Soziale Vergleiche auf Instagram. Wie Peer-Feedback in Kommentaren Rezipientinnen des "Fitspiration"-Körperideals beeinflusst

Ist fit das neue "It"?


Master's Thesis, 2017

124 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse
2.1.1 Grundzüge der Theorie
2.1.2 Die Vergleichsrichtung
2.1.3 Vergleichsfolgen – Erreichbarkeit als Schlüsselvariable
2.2 Diskrepanzen im Kontext sozialer Vergleiche
2.2.1 Die Dimensionen des Selbst
2.2.2 Diskrepanzen als Folge sozialer Vergleiche
2.3 Soziale Vergleiche im Medienkontext
2.3.1 Vergleiche mit dem dünnen Schönheitsideal
2.3.2 Vergleiche im Kontext sozialer Medien
2.3.3 „Fitspiration“ und das neue Körperideal in den sozialen Medien
2.4 Peer-Feedback in Form von Kommentaren
2.4.1 Direkte Wirkung: Nutzerkommentare als Exemplars
2.4.2 Indirekte Wirkung: Der wahrgenommene Einfluss auf Andere

3 Ableitung der Hypothesen

4 Methodisches Vorgehen
4.1 Untersuchungsdesign
4.2 Stimulusmaterial
4.3 Fragebogen: Operationalisierung der zentralen Konstrukte
4.4 Datenbereinigung

5 Empirische Ergebnisse
5.1 Struktur der Stichprobe
5.2 Treatment-Check
5.3 Indirekter Einfluss auf die Selbsteinschätzung der Bloggerin
5.4 Vergleichsfolgen bei allen Probandinnen
5.5 Vergleichsfolgen bei Frauen mit geringer Erreichbarkeit
5.6 Vergleichsfolgen bei Frauen mit hoher Erreichbarkeit
5.7 Diskrepanzen als Mediator auf die Vergleichsfolgen

6 Fazit
6.1 Diskussion
6.2 Einschränkungen und Ausblick

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Stimulusmaterial – Versuchsgruppe mit positiven Kommentaren

Abbildung 2: Mediation der Körperzufriedenheit bei geringer Erreichbarkeit

Abbildung 3: Mediation der Körperzufriedenheit bei hoher Erreichbarkeit

Abbildung 4: Mediation des Selbstwerts bei geringer Erreichbarkeit

Abbildung 5: Mediation der Verhaltensintention bei geringer Erreichbarkeit

Abbildung 6: Mediation des Selbstwerts bei hoher Erreichbarkeit

Abbildung 7: Mediation der Verhaltensintention bei hoher Erreichbarkeit

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Das Experimentaldesign

Tabelle 2: Verteilung der relevanten Variablen über die Versuchsgruppen hinweg

Tabelle 3: Effekte der Medienbeiträge auf die Bewertung der Einschätzung der Bloggerin durch Andere

Tabelle 4: Zusammenhang zwischen der Einschätzung der Bloggerin durch Andere und der Selbstbewertung der Bloggerin

Tabelle 5: Effekte der Medienbeiträge auf die Selbstbewertung der Bloggerin

Tabelle 6: Effekte der Medienbeiträge auf das Selbstkonzept der Rezipientinnen

Tabelle 7: Effekte der Medienbeiträge auf die Vergleichsfolgen bei Rezipientinnen mit geringer Erreichbarkeit

Tabelle 8: Effekte der Medienbeiträge auf das Selbstkonzept der Rezipientinnen mit geringer Erreichbarkeit

Tabelle 9: Effekte der Medienbeiträge auf die Vergleichsfolgen bei Rezipientinnen mit hoher Erreichbarkeit

Tabelle 10: Effekte der Medienbeiträge auf das Selbstkonzept der Rezipientinnen mit hoher Erreichbarkeit

Tabelle 11: Effekte der Medienbeiträge auf die Vergleichsfolgen bei allen Probandinnen

Tabelle 12: Effekte der Medienbeiträge auf die Vergleichsintensität

1 Einleitung

„Fitness-Trend 2016: Fit ist das neue Dünn“, titelt das Frauenmagazin InStyle zu Be- ginn des Jahres 2016 in einem Onlineartikel (Dulabic, 2016). Darin sind Bilder schlan- ker, aber sichtbar trainierter und muskulöser Frauen abgebildet, die den Rezipientinnen den neuen Idealkörper der Frau präsentieren. Auch andere klassische Medien berichten in den vergangenen Jahren zunehmend vom weiblichen Fitness-Trend, der sich ur- sprünglich nur in den sozialen Medien vorfand (z.B. Sepehr, 2016; Waak, 2015). Diese Medienbeiträge verdeutlichen, dass sich das Schönheitsideal der Frau langsam von der klassischen, sehr schlanken Körperform der typischen Models löst und derzeit einem athletischeren Aussehen annähert: Auch ein geringer Körperfettanteil und sichtbare Muskeln werden heute neben Schlankheit und Jugendlichkeit zunehmend als Merkmale weiblicher Schönheit angesehen (z.B. Boepple, Ata, Rum & Thompson, 2016; Homan,2010; Reade, 2016).

Das Entstehen dieses neuen Körperideals beheizt die Debatte um die schädliche Wir- kung medialer Darstellungen von Schönheit auf die Rezipientinnen nun auf ein Neues. Hintergrund dieser anhaltenden Diskussion ist die Tatsache, dass immer mehr Frauen in der westlichen Gesellschaft mit ihrem Aussehen und ihrem Gewicht unzufrieden sind; dies kann im schlimmsten Fall sogar zur Ausbildung von Essstörungen führen (Sche- mer, 2003). Diese Entwicklung wird mitunter auf die in den Massenmedien verbreiteten unrealistischen Standards von Schönheit und Schlankheit zurückgeführt (Harrison & Cantor, 1997; Schemer, 2003; Thompson, Heinberg, Altabe & Tantleff-Dunn, 1999): Schließlich liefern die Medien den Menschen tagtäglich eine Vielzahl neuer Informatio- nen und prägen so unter anderem die Vorstellungen davon, welcher Lebensstil etwa als gesellschaftliche Norm anzustreben oder welches Aussehen als gängiges Schönheitside- al gilt (Boepple et al., 2016). Für viele Frauen stellen die medial präsentierten Models und Stars daher Rollenmodelle in Bezug auf das äußerliche Erscheinungsbild dar (Gro- gan, 1999). Vergleichen sich Frauen mit diesen extrem schlanken und schönen Vorbil- dern, kann dies zwangsläufig nur zu einer negativen Bewertung ihres eigenen Körpers führen. Eine Vielzahl an Studien belegt inzwischen einen solchen negativen Einfluss der Medien auf das Körperbild der Rezipientinnen (für einen Überblick vgl. Grabe, Ward & Hyde, 2008; Levine & Murnen, 2009; Want, 2009). Vor allem für junge Frauen wird die Gefahr, durch die medial präsentierten Schönheitsstandards beeinflusst zu wer- den, als hoch eingeschätzt (Groesz, Levine & Murnen, 2002; Levine & Murnen, 2009).

Aufgrund der zunehmenden Bedeutung von Onlinemedien im Alltag der Menschen (Koch & Frees, 2016) rücken nun auch die sozialen Medien in diesem Zusammenhang zunehmend in den Blick der Forschung (z.B. Bair, Kelly, Serdar & Mazzeo, 2012; Fardouly & Vartanian, 2016; Perloff, 2014). Erste Studien zeigen, dass die Nutzung von Onlinecommunitys und im Besonderen die darin getätigten Fotoaktivitäten zu negativen Auswirkungen wie Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper beitragen können (z.B. Bair et al., 2012; Mabe, Forney & Keel, 2014; Meier & Gray, 2014). Vor allem auf Ins- tagram, der in Deutschland meistgenutzten Fotocommunity (Koch & Frees, 2016), fin- det das neue athletische Schönheitsideal unter dem Trend „Fitspiration“ aktuell Verbrei- tung (z.B. Tiggemann & Zaccardo, 2015). Wie der Name bereits andeutet, werben Fit- nessbloggerinnen darin primär für einen sportlichen und gesunden Lebensstil, zu dem sie andere Nutzerinnen inspirieren und motivieren wollen (Boepple & Thompson,2016). Dazu stellen sie oft ihre schlanken und durchtrainierten Körper zur Schau (Car- rotte, Vella & Lim, 2015; Tiggemann & Zaccardo, 2015). Einen solchen Körper zu ha- ben, bedeutet harte Arbeit, denn er erfordert kontinuierliches Training und eine gesunde Diät. Für die meisten Frauen ist auch dieses Körperideal nicht erreichbar (Boepple et al.,2016). Erste Befunde deuten an, dass die athletischen Körperdarstellungen daher eben- falls eine potentielle Gefahrenquelle für die meist jungen Nutzer solcher Medieninhalte darstellen (z.B. Homan, McHugh, Wells, Watson & King, 2012; Prichard, Drummond, Drummond & Tiggemann, 2015; Tiggemann & Zaccardo, 2015). Erste empirische Un- tersuchungen zu diesem neuen Phänomen konnten daneben eine positive Wirkung auf die Rezipientinnen feststellen: Die Betrachtung der typischen „Fitspiration“- Körperdarstellungen löste zum Teil Gefühle der Inspiration aus (Goldstraw & Keegan,2016; Tiggemann & Zaccardo, 2015). Auch andere Studien fanden bisher, wie weniger bekannt ist, positive Auswirkungen medialer Schönheitsdarstellungen auf die Rezipien- tinnen (z.B. Joshi, Hermann & Polivy, 2004; Mills, Polivy, Herman & Tiggemann,2002). Sowohl hinsichtlich des möglichen Gefahrenpotentials, das von „Fitspiration“- Beiträgen ausgeht, als auch in Hinblick auf den möglichen Nutzen, der etwa für die Ge- sundheitskommunikation gewonnen werden könnte, ist eine tiefere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem neuen Phänomen daher unabdingbar.

