Soziale Einzelhilfe im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD)


Term Paper, 2018

42 Pages, Grade: 1,5

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

1. Einführung in die Vorgehensweisen der Einzelhilfe
1.1 Rahmenbedingungen
1.2 Phasen der Hilfe
1.3 Vorangegangene Phase

2. Der Klientenkontakt
2.1 Einordnung des Gesprächs
2.2 Gesprächsvorbereitung
2.3 Reflektion/ Das Gespräch

3. Die folgende Phase der Hilfe

4. Case Management
4.1 Hohe Fallzahlen und hohe Arbeitsbelastung im ASD
4.2 Handlungsphasen nach Wendt
4.3 Die durchgehende Fallverantwortung im ASD
4.4 Zielfindung- und formulierung im ASD

Literaturverzeichnis

Anhang 1: Gesprächsprotokoll

Anhang 2: Genogramm Familie Maier

1. Einführung in die Vorgehensweisen der Einzelhilfe

Mary Richmond stellte die Techniken und Arbeitsweisen der sozialen Einzelfallhilfe erst- mals in ihrem Buch „Social Diagnosis“ im Jahr 1917 vor. Die soziale Einzelfallhilfe findet sich auch unter den Begriffen „soziale Einzelhilfe“ und Casework“. (BELARDI 2017, S.69) Die Funktion der sozialen Einzelhilfe besteht darin, „(…) auf Hilfe angewiesene Menschen vorbehaltslos zu akzeptieren, den Hilfeprozess individuell zu gestalten, Vertraulichkeit zu garantieren und die Beteiligung der Zielgruppe zu fördern“ (ANSEN 2009, S.385). Die so- ziale Einzelhilfe richtet sich an den Einzelnen (GALUSKE 2011, S.70) und verfolgt das Ziel, das Wohlbefinden der KlientInnen zu steigern, indem eine Ausgeglichenheit zwischen Kli- entInnen und Umwelt hergestellt wird (GALUSKE 2011, S.80).

1.1 Rahmenbedingungen

Meine Praxisphasen absolviere ich im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) im Jugendamt Künzelsau, welches dem Landratsamt Hohenlohekreis unterstellt ist. Das Landratsamt mit derzeit rund 900 MitarbeiterInnen und Auszubildenden, ist zum einen kommunale Selbst- verwaltungsbehörde des Hohenlohekreises und zugleich untere staatliche Verwaltungsbe- hörde mit einer großen Palette unterschiedlicher Funktionen. Das Jugendamt ist in die Fachdienste „Allgemeine Jugendhilfe“ bestehend aus SozialarbeiterInnen und „Rechtliche Jugendhilfe“ bestehend aus Verwaltungsfachkräften aufgeteilt.

Im Mittelpunkt der Arbeit des ASD stehen Kinder und Jugendliche, sowie die Förderung ihrer individuellen Entwicklung. Dabei steht der Schutz der jungen Menschen an oberster Stelle. Eltern und andere Erziehungsberechtigte werden bei der Ausübung ihrer erzieheri- schen Verantwortung unterstützt und von Fachkräften in vielfältigen Lebenslagen beraten. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB), primär das 4. Buch im Bereich des Familien- und Ver- wandtschaftsrechts, das Familienverfahrensgesetz (FamFG), sowie das Grundgesetz bil- den unter anderem rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen für die Arbeit im ASD. Gesetze wie bspw. das Strafgesetz, Jugendgerichtsgesetz etc. sind immer wieder in Ein- zelfällen oder besonderen Situationen relevant. (KREFT 2011, S.33f) Handlungsgrundlage für die Arbeit der Fachkräfte bildet vorrangig das achte Sozialgesetzbuch (SGB VIII). Die in diesem Gesetzbuch aufgeführten Hilfen bilden die Kernaufgaben des ASD. Die Hilfen zur Erziehung (§§27ff SGB VIII) werden von Fachkräften des ASD vermittelt und Familien dies- bezüglich beraten.

Nach §1 Abs. 1 SGB VIII hat jedes Kind, jeder Jugendliche und jeder junge Erwachsene (unter 27 Jahren) „(…) das Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“. Zunächst ist es Auf- gabe (Recht und Pflicht) der Erziehungsberechtigten, diesem Anspruch des jungen Men- schen nachzukommen (§1 Abs. 2 SGB VIII). Aus diesen Rechten und Pflichten resultiert zugleich die Pflicht für das Jugendamt als staatliche Organisation, zu prüfen, ob Erzie- hungsberechtigte den Pflichten auf Förderung, Erziehung und Entwicklung nachkommen und wenn nicht, ggf. im Rahmen ihres „staatlichen Wächteramtes“ einzugreifen (§1 Abs. 2f SGB VIII). Durch die im SGB VIII festgehaltenen Hilfen zur Erziehung (§§27ff SGB VIII) kann die Jugendhilfe den jungen Menschen und ihren Familien Hilfestellungen geben und die Entwicklung der jungen Menschen fördern (§1 Abs. 3 SGB VIII). Ein weiterer Schwer- punkt der Arbeit im ASD ist zum anderen die Stellung als staatliches Wächteramt und der damit verbundene Schutzauftrag im Bereich des Kindeswohls.

Die alltäglichen Aufgaben der Fachkräfte im ASD sind vielseitig und umfassen bspw. das Beraten, Planen, Vermitteln, Koordinieren und Begleiten der jeweiligen KlientInnen. Die auf- geführten Handlungsarten lassen sich in der Realität nicht strikt voneinander trennen. Die Arbeit der Fachkräfte im ASD ist von verschiedenen Handlungsprinzipien und Annahmen gekennzeichnet, welche der systemischen Sichtweise entsprechen. Beispielsweise wird die Vertrauensbeziehung zwischen SozialarbeiterIn und KlientIn als zentraler Faktor in der Fall- arbeit angesehen. Zudem arbeitet der ASD stark Ressourcen- und Lösungsorientiert. Statt den Fokus auf das Fehlende und die Defizite unserer KlientInnen zu legen, wird durch zahl- reiche Netzwerkkarten und Ressourcenchecklisten der Blick auf vorhandene Ressourcen und mögliche Lösungsstrategien geregelt. Zudem geht es in der Fallarbeit darum, sich an unseren KlientInnen, deren Lebenswelten und Sichtweisen zu orientieren. Sie werden als ExpertInnen ihrer Situation und Lebenswelt betrachtet.

Der vorliegende Fall befasst sich mit der dreiköpfigen Familie Maier. Die Familie wohnt in einer kleinen Wohnung in einem Blockhaus, nahe dem Bildungszentrum in Niedernhall. Familie Maier ist dem Jugendamt erst seit kurzem bekannt. Die Fallzuständigkeit liegt bei Herr Knecht, der für die Stadt Niedernhall zuständig, und zugleich Anleiter der Verfasserin ist. Familie Maier wandt sich auf Empfehlung des Schulsozialarbeiters Herr Jänicke an das Jugendamt. Es fand bereits ein Termin mit Herr Knecht, Herr und Frau Maier, Sohn Luca und der Verfasserin statt. Durch Streitigkeiten zwischen den Eheleuten wurde das Ge- spräch vorzeitig beendet. Luca besucht zurzeit die 5. Klasse am Bildungszentrum Niedern- hall. Zu Beginn dieses Schuljahres ist ein neuer Schüler (Tim) zur Klassengemeinschaft dazu gekommen. Dieser stachelt immer wieder andere Jungs der Klasse gegen Luca auf und es kommt zwischen ihnen und Luca immer wieder zu Problemen. Luca geht nicht mehr gern zur Schule und auch zu Hause häufen sich die Konflikte. Im Umgang zwischen Luca und seiner Mutter kommt es immer wieder zu Aggressionen seinerseits. Luca vergisst des Öfteren die Hausaufgaben und seine Schulmaterialien. Auch sonst scheint er im schuli- schen Bereich eher unorganisiert und ohne Struktur.

1.2 Phasen der Hilfe

Zu den Phasen der sozialen Einzelhilfe zählen die Anamnese, die sozialpädagogische Di- agnose, die Problemdefinition sowie die Intervention und die Evaluation. Die einzelnen Pha- sen des Hilfeprozesses werden nicht zwingend als aufeinanderfolgende und/ oder ge- trennte Schritte verstanden. Sie können sowohl in einer nachstehenden und getrennten Reihenfolge vorliegen, können aber auch zeitgleich stattfinden und angewandt werden. (MI- CHEL-SCHWARTZE 2002, S.121) Zudem sind die Phasen des Hilfeprozesses in Berei- chen der Sozialen Arbeit zirkulär (MÜLLER/HOCHULI-FREUND 2017, S.76).

1.3 Vorangegangene Phase

Anamnese bedeutet übersetzt „Wiedererinnerung“. Oft sind es für den Fall entscheidende Informationen, an welche sich die KlientInnen nicht erinnern. (MÜLLER/HOCHULI- FREUND 2017, S.74) „Anamnese dient dazu, den Gegenstandsbereich einer Fallbearbei- tung abzugrenzen, aber auch für vergessene Zusammenhänge zu öffnen“ (MÜLLER/HO- CHULI-FREUND 2017, S.77). Die Anamnese hat zwei grundlegende Funktionen, zum ei- nen soll sie den Rahmen und das Ausmaß des Falles mit allen relevanten Aspekten und Bereichen ungefähr begrenzen, andererseits ist es entscheidend, dass alle Möglichkeiten und Wendungen in Betracht gezogen werden und keinesfalls voreilig oder zu strikt ent- schieden wird, welche Informationen und Aspekte für die Bearbeitung des vorliegenden Falls von Relevanz sein könnten. (MÜLLER/HOCHULI-FREUND 2017, S.77).

Frau Maier hat sich telefonisch im Jugendamt Künzelsau gemeldet und wurde an Herr Knecht, den zuständigen Sachbearbeiter für Niedernhall (Wohnort der Familie) weitergelei- tet. Sie bat um ein gemeinsames Gespräch, welches im Wohnraum der Familie stattfinden sollte. Bei diesem Termin waren die Eltern Herr und Frau Maier, Sohn Luca, Herr Knecht sowie die Verfasserin anwesend. In diesem Gespräch schilderte die Familie ihre momen- tane Situation. Der Beratungstermin zuhause mit vorangegangenem telefonischem Kontakt lässt sich nach Müller zur ersten Phase der professionellen Fallarbeit, der Anamnese zu- ordnen. Hier wurden notwendige Informationen aus der Sichtweise der Eltern und zum Teil auch aus der Sichtweise von Luca geschildert. Während des Gespräches war Luca aller- dings sehr zurückhaltend und fühlte sich nicht sonderlich wohl, weswegen er nicht viel zum Gespräch beigetragen hat. (MÜLLER/HOCHULI-FREUND 2017, S.82)

Durch die Vielzahl relevanter Informationen war es Herr Knecht möglich, eine vorläufige Beurteilung der Problemlage vorzunehmen und eine mögliche Intervention zu erläutern. Die Flexiblen Hilfen als mögliche Interventionsmaßnahme wurde in diesem Gespräch bereits kurz angesprochen, bevor der Termin vorläufig aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen den Eheleuten beendet wurde. Es ist unerlässlich, dass zunächst weitere Informationen eingeholt werden, bevor eine abschließende Beurteilung möglich ist. Für das Einholen wei- terer Informationen war zum einen ein Gespräch mit dem Schulsozialarbeiter Herr Jänicke, welcher Luca aus unzähligen gemeinsamen Projekten und Unterrichtsstunden kennt und zum anderen ein erneutes Gespräch mit der Familie angedacht, bei welchem auch die Sichtweise von Luca genauer angehört werden sollte. Die Sammlung von weiteren Infor- mationen ist notwendig, um eine Fehl-Diagnose auszuschließen (REDMANN 2017, S.13). Nach jedem Gespräch ist es im ASD üblich einen Aktenvermerkt über besprochene Inhalte zu verfassen, zum einen um die SachbearbeiterInnen rechtlich abzusichern und zum ande- ren, um Vereinbarungen, wichtige Informationen und Absprachen schriftlich festzuhalten und den Hilfeverlauf zu dokumentieren.

Im Prozessschritt der Anamnese wird in der ASD-Arbeit üblicherweise ein Genogramm ge- meinsam mit der Familie angefertigt. Dieses wird der Fallakte hinzugelegt und einer (mög- lichen) späteren Bedarfserhebung angefügt. Ein Genogramm wird zur übersichtlichen Dar- stellung von Familienstrukturen und Beziehungen der KlientInnen verwendet (GISSEL- PALKOVICH 2011, S.251). Mithilfe eines Genogramms gelingt es schneller, sich in die Konstellationen innerhalb der Familie einzufinden und sich einen Überblick über mögliche Ressourcen zu verschaffen und diese ggf. aktiv in den Hilfeverlauf einzubinden (BEUHAU- SEN 2012, S.188). Während des ersten Treffens wurde ein Genogramm gemeinsam mit Familie Maier erstellt. Nach dem intensiven Gespräch mit Luca besteht nun die Möglichkeit, dieses Genogramm ggf. zu erweitern. Das Genogramm ist in Anhang 2: Genogramm Fa- milie Maier zu finden.

Wörter Teil 1: 1277

2. Der Klientenkontakt

Im folgenden Kapitel wird der Klientenkontakt erläutert, analysiert und reflektiert.

