Gender in Schule und Unterricht. Sinnhaftigkeit und Umsetzung eines gendersensiblen (Biologie-)Unterrichts


Term Paper, 2018

16 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Strukturelle Situation
2.1 Genderaspekte in Kerncurricula und Lehrplänen
2.2 Gendernormen in Lehrbüchern
2.3 Genderveranstaltungen in der Lehramtsausbildung

3. Sinnhaftigkeit einer Thematisierung
3.1 Aufbrechen normativer Strukturen und Abbau von Vorurteilen
3.2 Das bio-logische Geschlecht ist ungenügend
3.3 Das Thema betrifft und interessiert die Schüler_innen

4. Umsetzungsansätze
4.1 Unterschiedliche Bestimmungsmöglichkeiten von Geschlecht
4.2 Geschlechterwandel im Tierreich
4.3 Aufzeigen kultureller Unterschiede
4.4 Umsetzung in der Lehrer_innenbildung

5. Fazit

Literaturverzeichnis13 Curricula + KMK-Beschluss

Studienordnungen

Zitationshinweis: Für Curricula, KMK-Beschlüsse und Studienordnungen werden Siglen verwendet, welche im Literaturverzeichnis aufgelöst werden.

1. Einleitung

Im aktuellen Diskurs um Geschlecht spielt die biologische Determinierung von Geschlechtern und damit verflochten das Argument der Natürlichkeit von Geschlecht vor allem bei Gendergegnern eine große Rolle. Die Idee des Geschlechts als soziale Konstruktion wird als „unwissenschaftlich“ diffamiert und ihr wird das angeblich eindeutig biologisch identifizierbare natürliche Geschlecht entgegengesetzt (vgl. Ammicht Quinn/ Bauer/Hotz- Davies 2018: S.9). Da auch Schule als Sozialisierungsraum nicht unabhängig von Geschlecht betrachtet werden kann und (vgl. Bartsch/ Wedl 2015: S.10) und die Lehrperson aktiv an den vermittelten Geschlechtervorstellungen der Schüler_innen mitwirkt (vgl. Bartsch/ Wedl 2015: S.11), bietet sich hier gerade der Biologieunterricht an, um das Konkurrenzverhältnis der beiden Auffassungen aufzuzeigen und durch die Thematisierung des Geschlechts als soziale Konstruktion bestehende Vorstellungen einer binären heteronormativen Ordnung aufzubrechen.

Im Weiteren wird zunächst die strukturelle Situation analysiert, welche die Unterrichtsinhalte im Fach Biologie maßgeblich bestimmt. Daraufhin soll die Notwendigkeit aufgezeigt werden, jene Themen in der Schule zu behandeln. Es folgen Ansätze, dieses Vorhaben tatsächlich umzusetzen.

2. Strukturelle Situation

Die Inhalte des Biologieunterrichts werden im Wesentlichen durch Lehrplan, Lehrmaterialien und Lehrperson bestimmt und können durch implizite Stereotypisierung eben jene Ideen bestimmter Rollenbilder replizieren. Die Kultusministerkonferenz[1] fordert daher in ihren 2016 veröffentlichten „Leitlinien zur Sicherung der Chancengleichheit durch geschlechtersensible schulische Bildung und Erziehung“ explizit, dass „Lehr- bzw. Bildungspläne die Gender-Implikationen aller Fächer konkretisieren mit dem Ziel der Auflösung von Geschlechterstereotypen“ (Kultusministerkonferenz 2016: S.4), weiterhin sollen „Schulbücher und andere Lehr-/Lernmittel [...] geeignet sein, die Vorgaben der Lehr- bzw. Bildungspläne und Richtlinien zu realisieren“ (Kultusministerkonferenz 2016: S.4) und die „in der Lehramtsaus- und -fortbildung Tätigen sollen über Gender-Kompetenz als eine wesentliche Qualifikationsanforderung verfügen“ (Kultusministerkonferenz 2016: S.5).

2.1 Genderaspekte in Kerncurricula und Lehrplänen

Im Folgenden wird sich auf die Kerncurricula sowie Lehrpläne für Biologie des Landes Hessen jeweils für die Sekundarstufe I und die Gymnasiale Oberstufe beschränkt, da im Zuge der Lehramtsausbildung L3 die Primarstufe nicht von Relevanz ist und weiterhin ein länderübergreifender Vergleich den Rahmen dieser Hausarbeit sprengen würde.

