gegen die koloniale und christliche Herrschaft, aber auch in Teilen gegen das traditionelle Gesellschaftssystem gerichtet war. Die religiöse Hierarchie des traditionellen Buddhismus, mit ihrer Unterteilung in Mönche und Laienanhänger, untergrub, indem sie 2) buddhistisches Handeln und religiöse Ausübung in den Bereich individueller Verantwortung verschob und damit zum einen religiöse Egalität in der Ausübung, zum anderen 3) Egalität in Bezug auf das soteriologische Ziel des Buddhismus schuf. 4) Gegen das traditionelle Verständnis des Buddhismus gerichtet war und den Buddhismus als rationale Philosophie interpretierte, dabei aber 5) von westlichen Konzepten und Begriffen nachhaltig beeinflusst und 6) mit der Entwicklung einer neu aufkeimenden Mittelschicht verbunden war. Sowie 7) die Wichtigkeit der (Schul-)Bildung für die Verbreitung und Propagierung dieser Form des Buddhismus erkannte6.

Ein weiteres erwähnenswertes Werk ist die Untersuchung MALALGODAs B uddhism in Sinhalese Society 1750-1900 (1976), in der er vor allem die frühen Anfänge der buddhistischen Erneuerungsbewegung unter dem Begriff Buddhist Revival untersucht, deren spätere Entwicklung er unter OBEYESEKERs Begriff des Protestant Buddhism fässt und dieser Definition im Großteil zustimmt, dabei jedoch ganz bewusst die veränderte Interpretation des Buddhismus als rationale Philosophie außen vor lässt7.

Die Forschungen und Definitionen der hier angeführten Autoren und ihre Werke gelten als maßgeblich innerhalb der Forschung und finden deshalb in fast jeder Untersuchung über die buddhistischen Transformationsprozesse Erwähnung8. Dabei werden in den Definitionen die Transformationsprozesse sowohl auf die innere als auch die äußere Gestalt des Buddhismus bezogen, also sowohl Veränderungen in der Interpretation und Lehre, als auch Veränderungen in sozialer Organisation und religiöser Ausübung festgestellt. Zusammengefasst charakterisieren die verschiedenen Positionen die Transformationsprozesse als eine substanzielle Neuorientierung im Buddhismus, die geprägt ist 1) vom Aufkommen buddhistischer Laienaktivität und -verantwortung, einhergehend mit dem Verlust der klösterlichen Macht und Autorität, die 2) in ihrem Ergebnis zur Verschiebung der traditionellen Hierarchie des singhalesischen Theravāda-Buddhismus führte, hin zur spirituellen Egalität, zur Privatisierung und Internalisierung der Praktiken. Dabei 3) einen rationalen und wissenschaftlichen Charakter des Buddhismus betonte und 4) westliche Strategien, Konzepte und Begriffe adaptierte bzw. von diesen beeinflusst wurde9.

II. Ge schichte

3. Der Buddhismus in Sri Lanka

Die Geschichte Sri Lankas ist eng mit der Geschichte des Theravāda-Buddhismus, dessen Entwicklung und Verbreitung in Süd- und Südostasien verknüpft. Trotzdem die Insel immer wieder unter wechselnde Herrschaft gelang und verschiedene Religionen in den verschiedenen Zeiten patronisiert oder verfolgt wurden, verschwand der Buddhismus nie vollständig aus Sri Lanka, sondern konnte sich immer wieder konsolidieren, auch wenn der Saṇgha immer wieder Zeiten des Niedergangs und Verfalls erlebte.

Grundlegend für die Rekonstruktion der singhalesischen Historie sind die für asiatische Länder seltenen und fast vollständigen Historiografien Sri Lankas10. Neben dem Mahāvaṃsa, das den Zeitraum vom 5. Jh. v. Chr. bis zum 4. Jh. n. Chr. umfasst, wird noch das Cūḷavaṃsa, das den Zeitraum vom 4. Jh. n. Chr. bis in das 19. Jh. n. Chr. umfasst, zu den traditionellen Historiografien gerechnet. Beide Werke, die die Geschichte Sri Lankas zum Großteil nach den Regentschaftszeiten der verschiedenen singhalesischen Könige ordnen, wurden von buddhistischen Mönchen in Pāli verfasst. Während das Mahāvaṃsa im 5. Jh. n. Chr. verfasst wurde, wurde der erste Teil des Cūḷavaṃsa erst im 13. Jh. n. Chr. geschrieben. Da beide Werke weitaus später, als die in ihnen geschilderten, teils mythischen Ereignisse, verfasst wurden, sind entsprechend vorgenommene Modifizierungen und Redigierungen des Inhalts durchaus denkbar. Zudem müssen Teile des Mahāvaṃsa als vom Standpunkt des Autors sowie seiner Zugehörigkeit zum Mahavihara Orden beeinflusst angesehen werden. Trotzdem können große Teile der beiden Historiografien als historisch korrekt und wissenschaftlich gesichert gelten11.