2.1 Einordnung des Gesprächs

In der professionellen Fallarbeit im ASD (wie in anderen Bereichen) ist es schwer, die ein- zelnen Phasen voneinander zu trennen (MÜLLER/HOCHULI-FREUND 2017, S.68). Des- halb würde ich das Gespräch sowohl zur Phase der Anamnese, aber vorrangig der Diag- nose zuordnen. Da dieses Gespräch einer erneuten Erläuterung der momentanen Situation sowie bestehenden Problemlagen und der weiteren Sammlung von relevanten Situationen dient.

„Soziale Anamnese heißt, einen Fall wie einen unbekannten Menschen kennenzulernen“ (MÜLLER/HOCHULI-FREUND 2017, S.116). Zu Beginn der Arbeit an einem neuen Fall ist es laut Müller „ganz normal“ nicht alle notwendigen Informationen zur Entstehung des Falls und den ausschlaggebenden Hintergründen zu habe. Entscheidend ist, mit den gewonne- nen Hintergrundinformationen vorsichtig umzugehen und keine vorschnellen Einschätzun- gen vorzunehmen. Oft versuchen wir ein Verhalten oder eine Situation in bekannte Sche- mata zu ordnen und suchen nach Erklärungen, die diese Situation oder Verhaltensweise erklären könnten. Damit wird aus der eigentlichen Anamnese schnell eine Diagnose. (MÜL- LER/HOCHULI-FREUND 2017, S.116f). Ein zentraler Aspekt der Anamnese ist es, unter- schiedliche Sichtweisen zu erlangen und diese keinesfalls voreilig zu bewerten. Die Anam- nese ist nie vollkommen abgeschlossen und kann sich in jeder Phase des Hilfeprozesses wiederfinden bzw. wiederaufgenommen werden um „Vergessenes“ in den Blick zu nehmen. (MÜLLER/HOCHULI-FREUND 2017, S.120f)

Diagnose kann man mit dem Wort „Durchblick“ übersetzten werden. Hierbei geht es vor- rangig um das Aufgliedern und Gewichten von bestimmten Komponenten und deren mög- liche Zusammenhänge, aber auch um das Erfassen und Erläutern einer Sachlage. Die So- ziale Arbeit setzt in ihrer Diagnostik einen charakteristischen Schwerpunkt. Es wird sowohl auf die individuellen Besonderheiten der Person, als auch auf den Menschen in seinen Systemen geachtet. Wichtige Aspekte sind hierbei unteranderem die Beziehungen, welche die Person pflegt oder nicht pflegt, ihre komplette Lebenssituation, aber auch wie diese Person am gesellschaftlichen Leben Teil hat und welche Möglichkeiten zur Teilhabe beste- hen. Bei der sozialen Diagnose werden somit nicht nur Hypothesen eines möglichen wei- teren Vorgehens aufgestellt, es kommt auch zu einer Gesamtbeurteilung des vorliegenden Falls. (MÜLLER/HOCHULI-FREUND 2017, S.74)

2.2 Gesprächsvorbereitung

Ein Beratungsgespräch sollte im Vorfeld sorgfältig geplant und durchdacht werden. Jeder Klient/ jede Klientin ist einzigartig. Wir müssen uns immer aufs Neue in unsere KlientInnen, ihre Lebenswelt, Bedürfnisse und momentane Problematiken hineindenken. Deshalb sollte ihnen bereits während der Vorbereitung auf das anstehende Gespräch unsere ungeteilte Aufmerksamkeit zukommen. (PANTUCEK 1998, S.187) Dies gelingt uns, indem wir unsere Gedanken auf das bevorstehende Gespräch und den/die KlientIn legen. Wir bereiten uns auf das Gespräch vor, indem wir Unterlagen vorheriger Gespräche einsehen und uns einen kurzen Überblick über vergangene Termine und den bisherigen Verlauf ins Gedächtnis ru- fen. Zudem sollten wir das Gespräch im Vorhinein zumindest in groben Zügen planen. Es sollte zudem darauf geachtet werden, dass vermeintliche Störungen während des Ge- sprächs, soweit möglich, vermieden werden, damit sich alle Beteiligten auf die bestehende Situation konzentrieren können. (PANTUCEK 1998, S.187f) Bei Gesprächen, die in der Le- benswelt unserer KlientInnen stattfinden, können wir nur sehr geringfügig Einfluss auf Rah- menbedingungen und Setting nehmen. Es ist allerdings immer ratsam, eine Atmosphäre zu ermöglichen, in der sich die TeilnehmerInnen konzentrieren können. (PANTUCEK 1998, S.187)

Im vorliegenden Fall habe ich vorhandene Unterlagen des letzten Gespräches durchgele- sen, um bestehende Wünsche, Problematiken und Bedürfnisse der Familie präsent zu ha- ben und gegebenenfalls aufzugreifen und sie auf ihre Relevanz und Bedeutung zu prüfen. Die Fokussierung auf das anstehende Gespräch und die KlientInnen wurde meinerseits im Vorfeld dadurch gesteigert, dass ich mich voll und ganz auf die Planung des Gesprächs vorbereitete und mich rechtzeitig auf den Weg zum vereinbarten Treffpunkt begab. Das Gespräch fand auf einer Bank in einem ruhigen Park vor der Schule des Klienten statt. Grund hierfür war zum einen, dass die Mutter keine Möglichkeit hatte, mit ihrem Sohn das Jugendamt in Künzelsau aufzusuchen, da ihr Auto kaputt war. Zum anderen äußerte Frau Maier bereits bei einem ersten telefonischen Kontakt, dass sie ungern das Gebäude des Jugendamts betreten würde, weil sie sich hierbei sehr unwohl fühlen würde. Der erste Kon- takt fand in der Wohnung der Familie statt, da hier zum Zeitpunkt des Gespräches laute und für die Familie nervenaufreibende Bauarbeiten stattfanden, entschied ich mich dazu, dass Gespräch an einem anderen, neutraleren Ort zu führen. Im telefonischen Kontakt ei- nigte ich mich mit der Kindsmutter darauf, dass wir uns gemeinsam mit Luca vor dessen Schule treffen würden. Um mögliche Störfaktoren, so weit möglich, zu vermeiden, habe ich bereits im Vorfeld das Mobiltelefon ausgestellt. Des Weiteren wurde darauf geachtet, dass eine Bank abseits des Gehweges in ungestörter Atmosphäre ausgewählt wurde.

An der Vorbereitung des Gespräches lässt sich möglicherweise kritisieren, dass das Ge- spräch in keinem geschützten Rahmen (Zuhause der KlientInnen oder Büro) stattfand. So konnte der „Raum“, in dem das Gespräch stattfand nicht vorbereitet werden. Ein positiver Aspekt der Vorbereitung war meinerseits die Informationsbeschaffung über die genauen Rahmenbedingungen der Flexiblen Hilfen und das Mitbringen eines Antrags auf Hilfen zur Erziehung. Sowie das genaue Einlesen in die bestehende Fallakte, um intensiv auf das anstehende Gespräch vorbereitet zu sein.

2.3 Reflektion/ Das Gespräch

Bereits während der Begrüßung habe ich zunächst Frau Maier und später Luca durch ein freundliches, offenes Auftreten signalisiert, dass ich sie respektiere. Gespräche, die im Zu- sammenhang mit der Individualhilfe stattfinden, unterscheiden sich von alltäglichen Ge- sprächen durch eine fachgerechte Gesprächsführung. (PANTUCEK 1998, S.188f) In mei- nem Gespräch wird dies vor allem durch gehäuftes Nachfragen deutlich (S.3/Z.90ff; S.4/Z.98ff; S.5/Z.135ff, 160ff).

Ist ein Gespräch nicht aus einer Bitte der KlientInnen hervorgegangen, so ist es notwendig, dass der/die SozialarbeiterIn die Rahmenbedingungen des Treffens zu Beginn erläutert (PANTUCEK 1998, S.189). Zum Ende des vorangegangenen Hausbesuchs, welcher Auf- grund von Konflikten zwischen den Eheleuten abgebrochen werden musste, wurde ein er- neutes Treffen vereinbart. Nach einem Anruf von Frau Maier wurde das Treffen auf ihren Wunsch vorverlegt. Sie bat mich am Telefon darum, uns in Niedernhall zu treffen, da ihr Auto kaputt sei. Das Gespräch fand im gegenseitigen Einvernehmen statt, dennoch habe ich die Rahmenbedingungen zu Beginn erklärt und durch Nachfragen sichergestellt, dass Herr Maier, wie bereits am Telefon erwähnt, nicht am Gespräch teilnehmen wird. Ebenfalls habe ich durch Nachfragen bei beiden sichergestellt, dass sie mit den Rahmenbedingungen und der Auswahl des Ortes einverstanden sind (S.1/Z.1ff, 20f, 27ff; S.2/Z. 35ff). Ich habe mich mit Frau Maier und Luca vor dessen Schule getroffen, da ich das Gespräch nicht in der Wohnung der Familie führen wollte, da die momentanen Sanierungsarbeiten der Nach- barn die Familie stark belasten und für unser Gespräch störend gewesen wären. Ein Ge- spräch im Jugendamt hätte den Vorteil gehabt, dass ich das Setting hätte besser planen und nutzen können. Zugleich ist es für Luca aber ein fremder Ort, auf welchen er sich zu- nächst hätte einlassen müssen und vermutlich, zumindest zu Beginn unseres Gespräches, gehemmt gewesen wäre. Meine Intention das Gespräch an einem ihm bekannten Ort zu führen war es, dass Luca sich in unserem Gespräch wohlfühlt und sich mir gegenüber mehr öffnet. (GISSEL-PALKOVICH 2011, S.268f) Zu Beginn habe ich Frau Maier durch Hände- schütteln begrüß (S.1/Z.1) und hiernach die Methode des „Joining“, umfangssprachlich auch „Smalltalk“ bezeichnet, angewandt. (S.1/Z.12ff) (SCHWING/FRYSZER 2017, S.33ff). Die Methode habe ich zu Anfang verwendet, um die Atmosphäre zu verbessern und zu ermöglichen, dass alle Beteiligten etwas „auftauen“ (S.1/Z.2ff; S.2/Z.35ff). Am Anfang habe ich Luca einfache Fragen gestellt, deren Antworten mir bereits vom letzten Gespräch be- kannt waren. Ich wollte, dass er „warm“ wird und die ersten Fragen durch ein einfaches „Ja“ beantworten kann (S.3/Z.61ff, 65f, 70f). Hierdurch wollte ich eine vertrauensvolle Basis und entspanntere Atmosphäre herstellen. Das „Yes-Setting“ ist eine Methode des „Joinings“. Intention hierbei ist es, dass es den KlientInnen hiernach einfacher fällt, sich mit schwierigen Fragen zu befassen. (SCHWING/FRYSZER 2017, S.33ff)

Nach Beginn unseres Gespräches habe ich mit der Problemanalyse begonnen. Durch of- fene Fragen habe ich versucht Luca dazu zu bewegen, dass er auf meine Fragen nicht nur mit „Ja“ und „Nein“ antwortet und beginnt, mehr von sich aus zu erzählen. (S.3/Z.78,80f, 90ff; S.4/Z.98ff; S.5/Z. 160ff). Offene Fragen dienen dem Zweck, meinem Gegenüber mein Interesse zu vermitteln und ihn zum Nachdenken und/oder Reden anzuregen (WIDULLE 2012, S.105). Im Nachhinein hätte ich vermehrt offene Fragen einbauen können. Vorrangig im Gespräch mit Luca habe ich immer wieder auf geschlossene Fragen zurückgegriffen (S.3/Z.78, S.5/Z.120, S.5/Z.152). Luca war dennoch sehr aktiv und hat in unserem Ge- spräch viel von sich erzählt. Im Kontakt mit einem zurückhaltenden Kind hätte ich weniger Informationen erhalten und der/die KlientIn hätte sich vielleicht nicht aktiv am Gespräch und dessen Verlauf beteiligt. (WIDULLE 2012, S.105)

Während der Analyse des Problems habe ich bemerkt, dass Luca das Wort „immer“ häufig verwendet (S.4/Z.96,122; S.5/Z.132,157; S.6/Z.197, S.7/Z.228). Nach PRIOR (2017, S.28ff) ist diese Verwendung eine Übertreibung. Dementsprechend habe ich Luca gefragt, wann Ausnahmen auftreten, wann er vergleichsweise nicht geärgert wird (S.6/Z.164f). Durch das aktive Einbringen von Luca im Gespräch sind wir vom schulischen Bereich ab- gekommen und haben uns den Fragen nach Hobbys und gleichaltrigen Bekannten gewid- met. Deshalb musste ich das Gespräch hiernach nochmal auf den schulischen Bereich zu- rücklenken (S.5/Z.160ff). Für einen strukturierten Gesprächsablauf wäre es von Vorteil ge- wesen, einen Themenkomplex nach dem anderen zu besprechen.