Dies gilt auch für die veränderten Bedingungen, unter denen diese Medieninhalte rezi- piert werden. Denn soziale Netzwerke sind Gemeinschaften, die von der gegenseitigen Interaktion der Nutzer, durch Kommentare und Bewertungen anderer Beiträge, leben(Pein, 2014). Die auf Instagram verbreiteten Beiträge werden somit zu einem großen Teil von einer Fülle an zusätzlichen sozialen Informationen in Form von Meinungen und Bewertungen anderer Nutzer begleitet (z.B. Zerback & Fawzi, 2016; Walther, De- Andrea, Kim & Anthony, 2010). Bislang ist weitgehend unerforscht, wie solches Peer- Feedback in Form von Nutzerkommentaren soziale Vergleichsprozesse im Kontext der Onlinenutzung mit beeinflusst. An diesem Punkt möchte die vorliegende Arbeit anset- zen und sich folgender Forschungsfrage widmen: „Wie beeinflussen Nutzerkommentare Vergleichsprozesse mit dem athletischen Frauenideal und deren Folgen?“ Das Ziel besteht somit darin, den Einfluss von Peer-Feedback in Form von Nutzerkommentaren auf soziale Vergleichsprozesse mit dem neuen Körperideal und daraus resultierende Folgen auf die Rezipientinnen zu untersuchen und ein tieferes Verständnis über den dahinter liegenden Wirkungsprozess zu gewinnen. Besonderes Interesse liegt dabei auf der wahrgenommenen Erreichbarkeit des Vergleichsstandards, da die Rezeption medial- ler Körperdarstellungen abhängig von dieser Prädisposition in unterschiedlichen positi- ven bzw. negativen Reaktionen resultieren kann.

Die Untersuchung fand im Rahmen einer Masterarbeit am Lehrstuhl von Prof. Dr. Hans-Bernd Brosius im Januar 2017 an der Ludwig-Maximilians-Universität München statt. Zur Prüfung der Hypothesen wurde ein Drei-Gruppen-Online-Experiment mit Post-Test durchgeführt. Das im Bereich der Vergleichsforschung recht konventionelle Untersuchungsdesign wurde gewählt, da dadurch die Wirkung der verschiedenen Kommentare auf die Vergleichsfolgen separat betrachtet werden kann. Die direkte Ma- nipulation der Meinungstendenz in den Kommentare und die Abgrenzung derer ver- schiedenen Formen voneinander, erlauben die Annahme eines kausalen Wirkungszu- sammenhangs. Hierbei ist es wichtig, mögliche andere Einflussvariablen konstant zu halten. Zur Gewährleistung dessen wurden die Versuchspersonen nach Randomisierung auf die drei eigens entwickelten Stimuli verteilt. Daraufhin wurden sie mittels eines standardisierten Fragebogens hinsichtlich ihrer soziodemographischen Merkmale, ihrer Mediennutzung, ihrem persönlichen Interesse und Verhalten in Bezug auf Sport und Ernährung sowie zu ihren subjektiven Wahrnehmungen und Empfindungen hinsichtlich der Stimulusbeiträge befragt.

Im Theorieteil dieser Arbeit wird zunächst auf die relevante Literatur eingegangen. Die Basis dafür bilden entsprechende Überlegungen und Befunde aus verschiedenen For- schungsbereichen. Zunächst soll das sozialpsychologische Konzept sozialer Vergleichein seinen Grundzügen skizziert werden. In diesem Zusammenhang soll auch geklärt werden, unter welchen Bedingungen soziale Vergleichsprozesse ablaufen und welche Aspekte die daraus resultierenden Folgen beeinflussen. Hier wird der Fokus auf auf- wärtsgerichtete Vergleiche und die wahrgenommene Erreichbarkeit gelegt, der bei Ver- gleichen mit medialen Körperdarstellungen eine besondere Bedeutung zukommt. Als nächstes werden die Selbstkonzeptforschung und die Theorie der Selbstdiskrepanz im Kontext sozialer Vergleiche diskutiert, um ein tieferes Verständnis für die Wirkung sol- cher Vergleiche auf das Selbst von Individuen zu schaffen. Es folgt ein Überblick des Forschungsstands zu Vergleichen mit medialen Schönheitsdarstellungen und deren Fol- gen. Hierbei werden die Besonderheiten von Vergleichen in sozialen Netzwerken her- ausgearbeitet und anschließend erste Forschungserkenntnisse zu Vergleichen mit „Fit- spiration“-Körperdarstellungen und deren Wirkung auf die Rezipientinnen vorgestellt. Im letzten Theorieabschnitt soll das Forschungsfeld zu Peer-Feedback in Form von Nutzerkommentaren und deren Einfluss im Rezeptionsprozess beleuchtet werden. Auf dieser theoretischen Basis werden schließlich die Hypothesen formuliert.

Der empirische Teil der Arbeit beginnt mit der Erläuterung der methodischen Vorge- hensweise der Studie. An dieser Stelle wird das Forschungsdesign beschrieben sowie auf die Konstruktion der Experimentalstimuli eingegangen. Daraufhin wird der Aufbau des Fragebogens geschildert. Zudem werden die zentralen Konstrukte und deren Opera- tionalisierung vorgestellt und das Vorgehen bei der Datenbereinigung beschrieben. Zur Beantwortung der Forschungsfrage und der Hypothesen werden im Anschluss die Be- funde vorgestellt und schließlich kritisch diskutiert. Abschließend werden die Limitati- onen der Untersuchung aufgezeigt und mögliche Anknüpfungspunkte für weitere For- schung in diesem Bereich gegeben.

2 Theoretischer Hintergrund

Im ersten Kapitel soll der theoretische Rahmen der Arbeit vorgestellt werden. Dieser dient als Grundlage, um in einem nächsten Schritt die Hypothesen zu formulieren, auf denen die vorliegende Forschungsarbeit aufbaut. Um ein theoretisches Verständnis für die Wirkung sozialer Vergleiche mit dem athletischen Körperideal auf Instagram zu schaffen, wird zunächst ein Überblick über die Grundzüge der Theorie der sozialen Vergleichsprozesse gegeben. Das Forschungsfeld wird dafür aus Sicht der Sozialpsy- chologie beleuchtet, wobei jedoch die kommunikationswissenschaftliche Perspektive im Vordergrund steht und der Fokus auf den Folgen sozialer Vergleichsprozesse liegt. In- folgedessen werden sowohl die Vergleichsrichtung als auch die verschiedenen Mecha- nismen vorgestellt, die die Vergleichsfolgen beeinflussen. In diesem Zusammenhang wird auch die Schlüsselrolle der wahrgenommenen Erreichbarkeit des Vergleichsstan- dards herausgearbeitet.

Im Folgenden wird auf die wichtigsten Forschungserkenntnisse aus der Selbstkonzept- forschung eingegangen, um einen weiteren Erklärungsbeitrag zur Wirkung sozialer Vergleichsprozesse zu liefern. Hierfür wird ein Überblick über die verschiedenen Di- mensionen des Selbst und deren Bedeutung für das Individuum gegeben. Daraufhin wird die Rolle der Selbstdiskrepanz zwischen den verschiedenen Selbstkonzeptkompo- nenten im Rahmen sozialer Vergleiche diskutiert.

In Kapitel 2.3 werden Vergleiche mit idealisierten Körperdarstellungen im medialen Umfeld thematisiert. Dafür wird zunächst der aktuelle Forschungsstand skizziert und bestehende Forschungslücken identifiziert. Zudem werden die Besonderheiten von Ver- gleichen in sozialen Medien aufgearbeitet. In diesem Zusammenhang sollen auch das athletische Körperideal, das als neues Schönheitsideal in den sozialen Medien, beson- ders auf Instagram, Verbreitung findet, sowie erste Befunde zu dessen Wirkung auf die Rezipientinnen vorgestellt werden.

Im abschließenden Abschnitt des Theorieblocks erfolgt die Beschäftigung mit einer weiteren Wirkungsvariable bei Vergleichen im Umfeld sozialer Medien: Peer-Feedback in Form von Nutzerkommentaren. Dazu werden zunächst Erkenntnisse aus der Kom- mentarforschung zusammengefasst und das Modell des Influence of Presumed Media Influence beschrieben, um den Kontext des Forschungsvorhabens einzuordnen. Schließ- lich können auf Basis dieses theoretischen Rahmens die Hypothesen abgeleitet werden.

2.1 Die Theorie sozialer Vergleichsprozesse

Vorgehende Studien zu Gruppenverhalten und sozialen Normen zeigten bereits, dass Vergleiche mit Anderen für das Individuum von Bedeutung sind (Hyman, 1942; Sherif, 1936). Die erste fundierte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit sozialen Verglei- chen stellte jedoch Leon Festinger (1954) an, der damit als Begründer der Theorie so- zialer Vergleichsprozesse gilt. Im Rahmen seiner Arbeit postulierte er mehrere Annah- men zu sozialen Vergleichen, also Vergleichen zwischen dem Selbst und dem Gegen- über. Eine Vielzahl an Folgestudien hat diese inzwischen immer wieder empirisch be- stätigen und weiterentwickeln können (Döring, 2013). Heute zählt die Theorie der sozi- alen Vergleichsprozesse zu einer der bedeutendsten im Bereich der Sozialpsychologie (vgl. z.B. Frey, Dauenheimer, Parge & Haisch, 2001; Mussweiler, 2003). Merkmale des sich vergleichenden Individuums, Merkmale der Vergleichsperson sowie weitere Ein- flussfaktoren beeinflussen soziale Vergleiche (Mussweiler, 2003; Wood, 1996), die dadurch sehr komplex sind. Daher bedarf es zunächst eines Überblicks über die theore- tischen Rahmenbedingungen sozialer Vergleiche. Im Folgenden sollen aus diesem Grund zunächst die für das Forschungsvorhaben relevanten Hypothesen Festingers vor- gestellt und mit Erkenntnissen des aktuellen Forschungsstands ergänzt werden. Im Hin- blick auf das Forschungsvorhaben sind besonders die Folgen sozialer Vergleiche von Interesse. In diesem Punkt spielt die Vergleichsrichtung eine entscheidende Rolle. Zu- dem sind verschiedene Faktoren beteiligt, die zu Assimilations- oder Kontrasteffekten führen können. In diesem Zusammenhang soll auf die beim Vergleichsprozess ablau- fenden Mechanismen näher eingegangen und die Schlüsselrolle der wahrgenommenen Erreichbarkeit erläutert werden.

2.1.1 Grundzüge der Theorie

Nach Festingers Annahmen haben Menschen ein Grundbedürfnis, ihre eigenen Mei- nungen und Fähigkeiten zu verschiedenen Lebensaspekten zu evaluieren. Dadurch kön- nen sie Rückschlüsse auf ihre eigene Position ziehen und sich im Alltag besser zurecht- finden (1954, S. 117). Dafür ziehen sie „objektive“ Vergleichskriterien wie beispielwei- se Noten in der Schule, aber auch Vergleiche mit anderen Personen heran, wenn diese nicht verfügbar oder Vergleiche mit ihnen nur schwer möglich sind (S. 118). Neben der Orientierung an „objektiven Kriterien“ und der sozialen Interaktion dienen Vergleiche mit anderen Personen als wichtige Informationsquelle für die Identitätsarbeit von Indi- viduen (Frey et al., 2001; Mummendey & Otten, 2002).