Die buddhistische Geschichte Sri Lankas beginnt, auf der Grundlage des Mahāvaṃsa, mit der Ankunft des legendären Gründungsvaters der Singhalesen, Prinz Vijāya. Dieser reiste nach der Verbannung aus dem Königreich seines Vaters, Sīhapura in Nordindien, mit 700 Anhängern nach Sri Lanka und gründete dort ein Königreich. Unklar, ob Vijāya jemals wirklich gelebt hat, kann der Mythos zumindest sinnbildlich für die Einwanderung indo-arischer Stämme nach Sri Lanka gedeutet werden, von denen die Singhalesen abstammen12. In ihrem nationalen Gründungsmythos beziehen sich die Singhalesen dementsprechend auch auf Vijāya. Dabei soll dieser und dessen Königreich vom dahinscheidenden Buddha persönlich unter den Schutz Sakkas, dem König der Götter, gestellt worden sei, da Buddha persönlich Sri Lanka als Insel der buddhistischen Religion bestimmt haben soll. Die besondere und persönliche Auswahl Sri Lankas als die Insel der buddhistischen Religion, als auch der Singhalesen selbst, durch die Unterschutzstellung Vijāyas, dem Repräsentant der mythische Abstammungslinie, beeinflusste die singhalesische Identität und das eigene Nationalverständnis nachhaltig als besondere Beschützer und Repräsentanten einer ursprünglichen buddhistischen Tradition13.

Die Prophezeiung des Buddha sollte 250 v. Chr. in Erfüllung treten, als der damalige indische Herrscher und Eroberer Aśoka eine Mission nach Sri Lanka entsandte, um dort den Buddhismus, den er in seinem Königreich etabliert und unter besonderen Schutz gestellt hatte, zu verbreiten. Sri Lanka, durch die vedisch-brahmanische Religion der indo-arischen Stämme geprägt, befand sich mehrheitlich unter der Herrschaft des Königs Devānampiya Tissa, der durch die Mission unter Anführung Mahindas, der Legende nach Aśokas Sohn, zum Buddhismus konvertierte und damit für die Verbreitung des Buddhismus in Sri Lanka sorgte14. Mit der Bildung des ersten großen buddhistischen Klosters, dem Mahāvihāra in Anurādhapura, der Hauptstadt des Königreichs, wurde Sri Lanka, nach der Spaltung des Buddhismus in die zwei Hauptrichtungen des Mahāyāna und Theravāda, zu einem bedeutenden Zentrum des Theravāda-Buddhismus, der sich als ursprünglich versteht15. Von hier aus verbreitete sich die Theravāda Tradition nach Südostasien, insofern nimmt Sri Lanka eine bedeutende Rolle in der Entwicklung und Verbreitung des Theravāda-Buddhismus ein16.

In der nachfolgenden Epoche wurde Anurādhapura immer wieder von hinduistischen Königen der Tamilen aus Südindien erobert und der Buddhismus zugunsten des Hinduismus zwischenzeitlich unterdrückt. Die kriegerischen Auseinandersetzungen finden ihre Entsprechung im ethnischen Konfliktes zwischen buddhistischen Singhalesen und hinduistischen Tamilen, der bis in die Neuzeit andauerte und teilweise in einem blutigen Bürgerkrieg resultierte17. Mit der Rückeroberung Anurādhapura durch König Vaṭṭagāmaṇi 29 v. Chr. spaltete sich der singhalesische Buddhismus in die Tradition des Mahāvihāra und in die Tradition, des vom König als Dank für seine Unterstützer neu errichteten, Abhayagiri Klosters. Aufgrund der Differenzen in Lehre und Doktrin der beiden Klöster wurde die bisher mündlich überlieferte Theravāda Tradition im 1. Jh. v. Chr. im Pāli-Kanon durch Mönche des Mahāvihāra verschriftlicht18. Eine weitere bedeutende Verschriftlichung der Theravāda Lehren aus den Reihen des Mahāvihāra ist das Werk Vishudimagga des Mönchen Buddhaghosa, der zu Beginn des 5. Jh. n. Chr. nach Sri Lanka reiste, um dort die Lehren zu systematisieren und zu verschriftlichen.