Durch eine Skalierungsfrage wollte ich Luca zum Nachdenken und zur besseren Einschät- zung der momentanen Belastung anregen, um hiervon eine genauere Vorstellung zu erhal- ten (S.6/Z.178ff). Eine Skalierungsfrage dient der Förderung der Selbsteinschätzung der KlientInnen (WIDULLE 2012, S.122). Während ich mit Luca über die familiäre Situation ge-sprochen habe, wurde anhand seiner Reaktion schnell klar, dass dieses Thema sehr be- lastend für ihn ist (S.7/Z.221; S.8/Z.246ff). Daraufhin habe ich nachgefragt, ob Luca das Thema beenden möchte und versucht, die Gefühle, welche ich seinerseits wahrnehme, an- zusprechen und so versucht, einfühlsam auf seine emotionale Reaktion zu reagieren (PAN- TUCEK 1998, S.192). Danach habe ich das Gespräch auf Frau Maier gelenkt. An diesem Punkt wäre es gut gewesen, Luca aktiv darauf aufmerksam zu machen, dass er gern wieder intensiver am Dialog teilnehmen kann, sobald er sich emotional bereit hierzu fühlt. Luca hätte sich so womöglich noch intensiver in das Gespräch eingebunden gefühlt (REDMANN 2017, S.14). Ich habe Frau Maier nachfolgend ebenfalls zu einigen, mir bereits aus unserem letzten Gespräch bekannten, Informationen erneut befragt. Hierbei wollte ich die Perspek- tiven von Luca und Frau Maier für beide nochmals darlegen und in unseren Dialog aktiv einbeziehen. (WIDULLE 2012, S.76)

Wie in Kapitel 2.1 bereits beschrieben, gehört zum Prozessschritt der Diagnose die Hypo- thesenbildung (MÜLLER/HOCHULI-FREUND 2017, S.166ff). Mein Anleiter Herr Knecht und ich hatten nach dem letzten Hausbesuch die Hypothese entwickelt, dass es Frau Maier möglicherweise nicht gelingt, sich gegenüber Luca durchzusetzen. Deshalb bat ich Frau Maier darum, mir eine dieser Situationen zu schildern (S.9/Z.273f). Durch das genaue Nachfragen (PANTUCEK 1998, S.193f) wollte ich mehr Informationen dazu erhalten, wie die konfliktträchtigen Situationen zu Hause ablaufen (S.9/Z.279). Bei Bedarf wäre es mög- lich, eine aufsuchende Familienhilfe einzusetzen, um die Familie zusätzlich zu unterstützen. Nachdem Frau Maier die Situation geschildert hat, schien es so, als könne die Familie sol- che Situationen gut gemeinsam händeln. Eine aufsuchende Familienhilfe oder eine andere geeignete Hilfeform kann zu einem späteren Zeitpunkt jederzeit eingesetzt werden, wenn sich herausstellen sollte, dass die Familie noch zusätzlich Unterstützung braucht/möchte. Bspw. wenn die Aggressionen von Luca schlimmer werden oder die Familie anderweitig Unterstützung wünscht.

Auf meine Nachfrage gab Frau Maier an, dass diese Vorfälle im Nachhinein gemeinsam reflektiert werden (S.10/Z.314ff). In den Zeilen 310 bis 314 habe ich Frau und Herr Maier dafür gelobt, dass sie gemeinsam eine Strategie gefunden haben, wie sie auf solche Vor- fälle reagieren möchten. Meine Intention war es hierbei, dass Frau Maier neuen Mut schöpft und es ihr ebenfalls gelingt, die positiven Aspekte zu sehen und vermehrt ins Zentrum zu rücken (PANTUCEK 1998, S.197f). Nachdem ich bemerkt habe, dass Luca sich unserem Gespräch wieder zugewandt hatte, habe ich versucht ihn wieder aktiv einzubeziehen. Ich habe ihn nach seiner Sichtweise gefragt, damit beide, sowohl die Sichtweise von Frau Maier, als auch die von Luca, ausgesprochen und für alle Beteiligten bekannt sind. Zugleich habe ich Luca aber auch gefragt, ob er sich hierzu äußern möchte, um ihn nicht in Bedräng- nis zu bringen (S.10/Z.324ff). Bereits während des vorangegangenen Hausbesuchs hatten Herr Knecht und ich die Hypothese gebildet, dass es sich bei Lucas (wohl unkontrollierten) Aggressionen um eine Störung der Impulskontrolle handeln könnte. Die psychologische Abklärung wurde deshalb bereits zuvor angesprochen und ich wollte Frau Maier darauf hinweisen, dass die Familie sich bei Fragen diesbezüglich jederzeit gern an den ASD wen- den kann (S.9-10/Z.332ff). Diese Hypothese wurde gegenüber der Familie zu keiner Zeit ausgesprochen, da es sich lediglich um eine Vermutung handelt. Wir als SozialarbeiterIn- nen sind nicht qualifiziert dazu, eine solche Diagnose festzustellen oder auszusprechen. Da mir bereits aus dem letzten Gespräch bekannt war, dass die Familie zurzeit keinerlei Interesse an einer solchen Abklärung hat, hätte ich diese Thematik in diesem Gespräch nicht ansprechen müssen. Bei unserem Hausbesuch ist mir jedoch aufgefallen, dass vor allem Herr Maier strikt gegen eine solche Abklärung war und Frau Maier einige Zeit über diese Möglichkeit nachzudenken schien. Somit wollte ich ihr die Möglichkeit einer psycho- logischen Abklärung oder einem Gespräch über genauere Informationen hierzu noch ein- mal aufzeigen. Wenn die Auffälligkeiten von Luca nicht rein pädagogischer Natur sein soll- ten, ist es vorteilhaft, eine möglichst ausführliche Diagnose zu erhalten, um Luca auch dis- ziplinübergreifend helfen zu können. Wir hätten mögliche Hypothesen allerdings auch ge- meinsam mit der Familie erarbeiten können (PANTUCEK 1998, S.139f). Durch gezielte Fragen an Luca wollte ich sein Interesse am Gespräch erneut wecken. Ich wollte Luca über die Flexiblen Hilfen informieren, um ggf. mögliche bestehenden Ängste abzubauen. Hierfür war es sehr vorteilhaft, dass Luca bereits einige Schüler, welche die Flexiblen Hilfen besu- chen und Herr Schneider als Leiter der Flexiblen Hilfen kannte (S.11/Z.350f). Hierdurch war Luca der Flexiblen Hilfe gegenüber bereits positiv gestimmt.

Während des Hausbesuches wurde Familie Maier bereits das Wunsch- und Wahlrecht (§5 SGB VIII) erläutert. In diesem Zusammenhang wurde besprochen, dass Herr Jänicke als Schulsozialarbeiter Luca für die Flexiblen Hilfen vorgeschlagen hat. Da unser letztes Tref- fen vorzeitig abgebrochen wurde, sind wir nicht mehr dazu gekommen, die Flexiblen Hilfen und ihre Angebote genauer zu besprechen. Deshalb war es mir wichtig, dass Frau Maier und Luca ausreichend Informationen über das Angebot erhalten. Zunächst stand der infor- mative Aspekt mit Fragen nach der Finanzierung, gesetzliche Grundlagen, Zielgruppe, aber auch den Aufgaben und Zielen der Flexiblen Hilfen im Vordergrund (S.12/Z.375ff) (PAN- TUCEK 1998, S.199). Nach der Klärung einiger Fragen bin ich dann genauer auf den orga- nisatorischen Ablauf bezüglich der Aufnahme eingegangen (S.13/Z.404ff).

Der letzte Abschnitt unseres Gesprächs drehte sich vorrangig um die Auftragsklärung. Hier- bei wurden getroffene Absprachen und folgende Handlungsschritte noch einmal kurz zu- sammengefasst (S.15/Z.472-488) (KLEVE/HAYE 2002, S.47f). In Zeile 482ff gab ich den Auftrag an Frau Maier ab, sich gemeinsam innerhalb der Familie auszutauschen, ob sie zu einem Vorstellungsgespräch in der Flexiblen Hilfe bereit sind, und mir den Antrag spätes- tens in diesem Gespräch zukommen zu lassen (S.15/Z.485).

Da ich ein Gespräch gern mit positiven Aspekten beende, habe ich mich bei Luca dafür entschieden, die Methodik der „Wunderfrage“ anzuwenden. Diese Methode kann ebenfalls individuell an verschiedensten Stellen des Gespräches Anwendung finden. Sie dient vor- rangig dazu, dass die KlientInnen sich gedanklich mit einem Idealzustand ihrer Situation befassen. Indem sich die KlientInnen einen Idealzustand vorstellen, welchen sie anstreben möchten, entsteht zugleich die Möglichkeit, sich planbar, durch kleine Schritte seinem Ziel anzunähern. Oft sind die KlientInnen zu stark auf ihre Probleme und negativen Aspekte des Lebens fixiert. (WIDULLE 2012, S.12)

Zum Schluss meiner Konversation mit Luca war es mir wichtig, ihn für seine Mitarbeit, Of- fenheit und Teilnahme am Gespräch zu loben (S.15/Z.503ff). Ich wollte Luca noch einmal Mut zusprechen und für die weitere Zusammenarbeit, auch Im Hinblick auf die Flexiblen Hilfen, zu motivieren. Nach PANTUCEK (1998, S.197f) ist die Methode bestens geeignet, um meinen Gegenüber zu motivieren, wieder auf sich selbst und seine Fähigkeiten zu ver- trauen, und ihm für zukünftige Ereignisse Mut zu machen. Aus meiner Perspektive war dieses Lob ein guter Abschluss meines Gespräches mit Luca. An einigen Stellen hatte ich das Gefühl, dass Luca eigentlich gern mehr auf eine Frage geantwortet hätte, sich aber unsicher war und zögerte. In solchen Situationen sollte ich meinem Gegenüber zukünftig mehr Zeit und Raum lassen, statt das Gespräch zwangsweise mit weiteren Fragen am Lau- fen halten zu wollen.

Zu Beginn war es mir wichtig, die Sichtweisen, Wünschen und Probleme von Luca zu er- fahren, da dieser sich in unserem letzten Gespräch sehr zurückgehalten hat. Es ist mir gut gelungen, Luca und Frau Maier einzubeziehen. Ich konnte mir einen guten „Überblick“ über die momentane Situation, Problematik und Sachlage verschaffen. Ich hatte einen guten Draht zu Luca und konnte gut auf ihn eingehen und zugleich beide beraten.

Ich hätte deutlich intensiver auf die Ressourcen von Luca eingehen sollen, auch wenn wir bereits während des Hausbesuchs Ressourcen der Familie gesammelt haben. An welcher Stelle des Gespräches die Ressourcen besprochen werden ist individuell zu handhaben. Wenn KlientIn und SozialarbeiterIn die Ressourcen vor Augen haben, kann gezielt an den Stärken gearbeitet werden. (BEUHAUSEN 2012, S.183) Ebenso ist die Frage nach den Ressourcen wichtig, um dem Gegenüber Anerkennung zu schenken und sein Selbstbe- wusstsein zu fördern (WIDULLE 2012, S.122). . Es ist mir gelungen, Lucas Probleme zu verstehen und ihm meine Akzeptanz gegenüber seiner Person zu zeigen. Während des Gespräches wurde bekannt, dass Luca früher sportlich aktiv war (Fußball, Tischtennis) (S.5/Z.156). In der Flexiblen Hilfe wird regelmäßig gemeinsam Fußball gespielt, hierbei ergibt sich die Möglichkeit, Lucas Ressourcen zu stärken. Hierdurch könnte er bspw. sein Selbstbewusstsein aufbauen und erhält zugleich die Chance auf einen Ausgleich für die angestauten Aggressionen. Zudem zielt die Hilfemaßnahme darauf ab, dass Luca lernt, auch ohne Aggressionen mit Kindern umzugehen.

Wörter Teil 2: 2590

3. Die folgende Phase der Hilfe

Intervention kann mit einem „Dazwischen- treten“ oder „einmischen“ der SozialarbeiterIn- nen zwischen KlientInnen und ihre Probleme übersetzt werden (MÜLLER/HOCHULI- FREUND, S.75). „Dies ist zunächst einmal unabhängig davon, ob es um ein Problem geht, das diese Person ´hat´, oder eines, das sie anderen ´macht´, oder eines, das sie mit sich selbst hat (…)“ (MÜLLER/HOCHULI-FREUND 2017, S.75). Die Intervention findet in aller Regel nicht erst dann statt, wenn die beiden Schritte der Anamnese und der sozialen Diag- nose bereits stattgefunden haben. Oft laufen diese Prozesse zur gleichen Zeit ab, da die Anamnese und die soziale Diagnose eine Form des „Dazwischen-tretens“ darstellen. (MÜL- LER/HOCHULI-FREUND, S.149) Es gibt drei Arten der sozialpädagogischen Intervention. Zum einen das Eingreifen, um eine Eigen- oder Fremdgefährdung abwenden zu können, zum anderen aber auch das Angebot und das gemeinsame Handeln. Laut Wendt ist die Intervention immer mit einer gewissen Ausübung von Macht seitens der SozialarbeiterInnen verbunden (vor allem bei einem Eingriff). (WENDT 2017, S.211) Angebote hingegen kön- nen KlientInnen auf freiwilliger Basis annehmen, müssen sie aber nicht. Gemeinsames Handeln ist durch ein aktives Übereinkommen zwischen KlientInnen und SozialarbeiterIn- nen gekennzeichnet. Hierbei werden die Ansichten, Interessen und Wünsche der KlientIn- nen aktiv berücksichtigt. (WENDT 2017, S.211)

Frau Maier informiert ihren Mann über die Inhalte des Gespräches und das Angebot der Flexiblen Hilfen. Auch nach Erhalt des Beantragungsbogen für die Hilfen zur Erziehung nach §§27ff SGB VIII muss die Familie nicht sofort entscheiden. Herr und Frau Maier kön- nen sich (gemeinsam mit ihrem Sohn Luca) Gedanken über das Gespräch und die Flexiblen Hilfen machen. Sie können nochmals gemeinsam überlegen, ob sie die Maßnahme für Luca als geeignet empfinden. Da die Flexiblen Hilfen pauschal vom Jugendamt Hohenlohekreis finanziert werden und zur Kategorie der ambulanten Hilfen zählen, ist es im ASD Künzelsau nicht notwendig, diese Form der Hilfe gemeinsam im Sozialraumteam oder einer anderen Form der kollegialen Beratung abzustimmen (LANGENOHL 2015, S.419). Die wesentlichen Informationen und getroffenen Absprachen werden in einem Aktenvermerk schriftlich fest- gehalten, wie bei jedem anderen Gespräch im ASD auch, um den Hilfeverlauf zu dokumen- tieren. Normalerweise wäre es nun Standard, eine Bedarfserhebung anzufertigen. In einer solchen Bedarfserhebung wird der Hilfebedarf beschrieben, Risiken und Ressourcen der KlientInnen und ihrer Familien, Ziele und Erfordernis der Hilfe festgehalten. Durch die hohen Belastungen der einzelnen SachbearbeiterInnen wurde diese Bedarfserhebung allerdings vorübergehend ausgesetzt. Es findet lediglich ein gemeinsames Gespräch mit Herr Schnei- der (Leiter der Flexiblen Hilfen) dem/r zuständigen SachbearbeiterIn des Jugendamtes so- wie dem jungen Menschen und seinen Eltern, ggf. auch seinem/r KlassenlehrerIn statt.