Neuere Studien zeigen, dass soziale Vergleiche mit Menschen auch herangezogen wer- den, wenn gleichzeitig solche „objektive Bewertungskriterien“ zur Verfügung stehen (z.B. Klein, 1997; Miller, 1977; Mussweiler, Rüter & Epstude, 2005). Diese Vergleiche können sich neben Fähigkeiten und Meinungen auf alle anderen Bereiche der persona- len Identität beziehen. Personen vergleichen sich mit anderen also jeweils bezüglich einzelner Merkmale, etwa ihrer körperlichen Attraktivität, ihrem sozialen Status oder ihrer beruflichen und physischen Leistungsfähigkeit, ihren Zielen, Bedürfnissen oder anderen individuellen Merkmalen (z.B. Döting, 2013; Frey et al., 2001; Kuhlmann & Hoppe, 2012; Rammsayer & Weber, 2010; Wood, 1996).

Festinger (1954, S. 120) postulierte weiter, dass Menschen eher zum Vergleich mit sol- chen Menschen tendieren, die ihnen möglichst ähnlich sind, da nur der Vergleich mit einem ähnlichen Standard aussagekräftige Informationen für die Selbstevaluation lie- fern könne. Er ging davon aus, dass es bei großer Unähnlichkeit zu einer Person demzu- folge nicht zum Vergleich komme. Folgestudien konnten inzwischen bestätigen, dass zwar eine Ähnlichkeit zur Vergleichsperson gegeben sein muss, jedoch nur hinsichtlich der für den Vergleich relevanten Attribute (Goethals & Darley, 1977; Wheeler & Zu- ckerman, 1977). Auch unähnliche Personen können somit als Vergleichsstandard die- nen, wenn sie verfügbar sind (Mussweiler & Rüter, 2003; Mussweiler et al., 2005; Pe- ter, Fahr & Früh, 2012).

Festinger (1954, S. 124) nahm weiterhin an, dass Menschen hauptsächlich deshalb zu Vergleichen greifen, um ihre eigenen Meinungen und Fähigkeiten genau einschätzen, also sich selbst evaluieren zu können. Das Ziel des Individuums sei es, sich als Person selbst verbessern zu wollen. Diese Annahme wurde nachfolgend wiederholt in Frage gestellt. Laut neuerer Erkenntnisse lassen sich drei grundlegende Motive für soziale Vergleiche herausstellen: Neben der genauen Selbsteinschätzung führen primär das Be- dürfnis nach Selbstverbesserung und nach Selbstwertdienlichkeit zu sozialen Verglei- chen (Gibbson & Buunk, 1999; vgl. auch Corcoran, Crusius & Mussweiler, 2011; Frey et al., 2001; Mussweiler et al., 2005; Peter, 2016; Wood, 1996). Menschen gehen folg- lich vor allem dann Vergleiche ein, wenn sie sich (1) unsicher fühlen in Bezug auf ihre eigenen Meinungen und Fähigkeiten, (2) bezüglich eines Bereichs oder Merkmals ihres Selbstkonzepts Diskrepanzen bestehen und sie dadurch unzufrieden sind oder (3) sie einen geringen Selbstwert haben (Gibbson & Buunk, 1999).

Vergleiche können gezielt gesucht werden, um bestimmte Bedürfnisse zu befriedigen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass alle Vergleiche einem so zielgerichteten und strategi- schen Prozess folgen (Corcoran et al., 2011). Im Gegenteil, sie können auch spontan und ohne nach einem dem Individuum bewussten Motiv erfolgen – also auch ohne dass die sich vergleichende Person es bewusst wahrnimmt (Mussweiler, Rüter & Epstude, 2004a). Mussweiler und Kollegen (2005) gehen daher davon aus, dass die Evaluation der vielen sozialen Informationen, mit denen Individuen tagtäglich in Berührung kom- men, fast automatisch darüber geschieht, dass sie mit dem Selbst in Bezug gesetzt wer- den. Hierbei muss die Person, mit der sich das Individuum vergleicht, nicht zwingend anwesend sein. So können auch Vergleiche mit Medienakteuren, fiktionalen Figuren oder Stereotypen eingegangen werden (Wood, 1996, S. 522).

Neben diesen Grundannahmen ließ Festinger eine theoretische Erklärung zum Ver- gleichsprozess selbst sowie eine Definition sozialer Vergleiche jedoch offen. Erst Wood (1996) setzte sich mit diesen Aspekten tiefgreifender auseinander und lieferte eine ex- plizite Definition des sozialen Vergleichsprozesses: „The process of thinking about in- formation about one or more other people in relation to the self“ (Wood, 1996, S. 520f.). Folgt man der Autorin, können Vergleichsprozesse in drei aufeinanderfolgende Phasen unterteilt werden: (1) Vergleichsmotive, die zu einem Vergleich führen können; (2) den Vergleichsprozess selbst; und daraus resultierende (3) Vergleichsfolgen. Laut Wood (1996) müssen zunächst Vergleichsmotive, also die verschiedenen Bedürfnisse eines Individuums, vorhanden sein, damit es zu einem Vergleich kommt. Der Ver- gleichsprozess selbst besteht aus der Aufnahme und Evaluation der sozialen Informati- on. Die Aufnahme dieser Information ist Voraussetzung für den Vergleich. Der eigent- liche Vergleichsprozess findet allerdings erst dann statt, wenn die aufgenommene sozia- le Information in Bezug zur eigenen Person gesetzt wird. Bei diesem erfolgt eine Be- wertung des Abgleichs zwischen der Vergleichsperson und dem eigenem Selbst. Aus diesem Prozess können in der Folge wiederum verschiedene kognitive, affektive und konative Vergleichsfolgen resultieren (vgl. auch Kapitel 2.1.3; Kapitel 2.3.1).

2.1.2 Die Vergleichsrichtung

In Hinblick auf die Vergleichsfolgen ist zunächst die Vergleichsrichtung von Bedeu- tung. Denn Vergleiche können mit einer Vielzahl an Personen gezogen werden, deren Standard jedes Individuum selbst individuell einschätzt. Festinger (1954, S. 124) nahm an, dass sich Menschen aufgrund ihres Strebens nach Selbstverbesserung vorwiegend an Vergleichspersonen orientieren, die ihnen „überlegen“ sind. Menschen vergleichen sich jedoch auch mit Anderen, die ihnen hinsichtlich des interessierenden Merkmals „unter- legen“ sind oder die eine ähnliche Ausprägungen aufweisen (Wood, 1996). Heute wird grundsätzlich von drei verschiedenen Vergleichsrichtungen ausgegangen: Vergleiche können sowohl (1) aufwärts (upward comparisons) als auch (2) abwärts (downward comparisons) gerichtet sein sowie (3) auf Augenhöhe (horizontal comparisons) gesche- hen (vgl. z.B. Corcoran et al., 2011; Döring, 2013; Mussweiler, Rüter & Epstude, 2004b; Peter et al., 2012; Wheeler & Myake, 1992).

Die Vergleichsperson kann hinsichtlich des zu interessierenden Merkmals also entweder als gleichwertig, als über- oder als unterlegen eingeschätzt werden (vgl. z.B. Döring, 2013; Wood, 1996, Peter et al., 2012). Beim horizontalen Vergleich setzen sich Indivi- duen mit Personen in Kontrast, die hinsichtlich der interessierenden Charakteristik ähn- liche Ausprägungen besitzen, und dient vorwiegend der akkuraten Selbsteinschätzung (Corcoran et al., 2011). Richten sich Vergleiche auf Personen, die dem Individuum hin- sichtlich des interessierenden Merkmals überlegen sind, findet ein Aufwärtsvergleich statt. Individuen vergleichen sich mit besser gestellten Personen primär hinsichtlich des Motivs der Selbstverbesserung (ebd.). Ein solcher Vergleich kann Individuen neue In- formationen liefern, beispielsweise wie sie selbst Fortschritte machen können (Bandura, 1986, 1997), und auf diese Weise zur Selbstverbessserung motivieren. Geht es dem In- dividuum darum, das eigene Selbst positiver zu bewerten oder den vorhandenen Stan- dard zu erhalten – also der Selbstwertdienlichkeit – werden primär Abwärtsvergleiche gesucht (Corcoran et al., 2011). Denn sich mit einer schlechter gestellten Person zu ver- gleichen, kann zu einer positiveren Selbsteinschätzung verhelfen. Vor allem Personen, die sich in ihrem Selbst bedroht fühlen, tendieren daher dazu, abwärtsgerichtete Ver- gleiche einzugehen (Wills, 1981).

Die konkrete Form des Vergleichs ist von verschiedenen Faktoren abhängig: Grundsätz- lich tendieren Menschen zu moderaten Aufwärtsvergleichen (Wheeler, 1991). Wie dar- aus bereits hervorgeht, ist für die Vergleichsrichtung zudem entscheidend, in welchem Verhältnis die Person zur Vergleichsperson steht (Döring, 2013). Eine Studie von Wheeler und Miyake (1992, S. 767) zeigte, dass Menschen mit engen Freunden eher zu Vergleichen auf Augenhöhe tendieren, während bei weniger nahestehenden Personen eher Auf- oder Abwärtsvergleiche erfolgen. Peter, Fahr und Früh (2012) untersuchten, ob und wie sich die resultierende Vergleichsrichtung zwischen medialen Personen und solchen aus dem realen Umfeld unterschied. Es wurde evident: Die Probanden führten mit Personen aus dem sozialen Umfeld vorwiegend Vergleiche auf Augenhöhe durch, wohingegen Aufwärtsvergleiche selten waren. Im Falle von Medienfiguren aus dem Fernsehen überwiegen hingegen Aufwärtsvergleiche. Vergleiche mit Medienpersonen sind besonders hinsichtlich der Dimension Aussehen bzw. Attraktivität von Interesse (für einen Überblick vgl. Levine & Murnen, 2009; Grabe et al., 2008; Groesz et al., 2002). Dabei wird das massenmedial vermittelte Körperbild von idealtypisch schönen Darstellungen dominiert (für einen Überblick vgl. Blake, 2015). Werden diese verzerr- ten Darstellungen von Schönheit als Bewertungsmaßstab für die eigene Person herange- zogen, ist vorwiegend von Aufwärtsvergleichen auszugehen (vgl. Kapitel 2.3). Diesen Erkenntnissen entsprechend liegt der Fokus des geplanten Forschungsvorhabens dieser Arbeit auf aufwärtsgerichteten Vergleichsprozessen und deren Folgen.