Das Kerncurriculum für Biologie der Sekundarstufe I sieht unter anderem die Sexualität des Menschen als Thema für die fünfte beziehungsweise sechste Jahrgangsstufe vor. Insbesondere werden hier neben Zeugung, Empfängnisverhütung et cetera sexuelle Selbstbestimmung, Rollenverhalten und gesellschaftliche Kontexte angeführt (vgl. KCSek1: S.46). Obwohl der Fokus hier eindeutig auf den biologischen Grundlagen liegt, werden dennoch explizit hetero- sowie homosexuelle Partnerschaften, Rollenverhalten, eigenes Sexualverhalten und seelisch-körperliche Selbstbestimmung als inhaltliche Schwerpunkte angeführt (vgl. KCSek1: S.46). Auch wenn es nicht ausdrücklich benannt wird, bieten sich jene Punkte an, um Genderaspekte zu thematisieren. In den entsprechenden Lehrplänen[2] für die Sekundarstufe I ist dies nur bedingt umgesetzt. Im Lehrplan wird für den Themenbereich „Sexualität des Menschen“ zwar ein aufklärerischer Anspruch in Bezug auf sexuellen Missbrauch und verantwortungsbewusste sowie rücksichtsvolle Lebensführung, was die eigene sowie andere Personen betrifft, gestellt (vgl. LPSek1: S.10) und es wird auf die Richtlinien für Sexualerziehung des Landes Hessen verwiesen (vgl. LPSek1: S.22), welche für Schüler_innen der Sekundarstufe I unter anderem verschiedene geschlechtliche Identitäten und Orientierungen als verpflichtend markieren (vgl. LP Sexualerziehung: S.5), erläutert werden diese im Lehrplan jedoch nicht (vgl. LPSek1). Im Kerncurriculum sind also Ansätze des Gender-Themenkomplexes enthalten, jedoch wird die Lehrperson nur bedingt verpflichtet, genauer auf das Thema einzugehen, einzig Homosexualität wird explizit benannt. Auch im entsprechenden Lehrplan werden die Forderungen des Kerncurriculums nicht spezifiziert, sondern weitestgehend übergangen.

Das Kerncurriculum der Gymnasialen Oberstufe geht weiterhin auf die bio-logische[3] Determination von Geschlecht ein, verbindet diese jedoch nur bedingt mit sozialen oder psychologischen Komponenten. So wird neben chromosomalem, gonadischem und somatischem Geschlecht das psychische Geschlecht angesprochen (KCGO: S.29). Offen bleibt jedoch, ob hierbei auch eine Einbeziehung von Geschlechtsidentitäten vorgesehen ist, oder allein biologisch nachweisbare neuronale Faktoren eine Rolle spielen.

Die (Kern-)Curricula beherbergen also durchaus Potenzial für einen gendersensiblen Unterricht, explizit gefordert wird dieser aber nur an wenigen Stellen.

2.2 Gendernormen in Lehrbüchern

Im Zuge der Erstellung einer Broschüre zu Geschlecht und sexueller Vielfalt untersuchte Melanie Bittner zwölf Biologieschulbücher unter dem Gesichtspunkt der Darstellung von Geschlechterverhältnissen und der Erwähnung von sexuellen Identitäten. In den Lehrbüchern werden zwar mittlerweile Geschlechtervorurteile aufgezeigt, dies allerdings häufig nicht überzeugend (vgl. Bittner/ Göbel 2013: S.13). Neben der dennoch vorkommenden impliziten Reproduktion von Geschlechterstereotypen - beispielsweise in Zusammenhang mit Lust und Romantik - wird vor allem klar, dass Schulbücher Geschlecht ausschließlich binär definieren (vgl. Bittner/ Göbel 2013: S.13). Jegliche Arten des - selbst rein bio-logischen - Geschlechts abseits von männlich oder weiblich wird dementsprechend nicht thematisiert; somit finden intergeschlechtliche Menschen keinerlei Erwähnung[4]. Die Geschlechtsidentität eines jeden Menschen stimmt laut den Lehrbüchern mit seinem bio-logischen Geschlecht überein, welches entweder männlich oder weiblich ist (vgl. Bittner/ Göbel 2013: S.13); beispielsweise Transsexualität wird somit vollständig ausgeblendet. Was sexuelle Orientierungen angeht, wird wie auch bei den Curricula neben der Heterosexualität einzig Homosexualität thematisiert, diese allerdings nur als Ausnahme zur dieser (vgl. Bittner/ Göbel 2013: S.14). Somit reproduzieren die Lehrmaterialen Heteronormativität, indem sie nur männlich und weiblich als Geschlecht zur Option darbieten und Heterosexualität als Norm wiedergeben. Darüber hinaus wird lediglich die eindeutige biologische Determination von Geschlecht unabhängig von sozialen oder identitären Genderkonzepten vermittelt.