Die nachfolgenden Könige patronisierten teils beide, teils nur einseitig die beiden Klöster, sodass der Konflikt zwischen den beiden Klöstern bis zur Herrschaft Königs Parakkama Bāhu I im 12. Jh. n. Chr. anhielt. Als König übte Bāhu I zum ersten Mal in der Geschichte die Herrschaft über den Saṇgha aus und beendete die Spaltung, indem er nur den Mahāvihāra als einzig zulässigen Nikāya des singhalesischen Theravāda-Buddhismus anerkannte. Daraus resultierte zwar eine Konsolidierung des Saṇgha und stellte eine einheitliche religiöse Tradition her, jedoch verlor der Saṇgha damit seine Unabhängigkeit. Der König war fortan für die Bestätigung der Wahl des Saṇgha Oberhauptes, dem Saṇgharāja, ebenso wie für die Ernennung der Ordination der Mönche zuständig und übte damit fast uneingeschränkte politische Macht und Kontrolle über den Saṇgha aus. Faktisch war der Saṇgha damit völlig an das Königtum gebunden19.

Obgleich sich der Theravāda-Buddhismus in Sri Lanka als Tradition immer halten konnte, war der Saṇgha immer wieder von innerem Verfall und Niedergang betroffen. Im 16. Jh. erlebte der Saṇgha den schlimmsten Niedergang, bei dem die gültige Ordinierungstradition des singhalesischen Theravāda-Buddhismus verloren ging und erst durch eine Mission aus Thailand 1753 wiederhergestellt werden konnte. Auf der Grundlage dieser Mission begründet sich die bis heute größte Ordinationslinie, der Siyam Nikāya. Besondererweise ging die Ordinierungstradition der thailändischen Mission selbst auf die im Mutterland verlorene Ordinierungstradition des singhalesischen Theravāda-Buddhismus zurück. Insofern führte die thailändische Mission keine neue Ordinierungstradition ein, sondern war in der Lage, die ursprüngliche Tradition wiederherzustellen20.

4. Die Kolonialherrschaft

Von den militärischen und wirtschaftlichen Interventionen der Portugiesen 1505 bis zur Unabhängigkeitserklärung Sri Lankas 1948, wurde Sri Lanka abwechselnd durch die Kolonialmächte der Portugiesen (1505-1658), der Niederländer (1602-1796) sowie der Briten (1796-1948) besetzt, nachhaltig verändert und geprägt. Im Rahmen dieser Kolonialisierung, insbesondere unter britischer Herrschaft, ergaben sich durch die Kolonialpolitik der Fremdherrscher sowie die Missionstätigkeit der Christen elementare und einander teilweise bedingende Veränderungen im politischen, wirtschaftlichen, sozialen und pädagogischen Bereich, die sich in ihrem Ergebnis auch auf den religiösen Bereich auswirkten und so vollumfänglich und nachhaltig die bestehende Situation Sri Lankas veränderten. Diese Veränderungen prägten nicht nur den Grund, sondern auch die Art und Weise der Reaktion der buddhistischen Erneuerungsbewegung21.