Nach dem Phasenmodell der professionellen Fallarbeit folgt wie zuvor bereits beschrieben die Phase der Intervention. Die Phase der Intervention beginnt i.d.R., wenn der Antrag auf Hilfe zur Erziehung im Jugendamt vorliegt. Dann wird ein Termin zur Vorstellung vereinbart, bei welchem ebenfalls der erste Hilfeplan vom ASD verfasst wird ggf. können KlientInnen den Bogen auch zum Gespräch mitbringen. Hierbei werden gemeinsam Ziele besprochen, vereinbart und schriftlich festgehalten. Der Hilfeplan gilt als Fundament für den folgenden Hilfeprozess und hat zugleich rechtliche Funktion. Er hält Absprachen und Ziele schriftlich fest und bindet die Beteiligten an ihre Aufgaben. (FREITAG 2015, S.202) Nachdem alle Beteiligten des Hilfeprozesses zugestimmt und den Hilfeplan unterzeichnet haben, kann die Maßnahme starten, sobald der öffentliche Träger, im vorliegenden Fall die St. Josefs- pflege Mulfingen) Kapazitäten in Form eines freien Platzes zur Verfügung hat. Nach Anlau- fen der Hilfe übernimmt der ASD eine passive Rolle und überlässt die Arbeit an und mit den KlientInnen dem freien Träger. Der ASD wird über den Verlauf der Hilfe regelmäßig infor- miert. Wenn es keine Schwierigkeiten oder andere Umstände gibt, welche ein vorzeitiges Treffen notwendig machen, kommt der ASD mit den anderen Hilfebeteiligten nach ca. 6 Monaten zum nächsten Hilfeplan zusammen. Die Hilfeplanfortschreibung würde dann teil- weise bereits zur Phase der Evaluation zählen, während die Intervention (der Hilfeprozess) weiterläuft. Auch hier gibt es keine scharfe Trennung der Phasen und es kommt zu teilwei- sen Überschneidungen (MÜLLER/HOCHULI-FREUND, S.68). Die endgültige Evaluation findet erst im Hilfeplanabschlussgespräch statt. Hier wird der Hilfeprozess rückblickend analysiert und ausgewertet. Zudem kann es sein, dass eine Abklärung einer anschließen- den Hilfemaßnahme notwendig ist.

Das Wort Evaluation meint so vieI wie ,Aus-Wertung". Allgemein formuliert geht es urn die Oberprufung von Werten. Evaluation ist vielfaltig und kann sich unteranderem mit der Pru­ fung urn RechtmaBigkeit einer Arbeitsweise befassen. (MULLER/HOCHULI-FREUND, S.76)

Worter Teil 3: 663

4. Case Management

4.1 Hohe Fallzahlen und hohe Arbeitsbelastung im ASD

„Jede siebte Stelle in der [Berliner Anm. d. Verf.] Jugendhilfe ist aktuell nicht besetzt. Anders gesagt: 125 Sozialarbeiter, die insgesamt für über 8000 Fälle zuständig sein müssten, fehlen“ (VIETH-ENTUS 2018). Meine Praxisstelle ist der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) in Künzelsau. Die Aufgaben des ASD sind vielfältig und finden sich im achten Sozialgesetzbuch. Die Aufgabenbereiche umfassen neben der Erziehungs- und Familienberatung (§§ 16-18 SGB VIII) auch die Gewährung von Eingliederungshilfen und anderen Hilfen der Jugendhilfe (§§ 27ff SGB VIII). Die Wahrung des Schutzauftrages nach § 8a SGB VIII, aber auch die Mitwirkung in Verfahren vor dem Familiengericht nach §§ 50ff SGB VIII stellen Kernaspekte der Arbeit im ASD dar.

Vor allem im Bereich der Kindeswohlgefährdung hat der Dokumentationsaufwand in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Laut der Bottom-up- Studie um Kathinka Beckmann füllt die Dokumentation ganze 63 Prozent der Arbeitszeit von ASD MitarbeiterInnen. Allerdings empfinden wenige Angestellte (ca. ¼ der Befragten) diese intensiven Dokumentationen als fachlich wertvoll, vielmehr entsteht das Gefühl, dass diese Dokumentationen rein zur rechtlichen Absicherung fungieren. (BECKMANN et al. 2018, S. 120,121) Bundesländern wie bspw. Nordrhein-Westfalen und Hessen fehlen geeignete BewerberInnen aufgrund dessen immer mehr Stellen unbesetzt bleiben (BECKMANN et al. 2018, S. 117). „Viele Berufseinsteiger springen ab, weil die Verantwortung und die Belastung zu groß sind“ (VIETH-ENTUS 2018). Die Bundesarbeitsgemeinschaft ASD/KSD hält eine maximale Anzahl von 35 Fällen (Hilfen nach §§ 27ff SGB VIII) pro Vollzeitstelle bezogen auf die Belastbarkeit der Fachkräfte für realistisch. (BAG ASD/KSD 2011). Unter anderem gehören auch Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen zu den Jugendämtern mit den meisten Fallzahlen (vielerorts mehr als 100 Fälle pro MitarbeiterIn) (BECKMANN et al. 2018, S. 55). Im ASD Künzelsau sind ebenfalls hohe Fallzahlen zu verzeichnen, so hat eine Fachkraft mit 75 Prozent bspw. zwischen 70 und 90 Fälle.

Durch die unbesetzten Stellen, fehlenden MitarbeiterInnen, hohe Fluktuation aber auch den hohen Dokumentationsaufwand fehlt oftmals die Zeit intensiv mit den KlientInnen zusammenzuarbeiten und sich so ein umfassendes Bild der bestehenden Situation zu verschaffen (BAG ASD/KSD 2011, S. 136). Um die Überlastungen der einzelnen Fachkräfte auf lange Sicht zu senken und neue MitarbeiterInnen auf Dauer zu gewinnen, ist es notwendig die Arbeitsbedingungen im ASD zu verbessern und die Arbeitsbelastung zu senken. Das Aufgabenfeld der Arbeit im ASD ist vielfältig, so auch die KlientInnen. Um jeden Fall in seiner Komplexität zu verstehen und geeignete Maßnahmen einsetzen zu können ist es unerlässlich, dass die Fallzahlen pro MitarbeiterIn herabgesetzt werden, sodass sich intensiver mit bestehenden Fällen befasst werden kann. Literaturverzeichnis BAG ASD/KSD - Bundesarbeitsgemeinschaft ASD/KSD 2011: Forderung der Fallzahlbegrenzung für die Fachkräfte (Bezirkssozialarbeit) in den Allgemeinen Sozialen Diensten (Kommunalen Sozialen Diensten). Online verfügbar unter: web229.webgo24- server27.de/wordpress/wp-content/uploads/2014/06/stellungnahme- fallzahlobergrenze.pdf. (Zugriff am 16.10.2018)

BECKMANN, Kathinka; EHLTING, Thora; KLAES, Sophie 2018: Berufliche Realität im Jugendamt. Der ASD in strukturellen Zwängen. Berlin, Freiburg im Breisgau: Verlag des Deutschen Vereins für Öffentliche und Private Fürsorge e.V; Lambertus-Verlag (Jugend und Familie, 16).

VIETH-ENTUS, Susanne 2018: Behörden in Berlin. Jede siebte Stelle in Berlins Jugendämtern ist nicht besetzt. Online verfügbar unter https://www.tagesspiegel.de/berlin/behoerden-in-berlin-jede-siebte-stelle-in-berlins- jugendaemtern-ist-nicht-besetzt/19705832.html, zuletzt aktualisiert am 16.10.2018 (Zugriff am 16.10.2018).

4.2 Handlungsphasen nach Wendt

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Literaturverzeichnis

LÖCHERBACH, Peter; MENNEMANN, Hugo; HERMSEN, Thomas (Hg.) 2009: Case Management in der Jugendhilfe. Mit 7 Tabellen. München: Reinhardt (Soziale Arbeit).

NEUFFER, Manfred 2013: Case Management. Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien.

5., überarbeitete Auflage. Weinheim: Beltz Juventa (Grundlagentexte soziale Berufe).

ROCCOR, Bettina 2012: Empowerment, Selbstbestimmung, Entscheidungs- und Mitwirkungsfähigkeit. In: Case Management 2/2012, S. 88–94.

STIMMER, Franz 2006: Grundlagen des methodischen Handelns in der sozialen Arbeit.

2., überarbeitete und erweiterte Auflage Stuttgart: Kohlhammer. Online verfügbar unter http://www.socialnet.de/rezensionen/isbn.php?isbn=978-3-17-018857-0.

4.3 Die durchgehende Fallverantwortung im Case Management

Case Management unterstützt Menschen bei der Bewältigung komplizierter Lebensumstände durch aufeinander abgestimmte Hilfsangebote und eine durchgehende Fallverantwortung (EFFINGER/ REMMEL-FAßBENDER 2013, S.201). Case ManagerInnen sind nicht nur für die Koordination und Begleitung eines Falls zuständig, auf ihrer Arbeitsbeziehung zu den KlientInnen stützt zudem der gesamte Hilfeverlauf (NEUFFER 2013, S.29f).

Die „durchgehende Fallverantwortung“ wird von SachbearbeiterInnen des ASD übernommen (LÖCHERBACH et al. 2009, S.32). D.h. sie tragen Verantwortung gegenüber allen Beteiligten eines Hilfeprozesses (KlientInnen, GeldgeberInnen und kooperierenden Einrichtungen) (PANTUCEK 2007, S.432f). Die Beziehung zwischen den Case ManagerInnen und ihren KlientInnen bildet eines der wichtigsten Kernelemente der Klientenorientierung des Case Managements und zudem das Kernstück des Hilfeprozesses. Case ManagerInnen übernehmen die Maßnahmen der Hilfe in den meisten Fällen nicht selbst, bleiben aber fortlaufend als AnsprechpartnerInnen fester Bestandteil des Hilfeprozess. (NEUFFER 2013, S.30) „Durchgehende Fallverantwortung erfordert Beziehungsarbeit, um das Vertrauen der KlientInnen zu erreichen (…)“ (NEUFFER 2013, S.29). Eine Beziehung die stabil und von Vertrauen geprägt ist, ist notwendig, um die Motivation und Mündigkeit der KlientInnen herzustellen und zugleich Ressourcen und Fähigkeiten der Person wiederaufzubauen (NEUFFER 2013, S.30). Ziel ist es, KlientInnen zu befähigen, die Entwicklung der Eigenkräfte zu ermöglichen und zugleich den Hilfeverlauf stetig zu reflektieren. (NEUFFER 2013, S.29f)

Probleme bei einer durchgehenden Fallverantwortung können dann auftreten, wenn eben diese nicht mehr durchgehend gewährt werden kann. Beispielsweise kommt es immer wieder vor, dass MitarbeiterInnen vorübergehend (Krankheit/ Urlaub) oder langfristig (Schwangerschaft) ausfallen. In solchen Situationen ist eine Fallvertretung durch KollegInnen unabdingbar. Durch Fallübergaben/Vertretungen kann die Arbeitsbeziehung in Mitleidenschaft gezogen werden.

Die hohen Erwartungen von Case Management sind oftmals schwer zu realisieren. Nicht selten geht eine Maßnahme mit langen Wartezeiten, geringer Flexibilität und darauffolgender Unzufriedenheit der KlientInnen einher. Gerade die Suche nach geeigneten Wohngruppenplätzen kann einige Wochen oder Monate in Anspruch nehmen und die Auswahl begrenzt sein. Auch die Kooperation und Vernetzung der Dienste untereinander funktioniert nur selten ohne Probleme (Vernetzung ASD- Kliniken nach und während stationären Aufenthalten). Wenn KlientInnen ihre Case ManagerInnen für diese Schwierigkeiten (bspw. durch angebliches Desinteresse) verantwortlich machen, kann dies die Arbeitsbeziehung nachhaltig belasten (NEUFFER 2013, S.29ff).

