Leseprobe
Gliederung
1. Einleitung
2. „Die Auswirkungen des Industriekapitalismus auf das öffentliche Leben“ (Richard Sennett, 2002)
2.1. Zusammenfassung des Textes
2.2. Kurze Vorstellung des Autors Richard Sennett
3. Die Entstehung des Warenhauses
3.1. Voraussetzungen für die Entstehung des Warenhauses.
3.2. Festpreis statt Feilschen
3.3. Freier Eintritt ohne Kaufverpflichtung
3.4. Eine neue Verkaufspsychologie
4. Fazit
5. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Seminar „Das Leben in der Menge“ im Sommersemester 2005 haben wir uns mit der Industrialisierung, Metropolenbildung und den Menschen der Großstadt befasst. Dazu haben wir uns zunächst die Entstehung der Großstädte im 19. Jahrhundert angeschaut, um später auf die Eigenarten des Lebens in der Großstadt, wie Migration, Fremdheit und Isolation, einzugehen. Im Text „Die Auswirkungen des Industriekapitalismus auf das öffentliche Leben“ von Richard Sennett wird die große Zuwanderung und das enorme Bevölkerungswachstum in den Städten Paris und London beschrieben. Die Lokalisierung der Städte führte zu Fremdheit und Isolation zwischen den gesellschaftlichen Klassen. Anhand des Warenhauses veranschaulicht Sennett, wie sich die Öffentlichkeit durch den Industriekapitalismus veränderte. An Stelle einer durch aktiven Austausch geprägten Öffentlichkeit, die um jeden neu erworbenen Artikel feilschen muss, trat eine andere, intensivere, aber weniger gesellige Öffentlichkeitserfahrung.[1]
In der folgenden Arbeit möchte ich zunächst den Inhalt des Textes „Die Auswirkungen des Industriekapitalismus auf das öffentliche Leben“ zusammenfassen und den Autor Richard Sennett vorstellen. Im Gliederungspunkt 3 beschäftige ich mich vertiefend mit der Entstehung des Warenhauses, die bereits in Richard Sennetts Text erläutert wird. Ich werde zum Beispiel fragen: Welche Voraussetzungen waren nötig, um ein Warenhaus gründen und erfolgreich leiten zu können? Wie wurde das Warenhaus als neue Form des Einzelhandels von der Bevölkerung aufgenommen – gab es auch kritische Stimmen? Welche Neuerungen des Verkaufs wurden im Warenhaus umgesetzt und welche Auswirkungen hatten diese auf das Verhalten von Käufer und Verkäufer? Welche Anreize hatte das neue Warenhaus für die potentiellen Kunden? Warum fuhren sie erst ins Stadtzentrum, um einkaufen zu gehen und blieben nicht in ihren eigenen Vierteln? Und schließlich – was meint Richard Sennett mit der „Mystifikation der öffentlichen Erscheinungsbilder“[2] ?
2. „Die Auswirkungen des Industriekapitalismus auf das öffentliche Leben“ (Richard Sennett, 2002)
2.1. Zusammenfassung des Textes
Richard Sennett beschreibt im Text „Die Auswirkungen des Industriekapitalismus auf das öffentliche Leben“ die Großstadtentwicklung im 19. Jahrhundert anhand der Metropolen Paris und London, die vor allem durch ein enormes Bevölkerungswachstum gekennzeichnet ist, und die entsprechenden Auswirkungen auf das öffentliche Leben. Öffentliches Leben bezeichnet dabei ein Leben „außerhalb des engeren Familien- und Freundeskreises“[3]. Durch das starke Bevölkerungswachstum und die damit verbundene Vervielfachung der Käuferschichten entstand eine neue Institution des Handels: Das Warenhaus.[4] Anhand des Warenhauses zeigt Richard Sennett exemplarisch, welche Wandlung das öffentliche Leben durch den Industriekapitalismus nahm.
