Geschlechtertrennung im eSport

Geschlechtsspezifische Eignung zum kompetitiven Spielen von teambasierten Videospielen


Masterarbeit, 2018

86 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Entwicklung des eSports
2.1 Frauen im eSport
2.2 Esport-relevante Fähigkeiten
2.3 Anerkennung als Sportart

3. Geschlechtsspezifische Merkmale
3.1 Biologische Komponente
3.2 Sozialpsychologische Komponente

4. Expert*innenbefragung
4.1 Planung
4.2 Durchführung
4.3 Auswertung

5. Verhaltensanalyse
5.1 Planung
5.2 Durchführung
5.3 Auswertung

6. Fazit

Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Spielen von Videospielen ist seit dem Beginn seiner Geschichte eine typische Tätigkeit von Jungs bzw. Männern, wodurch Frauen in der Spielegemeinschaft seit jeher deutlich unterrepräsentiert waren (Hahn 2017: k.S.). So verhielt es sich, als Gaming noch ausschließlich als Hobby betrieben wurde, wobei die Frauen hier im Laufe der Jahrzehnte in vielen Bereichen des Casual Gaming aufgeholt und in einzelnen Genres die männlichen Spieler gar überholt haben (Sidorov 2014: k.S., Yee 2017: k.S.). Damit wurde die ursprüngliche Zielgruppe von jugendlichen Männern nach und nach von Frauen im Alter von 18 Jahren oder älter abgelöst (ebd.). Aktuelle Zahlen zur demografischen Struktur von (US-)Gamer*innen liefert der jährlich veröffentlichte Bericht der amerikanischen Organisation Entertainment Software Association mit dem Titel „2017 Essential Facts About the Computer and Video Game Industry“. Demzufolge stellen Frauen in den USA inzwischen 41% der Spielerschaft, wobei männliche Spieler unter 18 Jahren 18% und 18-jährige und ältere Frauen 31% der Spieler*innen ausmachen (ESA 2017: 7).

Die aktuell bevorzugten Genres der Frauen wurden u.a. von dem Marktforschungsunternehmen Quantic Foundry ermittelt. Mit Abstand vorne liegen hier zum einen Spiele des Genres Match 3. Bei Match 3-Spielen müssen drei gleiche Teile zusammengeführt werden, damit diese sogleich verschwinden und man Punkte sammelt (Kneussel 2013: k.S., Yee 2017: k.S., vgl. Candy Crush Saga). Hinzu kommen mit ebenso 69% Family- und Farm-Simulationen, wie beispielsweise Die Sims. Die Genres führender eSport-Titel finden sich jedoch am unteren Ende der Liste. Das betrifft mit Counter Strike: Global Offensive (Valve Corporation 2012) taktische und First-Person-Shooter und mit DotA (Defense of the Ancients) 2 (Nexon Co. Ltd./Perfect World/Valve Corporation 2013) und League of Legends (Riot Games et. al 2009) Titel des MOBA-Genres (= Multiplayer Online Battle Arena, BIU 2017b: 38).

Mit zunehmender Professionalisierung von Gaming entstand mit der Zeit das wettbewerbsorientierte Spielen („Competitive Gaming“), woraus sich wenig später das berufsmäßige Gaming oder auch Pro Gaming entwickelte.

Dadurch hat sich insbesondere im professionellen Bereich der Szene der Begriff elektronischer Sport bzw. die Kurzform „eSport“ etabliert und der Anspruch, als Sportart angesehen zu werden, wurde immer lauter eingefordert. Obwohl Gaming in Deutschland noch nicht offiziell von Seiten der Politik als Sportart anerkannt ist, findet es auf immer vielfältigere und reichweitenstärkere Weise Einzug in das tägliche Leben: TV-Sender übertragen reihenweise Turniere aus der digitalen Welt und immer mehr namhafte Fussballvereine verpflichten einzelne Profispieler*innen sowie auch komplette Teams, um im zukunftsträchtigen Markt des eSport mitmischen zu können (Esser et al. 2016: 12). Ein Blick auf das prognostizierte Wachstum des eSport-Marktes bis 2020 macht deutlich, dass derlei Investitionen vielversprechend sind (s. Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Newzoo, Wachstumsrate eSports-Markt bis 2020, 2017, © Newzoo/BIU