Literaturverzeichnis

EFFINGER, Herbert; REMMEL-FAßBENDER, Ruth 2013: Case Management studieren? Anforderungen und Kompetenzerwerb in Masterstudiengängen der Sozialen Arbeit. In: EHLERS, Corinna; BROER, Wicher (Hg.): Case Management in der sozialen Arbeit. Opladen, Berlin, Toronto: Verlag Barbara Budrich (Buchreihe Theorie, Forschung und Praxis der sozialen Arbeit, Band 7).

LÖCHERBACH, Peter; MENNEMANN, Hugo; HERMSEN, Thomas (Hg.) 2009: Case Management in der Jugendhilfe. Mit 7 Tabellen. München: Reinhardt (Soziale Arbeit).

NEUFFER, Manfred 2013: Case Management. Soziale Arbeit mit Einzelnen und Familien.

5., überarbeitete Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa (Grundlagentexte soziale Berufe). Online verfügbar unter http://www.content- select.com/index.php?id=bib_view&ean=9783779950691.

PANTUCEK, Peter 2007: Falleinschätzung im Case Management. In: Soziale Arbeit (Berlin) (11/12 2007), S. 432–440.

4.4 Zielfindung- und formulierung im ASD

Ziele sind für einen positiven Hilfeverlauf essenziell, sie steigern die Wirksamkeit und den Nutzen einer Hilfe. Wenn Ziele klar formuliert sind, bieten sie den Beteiligten Handlungsorientierung und stellen die Teilhabe aller Beteiligten am Prozess sicher. Ziele dienen zum einen der Steuerung des Verlaufs, indem sie die Aufgaben konkretisieren und hierdurch gezieltes Handeln befähigen. Zum anderen dienen sie als Voraussetzung für einen positiven Hilfeverlauf und stellen einen ersten Erfolg sicher. (STREHLER/ SIERWALD 2005, S.97ff)

Im sozialpädagogischen Sinne haben Ziele vielerlei Funktionen inne. Gemeinsam erarbeitete Ziele dienen als Grundlage für einen erfolgreichen Hilfeprozess. Indem die Beteiligten die gesetzten Ziele akzeptieren und anerkennen, ist zugleich sichergestellt, dass sie an dessen Gelingen interessiert sind. Im Prozess der Zielfindung und Ausformulierung machen alle Beteiligten die Erfahrung, dass ihre eigenen Ziele ernst genommen werden, und sie zudem selbst die Ziele der anderen berücksichtigen und anerkennen. (STREHLER/ SIERWALD 2005, S.97ff) Dieser Prozessschritt findet in der Regel während des ersten Hilfeplangesprächs statt. Hier findet der Austausch über Zielvorstellungen aller Beteiligten statt, um am Ende auf einen gemeinsamen Konsens zu kommen. Alle Beteiligten stellen hierbei gleichberechtigte Charaktere dar und verschiedene Ansichten und Vorstellungen werden erkennbar. Indem alle Beteiligten aktiv in den Prozess der Zielformulierung eingebunden werden und ihre Ansichten kundtun, übernehmen sie von Beginn an Verantwortung für ihre Ziele und den Hilfeverlauf.

Bereits in Gesprächen zur Bedarfserhebung, vor dem ersten offiziellen Hilfeplan, werden die KlientInnen von MitarbeiterInnen des ASD aktiv dabei unterstützt, sich Gedanken über ihre Ziele zu machen und diese zu artikulieren. Vorrangig bei der Arbeit mit jungen Menschen wird dabei die Technik der sogenannten Wunderfrage angewendet. Bei dieser eher kreativen Technik stellen sich die jungen Menschen die Frage, wie beispielsweise ihr Leben aussehen würde, wenn die momentane Problematik nicht mehr bestehen würde, bzw. wie ein Idealzustand nach ihren Vorstellungen aussehen würde (WIDULLE 2012, S.12). Für die Erarbeitung von Ressourcen bei jungen Menschen und Erwachsenen wird hingegen unteranderem die Ressourcenkarte verwendet. Vorgabe für Fachkräfte des ASD Künzelsau ist es zudem, die Ziele im Hilfeplan so festzuhalten und zu artikulieren, dass sie für alle Beteiligten verständlich und nachvollziehbar sind.

Abstrakte Oberbegriffe sind hierbei häufig irritierend und wenig aussagekräftig. Da sie schwer kontrolliert werden können und schlecht überprüfbar sind, müssen/sollten sie vereinfacht werden. Deshalb ist es notwendig, diese Leitziele durch Mittlerziele und konkrete Handlungsziele zu ergänzen. (STREHLER/ SIERWALD 2005, S.97ff) Beispielsweise kann die „Verbesserung der Beziehungen innerhalb der Familie“ als Leitziel betrachtet werden. Um dieses zu konkretisieren, folgt dann das Ziel „Vater und Kind verbringen einen Teil ihrer freien Zeit gemeinsam“. Um dieses Ziel überprüfen zu können wird es in „einmal pro Woche gemeinsam Fußballspielen“ und „am Wochenende findet eine gemeinsame Familienaktion statt“ unterteilt. Bei der Formulierung sind SachbearbeiterInnen des ASD Künzelsau dazu angehalten, Ziele stehts positiv zu formulieren und den Idealzustand im Blick zu haben. Hierfür ist es unerlässlich, dass die Ziele zunächst auf ihre Eignung und Realisierbarkeit überprüft worden sind.

Da das folgende Hilfeplangespräch der Kontrolle und Überprüfung der Ziele und ihrer Verwirklichung dienen, ist es zudem notwendig und sinnvoll, die Zielerreichung zu terminieren. Während dieses Zusammentreffens werden dann eventuelle Korrekturen am Unterstützungsangebot vorgenommen und bereits Erreichtes in den Blick genommen, um den Beteiligten vor Augen zu führen, wie weit sie bereits gekommen sind und sie für den weiteren Verlauf der Hilfe zu motivieren. (STREHLER/ SIERWALD 2005, S.97ff)

Wörter Teil 4: 1204

Literaturverzeichnis STREHLER, Marion; SIERWALD, Wolfgang 2005: Zielfindung und Zielformulierung in einer kooperativen Hilfeplanung. In: SCHRAPPER, Christian (Hg.): Innovation durch Kooperation. Anforderungen und Perspektiven qualifizierter Hilfeplanung in der Zusammenarbeit freier und öffentlicher Träger der Jugendhilfe. München, S. 97–107.

WIDULLE, Wolfgang 2012: Gesprächsführung in der sozialen Arbeit. Grundlagen und Gestaltungshilfen. 2., durchgesehene Auflage Wiesbaden: Springer VS (Lehrbuch).

Literaturverzeichnis

ANSEN, Harald (2009): Beziehung als Methode in der Sozialen Arbeit. Ein Wider- spruch in sich? In: So ziale Arbeit (10), S. 381-389.

BELARDI, Nando (2017): Die drei klassischen Methoden und ihre aktuellen Entwicklun- gen. Von der Einzelfallhilfe zum Case-Management. In: KREFT Dieter, MÜLLER Carl Wolfgang und BELARDI Nando (Hg.): Methodenlehre in der Sozialen Arbeit. Konzepte, Methoden, Verfahren, Techniken. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart, Mün- chen, Basel: UTB GmbH; Ernst Reinhardt Verlag (utb-studi-e-book, 3370), S.69-78.

BEUHAUSEN, Jürgen: Ressourcenfokussierung in psycho-sozialen Arbeitsfeldern. In: TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit 2012 (H. 3), S. 183–191.

FREITAG, Hans Otto: Hilfe zur Erziehung. Die rechtlichen Vorgaben des Jugend- amtsverfahrens, seine Einleitung, Durchführung, Entscheidung und der Hilfeplan. In: TUP - Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit 2015 (3), S.194-203.

GALUSKE, Michael (2011): Methoden der Sozialen Arbeit. Eine Einführung. 9., erg. Aufl. Weinheim: Juventa (Grundlagentexte Sozialpädagogik/Sozialarbeit). Online verfügbar un- ter http://www.socialnet.de/rezensionen/isbn.php?isbn=978-3-7799-1441-9.

GISSEL-PALKOVICH, Ingrid (2011): Lehrbuch Allgemeiner Sozialer Dienst - ASD. Rah- menbedingungen, Aufgaben und Professionalität. Weinheim und München: Juventa Ver- lag (Studienmodule Soziale Arbeit). Online verfügbar unter http://www.socialnet.de/rezen- sionen/isbn.php?isbn=978-3-7799-2210-0.

KLEVE, Heiko; HAYE, Britta: Die sechs Schritte helfender Kommunikation. Eine Handreichung für die Praxis und Ausbildung Sozialer Arbeit. In: Sozialmagazin (12/2002), S. 41-52.

KREFT, Dieter (2011): Der Allgemeine Soziale Dienst. Aufgaben, Zielgruppen, Standards.

2., durchges. und aktualisierte Aufl. München, Basel: E. Reinhardt (Soziale Arbeit).

LANGENOHL, Sabrina (2015): Beratung und Entscheidung im Hilfeplanverfahren. Das "Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte" bei der Entscheidung über die Hilfe. In: D as Jugendamt. (9), S. 418–421.

MICHEL-SCHWARTZE, Brigitta (2002): Handlungswissen der Sozialen Arbeit. Deutungs- muster und Fallarbeit. Wiesbaden, s.l.: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Online ver- fügbar unter http://dx.doi.org/10.1007/978-3-322-97568-3.

MÜLLER, Burkhard; HOCHULI-FREUND, Ursula (2017): Sozialpädagogisches Können. Ein Lehrbuch zur multiperspektivischen Fallarbeit. 8., überarbeitete und erweiterte Auf- lage. Freiburg im Breisgau: Lambertus (Soziale Arbeit).

PANTUCEK, Peter (1998): Lebensweltorientierte Individualhilfe. Eine Einführung für sozi- ale Berufe. Freiburg: Lambertus-Verlag. Online verfügbar unter https://ebookcentral.pro- quest.com/lib/gbv/detail.action?docID=5476412.

PRIOR, Manfred (2017): MiniMax-Interventionen. 15 minimale Interventionen mit maxima- ler Wirkung. Unter Mitarbeit von Dieter Tangen. Vierzehnte Auflage. Heidelberg: Carl-Auer Verlag GmbH.

REDMANN, Björn (2017): Beteiligung ist nötig und möglich. Partizipation in Hilfen zur Erziehung. In: Blätter der Wohlfahrtspflege. (1), S.13-16.

SCHWING, Rainer; FRYSZER, Andreas (2017): Systemisches Handwerk. Werkzeug für die Praxis. 8. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. Online verfügbar unter http://dx.doi.org/10.13109/9783666453724.

WENDT, Peter-Ulrich (2017): Lehrbuch Methoden der Sozialen Arbeit. 2., überarbeitete Auflage. Weinheim, Basel: Beltz Juventa (Studienmodule Soziale Arbeit). Online verfüg- bar unter http://www.content-select.com/index.php?id=bib_view&ean=9783779944843.

WIDULLE, Wolfgang (2012): Gesprächsführung in der sozialen Arbeit. Grundlagen und Gestaltungshilfen. 2., durchges. Aufl. Wiesbaden: Springer VS (Lehrbuch).

Anhang 1: Gesprächsprotokoll

Gesprächsprotokoll vom 18.07.2018, 14:15 Uhr vor dem Bildungszentrum Niedernhall Anwesend: DHBW-Studentin: Frau Carstensen (Ich), Kindsmutter Frau Maier (KM), Sohn Luca.

Anmerkung: Aus datenschutzrechtlichen Gründen wurden die Namen der KlientInnen verändert und ein Gedächtnisprotokoll angefertigt.