Wie die bisherigen Ausführungen bereits andeuten, können aus sozialen Vergleichen verschiedene Wirkungen resultieren. Unabhängig von der Vergleichsrichtung, können diese sowohl einen positiven als auch negativen Effekt auf das Selbst haben. Ebenso sind die Vergleichsfolgen von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig, auf die im Weiteren näher eingegangen werden soll.

2.1.3 Vergleichsfolgen – Erreichbarkeit als Schlüsselvariable

Sowohl in der sozialen Umwelt als auch in den Medien werden Menschen stets mit ei- ner Vielfalt an Personen konfrontiert, mit denen sie sich vergleichen. Dies dient ihrer Selbstevaluation, ihrer Selbstverbesserung und ihrer Selbstwertdienlichkeit. Wird der Vergleich aus einem Motiv heraus initiiert, werden damit also von Beginn an bestimmte Folgen angestrebt. Aufgrund der Vielzahl an Vergleichspersonen, mit denen Menschen täglich in Kontakt kommen, können allerdings auch spontane und unbewusste Verglei- che geschehen, deren Folgen genauso differenziert und komplex sind.

Wood (1996, S. 521) beschreibt die Folgen des Vergleichs als „Reaktionen“, womit sie bereits impliziert, dass diese nicht zum Vergleichsprozess selbst gehören, sondern tat- sächlich erst in Folge dessen auftreten. Nach Wood (1996) lassen sich drei Arten von Vergleichsfolgen differenzieren: kognitive, affektive und konative. Soziale Vergleiche können sich folglich auf die Kognition (kognitiv) auswirken, also etwa die Wahrneh- mung, Gedanken und Meinungen beeinflussen, in emotionalen Reaktionen (affektiv) enden sowie sich in veränderten Handlungsintentionen oder tatsächlichem Handeln (ko- nativ) äußern. Im Rahmen dieser Untersuchung stehen Vergleiche mit medialen Kör- perdarstellungen im Fokus. Bevor die bisherigen empirischen Befunde zu den Folgen dieser Vergleiche vorgestellt werden, sollen zunächst die grundlegenden Mechanismen beschrieben werden, auf die sich die verschiedenen Reaktionen aus sozialen Verglei- chen zurückführen lassen und welche Faktoren bzw. Prädispositionen dabei eine beson- dere Rolle spielen.

Mussweiler führte in diesem Zusammenhang einige Studien durch, die dahingehend als richtungsweisend gelten (z.B. Mussweiler, 2003; Mussweiler et al., 2004b, vgl. auch Corcoran et al., 2011). Er identifizierte darin zwei Faktoren, die für die Vergleichsfol- gen ausschlaggebend sind: die Ähnlichkeit zur Vergleichsperson sowie die Erreichbar- keit des Standards (Mussweiler, 2003; Mussweiler et al., 2004b). Nach dem Selective Accessibility Model (Mussweiler, 2003) ist zunächst das Selbstwissen entscheidend, zu welchen Reaktionen es durch Vergleiche kommt. Je nachdem, ob der Vergleichsstan- dard als ähnlich oder unähnlich eingeschätzt wird, kann der Vergleich zu einer Annähe- rung an den Vergleichsstandard oder einer Entfernung davon führen. Werden die Ähn- lichkeiten fokussiert, kommt es zur Assimilation (Mussweiler, 2003). Bei aufwärtsge- richteten Vergleichen führt sie zu einer positiveren Einschätzung des fokussierten Merkmals des Selbst (Mussweiler et al., 2004b). Fühlen sich Individuen im Umkehr- schluss hinsichtlich des interessierenden Attributs zur Vergleichsperson unähnlich und fokussieren die Unterschiede, tritt eher ein Kontrasteffekt auf: Das interessierende Merkmal erscheint in größerer Distanz zur Vergleichsperson (Mussweiler, 2003; Mussweiler et al., 2004b). Bei Vergleichen mit besser gestellten Personen resultiert dar- aus folglich eine Abwertung der eigenen Fähigkeiten. Je ähnlicher dem Individuum die Vergleichsperson also erscheint, desto eher kommt es zur Assimilation. Ein Kontrastef- fekt ist wahrscheinlicher, wenn die Vergleichsperson Unähnlichkeiten aufweist, also beispielsweise einer Outgroup angehört (Corcoran et al., 2011; Mussweiler, 2003).

Ob ein Assimilations- oder Kontrasteffekt auftritt, richtet sich weiterhin stark nach der wahrgenommenen Erreichbarkeit des Vergleichsstandards (Mussweiler et al., 2004b; vgl. auch Blanton, 2001; Lockwood & Kunda, 1997). Je nachdem, wie erreichbar der Standard der Vergleichsperson für das Individuum eingeschätzt wird (das heißt, wie möglich es ihm erscheint, den Zustand bzw. die Fähigkeit der Vergleichsperson in Zu- kunft selbst erreichen zu können), kann der Vergleich unterschiedliche Konsequenzen nach sich ziehen. Wird eine Person mit einer hinsichtlich der interessierenden Dimensi- on höher geschätzten Vergleichsperson konfrontiert, kann diese beispielsweise Inspira- tion oder Motivation erfahren, wenn sie glaubt, dem Vorbild erfolgreich nacheifern zu können (Lockwood & Kunda, 1997; Mussweiler et al., 2004b; vgl. auch Joshi et al., 2004; Mills et al., 2002). Diese positiven Gefühle können jedoch nicht entstehen, wenn die sich vergleichende Person annimmt, den begehrten Standard nicht selbst erreichen zu können. Im Falle der Unerreichbarkeit führt der Vergleich damit zu einem Kontrast- effekt (Lockwood & Kunda, 1997). Desto unwahrscheinlicher es dem Individuum er- scheint, das Niveau der Vergleichsperson zu erreichen und je extremer die Distanz zum Gegenüber ist, desto eher entsteht ein Kontrasteffekt. Wenn der Standard hingegen mo- derater ist und die Erreichbarkeit dessen als möglich erscheint, ist es wahrscheinlicher, dass der Vergleich in einer Assimilation resultiert (Mussweiler, 2003). Insbesondere bei aufwärtsgerichteten Vergleichen mit medialen Schönheitsdarstellung ist die Erreichbar- keit bedeutsam, wie frühere Forschungsarbeiten nahelegen (Joshi et al., 2004; Mills et al., 2002). Die wahrgenommene Erreichbarkeit kann darin als Schlüsselvariable dafür angesehen werden, ob assimilative oder kontrastive Vergleichsreaktionen entstehen (vgl. Blake, 2015; Lockwood & Kunda, 1997; Peter, 2016). Einige Autoren identifizier- ten in diesem Zusammenhang den Diätstatus als wichtige Moderationsvariable, über die sich die wahrgenommene Erreichbarkeit bestimmen lässt (für eine Übersicht vgl. Blake 2015; Joshi et al., 2004; Mills et al., 2002). Diese Studienergebnisse zeigen beispielwei- se, dass mediale Schönheitsdarstellungen bei diätenden Frauen, konträr zu den anderen Rezipientinnen, sogar in positiven Folgen wie einem besseren Körperbild resultieren können (Joshi et al., 2004). Dies lässt sich über die erhöhte Kontrollüberzeugung erklä- ren: Personen, die sich in einer Diät befinden, arbeiten bereits aktiv daraufhin, ihr Ge- wicht zu senken oder etwas an ihrem Aussehen zu verändern. Sie müssen demnach be- reits überzeugt sein, dass sie in der Vergleichsdimension Aussehen etwas an sich ändern können (erhöhte Kontrollüberzeugung). Für sie müsste folglich die wahrgenommene Erreichbarkeit, also beispielsweise das Ziel eine schlanke Figur zu bekommen, deutlich stärker sein, als bei Personen, die keine Diät halten. Abhängig vom Diätstatus können Vergleiche mit Körperidealen also zu unterschiedlichen Reaktionen führen (vgl. auch Kapitel 2.3.1). Ausgehend von den Voraussetzungen eines jeden Individuums können Vergleiche positive oder negative Konsequenzen nach sich ziehen. Denn für die Folgen sozialer Vergleiche ist, wie diese Ausführungen nochmals verdeutlichen, immer die Bewertung des eigenen Selbst im Vergleich mit dem Standard ausschlaggebend.

2.2 Diskrepanzen im Kontext sozialer Vergleiche

Eine weitere Erklärung für die (negativen) Auswirkungen aufwärtsgerichteter Verglei- che kann auch die Theorie der Selbstdiskrepanz von Higgins (1987, 1989) liefern. Diese Theorie lässt sich in den Bereich der Selbstkonzeptforschung einordnen und behandelt die kognitive Selbstwahrnehmung von Individuen (z.B. Amelang, Bartussek, Stemmler & Hagemann, 2006; Frey & Haußer, 1987). Das Selbstkonzept umfasst unter anderem Vorstellungen, Gedanken und Meinungen eines Individuums über seine eigene Person (Amelang et al., 2006). Nach Higgins (1987, 1989) lassen sich drei grundlegende Vor- stellungsdimensionen über das Selbst unterscheiden: das Real-Selbst, das Ideal-Selbst und das normative Selbst. Diese Selbstvorstellungen stellen jeweils Teilbereiche des Selbstkonzepts dar, die sich wiederum auf verschiedene Bereiche der Identität wie das Aussehen oder bestimmte Fähigkeiten richten können (Kuhlmann & Hoppe, 2012). In Übereinstimmung mit anderen Konsistenztheorien wie der Theorie der kognitiven Dis- sonanz (Festinger, 1957) postuliert die Selbstdiskrepanz-Theorie, dass Individuen eine möglichst große Übereinstimmung dieser drei Selbstkonzeptkomponenten anstreben (Higgins, 1987). Diese Vorstellungen über die eigene Person können jedoch, etwa auf- grund äußerer Einflüsse, miteinander in Konflikt geraten. Wenn die verschiedenen Selbstvorstellungen nicht übereinstimmen, kommt es zu einem Spannungszustand zwi- schen den jeweiligen Komponenten des Selbst. Dieser Zustand wird als Selbstdiskre- panz bezeichnet (Higgins, 1987, 1989). Wie es dazu kommt und wie sich dieser Span- nungszustand wiederum auf das Individuum auswirkt, soll nun anhand der verschiede- nen Selbstkonzeptkomponenten näher erläutert werden. Anschließend werden Diskre- panzen im Kontext sozialer Vergleiche diskutiert.