Insbesondere Frauen spielen bei dieser Wachstumsrate künftig eine entscheidende Rolle, wie eine Studie des Esports Ad Bureau von Juni 2017 besagt. Die Befragung von 1.000 Verbraucher*innen ergab, dass 78% der Frauen, die aktuell zum eSport-Zuschauerkreis zählen, binnen 2016 ihr Interesse an eSport entdeckten (Esports Ad Bureau/Magid 2017: k.S.). Ganzheitlich betrachtet machen sie inzwischen einen Drittel der Zuschauer*innen aus.

In unserer heutigen Zeit ein großes Thema, zeigen sich in Gaming trotz zunehmender Teilnahme weiblicher Interessenten in der Szene kaum Ansätze zur Gleichberechtigung der Geschlechter.

Tatsächlich verhält es sich eher rückläufig, indem bei prestigeträchtigen Wettkämpfen wie den Copenhagen Games oder den Intel Extreme Masters (IEM) offiziell Geschlechtertrennung praktiziert wird (Copenhagen Games 2017: k.S., Turtle Entertainment GmbH 2017a: k.S., Turtle Entertainment GmbH 2017b: k.S.).

Es stellt sich die Frage nach der Begründung und Existenzberechtigung für diese Abgrenzung, da in der kognitiven Disziplin eSport die geschlechtsspezifischen physischen Unterschiede zwischen Frau und Mann kaum zum Tragen kommen (vgl. Diskussionen zu Female Gaming wie etwa ESL 2015: 0:00-55:44 Min.).

Ob nun abgegrenzt oder nicht, Frauen machen immer noch nur einen Bruchteil der Pro Gamer*innen-Spielerschaft aus, wie die Ranglisten der Topspieler*innen in den führenden eSport-Spielen DotA 2, League of Legends und Counter Strike: Global Offensive demonstrieren (e-Sports Earnings 2017a: k.S., e-Sports Earnings 2017b: k.S., e-Sports Earnings 2017c: k.S., e-Sports Earnings 2017d: k.S.). Darauf aufbauend wurde in der Community die Annahme populär, dass weibliche Gamer nicht die nötigen Fähigkeiten für das professionelle Spielen von Videospielen mitbringen, um mit ihren männlichen Konkurrenten mithalten zu können.

In dieser Arbeit soll daher die geschlechtsspezifische Eignung zum Spielen von eSport-Titeln anhand des Beispiels Counter Strike: GO herausgearbeitet werden. Zu diesem Zweck werden zunächst die wichtigsten kognitiven Fertigkeiten von Pro Gamer*innen aufgrund fehlender wissenschaftlicher Befunde aus dem Bereich basierend auf Einschätzungen zahlreicher Szene-Größen sowie eigens durchgeführter Interviews mit eSport-Enthusiast*innen zusammengetragen.

Es folgt eine Literaturrecherche ausgehend von der Frage, inwiefern kognitive Fähigkeiten geschlechterspezifisch sind. Dabei werden die bis dato bedeutsamsten Erkenntnisse aus der Geschlechterforschung zum Vergleich herangezogen, sodass letztlich die verschiedenen Eigenschaften abgewogen werden können.

Schließlich wird im Zuge einer Beobachtung ein Vergleich zwischen weiblichem und männlichem Spielverhalten durchgeführt, sodass Aussagen über die Eignung zum kompetitiven Spielen von Videospielen ermöglicht werden.

Diese vergleichende Verhaltensanalyse dient darüber hinaus als Grundlage zur Bearbeitung der Fragestellung, ob Frauen und Männer im eSport tatsächlich die ihnen von eSport-Expert*innen und Wissenschaftler*innen zugesprochenen Eigenschaften in Sachen Spielverhalten aufweisen.

