Geschmack zeichnet uns aus. Durch ihn drücken wir uns aus, kategorisieren uns und andere, grenzen uns ab. Wir stimmen mit Geschmäckern Anderer überein oder finden es abscheulich, was sie/er macht, isst, trägt oder vertritt. Vieles, vielleicht sogar mehr, als wir denken, ist eben Geschmackssache. Wir identifizieren uns und andere über modischen, künstlerischen, sozialen, kulturellen, politischen und kulinarischen Geschmack; wir teilen ein und schaffen Kategorien und Schubladen. Aber wie verhält es sich mit dem Geschmack? Wie entsteht er? Bekommt man ihn, ist er angeboren, eignet man sich ihn an, kann man ihn verlieren?
Folgt man Pierre Bourdieus Annahme, muss man auf irgendeine Weise in Kontakt kommen mit etwas kommen, um Sympathie bzw. Gefallen oder Abneigung dafür zu empfinden, also eine Geschmacksempfindung zu entwickeln. Die Begegnung mit dem Objekt, dem Musikstück, dem Modetrend, der politischen Meinung oder der Morgenroutine erfolgt also nicht irgendwie; sie ist sozialisationsbedingt und somit abhängig von Erziehungs-, Herkunfts- und Statusfaktoren.
Geschmack ist aber noch mehr: An unserer Umwelt und an uns selbst können wir den dynamischen, wandelbaren Charakter von Geschmack erkennen. Er verändert sich sowohl individuell als auch über Generationen hinweg. Es gibt radikale Individuen bzw. Extremfälle, die entgegen der normativen Praxis ihres Milieus handeln, denken und empfinden, sowie (Geschmacks-)Objekte, welche eine Transformation bezüglich ihrer Interpretation durchleben und dabei in verschiedenen sozialen Feldern relevant sind. Das Essay soll Aufschluss darüber geben, wie auch Extrembeispiele, die von Wandel oder totaler Ambivalenz bezüglich Milieuzugehörigkeit und Geschmack zeugen, mit Bourdieus Sozialisationstheorie erklärt werden können.
Im Hauptteil des Essays werden zuerst die für die behandelte Thematik zentralen Begriffe Geschmack, Milieu und Habitus erklärt. Danach werden die Annahmen Bourdieus über den direkten Zusammenhang von Geschmacksbildung und sozialer Herkunft bzw. gepflegtem Lebensstil dargelegt. Anschließend wird an Beispielen von Extremfällen, die der These augenscheinlich widersprechen, gezeigt, dass jegliche ästhetische Geschmacksempfindungen stets auf Sozialisation zurückzuführen sind. Abschließend wird angemerkt, wie umfassend ästhetischer Geschmack in unser Leben einfließt und welche Fragen diese Erkenntnis aufwirft.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Begriffserläuterungen
- Milieu
- Habitus
- Geschmack
- Pierre Bourdieu – die sozialen Bedingungen des Geschmacks
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieser Essay zielt darauf ab, Bourdieus Sozialisationstheorie im Hinblick auf ästhetisches Geschmacksempfinden zu untersuchen, insbesondere im Kontext von Extrembeispielen, die von Wandel oder Ambivalenz bezüglich Milieuzugehörigkeit und Geschmack zeugen.
- Die Bedeutung von Sozialisation für die Entstehung von Geschmack
- Die Beziehung zwischen Milieu, Habitus und Geschmack
- Die Rolle von Extrembeispielen in der Analyse von Geschmack
- Die Auswirkungen von Geschmack auf soziale Differenzierung
- Die Frage nach der Möglichkeit individueller Geschmacksfindung
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die zentrale Frage des Essays vor: Wie lässt sich das Verhältnis zwischen Geschmack und sozialer Herkunft anhand von Extrembeispielen erklären?
- Der Abschnitt "Begriffserläuterungen" definiert die Schlüsselbegriffe Milieu, Habitus und Geschmack, die für die Analyse von Bourdieus Theorie relevant sind.
- Der Abschnitt "Pierre Bourdieu – die sozialen Bedingungen des Geschmacks" erläutert Bourdieus Theorie, wonach Geschmack sozial determiniert ist und durch den Sozialisationsprozess geprägt wird. Es werden die drei Dimensionen des Geschmacks (legitimer, mittlerer, populärer Geschmack) sowie die Rolle des Habitus in der Entstehung von Geschmacksunterschieden vorgestellt.
Schlüsselwörter
Dieser Essay befasst sich mit den Themen Geschmack, Sozialisation, Milieu, Habitus, ästhetisches Empfinden, Pierre Bourdieu, soziale Differenzierung, Extrembeispiele und die Möglichkeit individueller Geschmacksfindung.
- Quote paper
- Julia Held (Author), 2019, Über den Geschmack. Eine Abhandlung über die Kapazität von ästhetischem Geschmack, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/493902