2.2.1 Die Dimensionen des Selbst

Als Real-Selbst (bei Higgins „actual self“) werden die Vorstellungen über den aktuellen Zustand der eigenen Person bezüglich der verschiedenen Selbstkonzeptdimensionen verstanden (Higgins, 1987, 1989). Das Real-Selbst beschreibt damit den „Ist-Zustand“ – die Selbstwahrnehmung einer Person zu einem gegebenen Zeitpunkt bezüglich be- stimmter Dimensionen (Higgins, 1987). Es kann auch als „Selbstbeurteilung“ oder „Selbstbewertung“ der eigenen Person beschrieben werden (Kuhlmann & Hoppe, 2012). Als wesentliche Quellen für die Selbstbeurteilung dienen die Beobachtung des eigenen Verhaltens, das Nachdenken über das eigene Verhalten, die Interaktion mit An- deren sowie der Vergleich mit anderen Personen (Amelang, et al., 2006). Indem Indivi- duen mit ihrer Umwelt interagieren, erhalten sie stets neue selbstbezogene Informatio- nen, welche die Einschätzung ihres Real-Selbst beeinflussen können. Die Vorstellung des aktuellen Selbst wird demzufolge kontinuierlich angepasst (Higgins, 1987).

Das Ideal-Selbst („ideal self“) dagegen beschreibt den Zustand, den Personen bezüglich verschiedener Fähigkeiten und Eigenschaften zu besitzen hoffen. Es bezeichnet also die Idealvorstellungen des Individuums hinsichtlich der verschiedenen Selbstkonzeptdi- mensionen wie etwa dem Aussehen oder bestimmter Fähigkeiten (Higgins, 1987, 1989). Das Ideal-Selbst spiegelt damit vorrangig die Hoffnungen, Ziele und Wünsche des Indi- viduums das eigene Selbst betreffend wider (Higgins, 1987). Es kann dem Individuum somit als Leitlinie dienen, vor allem in Bezug auf Eigenschaften und Merkmale, die ihm besonders wichtig sind (Higgins, 1987; vgl. auch Kuhlmann & Hoppe, 2012). Das Ide- al-Selbst wird durch äußere Einflüsse geprägt: soziale Normen, gesellschaftliche Werte, die Erziehung und auch Peers beeinflussen, wie das Individuum gerne etwa hinsichtlich bestimmter Fähigkeiten sein oder wie es gerne aussehen würde (Higgins, 1987).

Ebenso wird das normative oder geforderte Selbst („ought self“) von Individuen primär durch gesellschaftliche Standards beeinflusst. Denn es beschreibt die Vorstellung da- von, wie das Individuum aus eigener Sicht aufgrund der von der Gesellschaft geforder- ten Standards, wie Werte und Normen, sein sollte (Higgins, 1987). Im Gegensatz zu Real- und Ideal-Selbst wird das normative Selbst stärker über die Fremdwahrnehmung geformt, indem Individuen sich selbst „durch die Augen einer anderen Person“ betrach- ten (Steins, 2007, S. 20). Fremdwahrnehmung bezeichnet also „die vermeintliche Wahrnehmung der eigenen Person durch Andere“ (Blake, 2015, S. 93). Mit den Ande- ren verweist Higgins (1987, S. 333) auf sogenannte „significant others“, für das Indivi- duum wichtige Personen wie Familienmitglieder oder Peers. Die normative Selbstvor- stellung wird vorwiegend durch solche Andere geprägt. Der wesentliche Mechanismus des normativen Selbst ist somit das Bestreben von Individuen, anderen Menschen zu gefallen oder ihre Wertschätzung zu erhalten. In Verbindung damit stehen vorrangig die Verpflichtungen, das Verantwortungsgefühl und die Anforderungen an das eigene Selbst, die das Individuum Anderen gegenüber verspürt. Demnach dient auch das Soll- te-Selbst dem Individuum entsprechend als Leitlinie (Higgins, 1987).

In Bezug auf die Dimension Aussehen stellen die Medien eine besonders wichtige In- formationsquelle für die Selbsteinschätzung von Individuen dar (vgl. Kapitel 2.3). Denn ein Großteil der Informationen darüber, was überhaupt als gesellschaftlicher Schön- heitsstandard angesehen werden kann und welche Schönheitsideale oder Lebensweisen als anzustrebend gelten, werden durch die Medien vermittelt (z.B. Boepple et al., 2016; Schemer, 2003). Insbesondere hinsichtlich des Köpergewichts bzw. der Körpergestalt kann das Selbstkonzept beeinflusst werden. Im Gegensatz zu anderen Aspekten der Körpererscheinung (etwa der Augenfarbe) wird allgemein angenommen, dass Individu- en ihr Aussehen weitgehend selbst kontrollieren können (Tiggemann & Rothblum, 1997). Indem Individuen, etwa durch die Mediennutzung, mit ihrer sozialen Umwelt interagieren, werden auch die verschiedenen Bestandteile des Selbstkonzepts immer wieder neu evaluiert. Sowohl Einschätzungen des Real-Selbst, aber auch Idealvorstel- lungen und normative Ansprüche an das Selbst können sich dadurch verändern. Ver- kehrt das Individuum etwa in einem Freundeskreis, in dem die Menschen viel Wert auf ihr Äußeres legen, dürften sich diese Werte auch in der Wahrnehmung des Individuums kundtun. In diesem Fall könnte sich beispielsweise die Idealvorstellung (Ideal-Selbst) der fundamentalen Bedeutung von äußerlicher Attraktivität verändern, wie auch die Vorstellungen von den Erwartungen der Anderen (normatives Selbst) an ihr Aussehen. Geraten diese Selbstvorstellungen mit ihrer eigenen Selbstbewertung (Real-Selbst) in Konflikt, kommt es zu einer Diskrepanz. Es können sowohl Real-Ideal- Selbstdiskrepanzen als auch Diskrepanzen zwischen Real-Selbst und normativem Selbst entstehen (Higgins, 1987). Diese Spannungszustände werden vom Individuum als un- angenehm wahrgenommen und führen in der Folge zu negativen Emotionen oder Zu- ständen (Higgins, 1987). Der Selbstdiskrepanz-Theorie von Higgins (1987, 1989) nach belastet eine Person also nicht die negative Ausprägung eines Merkmals oder einer Fä- higkeit, sondern erst der Spannungszustand zwischen den verschiedenen Teilen des Selbstkonzepts. Je stärker die Inkonsistenz in der Wahrnehmung zwischen dem Real- Selbst und dem Ideal-Selbst bzw. dem Sollte-Selbst ist, desto stärker ist die jeweilige Diskrepanz (Higgins, 1987). Diese belastet Personen außerdem umso stärker, je größer die subjektive Wichtigkeit des jeweiligen Bereichs ist, in dem die Dissonanz auftritt (Higgins, 1989; Moretti & Higgins, 1990). Stimmen Vorstellungen von Ideal- und aktu- ellem Selbstbild nicht überein, führt dies nach Higgins (1987) zu Gefühlen von Unzu- friedenheit, wie Frustration, Traurigkeit oder Enttäuschung, da die Hoffnungen und Wünsche an sich selbst nicht erfüllt werden. Empfindet das Individuum Diskrepanzen zwischen seinem geforderten Selbst und Real-Selbst (das heißt, den Erwartungen nicht zu entsprechen, die das Individuum glaubt in seinem Umfeld wahrzunehmen), entstehen primär Emotionen von Niedergeschlagenheit, wie Angst, Scham oder Ärger (ebd.). Die- se Gefühle sind damit verbunden, dass es denkt, dass sein Selbst in der Meinung, im Ansehen oder in der Wertschätzung der Anderen gesunken ist. Auch der Selbstwert, also der emotionale Aspekt der Selbstbewertung, hängt von den wahrgenommenen Dis- krepanzen ab (Moretti & Higgins, 1990).

Folgt man Higgins (1987, 1989) weiter, ist anzunehmen, dass Individuen dazu motiviert sind, diesen Spannungszustand wieder zu verringern. Diese Vorstellung gleicht der im Rahmen der Theorie sozialer Vergleichsprozesse von Festinger (1954) aufgestellten Hypothese, dass Individuen sich selbst stets verbessern wollen. Diskrepanzen können demnach als Motivation dienen, den aktuellen Zustand zu verändern. Higgins (1989) geht davon aus, dass Menschen hierbei versuchen, ihr aktuelles Selbst an das Ideal- oder das normative Selbst anzupassen. Um beim konkreten Beispiel der Attraktivität zu blei- ben: Verspürt das Individuum aufgrund äußerer Einflüsse eine Dissonanz, wird es ver- mutlich eher versuchen sein Aussehen ins Positive zu verändern, als seine Einstellung anzupassen und den Bereich als unwichtiger einzuschätzen (Peter, 2016).

2.2.2 Diskrepanzen als Folge sozialer Vergleiche

Soziale Vergleiche liefern dem Individuum als äußere Einflüsse weitere Informationen bezüglich der verschiedenen Selbstkonzeptbereiche. Schließlich erfahren Personen et- was Neues über den Status ihrer eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften, indem sie sich mit anderen vergleichen (Festinger, 1954). Diskrepanzen zwischen den Komponenten des Selbst und soziale Vergleichsprozesse bilden eine Art Wechselwirkung: Bestehende Selbstdiskrepanzen können dazu beitragen, dass Individuen gezielt bestimmte Ver- gleichsstandards suchen, etwa aus dem Motiv der Selbstverbesserung oder der Selbst- wertdienlichkeit heraus (Festinger, 1954). So suchen Menschen beispielsweise gezielt nach Abwärtsvergleichen, wenn sie sich in ihrem Selbstwert bedroht fühlen (Hakmiller, 1966). Diskrepanzen können dabei nicht nur die Wahrscheinlichkeit, ob es zu einem Vergleich kommt, sondern auch das Ausmaß der Wirkung beeinflussen: Im Hinblick auf das Körperselbstbild stellte etwa Bessenoff (2006) fest, dass Frauen, die diesbezüg- lich größere Diskrepanzen hatten, durch die Rezeption von Werbeanzeigen mit dünnen Model negativer beeinflusst wurden. Bei ihnen führten Vergleiche zu größeren Sorgen um das eigene Gewicht, einer negativeren Stimmung, einem geringeren Selbstwert und mehr Gefühlen von Depression, als bei denen, die schwächere Diskrepanzen hatten.