1 (Begrüßung durch Händeschütteln)
2 Ich: Hallo Frau Maier, schön dass Sie gekommen sind und das Treffen so
3 kurzfristig stattfinden konnte. Da Herr Knecht heute einen anderen
4 Termin hat, sind wir allein hier, aber das hatte ich Ihnen ja bereits am
5 Telefon mitgeteilt. Ich hoffe, das ist für Sie beide in Ordnung. Wir haben
6 uns ja schon bei einem Hausbesuch kennengelernt.
7 KM: Hallo Frau Carstensen, es tut mir leid für die Umstände und danke das
8 Sie extra hergekommen sind. Mein Auto ist leider schon wieder kaputt
9 und Sie wissen ja wie das hier mit den Busverbindungen ist. Luca müsste
10 jeden Moment kommen, sein Unterricht ist bereits seit 10 Minuten vorbei,
11 aber er trödelt gern.
12 Ich: Das sind keine Umstände für mich, machen Sie sich darüber keine
13 Gedanken. Wissen Sie schon, ob es etwas Ernstes mit ihrem Auto ist?
14 Wenn ich mich recht erinnere haben Sie es doch erst vor Kurzem aus
15 der Werkstatt geholt.
16 KM: Ich vermute, dass ich mir bald ein neues Auto kaufen muss. Letztes Mal
17 waren es die Bremsen und dieses Mal ist es gar nicht erst angesprungen
18 und an einer leeren Batterie lag es nicht.
19 Ich: Das klingt aber gar nicht gut, zumal Sie wegen ihrer Arbeit auf das Auto
20 angewiesen sind. Sie hatten mir mitgeteilt, dass Herr Maier nicht am
21 Gespräch teilnehmen wird, hat sich hieran etwas geändert?
22 KM: Auf keinen Fall! Nach dem letzten Mal. Sie waren doch dabei.
23 Da kommt Luca!
24 Luca läuft auf uns zu.
25 KM: Hallo mein Schatz.
26 Luca: Hallo.
27 Ich: Hallo Luca, schön dass du da bist. Wie ich dir und deiner Mama am
28 Telefon schon erzählt hatte, ist der Herr Knecht heute nicht bei unserem
29 Treffen dabei, weil er einen anderen Termin hat. Ich hoffe, das ist auch
30 für dich so in Ordnung?
31 Luca: Hallo. Nicht schlimm das Herr Knecht nicht da ist.
32 Ich: Sehr gut. Ich verspreche dir auch, dass unser Gespräch nicht so lange
33 dauern wird, sodass du noch genug von deinem Nachmittag hast.
34 Luca: Das ist okay, ich muss sonst nur Hausaufgaben machen.
35 Ich: Frau Maier, Sie hatten mich darum gebeten das wir uns in Niedernhall
36 treffen. Da dachte ich, es wäre eine gute Idee, wenn wir uns hier in der
37 Nähe deiner Schule treffen Luca. Dann hast du es nicht so weit. Heute
38 ist es sehr warm, da können wir uns gut in den Park setzen. Die Bau-
39 arbeiten eurer Nachbarn sind wirklich sehr laut und nachdem es letztes
40 Mal bei euch zu Hause so eskaliert ist mit dir, deiner Mama und deinem
41 Papa dachte ich es ist eine gute Idee, wenn wir uns an einem anderen
42 Ort treffen. Ist das in Ordnung für dich? Und ist es für Sie auch in
43 Ordnung Frau Maier?
44 Luca: Das ist okay. Die Nachbarn wollten doch schon längst fertig sein und
45 nerven uns immer noch. Genau dann, wenn ich immer von der Schule
46 komme fangen die an.
47 KM: Das stimmt Luca, aber dafür haben sie sich doch bereits entschuldigt. In
48 wenigen Tagen sollten sie endlich fertig sein. Für mich ist das auch in
49 Ordnung. Die Situation vom letzten Besuch tut mir wirklich leid, aber ich
50 brauche mich von meinem Exmann nicht als schlechte Mutter darstellen
51 lassen!
52 Ich: Da haben Sie Recht Frau Maier das müssen Sie nicht. Aber die Situation
53 hatten wir letzten Mal ausführlich mit Ihnen, Herr Maier und Herr Knecht
54 geklärt. Was halten Sie davon, wenn wir uns da vorne auf eine Bank
55 setzen?
56 KM: Können wir machen, oder Luca?
57 Luca: Ja, warum nicht?
58 Ich: Sehr schön, was hältst du von der Bank da hinten im Schatten?
59 Luca: Die nehmen wir.
60 Wir setzen uns gemeinsam auf die Bank.
61 Ich: Luca bei unserem letzten Treffen warst du sehr still und meintest, du
62 hättest keine Lust zu reden. Ist es für dich in Ordnung, wenn ich dir ein
63 paar Fragen stelle, um dich besser kennenzulernen?
64 Luca: Meinetwegen.
65 Ich: Sehr schön. Du bist 11 Jahre alt und gehst hier im Bildungszentrum
66 Niedernhall zur Schule ist das richtig?
67 Luca: Das stimmt so.
68 Ich: In welche Klasse gehst du denn?
69 Luca: Ich gehe in die 5. Klasse bei Frau Zeller.
70 Ich: Frau Zeller kenne ich noch gar nicht. Ist sie denn eine gute
71 Klassenlehrerin?
72 Luca: Joa. Ich meine sie ist ganz okay. Sie nimmt einen nicht einfach so im
73 Unterricht dran. Immer nur die Schüler die sich melden. Das finde ich gut.
74 Ich: Das klingt doch gut. Meldest du dich denn auch, wenn du etwas weißt?
75 Luca: Manchmal. Wenn ich Lust habe.
76 KM: Also Frau Zeller hat beim Elterngespräch gesagt, dass du dich ruhig öfter
77 melden kannst.
78 Ich: Wie gefällt es dir denn sonst in der Schule?
79 Luca: Naja.. Es geht so, denke ich.
80 Ich: Oh das klingt aber nicht wirklich begeistert Luca. Magst du mir erzählen
81 warum das so ist oder was es für einen Grund gibt?
82 Luca: Naja irgendwie sind einige Jungs in meiner Klasse echt doof.
83 Ich: Bist du denn schon länger mit den Jungs in einer Klasse?
84 Luca: Mit den meisten schon, eigentlich kenne ich fast alle aus meiner Klasse
85 schon seit der 3. Klasse. Aber der eine ist erst seit diesem Schuljahr in
86 unserer Klasse. Und der ist am schlimmsten. Ich meine der ist wirklich
87 doof! Seit der dazu gekommen ist, sind die anderen so zu mir. Er hetzt
88 die gegen mich auf. Dann lachen mich alle aus. Wenn ich sage, dass sie
89 das lassen sollen, dann hört keiner auf mich.
90 Ich: Dann gibt es die Probleme mit den Jungs wohl nicht erst seit gestern,
91 oder? Wie gehst du denn mit dieser ganzen Situation im Unterricht und
92 der Schule im Allgemeinen um?
93 Luca: Naja deshalb melde ich mich ja zum Beispiel nicht im Unterricht. Wenn
94 ich was Falsches sagen, dann lachen die mich nämlich nur wieder aus.
95 In den Pausen versuche ich die eigentlich zu ignorieren. Aber das ist
96 nicht so einfach wie man sich das vorstellt, die machen mich dann immer
97 so wütend.
98 Ich: Hast du denn schon mit Frau Zeller oder mit anderen Lehrern darüber
99 gesprochen? Wie reagieren denn die Lehrer, wenn deine Klassen-
100 kameraden im Unterricht oder allgemein in ihrer Anwesenheit über dich
101 lachen?
102 Luca: Die sagen dann, dass sie es lassen sollen, aber sobald der Lehrer den
103 Raum verlässt, geht es weiter.
104 Ich: Und im Unterricht Luca?
105 Luca: Da sagen die Lehrer halt das wir still sein sollen. Aber daran halten sich
106 die anderen auch nicht lange. Und selbst wenn sie still sind, dann ziehen
107 sie mich in der Pause damit auf, dass ich immer zu den Lehrern rennen
108 und petzen würde. Aber das mache ich doch gar nicht!
109 KM: Seit Wochen geht Luca nur noch ungern zur Schule. Ständig sucht er
110 sich neue Ausreden um nicht hingehen zu müssen. Da hat er Bauch-
111 schmerzen, dann wieder Kopfschmerzen. Wenn ich dann genau darüber
112 Spreche, was ihm denn weht tut und wie lange schon und ich ihm erkläre,
113 dass wir uns nicht anlügen, dann sagt er das er heute keine Lust auf
114 Mathe oder auf Deutsch hat. Aber so kann das doch nicht weitergehen.
115 Seine Noten haben sich im letzten halben Jahr verschlechtert und mich
116 hat dieses Schulhalbjahr bereits zweimal seine Lehrerin angerufen, um
117 mir mitzuteilen, dass er fast nie seine Hausaufgaben machen würde.
118 Wenn ich Luca aber am Abend frage, ob er Hausaufgaben aufbekommen
119 hat, sagt er entweder nein, oder er habe sie bereits gemacht.
120 Ich: Luca stimmt das, was deine Mama erzählt?
121 Luca: Ja schon, aber ich mache das eigentlich gar nicht absichtlich. Zumindest
122 die Hausaufgaben, ich denke immer, ich habe keine auf. Sonst würde ich
123 sie machen, Mama weiß das ich sie immer frage, wenn ich Hilfe bei
124 Aufgaben brauche, stimmts?
125 KM: Ja das stimmt Luca. Sie stehen auch nicht in seinem Hausaufgabenheft,
126 ich vermute, dass er einfach vergisst, sie aufzuschreiben. Die Lehrer
127 gucken aber auch nicht danach, ob die Kinder sich die Aufgaben
128 notieren.
129 Ich: Stimmt das Luca. Schreibst du dir deine Hausaufgaben nicht auf? Wann
130 sagen euch die Lehrer denn, was ihr zu Hause machen sollt. Was eure
131 Hausaufgabe ist?
132 Luca: Ja das stimmt. Die sagen das immer ganz am Ende, meistens wenn es
133 schon geklingelt hat. Dann möchte ich immer ganz schnell nach draußen
134 zu Fynn.
135 Ich: Wer ist denn Fynn, ein Freund von dir?
136 Luca: Nein! Fynn ist mein bester Freund! Aber wir sind nicht in der gleichen
137 Klasse, das ist doof. Deswegen sehen wir uns nur in der Pause. Also
138 packe ich meinen Rucksack immer ganz schnell zusammen, um vor ihm
139 an der Tischtennisplatte zu sein.
140 Ich: Wow, Fynn scheint dir ja sehr wichtig zu sein, wenn du es kaum erwarten
141 kannst, ihn in den Pausen zu sehen.
142 Luca: Das ist er auch, Fynn ist einfach der beste.
143 KM: Luca und Fynn kennen sich schon ewig. Sie waren zusammen im
144 Kindergarten und Fynn und seine Mutter wohnen nur 2 Straßen weiter.
145 Die Jungs sehen sich eigentlich fast täglich.
146 Ich: Wow, das ist aber toll, dass du und Fynn solche guten Freunde seid. Da
147 ist es ja wirklich schade, dass ihr nicht in einer Klasse seid. Aber ihr seid
148 auf der gleichen Schule und könnt euch immer in den Pausen sehen,
149 dass ist doch auch schön, oder?
150 Luca: Ja das stimmt, es wäre echt doof gewesen, wenn Fynn in Künzelsau auf
151 der Schule wäre. Da wollte ihn sein Papa nämlich erst hinschicken.
152 Ich: Luca, hast du denn noch andere Freunde außer Fynn?
153 Luca: Nicht wirklich.
154 Ich: Hast du denn sonst Kontakt zu Jungs oder Mädchen in deinem Alter?
155 Abgesehen von der Schule? Also vielleicht durch Hobbys?
156 Luca: Eigentlich nicht. Früher war ich mal Tischtennisspielen und Fußball, aber
157 jetzt mache ich das alles nicht mehr. Ich bin eigentlich immer zu Hause
158 und spiele an der Xbox oder am Computer. Oder mache was mit Fynn.
159 Oft zocken wir auch zusammen.
160 Ich: Okay. Und wenn wir jetzt nochmal zurück zu deiner Situation in der
161 Schule gehen, wie oft hast du das Gefühl, dass die anderen dich nicht
162 gut behandeln? Also wenn wir jetzt an eine Woche denken?
163 Luca: Eigentlich fast jeden blöden Tag.
164 Ich: Okay. Gibt es denn Tage, an denen nicht niemand ärgert? Ausnahmen,
165 an denen der Tag nicht ganz so blöd ist?
166 Luca: Ja schon, solche Tage gibt es auch. Montags ist es eigentlich ganz okay.
167 Da haben wir schon zur ersten Stunde. Und alle sind so müde, dass
168 keiner mich beachtet. Sonst ärgern die mich eigentlich oft. Oder wenn
169 der Tim krank ist, dann sind die anderen eigentlich ganz normal zu mir,
170 so wie früher halt.
171 Ich: Na das klingt doch positiv. Ich gehe davon aus, dass Tim der Schüler ist,
172 der neu in eure Klasse gekommen ist? Weißt du denn, wieso er zu euch
173 in die Klasse gekommen ist? Ist er zum Beispiel von einer anderen
174 Schule ans Bildungszentrum gewechselt, oder musste er die Klasse
175 wiederholen, weißt du das?
176 Luca: Ja genau, das ist Tim. Die Lehrerin meinte, er war schonmal in der 5.
177 Klasse und muss sie jetzt wiederholen.
178 Ich: Okay Luca, wenn wir beide uns jetzt eine Skala vorstellen, die geht von
179 1 bis 10. 1 ist ganz schlecht und 10 ist super gut. Was würdest du sagen,
180 wie gern gehst du in letzter Zeit zur Schule?
181 Luca schaut durch die Gegend und ist einige Zeit still.
182 Luca: Naja so bei einer vier denke ich.
183 Ich: Ich bin ein wenig neugierig Luca. Kannst du mir auch erklären, warum
184 eine vier?
185 Luca: Naja ich habe ja den Fynn. Wir sehen uns eigentlich jede Pause. Das ist
186 schön, da freue ich mich dann auch immer ganz arg drauf. Aber wenn
187 die Lehrer dann weiter machen, obwohl es doch schon zur Pause
188 geklingelt hat, dann werde ich halt wütend. Aber eigentlich mag ich auch