4.1 Kolonialgeschichte

Die Kolonisierung Sri Lankas begründete sich von Anfang an auf wirtschaftliche Interessen. Die Portugiesen, die 1505 aufgrund von Navigationsschwierigkeiten in Sri Lanka gelandet waren, erkannten schnell die wirtschaftliche und strategische Bedeutung der Insel, die vor allem von arabischen, indischen, malaysischen und chinesischen Händlern genutzt wurde. Das historische Abkommen 1518 zwischen Portugiesen und dem Königreich Koṭṭe, das später durch Portugal annektiert wurde, erlaubte den Portugiesen den Bau eines befestigten Forts als auch umfassende und alleinige Handelsrechte22. Nach dem politischen Zusammenbruch des Königreiches wurden die Portugiesen zu einem wichtigen militärischen Bündnispartner in den darauffolgenden militärischen und politischen Konflikten der Thronnachfolger. Mit Hilfe der Portugiesen konnten Teile das Königreich Koṭṭe wieder konsolidiert und durch den Thronnachfolger Prinz Dharmapāla beerbt werden. Als Gegenleistung bestätigte der Prinz die Handelsrechte der Portugiesen23. Mit der Konvertierung Dharmapālas zum Christentum, der offiziellen Weihung des Landes an die Portugiesen 1580 und die schlussendliche, vollständige Annektion seines Königreichs 1597, gelang den Portugiesen eine schleichende aber letztendlich erfolgreiche Übernahme der westlichen Küstengebiete, die im Norden mit der Eroberung des Jaffna-Königreiches 1619 territorial erweitert wurden24.

Das verbliebene singhalesische Königreich Kandy im zentralen Hochland Sri Lankas sah sich den Angriffen und Expansionsbestrebungen der Portugiesen ausgesetzt und bat die, mit den Portugiesen wirtschaftlich konkurrierenden Niederländer, die sich vor allem in Südostasien mit Kolonien etabliert hatten, um militärische Unterstützung und Beihilfe. Im Gegenzug offerierten sie umfassende Handelsrechte und die Niederlassung an der Ostküste Sri Lankas. Entgegen dem Abkommen leisteten die Niederländer jedoch keine Unterstützung, sodass das Königreich Kandy, nach verschiedenen kriegerischen Auseinandersetzungen, 1620 und 1634 Frieden mit den Portugiesen schließen musste. 1638 kam es zu einem zweiten Abkommen zwischen dem Königreich Kandy und den Niederländern, um die Vormachtstellung der Portugiesen zu brechen. Für die militärische Unterstützung bot das Königreich im Gegenzug, neben einem umfassendem Handelsmonopol, die vollständige Erstattung der während der Unterstützung gegen die Portugiesen angefallenen Kosten an. Gemeinsam eroberten sie nach diesem Abkommen bis 1640 verschiedene Hafenstädte der Portugiesen. Entgegen den vertraglichen Regelungen weigerte sich die Niederländer jedoch, das eroberte Territorium an das Königreich Kandy abzutreten, sondern besetzte ihrerseits die Gebiete25.

Mit dem Friedensabkommen zwischen den Niederlanden und Spanien, die zum damaligen Zeitpunkt auch über Portugal herrschten, stellten die Niederländer 1640 ihre Kriegshandlungen gegenüber den Portugiesen ein und demarkierten 1645 die Grenzen zwischen dem portugiesischen und niederländischen Territorium in Sri Lanka26. Nach dem Ablauf des Friedensabkommens 1652 eroberten die Niederländer die noch von den Portugiesen besetzten Gebieten und ersetzten damit 1658 die Portugiesen als Kolonialherren der Küstengebiete27.

Während der niederländischen Herrschaft stieg die konkurrierende britische East India Company, vor allem durch die Konsolidierung ihrer Macht in Indien, als dominierende Wirtschafts- und Kolonialmacht in Süd- und Südostasien auf28. Bestrebt, die niederländische Wirtschaftsmacht zu brechen und die eigene wirtschaftliche Macht, durch die Eroberung strategisch und wirtschaftlich wertvoller Territorien, weiter auszubauen, griffen die Briten die niederländischen Gebiete in Sri Lanka an und eroberten diese 1796 vollständig. Damit beendeten die Briten die Kolonialzeit der Niederländer in Sri Lanka und erkämpften sich die Vormachtstellung über die strategisch und wirtschaftlich wichtigen Küstengebiete. Die ersten Versuche, das letzte verbliebene Königreich Kandy ebenfalls unter britische Kontrolle zu bringen scheiterten erst 1803, führten jedoch in einem zweiten Versuch 1815, unter der Beihilfe intrigierender Persönlichkeiten des Königreiches, zum Erfolg. Erstmals in der Geschichte Sri Lankas war damit die komplette Insel unter die vollständige Kontrolle einer einzelnen Herrschaftsmacht gebracht worden29.