Gleichzeitig können Diskrepanzen auch durch soziale Vergleichsprozesse beeinflusst werden (z.B. Ahadzadeh, Sharif & Ong, 2017, Arendt, Peter & Beck, 2016; Thompson et al., 1999). Denn die neuen Informationen bezüglich des Selbst, die durch soziale Vergleiche aufgenommen werden, können ideale und normative Selbstkonzeptvorstel- lungen des Individuums verändern (Vartanian, 2012). Auf diese Weise werden wiede- rum die Diskrepanzen zum Real-Selbst verstärkt oder verringert (vgl. Blake, 2015; Thompson et al., 1999; Vartanian, 2012). Bislang werden Diskrepanzen als Folge sozia- ler Vergleiche vor allem im Kontext der Forschung zur negativen Wirkung idealisierter Körperdarstellungen untersucht (Blake, 2015; Vartanian, 2012). Hierbei werden insbe- sondere Real-Ideal-Diskrepanzen fokussiert: Zum Teil wird das Ausmaß der Differenz zwischen köperbezogenen Ideal- und Realeinschätzung von Probanden direkt als Unzu- friedenheit mit dem eigenen Körper interpretiert (für eine Übersicht vgl. Blake, 2015; Myers & Biocca, 1992; Thompson & Gray, 1995). Diese Gleichsetzung folgt jedoch nicht ganz der Perspektive der Selbstdiskrepanz-Theorie (Higgins, 1987, 1989), denn es wird ein wesentlicher Schritt übersprungen: Der Theorie zufolge sind Selbstdiskrepan- zen ein kognitiver Prozess, der durch die Dissonanz zwischen zwei Selbstkonzeptkom- ponenten entsteht. Erst die Diskrepanzen lösen die bestimmten emotionalen Reaktionen aus. So entspricht die Körperunzufriedenheit einer Wirkung in Folge der entstandenen Diskrepanz. Die verschiedenen Selbstkonzepteinschätzungen nehmen folglich vielmehr eine mediierende Funktion ein, die ebenfalls bereits wissenschaftliche belegt ist (z.B. Ahadzadeh,et al., 2017; Arendt et al., 2016; Bond, 2015). So konnten Arendt und Kol- legen (2016) zeigen, dass Idealvorstellungen des Selbst einen Mediator für die Intensität sozialer Vergleichsprozesse darstellen. Sahen die Probanden vor dem Vergleich mit idealisierten medialen Körperdarstellungen ein Aufklärungsvideo über die künstliche Natur medialer Schönheit, erfolgte eine realistischere Einschätzung ihres Ideal-Selbst. Dies reduzierte wiederum das Ausmaß, in dem sie sich mit den Models verglichen. Für den Einfluss auf das Real- und das normative Selbst konnte die Studie keinen Nachweis liefern. Die Autoren gehen jedoch davon aus, dass die normative Selbsteinschätzung im Rahmen sozialer Vergleiche mit medialen Körperdarstellungen ebenfalls eine Rolle spielen könnte und verweisen auf weiteres Forschungspotential in diesem Bereich. Dass Selbstdiskrepanzen zwischen Ideal- und Real-Selbst die Folgen sozialer Vergleiche auf Instagram mediieren, stellten etwa Ahadzadeh und Kollegen (2017) fest: Je größer der durch die Mediennutzung ausgelöste Spannungszustand zwischen den Selbstkonzept- komponenten bei den Rezipientinnen war, desto negativer wirkte sich dies auf ihre Kör- perzufriedenheit aus.

Warum soziale Vergleiche mit medialen Schönheitsidealen eine so hohe gesellschaftli- che und wissenschaftliche Relevanz haben und zu welchen Folgen sie führen können, soll nun anhand des aktuellen Forschungsstands diskutiert werden.

2.3 Soziale Vergleiche im Medienkontext

Die Menschen der westlichen Gesellschaft verbringen tagtäglich einen zunehmenden Anteil ihrer Zeit mit Medien (Engel & Breunig, 2015). Die herausragende Stellung der Medien im Alltag der Menschen ist daher auch in der kommunikationswissenschaftli- chen Forschung unumstritten (Peter et al., 2012). Auch im Rahmen der Identitätsarbeit von Individuen nehmen die Medien als wichtige Sozialinstanz eine zentrale Rolle ein (z.B. Grabe et al., 2008; Schorb, 2014). Sie liefern den Menschen eine Vielzahl an neu- en Informationen und prägen darüber hinaus das Bild, das Menschen über die Gesell- schaft und deren Werte und Normen haben. Während der Mediennutzung werden Indi- viduen unumgänglich mit einer Vielzahl potentieller Vergleichspersonen konfrontiert (vgl. Peter et al., 2012; Schemer, 2007). Aufgrund der mannigfaltigen Vergleichsmög- lichkeiten, die Medien bieten, wenden sich die Menschen gleichzeitig zunehmend aktiv an sie, um etwa Aussehens- und Verhaltensstandards zu bestimmen (Boepple et al., 2016). Junge Frauen im Speziellen orientieren hinsichtlich des Aussehens an den medial präsentierten Stars und Models (Grogan, 1999). Aus diesem Grund ist die wissenschaft- liche Auseinandersetzung mit Vergleichen im Medienumfeld von besonderer Bedeu- tung. Im Folgenden soll zunächst der aktuelle Forschungsstand zu sozialen Vergleichen mit medialen Schönheitsidealen zusammengefasst werden. Da insbesondere junge Men- schen zunehmend auch Onlinemedien und vor allem soziale Netzwerke nutzen, sollen auch die Besonderheiten von sozialen Vergleichen in diesem Kontext erläutert werden. Zudem soll das neue Schönheitsideal – der in den sozialen Medien und heute auch in den klassischen Medien zunehmend repräsentierte schlanke, aber im Vergleich zu den herkömmlichen Models muskulösere, weibliche Körper (z.B. Boepple et al., 2016; Tig- gemann & Zaccardo, 2015; Reade, 2016) – vorgestellt und die ersten Erkenntnisse zur Wirkung dieser Darstellungen auf die Rezipientinnen beschrieben werden.

2.3.1 Vergleiche mit dem dünnen Schönheitsideal

Das in den Massenmedien dominierende Körperbild ist das von idealtypisch schönen und attraktiven Personen, die im Laufe der Zeit zunehmend schlanker geworden sind (Blake, 2015; Schemer, 2003). Schlankheit und Jugendlichkeit sind allgemein die be- tontesten Attraktivitätsmerkmale (Blake, 2015). Die Medien präsentieren entsprechend ein typischerweise unrealistisches Ideal weiblicher Schönheit (Schemer, 2003). Empiri- sche Daten belegen gleichzeitig eine zunehmende Verbreitung von Essstörungen wie Magersucht und Bulimie in der Gesellschaft, die mit einem gestörten Körperbild und extremer Schlankheit in Verbindung stehen (Statista, 2016; vgl. auch Schemer, 2003). Für diese Entwicklung werden mitunter die Medien verantwortlich gemacht: Es wird allgemein befürchtet, dass die mediale Überrepräsentation der meist sehr schlanken Vorbilder zur Körperunzufriedenheit beiträgt und als Auslöser von Essstörungen fun- giert (Grabe et al., 2008; Harrison & Cantor, 1997; Myers & Crowther, 2009; Schemer, 2003; Thompson et al., 1999).

Hauptsächlich bei Rezipientinnen wird diese negative Wirkung befürchtet: Denn ihr Selbstwertgefühl ist im Vergleich zu dem von Männern stärker von der körperlichen Erscheinung und dem Feedback ihres sozialen Umfelds dazu abhängig (Roth, 1998). Insbesondere Frauen sehen sich durch die steigende gesellschaftliche Bedeutung ihrer physischen Attraktivität und diese mediale Überrepräsentation zunehmend dem Druck ausgesetzt, diesem Schlankheitsideal selbst entsprechen zu müssen (vgl. Grogan, 1999; Schemer, 2007; Tiggemann & McGill, 2004). Gleichzeitig ist in der westlichen Gesell- schaft ein allgemeiner Anstieg des Körpergewichts zu beobachten (OECD, 2012). Das von den Massenmedien vermittelte stark idealisierte und dünne Schönheitsideal ist demnach für die meisten Frauen nicht erreichbar (Schemer, 2007). In der Folge werden solche Vergleiche meist als „überlegen“ wahrgenommen, sind vorwiegend aufwärtsge- richtet und fallen kontrastiv aus (vgl. Döring, 2013; Tiggemann & McGill, 2004).

Aufgrund der hohen gesellschaftlichen Relevanz ist ein Großteil der Forschung zur Wirkung sozialer Vergleiche auf die Dimension Aussehen bzw. Attraktivität gerichtet (für eine Übersicht vgl. Blake, 2015). Im Fokus stehen dabei vorwiegend die kognitiven und affektiven Auswirkungen von aufwärtsgerichteten Vergleichen mit Körperidealen in den Medien (z.B. Kim & Lennon, 2007) und der Werbung (z.B. Petersen, 2005; Tig- gemann & McGill, 2004) auf die Rezipientinnen. Empirische Untersuchungen zeigen, dass diese tatsächlich zur Unzufriedenheit mit dem eigenen Aussehen führen und zu einem negativen Körperbild der Rezipientinnen beitragen können (Bessenoff, 2006; Groesz et al., 2002; Petersen, 2005; Tiggemann & McGill, 2004). Auch eine aus der Rezeption resultierende Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls (z.B. Bessenoff, 2006; Grabe et al., 2008) und schlechtere Stimmung (z.B. Bessenoff, 2006; Tiggemann & McGill, 2004) wurde wiederholt bestätigt. Diese negativen Effekte sind für junge Frau- en am stärksten (Groesz et al., 2002; Levine & Murnen, 2009). Es gibt allerdings auch Studien, die geringe oder sogar eine Abwesenheit der Nachwirkung von Vergleichen mit medialen Körperidealdarstellungen feststellten (z.B. Champion & Furnham, 1999; Holstrom, 2004, vgl. auch Levine & Murnen, 2009).