189 die meisten Lehrer, sie sind meistens lieb zu mir. Aber ich mag es nicht,
190 wenn sie mit mir schimpfen, nur weil ich meine Hausaufgaben nicht
191 gemacht habe. Dann fühle ich mich nicht gut. Ich möchte sie ja eigentlich
192 wirklich machen, aber irgendwie weiß ich schon nicht mehr was die
193 Hausaufgaben waren, wenn ich dann zu Hause bin. Und Fynn kann
194 ich nicht fragen, wir sind ja nicht in einer Klasse. Eigentlich möchte ich im
195 Unterricht auch mehr aufpassen, um das Thema besser zu verstehen,
196 aber ich weiß nicht wie das geht. Also besser aufpassen. Und dass
197 die Jungs mich immer ärgern finde ich auch nicht gut. Das mag ich nicht.
198 Dann fühle ich mich ganz allein in der Klasse, als wenn niemand mich
199 mag. Auch wenn ich weiß, dass das eigentlich nicht stimmt. Aber die
200 anderen sagen auch nichts dagegen.
201 Ich: Okay, das heißt, dass dich diese Jungs ärgern findest du
202 verständlicherweise nicht gut und das tut dir auch weh, oder?
203 Luca: Ja.
204 Ich: Und mit den anderen Klassenkameraden verstehst du dich eigentlich
205 gut? Und wenn Tim nicht da ist, dann sind die anderen aus seiner
206 Gruppe auch nicht gemein zu dir. Verstehe ich dich richtig?
207 Luca: Ja das stimmt!
208 Ich: Okay Luca. Jetzt habe ich ja eine ganze Menge über die Schule gehört.
209 Wie ist denn die Situation bei euch zu Hause?
210 Luca: Die sind beide so selten zu Hause. Seid Mama diese neue Arbeit hat, ist
211 es schlimmer geworden. Ich mag meine Mama und finde es blöd, dass
212 wir nur noch am Wochenende so richtig was zusammen machen.
213 Frau Maier schluchzt leise und steht kurz von der Bank auf.
214 Läuft einige Schritte.
215 Ich: Und wie ist es mit deinem Papa?
216 Luca: Das haben Sie doch letzte Woche gesehen!
217 Ich: Ich habe nur eine Situation gesehen Luca. Ich würde gern von dir wissen
218 wie es zwischen dir und deinem Papa ist. Natürlich nur, wenn du mir dazu
219 etwas erzählen möchtest. Das Ganze ist gerade sehr schwierig für dich
220 nicht wahr?
221 Luca hat Tränen in den Augen.
222 Frau Maier setzt sich wieder.
223 Luca: Mama und Papa streiten sich oft. Das geht schon seit vielen Wochen so.
224 Sie haben das ja gesehen, als sie mit Herr Knecht bei uns waren. Da
225 haben die sich auch wieder angeschrien.
226 Ich: Wie hast du dich denn in diesem Moment gefühlt, als deine Mama und
227 dein Papa sich so gestritten haben?
228 Luca: Das war ganz schlimm für mich. Eigentlich so wie immer.
229 Luca laufen zwei Tränen die Wange runter.
230 Frau Maier hält die Hand vor ihren Mund.
231 Ich: Okay Luca ich merke, das ist gerade sehr schwer für dich. Möchtest du
232 das wir aufhören darüber zu sprechen?
233 Luca: Nein, das ist schon okay.
234 Ich: Wie fühlst du dich jetzt gerade Luca?
235 Luca: Ich bin traurig und fühle mich allein. Aber ich will eigentlich ganz stark
236 sein, so wie mein Papa. Und dann werde ich wütend. So wie in der
237 Schule, wenn mich die anderen ärgern. Oder wenn die Lehrerin mit mir
238 schimpft. Oder wenn Papa mit Mama schimpft. Manchmal wenn ich
239 wütend bin, dann mache ich auch Sachen kaputt, oder werfen sie einfach
240 weg.
241 Ich: Denkst du denn, dass es eine Lösung ist, wenn du wütend wirst oder
242 Sachen kaputt machst?
243 Luca schaut zu Boden.
244 Luca: Nein. Aber ich weiß nicht wie es anders geht. Was ich anderes machen
245 soll.
246 Ich: Okay Luca, das war ein ganz schön schwieriges Thema. Ich sehe, dass
247 dir das ganz schön zu schaffen macht. Ist es für dich in Ordnung, wenn
248 ich deiner Mama jetzt ein paar Fragen stelle?
249 Luca: Ja. Luca nickt.
250 Ich: Okay. Frau Maier ich weiß, dass die Situation bei ihnen zu Hause in der
251 letzten Zeit sehr angespannt ist. Sie nehmen die Streitigkeiten zwischen
252 Ihnen und ihrem Mann sehr mit. Aber auch der Umgang von Luca mit
253 Ihnen zu Hause belastet Sie, richtig? Das hatten wir ja bereits bei unserem
254 letzten Termin genauer besprochen. Vielleicht können wir einfach
255 nochmal über die wichtigsten Punkte sprechen. Wir sind ja heute hier,
256 um gemeinsam nach einer Lösung für Ihre momentanen Probleme und
257 die Probleme von Luca zu sprechen.
258 KM: Genau, ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie sich die Zeit genommen
259 haben, heute nach Niedernhall zu kommen. Ich liebe meinen Mann und
260 meinen Sohn eigentlich bedingungslos, aber in letzter Zeit ist es für mich
261 zu Hause kaum auszuhalten. Für mich steht Luca jetzt aber erstmal im
262 Vordergrund, wie es mit mir und meinem Mann weiter geht, das muss
263 hintenangestellt werden. Was möchten Sie denn wissen?
264 Ich: Bei unserem letzten Termin hatten Sie bereits angemerkt, dass Luca
265 auch Ihnen gegenüber zu Hause immer wieder körperlich, vorrangig aber
266 eher verbal aggressiv auftritt. Wenn ich es noch richtig im Kopf habe
267 dann meinten Sie, dass Luca sie vor allem immer wieder mit
268 Beleidigungen und Schimpfwörtern angeht, habe ich das richtig in
269 Erinnerung?
270 KM: Ja, das stimmt leider. In der letzten Zeit tritt das immer mehr auf. Anfangs
271 dachten wir, dass das von Luca nur so eine Phase ist. Sie wissen schon,
272 die Jungs hören solche Wörter, schnappen sie irgendwo auf.
273 Ich: Können Sie mir sagen, in welchen Situationen Luca dieses Verhalten
274 zeigt?
275 KM: Wenn ich so recht darüber nachdenke, dann eigentlich jeden Morgen,
276 wenn Luca aufstehen muss und beim Schlafen gehen. Eigentlich früher
277 auch immer wieder beim Hausaufgaben machen, aber mir sagt Luca ja
278 Oft, dass er keine Hausaufgaben aufhätte.
279 Ich: Können Sie mir so eine typische Situation schildern?
280 KM: Also morgens möchte Luca nie aufstehen, weil er nicht in die Schule
281 möchte. Wenn er könnte, würde er wohl den ganzen Tag verschlafen.
282 Deshalb stehe ich extra früh auf, damit Luca genügend Zeit hat um
283 Wachzuwerden und sich fertig zu machen. Meistens wecke ich ihn 6.20
284 Uhr oder 6.30 Uhr das erste Mal, da ist er noch ganz verschlafen und
285 ruhig. Ich beginne dann das Frühstück zu machen und versuche ihn
286 währenddessen noch einige Male zum Aufstehen zu bewegen. Da darf
287 ich mir dann die Beschimpfungen anhören, manchmal schaffe ich es
288 selbst ihn zum Aufstehen zu bewegen, wenn nicht steht er spätestens
289 um 7:10 Uhr auf, wenn sein Papa auch aufsteht. Aber dann wird es für
290 Luca immer zu eng mit dem Frühstücken und fertig machen. Er trödelt
291 am Morgen gern und wenn er zu lange braucht, kommt er dann eben zu
292 spät in die Schule. Ich habe immer wieder ein schlechtes Gewissen
293 dabei, ihn zu wecken. Er will wohl nicht in die Schule und ich zwinge ihn
294 jeden Morgen dazu hinzugehen. Aber mein Mann und ich sind uns
295 hierbei einig, er muss in die Schule. Nur ab und zu lasse ich seine
296 Ausreden durchgehen. Naja, und abends dann das gleiche Spiel.
297 Ich: Wie gestaltet sich denn abends die Problematik?
298 KM: Naja also Luca will in der Regel immer viel länger aufbleiben, aber das
299 geht nun mal nicht. Er hat am nächsten Tag Schule und kann nicht so
300 lange an seiner Konsole oder seinem PC spielen. Er sieht das nur
301 anders, dann bemühe ich mich immer ruhig zu bleiben. Aber manchmal
302 schreie ich ihn an, und das tut mir leid. Aber es verletzt mich, dass er
303 mich immer wieder beschimpft und ich weiß mir nicht anders zu helfen
304 wenn er nicht tut, was man ihm sagt. Manchmal wirft er dann etwas von
305 seinem Schreibtisch, er hat auch schon mit einem Buch nach mir
306 geworfen. Mein Mann und ich haben uns auf die Strategie geeinigt, dass
307 wir konsequent bleiben und versuchen den Konflikt mit Luca ruhig zu
308 klären. Aber ab und zu ist es auch für meinen Mann und mich eine
309 echte Herausforderung.
310 Ich: Ich finde es sehr gut Frau Maier, dass Sie und ihr Mann gemeinsam nach
311 einer Strategie gesucht haben, wie Sie mit solchen Situationen umgehen
312 möchten. Und auch das Sie es sich vorgenommen haben, in diesen
313 Situationen Luca gegenüber konsequent aufzutreten finde ich sehr gut,
314 auch wenn das vielleicht nicht immer gelingt. Sprechen Sie als Familie
315 am Ende einer solchen Situation gemeinsam über das Geschehene und
316 reflektieren die Situation?
317 KM: Ja das tun wir. Naja, so gut es eben geht. Manchmal gelingt das ganz
318 gut, aber manchmal eben auch nicht. Wenn Luca dann wieder zur Ruhe
319 gekommen ist, tut es ihm auch leid und er entschuldigt sich. Manchmal
320 weint er, weil es ihm so leidtut und er sagt, er wisse nicht, wie er mit so
321 einer Situation umgehen solle. Meistens sitzen mein Mann und ich dann
322 zusammen im Wohnzimmer und er kommt dazu, wenn er sich bereit
323 dazu fühlt, und entschuldigt sich.
324 Ich: Luca, wir haben beide gehört, wie deine Mama diese Situationen
325 wahrnimmt, stimmst du ihr dabei zu, oder wie ist deine Meinung. Magst
326 du dazu was sagen?
327 Luca: Mama hat Recht, mit dem was sie sagt, und es tut mir auch wirklich jedes
328 Mal leid danach. Aber ich kann einfach nichts tun. Wenn ich so wütend
329 werde, dann sage ich Sachen zu ihr, die ich eigentlich nicht sagen
330 möchte, aber wenn sie mich so wütend macht, weiß ich nicht wie ich naja
331 reagieren soll, denke ich. Ich möchte sowas eigentlich nicht sagen.
332 Ich: Frau Maier, Herr Knecht hatte letztes Mal die Möglichkeit eine
333 psychologische Abklärung angesprochen.
334 KM: Mein Mann und ich sind uns einig, dass wir das bisher nicht wollen.
335 Ich: Das respektiere ich natürlich. Wenn Sie ihre Meinung allerdings ändern
336 sollten oder einige Informationen über die Möglichkeiten erfahren
337 möchten, dann können Sie und ihr Mann sich selbstverständlich jederzeit
338 an mich und an Herrn Knecht wenden.
339 KM: Danke, momentan ist es für uns aber wirklich keine Option. So sehr wie
340 mein Mann und ich uns momentan immer wieder streiten, in diesem
341 Punkt sind wir uns einig.
342 Ich: Von pädagogischer Seite hätte ich aber eine Idee für Luca. Herr Knecht
343 hatte bei unserem letzten Termin bereits kurz angesprochen, dass der
344 Schulsozialarbeiter Herr Jänicke Luca für die Flexiblen Hilfen angedacht
345 hat. Nachdem das Gespräch zum Ende hin sehr angespannt war, hatten
346 wir gemeinsam beschlossen, das Gespräch zu beenden und sind
347 deshalb nicht mehr dazu gekommen, über die Flexiblen Hilfen zu
348 sprechen. Luca kannst du dir denn schon etwas darunter vorstellen? Herr
349 Schneider leitet die Gruppe.
350 Luca: Über die Flex weiß ich eigentlich nichts. Außer das einige Jungs, die ich
351 Kenne, in der Gruppe sind. Und Herr Schneider ist toll, dann ist die Flex
352 bestimmt auch cool, außerdem sagen die anderen, dass es Spaß
353 macht.
354 Ich: Das ist ja schön, woher kennst du denn Herr Schneider?
355 Luca: Montags am Nachmittag machen wir immer mit Herr Jänicke Sport in der
356 Sporthalle, manchmal kommt Herr Schneider mit der Flex dazu und dann
357 spielen wir zusammen. Das macht immer Spaß. Herr Schneider kann gut
358 Fußball spielen!
359 Ich: Das ist ja schön. Dann hattest du ja schon einige Male mit Herr Schneider
360 zu tun. Haben dir die Jungs von der Flex schonmal erzählt was sie bei
361 Herr Schneider so alles machen? Oder habt ihr nur zusammen Fußball
362 gespielt?
363 Luca: Also eigentlich meinten sie, dass man bei Herr Schneider viele Spiele
364 spielt. Man isst zusammen Mittagessen in der Mensa und danach geht
365 man in den Raum der Flex und macht Hausaufgaben. André hat gesagt,
366 dass das zwar echt langweilig ist, aber Herr Schneider hilft auch, wenn
367 man das möchte. Naja, und dann werden Spiele gespielt. Worauf man
368 Lust hat. In der Flex soll es viele Spiele geben.