Obgleich die Briten die traditionelle Gesellschaftsordnung des Königreiches vorerst unangetastet ließen und ihren Fortbestand garantierten, führte der koloniale Herrschaftsstil zu Konflikten mit der singhalesisch-traditionellen Elite und der buddhistischen Religion. Drei Jahre nach der Eroberung des Königreiches führten diese Konflikte zu einer Revolution gegen die Kolonialherrschaft der Briten, die niedergeschlagen wurde und in dessen Ergebnis die Provinz des ehemaligen Königreiches Kandy ihrer Privilegien enteignet und in das koloniale Verwaltungssystem Sri Lankas eingegliedert wurde30.

Während sich die Konsolidierung und Einflussnahme der portugiesischen Macht langsam vollzogen hatte, etablierten die Briten ihr, im indischen Kontext erprobtes Kolonialsystem rasch nach ihrer vollständigen Machtübernahme in Sri Lanka31. Bis zur singhalesischen Unabhängigkeitserklärung 1948 änderte sich an diesen Umständen wenig, auch wenn das britische Kolonialsystem Mitte des 19. Jh. reformiert und dabei geringfügig liberalisiert und demokratisiert wurde.

4.2 Die politischen Veränderungen während der Kolonialzeit

Das Machtzentrum Sri Lankas verschob sich während der Kolonialzeit vom zentralen Hochland in die Küstengebiete, die durch die Kolonialherren besetzt waren, insbesondere in die westliche Hafenstadt Ceylon. Die Politik der Kolonialzeit war grundsätzlich geprägt vom Prozess der gesamtgesellschaftlichen Umformung, mit dem vorrangigen Ziel die Produktion der Exportgüter zu gewährleisten. Ein notwendiger, jedoch langfristiger Prozess war dabei die Auflösung und Ersetzung der traditionellen Ordnung Sri Lankas, die diesem Ziel diametral entgegenstand. Wesentlich für diesen Prozess war die Auflösung von Königtum und Sangha, sowie deren Verknüpfung, die durch die Portugiesen begonnen, unter den Niederländern vorangetrieben und unter den Briten vollendet wurde32. Seit dem 12 Jh. unter die Führung des Königs gestellt und faktisch von diesem abhängig, wurde der Saṇgha, durch die Konvertierung des Königs Dharmapāla zum Christentum 1557, empfindlich und nachhaltig in seiner Ausübung gestört.

Die grundlegenden politischen und religiösen Veränderungen, hervorgerufen durch den Wegfall des Protektorats und der Führung des Saṇgha durch den König, vollzogen sich nicht nur in dessen Königreich Koṭṭe, während der portugiesischen Herrschaft, sondern 1815 in ganz Sri Lanka, als das letzte verbliebene Königreich mit traditioneller Gesellschaftsordnung, Kandy, durch die Briten erobert und der monarchistische Patrimonialismus Sri Lankas damit endgültig beendet wurde33.

Zur Sicherung ihrer politischen Einflussnahme gelang es den, im Königreich Koṭṭe geduldeten und als militärische Protektoren benötigten Portugiesen wichtige Ämter und politische Schlüsselpositionen in der Verwaltung des Königreiches zu besetzen. Dadurch konnten regionale Verwaltungen geschaffen werden, die offiziell nur für die wirtschaftliche Verwaltung, Justiz und Sicherheit ihrer Region zuständig waren, faktisch jedoch fast uneingeschränkte Macht in ihrem Verwaltungsbezirk hatten. Die Führungsbeamten dieser Verwaltungen, die portugiesischen Beamten unterstellt waren und als mudaliyārs bezeichnet wurden, rekrutierten sich aus Singhalesen, die sich in der Zusammenarbeit und Unterstützung der Portugiesen als besonders loyal erwiesen hatten34. Die Einrichtung und der Ausbau dieser lokalen Verwaltung schwächte zum einen die königliche Macht und Einfluss und ermöglichte den Portugiesen die umfassende Verwaltung der beherrschten Küstengebiete, insbesondere die Gewinnung und Produktion von Rohstoffen, durch die direkte Unterstellung der mudaliyārs unter portugiesische Beamte. Dieses Verwaltungssystem wurde von den Niederländern und Briten später übernommen, wobei auf eine entsprechende Verlässlichkeit der singhalesischen Beamten in ihrem Dienst für die Kolonialherren geachtet wurde35.