Der Text gliedert sich in folgende vier Abschnitte:
I. War der Stadtbewohner des 19. Jahrhunderts eine neue Gestalt? (S. 173 – 175)
II. Die „Lokalisierung“ der Stadt (S. 176 – 181)
III. Zufall und bürgerliches Leben (S. 181 – 185)
IV. Warenöffentlichkeit (S. 186 – 195)
Im ersten Textabschnitt beschreibt Sennett den im 19. Jh. beachtlichen Zuzug in städtische Räume anhand der Metropolen Paris und London und erklärt die Ursachen dieser historischen Wanderbewegungen: Die Bevölkerung ist in den Großstädten überproportional schnell angewachsen. Von 1801 bis 1896 ist die Pariser Bevölkerung von ursprünglich 547.756 auf 2.536.834 angestiegen und hat sich somit vervierfacht.[5] Die Bevölkerungszahlen der Stadt London in diesem Zeitraum sind ähnlich. Die Ursache dafür liegt vor allem an der hohen Zuwanderung. Zudem gab es Verbesserungen in der Medizin und im Gesundheitswesen, wodurch die Seuchengefahr eingedämmt wurde und somit auch ein inneres Bevölkerungswachstum in den Städten stattfand. Die Menschen wurden älter und konnten wiederum neue Familien gründen. Die Auswirkungen dieses Bevölkerungswachstums in den Städten und der damit verbundenen Verdichtung des Lebensraumes beschreibt Sennett in den folgenden Abschnitten.
Die „Lokalisierung“ der Stadt (Textabschnitt II) meint die Aufteilung der Stadt in verschiedene Segmente und somit eine Entmischung der gesellschaftlichen Klassen. In den späten 1850er Jahren wandelte Baron Haussmann die Stadt Paris von Grund auf um. Er räumte den mittelalterlichen Stadtkern aus, baute neue, gleichförmige, gerade Straßen, ein unterirdisches Abwassersystem, schuf große Monumente wie die Opéra und Grünanlagen zur Erholung.[6] Bei dieser Umstrukturierung der Stadt wurde die Vermischung der gesellschaftlichen Klassen mit Absicht eingedämmt, denn die „einzelnen Stadtviertel [sollten] zu homogenen, ökonomisch überschaubaren Einheiten [werden]“[7]. In London ergab sich die Lokalisierung, also die „Isolation der gesellschaftlichen Klassen voneinander“[8], durch die Ausweitung in die verschiedenen Stadtgebiete. Allein die räumliche Trennung und die großen Entfernungen führten zur Lokalisierung der Stadt.
Im Abschnitt III „Zufall und bürgerliches Leben“ veranschaulicht Sennett am Beispiel der Börse, dass zu Beginn des 19. Jh. die Grundüberzeugung galt, bürgerliches Ansehen beruhe auf Zufall und die Börse sei eine Art Glücksspiel. Die Konjunkturzyklen waren noch unbekannt und wurden von den Geschäftsleuten häufig mystifiziert. Selbst die Erfolgreichen verstanden noch nicht, nach welchen neuen Kriterien man Geld machen konnte.[9]
Im letzten Textabschnitt „Warenöffentlichkeit“ veranschaulicht Richard Sennett am Beispiel des Warenhauses, welche Auswirkungen der Kapitalismus auf das öffentliche Leben hatte. „[An] die Stelle einer durch aktiven Austausch geprägten Öffentlichkeit [trat] eine andere, intensivere, aber weniger gesellige Öffentlichkeitserfahrung [...]“[10].
Sennett erklärt, welche Voraussetzungen die Entstehung des Warenhauses begünstigten und warum Käufer wie Verkäufer diese neue Form des Einzelhandels privilegierten. Außerdem erklärt er Karl Marx’ Begriff des „Warenfetischismus“ und erläutert die neue Verkaufspsychologie Anfang des 19. Jahrhunderts. Doch auf die Entstehung des Warenhauses und dessen Auswirkungen auf das öffentliche Leben möchte ich im Gliederungspunkt 3 näher eingehen, sodass ich Sennetts Äußerungen dazu erst später wiedergeben möchte.
[...]
[1] Sennett, Richard: Die Auswirkungen des Industriekapitalismus... S. 186.
[2] Sennett, Richard: Die Auswirkungen des Industriekapitalismus... S. 192.
[3] Sennett, Richard: Die Auswirkungen des Industriekapitalismus... S. 178.
[4] Vgl. Sennett, Richard: Die Auswirkungen des Industriekapitalismus... S. 172 – 173.
[5] Vgl. Sennett, Richard: Die Auswirkungen des Industriekapitalismus... S. 173.
[6] Vgl. Sennett, Richard: Städtischer Individualismus... S. 406 – 407.
[7] Sennett, Richard: Die Auswirkungen des Industriekapitalismus... S. 177.
[8] Sennett, Richard: Die Auswirkungen des Industriekapitalismus... S. 178.
[9] Vgl. Sennett, Richard: Die Auswirkungen des Industriekapitalismus... S. 182 – 183.
[10] Sennett, Richard: Die Auswirkungen des Industriekapitalismus... S. 186.