369 Ich: Da weißt du ja schon eine ganze Menge über die Flex, Luca. Ich erzähle
370 deiner Mama noch ein paar Sachen über die Flex, damit sie sich auch
371 genauer vorstellen kann, was der Herr Schneider so macht. Vielleicht
372 erzähle ich dann auch etwas, das du noch nicht weißt und du kannst auch
373 noch etwas Neues über die Flex lernen.
374 Luca: Okay.
375 Ich: Die Flexiblen Hilfen sind grundsätzlich für Schüler der Klassen 1 bis 6
376 offen und sollen ein unterstützendes Angebot für Kinder und ihre Eltern
377 darstellen. Finanziert werden sie vom Jugendamt Hohenlohekreis als
378 Hilfe zur Erziehung. Es geht vorrangig darum, Kinder mit
379 Verhaltensproblemen oder Schwierigkeiten in der Entwicklung zu
380 unterstützen und sie in ihrem Sozialverhalten zu unterstützen. Also geht
381 es zum Beispiel darum, dass du Luca lernst, wie du dich in einer Gruppe
382 wohl fühlst und wie du dich besser in eine Gruppe, wie die Gruppe der
383 Flex oder deine Klasse einfinden kannst. Herr Schneider übt mit euch
384 aber auch, dass ihr lernt, Regeln und Strukturen besser einzuhalten und
385 allgemein mit Sachen wie Hausaufgaben und lernen für Klassenarbeiten
386 besser umzugehen. Er wird aber auch mit dir Üben, wie du dich in
387 schwierigen Situationen mit anderen Kindern reagieren kannst, also zum
388 Beispiel, wenn dich deine Klassenkameraden wieder ärgern. Im Prinzip
389 geht es also vorrangig auch darum den Kindern neue Verhaltens-
390 möglichkeiten aufzuzeigen. Luca hast du bisher Fragen?
391 Luca: Ich verstehe nicht ganz, wie Herr Schneider mir helfen soll, wenn mich
392 die Jungs aus meiner Klasse wieder ärgern.
393 Ich: Herr Schneider übt mit dir und den anderen Kindern in der Flex wie du
394 dich in so einer Situation verhalten kannst. Also was du sagen oder
395 machen kannst, wenn dich zum Beispiel jemand auslacht oder etwas
396 böses zu dir sagt, verstehst du?
397 Luca: Ja. Das klingt gut.
398 Ich: Das ist schön, dass du das so siehst. Haben Sie gerade Fragen Frau
399 Maier?
400 KM: Eigentlich nicht. Das klingt alles gut. Gibt es denn Voraussetzungen,
401 damit Luca in diese Flex aufgenommen werden kann? Oder wie
402 funktioniert die Aufnahme? Und wie lange dauert es, bis er da anfangen
403 kann?
404 Ich: Also vom Prinzip her wird ein Schüler in der Regel vom Klassenlehrer
405 für die Flexiblen Hilfen vorgeschlagen. Dann würde der Klassenlehrer
406 einen Termin mit den Eltern vereinbaren, um die Flexiblen Hilfen
407 vorzustellen und sie über das Angebot informieren, bei Wunsch oder
408 Einverständnis der Eltern kann Herr Schneider dann, auch nachträglich,
409 zu dem Termin dazu geholt werden. Wenn die Eltern dann einverstanden
410 sind, findet ein Vorstellungsgespräch zwischen Jugendamt, Herr
411 Schneider und den Eltern vereinbart werden, wenn der Klassenlehrer
412 oder die Klassenlehrerin Zeit findet, kommen sie auch zu dem Gespräch,
413 natürlich nur, wenn die Eltern das möchten. Bei Luca ist das jetzt etwas
414 anders, aber gar nicht schlimm. Herr Schneider kennt den Luca schon
415 und kann ihn sich gut in der Flexiblen Hilfen vorstellen. Herr Knecht hatte
416 die Flexiblen Hilfen das letzte Mal bereits angesprochen und ich
417 informiere sie heute über das Angebot. Wenn Sie, ihr Mann und Luca
418 sich vorstellen könnten, dass Luca die Flexiblen Hilfen besucht,
419 vereinbaren wir ein Vorstellungsgespräch mit Herr Schneider in der
420 Flexiblen Hilfen. In der Regel können bis zu 8 Kinder die Flex besuchen
421 und Herr Schneider hat zurzeit einen Platz frei. Das heißt, dass Luca
422 nach einem Vorstellungsgespräch zügig starten könnte. Das sind jetzt
423 alles ganz schön viele Infos, ist bis hierher alles verständlich?
424 KM: Ja bis jetzt ist alles gut verständlich. Ich denke mein Mann wäre auch
425 damit einverstanden, dass Luca die Flexiblen Hilfen besucht. Muss er
426 denn bei dem Gespräch mit Herr Schneider dabei sein und worum geht
427 es in diesem Gespräch?
428 Ich: Grundsätzlich ist es immer gut, wenn beide Eltern bei so einem Termin
429 anwesend sind. Sie sind beide sorgeberechtigt, wenn aus gegebenen
430 Gründen nur ein Elternteil anwesend sein kann, ist es auch in Ordnung.
431 Frau Maier ich weiß, dass die Situation zwischen Ihnen und ihrem Mann
432 zurzeit sehr schwierig ist, trotzdem fände ich es gut, wenn Sie ihn auf
433 jeden Fall über das Gespräch informieren. Vielleicht schieben wir kurz
434 etwas anderes ein, bevor ich Ihnen genaueres zum
435 Vorstellungsgespräch erzähle. Die Flexiblen Hilfen gehören wie schon
436 gesagt zu den Hilfen zur Erziehung, das Angebot ist kostenlos, weil es
437 pauschal vom Jugendamt finanziert wird. Sie und ihr Mann müssen als
438 sorgeberechtigte Eltern von Luca allerdings einen Antrag für die
439 Beantragung dieser Hilfeart ausfüllen. Das ist nichts Schlimmes, so einen
440 Antrag lasse ich Ihnen gern vorgefertigt zukommen, dass Sie und ihr
441 Mann ihn in Ruhe durchlesen und unterschreiben können. Natürlich nur,
442 wenn Sie die Hilfe dann beantragen möchten. Hier ist es aber wichtig,
443 dass wir die Unterschrift von Ihnen beiden haben, da sie beide
444 sorgeberechtigt sind.
445 KM: Das wird kein Problem sein. Ich erzähle ihm heute Abend davon. Aber
446 wir sind uns eigentlich beide einig, dass es etwas für Luca braucht. Ich
447 weiß nur nicht ob er bereit ist, zu diesem Gespräch mitzukommen. Aber
448 ich werde ihm sagen, dass es für sie gut wäre, wenn er an dem Termin
449 teilnimmt.
450 Ich: Dann machen wir das so. Wenn Herr Maier dann nicht mit zum
451 Gespräch möchte oder kann ist das auch in Ordnung. Seine Unterschrift
452 auf dem Antrag ist allerdings wichtig.
453 KM: Okay. Ich werde ihm das so sagen.
454 Ich: Okay, dann erzähle ich Ihnen Frau Maier und dir Luca noch kurz etwas
455 zum Vorstellungstermin und dann sind wir auch schon fertig. In Ordnung?
456 Luca: Das klingt gut!
457 KM: Luca! Für mich ist das wichtig.
458 Ich: Bei diesem Termin geht es darum, dass wir alle gemeinsam Ziele
459 festlegen, die du Luca und auch deine Eltern mit der Hilfe von Herrn
460 Schneider und der Flex erreichen möchtet. Gemeinsam erarbeiten wir
461 dann einen kleinen Hilfeplan, in dem diese Ziele festgehalten werden.
462 Nach ungefähr 6 Monaten treffen wir uns dann wieder und schauen, wie
463 weit du und deine Eltern den Zielen gekommen seid, welche Ziele schon
464 erreicht wurden, welche neuen Ziele hinzukommen und welche vielleicht
465 nicht mehr so wichtig sind.
466 KM: Das klingt alles sehr positiv. Ich kann mir Luca sehr gut in der Flexiblen
467 Hilfen vorstellen.
468 Ich: Luca, was sagst du dazu? Denkst du die Flexiblen Hilfen wäre etwas für
469 dich?
470 Luca: Ja, ich möchte zu Herr Schneider gehen. Vielleicht stimmt es ja, und ich
471 kann dann in schwierigen und blöden Situationen anders reagieren.
472 Ich: Das freut mich zu hören. Dann schlage ich vor, dass du Luca, dir schon
473 einmal Gedanken darüber machst, was du bei Herr Schneider lernen
474 möchtest. Zum Beispiel wie du gerade gesagt hast, dass du lernst, wie
475 du in solchen Situationen reagieren und handeln kannst.
476 Luca: Das mache ich.
477 Ich: Ich werde Herr Schneider über unser Gespräch informieren. Damit er
478 Bescheid weiß, dass wir den Platz voraussichtlich gern belegen möchten.
479 Und Sie Frau Maier informieren ihren Mann über den Inhalt unseres
480 heutigen Gespräches und über das Angebot der Flexiblen Hilfen. Dann
481 telefonieren wir in den nächsten Tagen und Sie teilen mir mit, ob sie Luca
482 für die Flexiblen Hilfen anmelden möchten. Wenn dem so ist, werden wir
483 einen Termin für das Gespräch mit Herr Schneider abstimmen, damit
484 Luca die Flexiblen Hilfen schon bald besuchen kann und Sie lassen mir
485 den Antrag schriftlich zukommen.
486 KM: Das werde ich tun. Ich werde gleich nachher mit meinem Mann sprechen
487 und sie die nächsten Tage anrufen, damit Luca so schnell wie möglich
488 teilnehmen kann. Frau Carstensen ich danke Ihnen vielmals.
489 Ich: Zum Schluss hätte ich noch eine kleine Frage an dich Luca.
490 Luca: Welche?
491 Ich: Sagen wir du hättest einen Wunsch frei, und das was du dir heute
492 wünscht, wird über Nacht wahr. Was wäre morgen früh anders? Was
493 würdest du dir wünschen? Oder woran merkst du, dass dein Wunsch
494 Wirklichkeit geworden ist?
495 Luca: Aber es gibt doch keine Wunschfee! Na gut, also ich würde mir wirklich
496 wünschen, dass mich die Jungs aus meiner Klasse nicht mehr ärgern.
497 Ich möchte wieder gern in die Schule gehen. Und ich möchte nicht mehr
498 so schnell wütend werden und meine Mama beschimpfen.
499 Ich: Das hast du wirklich sehr schön gesagt Luca. So eine Frage zu
500 beantworten ist gar nicht so leicht. Es kommt mir aber so vor, als wenn
501 du dir darüber schon öfter Gedanken gemacht hast, kann das sein?
502 Luca: Vielleicht.
503 Ich: Okay Luca, ich finde es wirklich großartig, dass du das ganze Gespräch
504 über so offen zu mir warst und mir so viel erzählt hast. Das ist bei meinen
505 Gesprächen nicht immer so. Ich bin mir aber sicher, dass wir mit der Hilfe
506 von Herrn Schneider und der Flex deinem Wunsch näherkommen
507 können und das zusammen hinkriegen. In Ordnung?
508 Danke, ich verspreche, dass ich mich bemühe! Da drüben ist Fynn, darf
509 ich schon zu ihm?
510 KM: Nur, wenn Frau Carstensen keine weiteren Fragen an dich hat Luca.
511 Ich: Ich habe keine Frage mehr an dich. Ich fand unser Gespräch sehr schön
512 und freue mich auf unser nächstes Treffen Luca.
513 Luca: Dankeschön. Bis zum nächsten Mal Frau Carstensen.
514 Luca gibt seiner Mutter einen Kuss auf die Wange und rennt zu seinem
515 Freund.
516 Ich: Frau Maier, Herr Knecht hat Ihnen letztes Mal bereits die
517 Erziehungsberatungsstelle empfohlen, allerdings ging es in diesem
518 Zusammenhang nur um die Probleme zwischen Ihnen und Luca. Sie
519 können sich an die Erziehungsberatungsstelle auch mit Fragen bezüglich
520 ihrer Partnerschaft wenden.
521 KM: Vielen Dank, das ist das letzte Mal nicht zur Sprache gekommen. Ich
522 werde es mir durch den Kopf gehen lassen. Ich werde heute Abend
523 meinem Mann von unserem heutigen Gespräch erzählen und versuchen
523 meinem Mann von unserem heutigen Gespräch erzählen und versuchen
524 mit ihm ein klärendes Gespräch zu führen. Ich weiß, dass unsere
525 Probleme nicht einfach so verschwinden werden, aber ich denk, unser
526 Problem ist es, dass wir solchen klärenden Gesprächen gern aus dem
527 Weg gehen und uns anschreien, statt produktiv damit umzugehen. Das
528 hilft aber Luca und uns nicht weiter. Eigentlich möchte ich da aber gar
529 nicht drüber reden. Nochmals Danke, dass Sie sich die Zeit genommen
530 haben. Ich werde Sie in den nächsten Tagen anrufen.
531 Ich: Nichts zu Danken. Ich danke Ihnen, dass Sie so offen in unserem
532 Gespräch waren und wünsche Ihnen bis dahin alles Gute.
533 KM: Auf Wiedersehen.
534 Ich: Auf Wiedersehen.
535 Fra u M. geht auf Luca zu.

Anhang 2: Genogramm Familie Maier

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Excerpt out of 42 pages

Details

Title
Soziale Einzelhilfe im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD)
College
Baden-Wuerttemberg Cooperative State University (DHBW)
Grade
1,5
Year
2018
Pages
42
Catalog Number
V493814
ISBN (eBook)
9783668980471
ISBN (Book)
9783668980488
Language
German
Keywords
soziale, einzelhilfe, allgemeinen, sozialen, dienst
Quote paper
Anonymous, 2018, Soziale Einzelhilfe im Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD), Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/493814

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