2.3 Genderveranstaltungen in der Lehramtsausbilsung

In der Lehrer_innenbildung an der Technischen Universität Darmstadt sehen die Studienordnungen weder für den Fachbereich Biologie (vgl. SO Biologie) noch für die Grundwissenschaften (vgl. SO Grundwissenschaften 2017) Veranstaltungen mit Genderthematik als verpflichtend vor. Während in den Grundwissenschaften nach Studienordnung von 2012 noch das Modul „Genderforschung“ belegt werden konnte (SO Grundwissenschaften 2012: S.5), taucht in der aktuellen Ordnung von 2017 kein Modul mit vergleichbarem Thema auf (vgl. SO Grundwissenschaften 2017).

Wie auch bei den Curricula zeigt sich bei der Lehramtsausbildung, dass durchaus Potenzial für eine Gendersensibilisierung besteht, diese aber keineswegs verpflichtend ist. Weiterhin befinden sich viele Lehrer_innen im Dienst, deren Ausbildung einige Jahre zurückliegt, sodass sie nicht ausreichend über das Thema informiert sind (vgl. Rüdisser 2012: S.76)[5].

3. Sinnhaftigkeit einer Thematisierung

Wie eben gezeigt wurde, bietet die strukturelle Situation vielerlei Möglichkeiten, Themen wie geschlechtliche Identität und verschiedene Sexualitäten in den Unterricht zu integrieren, verpflichtet allerdings nur an wenigen Stellen ausdrücklich dazu. Daher soll im Folgenden erläutert werden, aus welchem Grund jene Konzepte thematisiert werden sollten.

3.1 Aufbrechen normativer Strukturen und Abbau von Vorurteilen

„Geschlecht ist eine Kategorie, anhand derer sich Ungleichheiten formen und Hierarchisierungen entwickeln, die wiederum grundlegend Strukturen, Wahrnehmungen und Verhalten prägen, so auch in der Schule“ (Bartsch/ Wedl 2015: S.10). Die Ideen von Geschlecht, welche den Schüler_innen vermittelt werden, nehmen also einen Einfluss auf deren Selbst- sowie Weltbild und prägen ihre Normvorstellungen. Diese Normierung von Geschlecht findet bei Menschen sogar zu einem Großteil während eben jener Lebensphase, in der sie zur Schule gehen, statt (vgl. Manz 2015: S.103).

[...]


[1] Die Kultusministerkonferenz (kurz KMK) enthält auch nichtmännliche Mitglieder, dennoch wurde in dieser Hausarbeit bewusst davon abgesehen, eine genderneutrale Schreibweise zu nutzen, sondern den offiziellen Titel beizubehalten.

[2] Da sich die Lehrpläne von G8 und G9 in diesem Punkt kaum unterscheiden, wird hier keine Differenzierung vorgenommen.

[3] „Bio-logisch“ nach Maurer (Maurer 2002: S. 70) im Sinne von „der Logik der Biologie folgend“.

[4] Eine Ausnahme bildet hier ein einziges Lehrbuch, welches Intersexualität in einer stark verkürzten Form als Ausnahme zu den Kategorien „männlich“ und „weiblich“ darstellt (vgl. Bittner/ Göbel 2013: S.13).

[5] Die Studie bezieht sich auf Wien, lässt sich aber durchaus auf Deutschland übertragen.

Excerpt out of 16 pages

Details

Title
Gender in Schule und Unterricht. Sinnhaftigkeit und Umsetzung eines gendersensiblen (Biologie-)Unterrichts
College
Technical University of Darmstadt  (Allgemeine Pädagogik und Berufspädagogik)
Course
Gender meets Dis/Ability - Intersektionale Perspektiven auf Differenz
Grade
1,3
Author
Year
2018
Pages
16
Catalog Number
V493937
ISBN (eBook)
9783668999695
ISBN (Book)
9783668999701
Language
German
Keywords
Gender, Biologie, soziales Geschlecht, Biologieunterricht, Gender im Unterricht, Gender im Biologieunterricht
Quote paper
Leon Pezzica (Author), 2018, Gender in Schule und Unterricht. Sinnhaftigkeit und Umsetzung eines gendersensiblen (Biologie-)Unterrichts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/493937

Comments

  • No comments yet.
Look inside the ebook
Title: Gender in Schule und Unterricht. Sinnhaftigkeit und Umsetzung eines gendersensiblen (Biologie-)Unterrichts



Upload papers

Your term paper / thesis:

- Publication as eBook and book
- High royalties for the sales
- Completely free - with ISBN
- It only takes five minutes
- Every paper finds readers

Publish now - it's free