Der erste Redegang Elifas' und Ijobs Entgegnung (Kapitel 4-7)


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

20 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Die erste Elifasrede (Ijob 4-5)
1. „Leid“- und „Leit“linien:
Formale und inhaltliche Eckpunkte des Redegangs
2. Grundzüge der Theologie des Elifas von Teman
3. Beziehungsebenen zwischen Elifas und Ijob

III. Ijobs Gegenrede (Ijob 6-7)
1. Reaktion und Unverständnis:
Formale und inhaltliche Eckpunkte des Redegangs
2. Entfernung und Annäherung als Reaktionen Ijobs’

IV. Ausblick

Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den ersten Dialogteil zwischen Ijob und seinem Freund Elifas von Teman (Ijob 4-7) genauer unter die Lupe zu nehmen. In der Rahmenerzählung und der sich daran anschließenden ersten Klage Ijobs treten seine Freunde auf, die von weit hergekommen sind, um ihm ihre Anteilnahme zu bezeigen und um ihn zu trösten (Ijob 2,11). Nach Tagen des Schweigens ergreift Elifas als Erster das Wort. Im Wesentlichen möchte ich hierbei der Fragestellung nachgehen, welche Ratschläge Elifas dem vom Leid gezeichneten Ijob erteilt und inwiefern sie für ihn und seine Situation lohnend und förderlich sind.

Um dieser Problematik näher zu kommen, müssen sowohl inhaltliche Strukturen der Rede wie auch Ijobs Entgegnung analysiert werden. Im Fokus sollen dabei zum einen theologische Eckpunkte des Redners und zum anderen die Beziehungsebenen der beiden Gesprächspartner stehen, um so ihr Verhältnis vielschichtig zu interpretieren. Auch muss die Reaktion Ijobs’ in seiner Gegenrede untersucht werden, um die Wirkkraft der Ratschläge zu klären.

Obwohl Elifas dem leidenden Ijob offensichtlich helfen möchte, schafft er es mit seiner Idee vom traditionellen Weisheitsdenken und dem darin enthaltenen Tun-Ergehen-Zusammenhang kaum, sich Ijob und seiner Situation anzunähern, weil Elifas’ Ratschläge nur auf das Verhalten des Frevlers, nicht aber auf den gerechten Ijob angewendet werden können. Die negative Konsequenz daraus ist eine schleichende Entfremdung bzw. langsam einsetzende Spaltung zwischen Ijob und Elifas bzw. den anderen beiden Freunden überhaupt, da ihre Aufforderungen und Redebeiträge für Ijob schlichtweg keine Hilfe darstellen. Auf der anderen Seite hat der erste Redegang aber auch einen positiven Aspekt: Durch seinen Bruch des tagelangen Schweigens und seine Aufforderung sich an Gott zu wenden ruft Elifas in Ijob ein Aktivwerden hervor, denn selbst wenn der Leidende mit dem Großteil der Ratschläge seines Freundes nicht einverstanden ist, beginnt er sich mehr und mehr Gedanken über seine Situation zu machen, diese auszusprechen und einen neuen Anhaltspunkt in seinem Sein zu finden.

II. 1. „Leid“- und „Leit“linien: Formale und inhaltliche Eckpunkte des Redegangs

In der folgenden Analyse der achtundvierzig Verse möchte ich wesentliche Funktionen des Redegangs beleuchten. Dabei sollen mit der Herausstellung der wichtigsten formalen und inhaltlichen Eckpunkte die Betonung der Ratschläge sowie die Argumentationsstruktur im Umgang mit dem Leid näher betrachtet werden, um so Elifas Gedanken besser einordnen und deren Dienlichkeit für Ijob überprüfen zu können.

Elifas, der sich die Klagen des leidenden Ijob angehört hat (Ijob 3), ergreift nun als erster das Wort. Mit einem ruhigen und rücksichtsvollen Beginn tritt er heran, um nach Tagen des Schweigens Ijob schrittweise zu begegnen. Er versucht mit seinen ersten Worten Rücksicht auf das Leid und Anteil an Ijobs Situation zu nehmen. Der Leser bemerkt aber an Elifas expliziter Bekräftigung in Vers 2b, dass es ihm ein starkes Anliegen ist, mit Ijob verbal kommunizieren zu können. Seine Intention ist also, mit dem Leidenden in einen aktiven, gleichwertigen Dialog zu treten. Diese erste Hilfsmaßnahme des Freundes, Ijob ist zudem ein typisches Muster des gesamten poetischen Teils des Ijob-Buches (Ijob 3-42,6), welches grundlegend in Dialogform angelegt ist: „Jedenfalls wird deutlich, daß (!) der Autor des Hiobbuches die Dialoge nicht nur als Lehrgespräch anlegen will, sondern auch als ein Miteinander-Reden von Menschen in ihrer je bestimmten Lage.“[1]