Im direkten Widerspruch zur Intition konnten andere Studie daneben positive Effekte solcher Aufwärtsvergleiche nachweisen, wie etwa eine Verbesserung der Körperzufrie- denheit oder eine Steigerung des Selbstwertgefühls (Joshi et al., 2004; Mills et al., 2002). Dieser Effekt lässt sich, wie theoretische Überlegungen andeuten, primär auf die Schlüsselvariable „wahrgenommene Erreichbarkeit“ zurückführen (vgl. Kapitel 2.1.3). In den Studien von Mills und Kollegen (2002) und Joshi und Kollegen (2004) zeigte sich, dass der Diätstatus der Teilnehmerinnen für die Art der Vergleichsfolgen aus- schlaggebend war. Die Rezeption attraktiver und schlanker Models in den Medien führ- te nur bei den Frauen zu positiven Auswirkungen wie einer besseren Stimmung und einem erhöhten Selbstwertgefühl, die sich in einer Diät befanden. Hier ist also von ei- nem Assimilationseffekt auszugehen: Aufgrund der erhöhten Kontrollüberzeugung in Folge der Diät fühlten sich die Teilnehmerinnen überzeugter, selbst das Vergleichsideal erreichen zu können. Dieser positive Effekt verstärkte sich, wenn die Erreichbarkeit gezielt betont wurde, indem die Forscher darauf hinwiesen, dass Diäten tatsächlich er- folgreich sind (Mills et al., 2002). Übereinstimmend konnten Knobloch-Westerwick und Romero (2011) zeigen, dass die Betonung der Erreichbarkeit idealisierter Körper- darstellungen bei Frauen mit geringer Körperzufriedenheit zu einer wiederholten Aus- setzung von Werbeanzeigen mit schlanken Models führte. Eine weitere positive Wir- kung von Vergleichen mit medialen Schönheiten fanden Tiggemann und Zaccardo (2015): Die Versuchspersonen hatten nach der Betrachtung athletischer Körperidealbil- der zwar eine geringere Körperzufriedenheit und negativere Stimmung als die der Kon- trollgruppe, jedoch gaben sie daneben an, ein Gefühl der Inspiration zu verspüren. Sie fühlten sich motivierter, ihre Fitness verbessern und sich gesünder ernähren zu wollen. Der Vergleich beeinflusste also auch das intendierte Verhalten der Probandinnen.

Insgesamt gibt es zu den konativen Folgen von Vergleiche bislang nur wenige wissen- schaftliche Untersuchungen. Sohn (2010) etwa erforschte das Bedürfnis, das Aussehen nach der Betrachtung von medialen Körperidealen verändern oder einen Besuch im Fit- nessstudio planen zu wollen. Nur Gurari und Kollegen (2006) stellten eine konkrete Verhaltensveränderung fest: Die Frauen, die Werbeanzeigen mit attraktiven Models gesehen hatten, nahmen weniger bereitgestellte Snacks zu sich als die, die Werbeanzei- gen ohne Models betrachtet hatten. Diese Befunde machen deutlich, dass soziale Ver- gleiche mit medialen Schönheitsidealen durchaus auch verhaltensbezogene Folgen evo- zieren können.

Bisherige Studien haben sich vorwiegend auf die Wirkung von Körperdarstellungen in den klassischen Medien wie Printmagazinen und dem Fernsehen gerichtet (Perloff, 2014). Besonders bei jungen Frauen, für die solche Vergleiche gefährlich sein können (Groesz et al., 2002; Levine & Murnen, 2009), nimmt jedoch die Onlinenutzung in der heutigen Zeit eine immer bedeutsamere Stellung ein (z.B. Bair et al., 2012).

2.3.2 Vergleiche im Kontext sozialer Medien

Die Dauer der Internetnutzung steigt seit Jahren kontinuierlich an. Bereits 83,8 Prozent der deutschen Bevölkerung sind mittlerweile zumindest gelegentlich online (Koch & Frees, 2016, S. 420). Durchschnittlich verbringen die Deutschen rund zwei Stunden ihres Tages im Internet. Bei den jüngeren Onlinern ist die Nutzungsdauer noch höher: Gut vier Stunden sind die 14- bis 29-Jährigen täglich durchschnittlich im Netz aktiv (ebd., S. 422). Neben der Suche von Informationen über Suchmaschinen und der Kom- munikation über Instant-Messaging-Dienste wie Whatsapp verbringen Internetnutzer einen Großteil dieser Zeit auf sozialen Netzwerken, die besonders für junge Menschen attraktiv sind: Rund 50 Prozent dieser Gruppe nutzen täglich Facebooartussek, Stemmler (ebd., S. 435).

Im Vergleich zu den klassischen Medien ergeben sich bei der Nutzung solcher Platt- formen einige Besonderheiten, die auch die Bedingungen von Vergleichen verändern. Soziale Netzwerke ermöglichen die schnelle Erstellung und Verbreitung von Nachrich- ten, Bildern, Videos und anderen selbst generierten Inhalten wie Status-Updates oder Veranstaltungsankündigungen. Die Mediennutzer selbst sind damit nicht mehr nur pas- sive Beobachter, sondern können selbst aktiv Inhalte erstellen und teilen (Perloff, 2014). Diese Inhalte sind über mobile Zugänge, unabhängig von der örtlichen Lage der Rezipi- enten, jederzeit schnell und einfach verfügbar (Koch & Frees, 2016; Fardouly & Vartanian, 2016). Zudem bieten soziale Medien neue Möglichkeiten der Interaktion untereinander, etwa durch die Gefällt-mir-Markierung oder das Kommentieren von Bei- trägen anderer User. Es wird jedoch befürchtet, dass sich dies auch negativ auf das Kör- perbild der Nutzer auswirkt: „Social networking sites may provide a pervasive and in- tense form of ‚appearance conversations’ that have been shown to be associated with poorer body image“ (Tiggemann & Zaccardo, 2015, S. 62; vgl. auch Kapitel 2.4).

Weiterhin sind soziale Netzwerke deutlich personalisierter als die klassischen Medien (Perloff, 2014). So ist bereits für die Aufnahme in die Gemeinschaften die Erstellung eines persönlichen Profils des Nutzers notwendig. Jedes Community-Mitglied wird so selbst zur möglichen Vergleichsperson für andere User. Viele potentielle Vergleichsper- sonen im Netzwerk sind den Individuen somit deutlich ähnlicher und repräsentieren in Bezug auf das Aussehen weniger extreme Standards als die in den klassischen Medien vorwiegend präsentierten Stars und Models. Da Individuen Vergleiche mit ähnlichen Personen vorziehen, ist anzunehmen, dass soziale Medien Individuen ein größeres Po- tential für Vergleiche bieten (Tiggemann & Zaccardo, 2015). Vermutlich beziehen sich diese dennoch vorwiegend auf idealisierte Darstellungen, da online vorwiegend „gute“ Bilder verbreitet werden, die darin einfach digital bearbeitet und verbessert werden können (Krämer & Winter, 2008).

Erst in den letzten Jahren hat sich die Forschung verstärkt auf die Untersuchung von sozialen Vergleichen im Kontext der Social-Media-Nutzung und deren Folgen gerichtet. Studien dazu fokussieren, wie auch die zu den klassischen Medien, vorwiegend die ne- gativen Wirkungen dieser Mediennutzung auf das Körperbild der Rezipientinnen und damit in Verbindung stehende Konstrukte (für eine Übersicht vgl. Fardouly & Vartani- an, 2016; Perloff, 2014). Das in diesem Zusammenhang am häufigsten untersuchte so- ziale Netzwerk stellt Facebook dar – die Onlinecommunity mit der bislang höchsten Nutzeranzahl (Koch & Frees, 2016, S. 434). Es zeigte sich: Sehr junge Facebook- Nutzerinnen (Tiggemann & Slater, 2014), aber auch Mädchen im Jugendalter (Meier & Gray, 2014; Tiggemann & Slater, 2013) hatten im Vergleich mit Nicht-Nutzerinnen eine negativere Körperwahrnehmung. Auch die Dauer der Nutzung spielt eine Rolle: Eine höhere Nutzungsfrequenz evoziert eine negativere Wirkung (Tiggemann & Slater, 2013; Tiggemann & Slater, 2014; Tiggemann & Miller, 2010; Fardouly & Vartanian, 2015).

Neuere Befunde legen nahe, dass nicht die Nutzung an sich, sondern vielmehr bestimm- te Aktivitäten in den Onlinecommunitys problematisch sind. So stellten Meier und Gray (2014) fest, dass vor allem die Beschäftigung mit bildlichen Inhalten (z.B. das Posten, Betrachten und Kommentieren von Bildern) zu einer stärkeren Unzufriedenheit mit dem eigenen Gewicht, der Verinnerlichung von Körperidealen, dem Streben nach Schlank- heit und der Objektivierung des Selbst führte. Andere Studien bestätigten ebenfalls, dass sich die negativen Effekte der Social-Media-Nutzung auf das Körperbild hauptsächlich auf die Beschäftigung mit bildlichen Inhalten und dabei getätigte Vergleiche mit Peers zurückführen ließen (Ahadzadeh et al., 2017; Bair et al., 2012; Mabe et al., 2014).

Zwar ist unklar, ob die sozialen Medien einen stärkeren Einfluss als die klassischen Medien auf Rezipientinnen nehmen, dennoch bestärken diese Befunde, dass soziale Netzwerke – insbesondere solche, bei denen Bildinhalte im Mittelpunkt stehen – für soziale Vergleiche relevant sind und dahingehend einer tieferen wissenschaftlichen Auseinandersetzung bedürfen (z.B. Fardouly & Vartanian, 2016). Das in Deutschland meist genutzte soziale Netzwerk mit Fokus auf Bildinhalte ist die Fotocommunity Ins- tagram (Instagram, 2017a). Auf der Plattform können ausschließlich bildbasierte Inhalte geteilt werden: „Instagram dient, anders als beispielsweise Facebook, ausschließlich dem Austausch von Bildern und Videos und ähnelt so einem digitalen Poesiealbum“ (Koch & Frees, 2016, S. 435). Zur Bearbeitung der Inhalte wird den Usern eine breite Auswahl an Filtern und Werkzeugen angeboten (Sheldon & Bryant, 2016). Täglich werden rund 40 Millionen Bilder auf der Community geteilt und pro Sekunde rund 8.500 Fotos gelikt (Pein, 2014). Instagram funktioniert dadurch, dass Nutzer eigene Inhalte erstellen; ihren Community-Charakter erhält die Plattform aber erst dadurch, dass User Beiträgen anderer Mitglieder folgen und diese kommentieren und liken (ebd.). Mittlerweile sind 37 Prozent der 14- bis 29-jährigen Deutschen wöchentlich auf der Fotocommunity aktiv (Koch & Frees, 2016, S. 435), die in dieser Altersgruppe in- zwischen nach Facebook das zweitgrößte Netzwerk ist (Tippelt & Kupferschmitt, 2015). Ein Großteil der Nutzer ist weiblich (Sheldon & Bryant, 2016). Vorwiegend auf Instagram findet aktuell das athletische weibliche Körperideal Verbreitung (Boepple et al, 2016; Carrotte et al., 2015; Homan, 2010; Tiggemann & Zaccardo, 2015). Diese Medieninhalte werden allgemein unter dem Begriff „Fitspiration“ (eine Verschmelzung der Worte Fitness und Inspiration) zusammengefasst. Das darin verkörperte Frauenide- albild ist zwar nicht ganz so dünn und muskulöser als die Models, die typischerweise in Modemagazinen oder Fernsehen abgebildet werden; dennoch ist dieses Aussehen für die Mehrheit der Frauen nicht erreichbar (Homan, 2010).