Während der britischen Kolonialzeit wurde zwischen 1829 und 1832 die Colebrook-Cameron Kommission einberufen, die einen Entwurf zur Reformierung und Neuorganisation des Kolonialsystems vorstellte, der Demokratisierungen und Liberalisierungen vorsah. Hierzu gehörte die Abschaffung der absoluten Macht des Gouverneurs, durch die Einführung der Gewaltenteilung, die Vereinigung aller Singhalesen unter einer staatlichen Ordnung, die Öffnung des Beamtenstatus für Singhalesen, eine einheitliche und gleichbehandelnde Rechtsprechung, die Liberalisierung der Wirtschaft durch die Abschaffung des rājākariya-Systems und staatlicher Handelsmonopole, als auch die Entwicklung eines einheitlichen englischen Schulsystems. Diese Umstrukturierungen des Kolonialsystems basierend auf den Vorschlägen der Colebrook-Cameron Kommision können als erste verfassungsmäßige Entwicklungen Sri Lankas bewertet werden36.

4.3 Die wirtschaftlichen Veränderungen während der Kolonialzeit

Das Interesse der Kolonialmächte in und an Sri Lanka basierte vor allem auf wirtschaftspolitischen und strategischen Überlegungen, die die massive Entwicklung und Ausnutzung der Wirtschaft, insbesondere die Gewinnung und Produktion von Exportgütern zum Ziel hatten. Dabei wurde die traditionelle »village-centered, subsistence-agriculture economy« Sri Lankas während der Kolonialzeit nachhaltig in eine »estate agriculture and a plantation economy«37 zugunsten des Handels mit Exportwaren und -rohstoffen umgeformt38.

Das singhalesische rājākariya-System, das den Landbesitz und die Landvergabe gegen zu erbringende Dienstleistungen gegenüber dem Staat regelte, wurde beibehalten. Zum einen, da es die attraktivste Möglichkeit darstellte, Singhalesen zum Dienst unter den Kolonialherren zu bewegen, zum anderen, um die Entwicklung großflächiger Plantagen und den Anbau von Exportgütern und -rohstoffen systematisch kontrollieren und vorantreiben zu können39. Für diese systematische Entwicklung von Plantagen und Anbaugebieten erstellten die Portugiesen Landregister, in denen detaillierte Informationen über die Größe, Besitzansprüche, Anbau, Ernte und Steuern aufgelistet waren. Bei dieser konstitutiven Verteilung wurde königliches und klösterliches Land enteignet und an Portugiesen und Singhalesen überschrieben, die als mudaliyārs dem Kolonialsystem dienten, um diese im Rahmen des rājākariya-Systems für ihre Leistungen zu entlohnen40. Durch diese Vergabestrategie erhöhten die Portugiesen die Produktion der benötigten und gewünschten Exportgüter, da zum einen private Landbesitzer durch eine entsprechende Gesetzgebung dazu verpflichtet waren ein Teil ihres Landes zum Anbau von Exportgütern und -rohstoffen zu nutzen, zum anderen da das Land an Portugiesen und diesen verbündeten oder zumindest freundlich gesinnten Singhalesen verteilt wurde, die ihrerseits ein Eigeninteresse am Anbau und Handel mit den Exportgütern und -rohstoffen hatten, sofern sie von der wirtschaftlichen Tätigkeit der Portugiesen profitieren und Wohlstand erreichen wollten.

Die Niederländer übernahmen dieses, von den Portugiesen genutzte und modifizierte Wirtschaftssystem und weiteten es exzessiv aus, um möglichst gewinnmaximierend die Produktion der Exportgüter und -rohstoffe voranzutreiben. ARASARATNAM kommt deshalb zu dem Schluss:

»it was during this time that decisive steps were taken toward the incorporation of the island into the emerging world economy«41.

In der Folge wurde neben der systematischen Kultivierung des Gewürzanbaus auch der Anbau von Kaffee und Tabak eingeführt und vorangetrieben. Neben dem Anbau agrarischer Produkte entdeckten die Niederländer Edelsteinvorkommen in den Minen im zentralen Hochland und veranlassten deren Gewinnung. Darüber hinaus wurde die Perlengewinnung an den Küsten Sri Lankas ebenfalls unter niederländische Kontrolle gestellt. Die hierfür benötigten Arbeitskräfte rekrutierten sich zum Teil aus der singhalesischen Landbevölkerung, vielfach jedoch aus indischen Tamilen, unter Einbindung 'unberührbarer' Kastenangehöriger, was zur Entwicklung einer »slave- based export economy« führte42.