Elifas verweist in den nächsten beiden Versen 3 und 4 weiterhin sehr einfühlsam auf Ijobs Vergangenheit, indem er ihm verdeutlicht, wie viel Kraft er anderen gegeben hat, denen es schlecht ging und die von Leid gezeichnet waren. Mit diesem Aufzeigen seiner positiven Eigenschaften spricht er ihm zweifelsohne eine Vorbildfunktion zu. Verdeutlicht wird diese, in dem Elifas’ Beispiele stets eine Entwicklung vom Schlechten zum Guten hin beschreiben: vom Erschlaffen zur Stärke, vom Straucheln zum Aufhelfen, vom Wanken zum Halt geben. Ijob sei dafür eingestanden, dass diese Verbesserungen eingesetzt hätten.

Nach diesen Tröstungen scheint nun ein Stimmungswandel stattzufinden, denn betrachtet man den fünften Vers aus dem Kontext isoliert, kommt ihm eine Mahnungsfunktion zu; stärker gewichtet könnte er sogar als Vorwurf interpretiert werden. Elifas entwickelt aus den vorangegangen Beispielen der Fürsorge den Gedanken, dass sich Ijob aufgebe, nur weil er jetzt zum Leidenden geworden sei. So gesehen müssen diese Worte nicht gerade als aufbauend für Ijob gelesen werden. Zieht man jedoch den gleich darauf folgenden sechsten Vers hinzu, so wird der Vorwurf entkräftet, denn Elifas möchte hier nicht Ijob schaden, sondern unternimmt er den Versuch, seinem Freund mit einer rhetorischen Frage, deren Antwort aus seiner Sicht ganz sicher ‚Ja’ lauten muss, seine Hoffnung und Kraftquelle, die in Gott liegt, aufzuzeigen. Er legt hier somit sein Theologieverständnis dar, was Ijob Trost spenden soll: „[…] those who fear God and conduct themselves with moral probity will in the long term—if not at once—enjoy God’s visible favor and deliverance.”[2] Dieses Motiv der Gottesfurcht, mit der das Leiden auf kurze oder lange Sicht beendet werden wird, wird auch im Fortgang seiner Rede im Zentrum stehen, worauf ich später noch näher eingehen werde.[3]

Der einleitende Imperativ „Bedenk doch!“ (Vers 7) führt Elifas jetzt zu einer ersten Ausdeutung seines Gedankens und den Versuch Ijob damit zu erreichen. Mit zwei Fragen, die Elifas wiederum rhetorisch auffasst, steigert er sich zum nächsten Vers: „Wer Unrecht pflügt, wer Unheil sät, der erntet es auch.“ (Vers 8) Hier offenbart er den Grundsatz seines Gottverständnisses vom Tun und Ergehen, indem er sogar erstmalig das Personalpronomen „ich“ als Einleitung nutzt. Zwar verstärkt dies seine tiefe Überzeugung von der Richtigkeit dieser Aussage, doch gleichzeitig entfernt er sich hier zum ersten Mal ein Stück von Ijob: “He speaks only for himself, only out of his own experience, and yet at the same time he expects Job to accept that his experience is universally valid.“[4] Schon in diesem Vers scheint die Tendenz aufzukommen, dass Elifas’ sicherlich gut gemeinter Ratschlag den leidenden Gerechten (Ijob 1,1) nicht erreichen wird, da er sich nicht in die Situation Ijobs hineinversetzen kann. Zudem kann seine Theologie des Tun-Ergehens-Zusammenhang nicht als Begründung für Ijobs Leiden angewendet werden. Auf diese existentiellen und signifikanten Aspekt der Elifasrede werde ich im weiteren Verlauf noch näher eingehen.

Im neunten Vers führt er beispielhaft aus, was diese zu erwarten hätten, die frevelhaft handelten. Die Reaktion Gottes auf die Unrechten beschreibt der Ijob-Dichter mit dem Motiv des Zugrundegehens und verstärkt es mit einer Tautologie, um das Gewicht der Aussage zu hervorzuheben. Auch in den nächsten beiden Versen 10 und 11 setzt Elifas seine Argumentation mit Bildern aus der Fauna, hier des Löwen als stärkstem Tier, fort, die allerdings von ihrer Bedeutung her nicht klar einzuordnen sind.