2.3.3 „Fitspiration“ und das neue Körperideal in den sozialen Medien

Aktuell finden sich allein auf Instagram über 10 Millionen mit dem Hashtag1 #fitspira- tion markierte Beiträge (Instagram, 2017b). Unter diesem Hashtag werden jegliche Art von nutzergenerierten Bild- und Videoinhalten veröffentlicht, die mit einem gesunden Lebensstil und Fitness in Verbindung stehen (Goldstraw & Keegan, 2016). Das Ziel hinter diesem neuen Trend ist es, andere Nutzer bzw. Follower2 durch Bilder und moti- vierende Statements, die einen gesunden Lebensstil (z.B. gesundes Essen oder Bewe- gung) anpreisen, zu inspirieren und zu motivieren (Boepple et al., 2016; Tiggemann & Zaccardo, 2015). Diese motivierenden Texte können allgemein gehalten sein (z.B. „We don’t grow when things are easy; we grow when we face challenges“) oder sich explizit auf Fitness beziehen (z.B. „Exercise to be fit, not skinny“) (Tiggemann & Zaccardo, 2015, S. 62). Die Blogger wollen ihre Follower mit diesen Nachrichten, durch das An- preisen von Sport oder Diät, also vorwiegend dazu motivieren, ihre eigenen gesundheit- lichen oder sportlichen Ziele zu erreichen (Boepple & Thompson, 2016). Neben Bildern von gesunden Mahlzeiten, Rezepten und Tipps finden sich darunter vorwiegend Selfies der Blogger beim Training (Carrotte et al., 2015; Tiggemann & Zaccardo, 2015).

Dieses Körperideal ist, wie etwa die Inhaltsanalyse von Reade (2016) zeigt, mit dem gegenwärtigen Schönheitsideal hinsichtlich der Abbildung eines schlanken, jugendli- chen und weißen Frauenkörpers in gender-typischen Posen und Kleidung identisch. „The visibility of arm, leg, back and abdominal muscle definition on slender body sha- pes [does], however, indicate an extension upon the ideology of slenderness as the only ideal body shape criterion for women“ (Reade, 2016, S. 1). Neben Attraktivität, Schlankheit und Jugendlichkeit werden also Merkmale von „Fitness“, beispielweise sichtbare Muskeln, ein athletischer Körperbau oder ein niedriger Körperfettanteil als weitere Attraktivitätsmerkmale angesehen (Boepple et al., 2016). Das angestrebte Kör- perideal in diesem Kontext, das die meisten Blogger selbst vorleben, ist ein „extremely fit and toned body in addition to extreme thinness“ (Homan, 2010, S. 240). Beiträge, in denen dieses Körperideal präsentiert wird, müssen nicht zwangsläufig unter dem Hash- tag #fitspiration zu finden sein. Oft werden sie auch mit anderen verwandten Hashtags wie #fitspo, #fitness oder ohne eine solche Kennzeichnung auf der Fotocommunity ge- teilt. So kommt tagtäglich eine Vielzahl an Rezipientinnen mit Beiträgen zu Gesund- heits- und Fitnessthemen in Berührung – aufgrund der Beschaffenheit sozialer Medien teilweise auch unbeabsichtigt. Aktiv aufgesucht werden diese Beiträgen allerdings hauptsächlich von junge Frauen (Carrotte et al., 2015).

Nur wenige Studien haben sich mit den Folgen auseinadergesetzt, die durch Ver- gleichsprozesse mit anderen als dem klassichen schlanken Schönheitsideal entstehen. Bisherige Befunde zum neuen Körpertrend beschränken sich bislang hauptsächlich auf die USA oder Australien – die Länder, in denen sich der Trend entwickelt hat (Boepple & Thompson, 2016; Boepple et al., 2016; Carrotte et al., 2015; Tiggemann & Zaccardo, 2015). Der Fitness-Trend ist mittlerweile aber auch in Deutschland angekommen (z.B. Dulabic, 2016). Die bekannteste deutsche Fitness-Bloggerin auf Instagram, die 20- jährige Pamela Reif, etwa hat auf der Fotocommunity über 2,5 Millionen Follower (Ins- tagram, 2017c). Im Fokus dieser Arbeiten steht bislang vor allem die inhaltsanalytische Untersuchung von „Fitspiration“-Inhalten und Webseiten (Boepple & Thompson, 2016; Boepple et al., 2016; Carrotte et al., 2015; Reade, 2016). Boepple und Thompson (2016) fanden, dass ein Großteil der Beiträge auf „Fitspiration“-Webseiten Gewicht oder Dünnheit thematisieren, Fett- oder Gewichtsstigmatisierung und/oder (sexuelle) Objek- tivierung enthalten (vgl. auch Boepple et al., 2016). Sie weisen daher auf negative Ef- fekte durch die Rezeption der Inhalte hin. Eine erste experimentelle Studie zur Wirkung von „Fitspiration“-Bildern auf Instagram zeigte, dass das Betrachten von Darstellungen athletischer Körperideale im Vergleich zu Kontrollbildern (Reisefotos) zu einer negati- veren Stimmung, einer geringeren Körperzufriedenheit und geringeren Selbstwertgefüh- len in Bezug auf das eigene Aussehen der Rezipientinnen führte (Tiggemann & Zacca- rdo, 2015). Die gefundenen Effektgrößen waren stärker als in bisherigen Studien, wes- halb die Autoren eine stärkere Wirkung athletischer Körperiealdarstellung vermuten. Daneben fanden sie jedoch einen positiven Effekt: Rezipientinnen der „Fitspiration“- Körperideale fühlten sich inspirierter, ihre Fitness verbessern und sich gesund ernähren zu wollen. In einer qualitativen Befragung junger Frauen kam es zu ähnlichen Befun- den: Einige Probandinnen beschrieben, dass sie durch die Rezeption Gefühle der Inspi- ration verspürten (Goldstraw & Keegan, 2016, S. 5). Etwa die Hälfte der Teilnehmerin- nen gab allerdings auch an, dass ihr Selbstwertgefühl in Folge der Rezeption gesunken war. Auch Homan und Kollegen (2012) stellten einen negativen Einfluss von ultra- fitten Körperidealen auf die Körperwahrnehmung fest – jedoch nur bei Rezipientinnen, die Köperdarstellungen von fitten und sehr schlanken Frauen sahen. Wurden ihnen muskulöse, aber durchschnittlich schlanke Frauen gezeigt, änderte sich ihre Körperzu- friedenheit nicht. Auch bei „Fitspiration“-Körperdarstellungen scheint folglich die Dünnheit für die Wirkung eine entscheidende Rolle zu spielen. Dieser Befund bestätigte sich auch in einer Studie von Prichard und Kollegen (2015). Sie untersuchten den Ein- fluss der Funktionalität solcher Bilder: Sowohl Abbildungen aktiver Frauen (z.B. Frau beim Training) als auch nicht-aktive Körperdarstellungen (z.B. Frau posiert in Sport- kleidung) resultierten in einer gesunkenen Körperzufriedenheit und Stimmung der Re- zipientinnen. Auf Basis dieser Forschungsergebnisse ist anzunehmen, dass Darstellun- gen des athletischen Körperideals ähnliche negative sowie positive Vergleichsfolgen evozieren können wie Darstellung des typischen dünnen Schönheitsideals. In Hinblick auf den aktuell noch geringen Forschungsstand zu diesem neuen Körpertrend sowie auch in Bezug auf die besondere Form der Interaktion in sozialen Netzwerken und de- ren Auswirkungen auf soziale Vergleichsprozesse besteht jedoch noch enormes For- schungspotential.

[...]


1 Die Idee hinter der Fotocommunity ist es, Beiträge (Bilder und Videos) durch das Verwenden von Hastags (#) zu verlinken und sie so bestimmten Themen oder Worten zuzuordnen, sodass andere Nutzer sie einfach und gezielt finden können (Sheldon & Bryant, 2016).

2 Instagram bietet den Nutzern die Möglichkeit den Seiten anderer Nutzer (z.B. Stars, Models, Freunden, Fotografen, Profile zu bestimmten Themen wie Reise oder Gesundheit) zu folgen. Unter dem Begriff Follower werden alle Nutzer zusammengefasst, die einem anderen Instagram-Profil folgen bzw. dessen Beiträge sie abboniert haben. Alle Inhalte, die die Person unter seinem Profil teilt, werden dem Follower daraufhin auf der Startseite seines Instagram-Accounts angezeigt.

Excerpt out of 124 pages

Details

Title
Soziale Vergleiche auf Instagram. Wie Peer-Feedback in Kommentaren Rezipientinnen des "Fitspiration"-Körperideals beeinflusst
Subtitle
Ist fit das neue "It"?
College
LMU Munich
Grade
1,3
Author
Year
2017
Pages
124
Catalog Number
V493604
ISBN (eBook)
9783346014825
ISBN (Book)
9783346014832
Language
German
Keywords
Sozialer Vergleich, Fitspiration, Schönheitsideal, Schlankheitsideal, Diskrepanzen, Peer-Feedback
Quote paper
Anastasia Stokes (Author), 2017, Soziale Vergleiche auf Instagram. Wie Peer-Feedback in Kommentaren Rezipientinnen des "Fitspiration"-Körperideals beeinflusst, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/493604

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