Die Briten übernahmen diese von den Portugiesen und Niederländern entwickelte Wirtschaft und ihre Verwaltung. Trotz ihres wirtschaftlichen Interesses wurde unter ihrer Herrschaft durch die Colebrook-Cameron Kommision neben politischen Erneuerungen , die Wirtschaft liberalisiert: Die Wirtschaftsmonopole, die sich die Portugiesen und Niederländer selbstständig gegeben hatten, aufgelöst, die Sklaverei und das während der Kolonialzeit zur Entlohnung von Beamten genutzte rājākariya-System abgeschafft, sowie die Machtbefugnisse und der Einfluss der mudaliyārs beschnitten43. Als Ergebnis dieser Wirtschaftsentwicklungen entstanden während der Kolonialzeit urbane Handelszentren an den Küsten, über die die Waren umgeschlagen und verschifft werden konnten44.

[...]


1 Vgl. Blackburn 2010: 197 ; Blackburn 2011: 221f.

2 Vgl. Copleston 1892: 466

3 Vgl. McMahan 2008: 6f. ; Vgl. Bechert 1997: 167

4 Bechert 1966: 42

5 Vgl. Gombrich & Obeyeseker 1988: 6

6 Vgl. McMahan 2008: 7f. ; Vgl. Gellner/LeVine 2005: 18 ; Vgl. Gombrich/Obeyesekere 1988: 7ff.

7 Vgl. Malalgoda 1976: 256ff.

8 Vgl. z.B. Blackburn 2010 ; McMahan 2008 ; Gellner/LeVine 2005 ; Bond 1988

9 Vgl. Blackburn 2010: 199

10 Vgl. Houtart 1974: 33

11 Vgl. Peebles 2006: 13f. ; Vgl. Houtart 1974: 33

12 Vgl. de Silva 1981: 3

13 Vgl. de Silva 1981: 4

14 Vgl. de Silva 1981: 7ff.

15 Vgl. Peebles 2006: 22f.

16 Vgl. von Brück 2007a: 207

17 Vgl. Gombrich 1997: 144

18 Vgl. von Brück 2007a: 207f.

19 Vgl. von Brück 2007a: 209f.

20 Vgl. Gombrich 1997: 145, 163f.

21 Vgl. Bond 1988: 14

22 Vgl. Arasaratnam 2014a

23 Vgl. Houtart 1974: 137f.

24 Vgl. Arasaratnam 2014a

25 Vgl. Arasaratnam 2014b

26 Vgl. Arasaratnam 2014b

27 Vgl. Arasaratnam 2014b

28 Vgl. Peebles 2006: 47f.

29 Vgl. Peiris 2014a

30 Vgl. Peiris 2014a

31 Vgl. Peebles 2006: 48

32 Vgl. Bond 1988: 14

33 Vgl. Bond 1988: 14

34 Vgl. Peebles 2006: 41ff.

35 Vgl. Peebles 2006: 41ff.

36 Vgl. Encyclopedia Britannica 2014 ; Vgl. Peebles 2006: 51f.

37 Bond 1988: 14

38 Vgl. Bond 1988: 14

39 Vgl. Peebles 2006: 48

40 Vgl. Peebles 2006: 42

41 Peiris 2014b

42 Peebles 2006: 46

43 Vgl. Peebles 2006: 51f.

44 Vgl. Bond 1988: 14f.

Final del extracto de 59 páginas

Detalles

Título
Die Entwicklung des modernen Buddhismus in Sri Lanka
Universidad
University of Marburg
Calificación
1,3
Autor
Año
2014
Páginas
59
No. de catálogo
V493433
ISBN (Ebook)
9783668989467
ISBN (Libro)
9783668989474
Idioma
Alemán
Palabras clave
Protestantischer Buddhismus, Moderner Buddhismus, Buddhismus, Sri Lanka, Buddhistischer Modernismus, Buddhistische Erneuerungsbewegung
Citar trabajo
Volker Hein (Autor), 2014, Die Entwicklung des modernen Buddhismus in Sri Lanka, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/493433

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