Der nächste Abschnitt thematisiert einen neuen Aspekt der Rede, was nicht zuletzt am Wechsel der Sprachform zu erkennen ist. Elifas beschreibt einen Traum bzw. eine Vision, die in der Nacht über ihn kam (Vers 13). Sofort wird der Leser in eine „unheimliche geheimnisvolle Stimmung“ versetzt, indem der Ijob-Dichter mit einer Vielzahl von Vokabeln arbeitet, die einen solchen Zustand beschreiben: Flüstern (Vers 12), Grübeln und Nachsichten (Vers 13), Furcht, Zittern, Erschaudern (Vers 14) und eine flüsternde Stimme, die zu Elifas spricht (Vers 16). Vor allem das gehäufte Auftreten von Angstgefühlen lässt auf eine Prophetie schließen, die außerdem an Abrahams nächtliche Offenbarung in Genesis 15 erinnert. Clines benennt drei traditionelle Merkmale für eine Theophanie, die hier zutreffend sind. Erstens schildert der Ijob-Dichter die Präsenz eines Furchtgefühls im Menschen, zweitens zieht ein gefährlicher Sturm auf und drittens ist von einem Donnerklang zu lesen.[5]

Die Frage muss nun lauten, warum der Ijob-Dichter bzw. Elifas diese Motive in seiner Rede aufgreift und welche Rolle diese Gotteserscheinung in diesem Zusammenhang spielt. Bei genauerer Betrachtung ist zu erkennen, dass diese fünf benannten Verse allesamt auf Elifas’ rhetorische Frage in Vers 17 hinlaufen: „Ist wohl der Mensch vor Gott gerecht, ein Mann vor seinem Schöpfer rein?“ Diese Grundaussage erhält ihre Bedeutung einerseits durch den beinhalteten Parallelismus der Subjekte und Adjektivattribute, zum anderen wird sie inhaltlich durch die oben beschriebene ausladende Einleitung in ihrer Bedeutung verstärkt: „Elifas stellt Hiob eine ihm zugekommene Offenbarung als Wahrheit vor.“[6] Er argumentiert damit, um Ijob die Relation zwischen Gott und dem Menschen aufzuzeigen. Indem er die Niedrigkeit und Kleinheit des Menschen gegenüber Gott aufzeigt, stellt er das Leid, das über seinen Freund Ijob gekommen ist, als pädagogisches Instrument vor, mit dem Gott seine Menschen „erzieht“. Diese für Elifas offensichtliche Wahrheit wird in den folgenden beiden Versen noch einmal näher erläutert. Die darin enthaltenen Motive der Zerbrechlichkeit und Sterblichkeit des Menschen weisen die bekannte rhetorische Argumentationslinie ‚a maiore ad minus’ auf.[7] Von der Position des Dieners (Vers 18) über einen Lehmhausbewohner (Vers 19a) bis hin zur Motte, die im Staub zerdrückt wird, (Vers 19b) fällt der Mensch in seiner Niedrigkeit immer mehr ab.

[...]


[1] Ebach, Jürgen, Streiten mit Gott. Hiob, Teil 1, Neukirchen-Vluyn 1995, S.59.

[2] Clines, David J.A., Word Biblical Commentary. Volume 17. Job 1-20, Dallas 1989, S.123.

[3] Vgl. Ebach, Jürgen, Streiten mit Gott, S.60.

[4] Clines, David J.A., Word Biblical Commentary, S.125.

[5] Vgl. Ebd., S.131.

[6] Ebach, Jürgen, Streiten mit Gott, S.64.

[7] Vgl. Clines, David J.A., Word Biblical Commentary, S.134f.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Der erste Redegang Elifas' und Ijobs Entgegnung (Kapitel 4-7)
Hochschule
Universität Kassel  (Institut für Katholische Theologie)
Veranstaltung
Das Buch Ijob
Note
2
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V49370
ISBN (eBook)
9783638458436
ISBN (Buch)
9783638764490
Dateigröße
657 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den ersten Dialogteil zwischen Ijob und seinem Freund Elifas von Teman (Ijob 4-7) genauer unter die Lupe zu nehmen. In der Rahmenerzählung und der sich daran anschließenden ersten Klage Ijobs treten seine Freunde auf, die von weit hergekommen sind, um ihm ihre Anteilnahme zu bezeigen und um ihn zu trösten (Ijob 2,11). Nach Tagen des Schweigens ergreift Elifas als Erster das Wort...
Schlagworte
Redegang, Elifas, Ijobs, Entgegnung, Buch, Ijob
Arbeit zitieren
Tobias Kollmann (Autor:in), 2004, Der erste Redegang Elifas' und Ijobs Entgegnung (Kapitel 4-7), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/49370

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