Abschließend werden die Untersuchungsergebnisse ausgehend von der These, dass Frauen vergleichbare eSport-relevante Fähigkeiten aufweisen wie Männer, kritisch reflektiert und untersucht, wie Theorie und praktizierte Realität zusammenwirken.

2. Entwicklung des eSports

Zunächst ist auch eSport eine Definitionsfrage. Der Verband der deutschen Computer- und Videospielbranche, der Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (BIU), definiert „eSport“ wie folgt:

„eSports: Abkürzung für ‘elektronischer Sport’ bezeichnet den professionellen, kompetitiven Wettstreit in Computer- und Videospielen, on- oder offline, alleine oder im Team“ (BIU 2016b: k.S.).

Das Phänomen „eSport“ trat sehr früh in der Videospielgeschichte in Erscheinung. Bereits 1972 fand mit den „Intergalactic Spacewar Olympics“ in der Stanford University der erste öffentliche Videospiel-Wettbewerb im gleichnamigen Spiel statt (FBE 2016: 3:50 Min., Fnatic 2016: 8, 48). Im Bereich Arcade Games - also Automatenspiele in Spielhallen o.Ä. - zeichneten sich daraufhin in den 80er-Jahren Wettkampfstrukturen ab (Kürten/Mühl 2000: 74). Mit dem Boom der Arcade-Szene erfuhren Highscores einzelner Spieler*innen in Titeln wie Pac-Man (Midway Games 1980) und Donkey Kong (Nintendo 1981) Einträge in das Guinness-Buch der Rekorde (Fnatic/Diver 2016: 48f, theScore esports 2017: 0:37-1:13 Min.). Bald darauf folgten öffentliche Wettbewerbe in Spielhallen und TV-Shows zum Thema (Fnatic/Diver 2016: 49, theScore esports 2017: 0:37-1:13 Min.). So veranstaltete Atari 1980 das erste Space Invaders-Turnier (Midway Games 1978, FBE 2016: 3:50 Min.).

Mit dem Aufkommen von PC-Spielen fanden in den 90er-Jahren zunehmend Gaming-Wettkämpfe sowie Weltmeisterschaften in den Disziplinen Sportsimulation, Echtzeit-Strategiespiel und Ego-Shooter statt (bitkom 2016: k.S., FBE 2016: 3:50 Min.). Betrachtet man die heutigen Maßstäbe, so haben sich Strategie- und Shooter-Spiele mit den Spielen League of Legends, DotA 2 und CS:GO (Counter Strike: Global Offensive) im elektronischen Sport durchgesetzt (Fnatic/Diver 2016: 217).

2.1 Frauen im eSport

Die Entwicklung hin zum Female Gaming, also dem Spielen von Videospielen seitens weiblicher Gamer, liegt zum großen Teil in der anfangs männlich geprägten Zielgruppe von Videospielen zugrunde. Da sich die Bewerbung von Videospielen von Beginn an und fortwährend auf das männliche Geschlecht konzentrierte und die Domäne „Gaming“ demnach seit jeher männerdominiert war, assoziierten Mädchen und junge Frauen Gaming nicht als passendes Hobby für sie (Kiel 2014: 25f). Einige von ihnen trauten sich wiederum wegen der Überzahl an Männern nicht, in die Szene einzusteigen. Aufgrund dieser Unsicherheiten wurde das größte herrschende geschlechterbezogene Vorurteil hinsichtlich weiblicher Gamer - sie würden generell schlechter spielen - nur bestärkt, sodass es innerhalb der Community zunehmend als „wahr“ empfunden wurde. Mit der Zeit nahmen sich etliche Forschungsgruppen derlei geschlechterbezogene Vorurteile aus unterschiedlichen Lebensbereichen zum Anlass, kognitive Leistungen mit Fokus auf Geschlechterspezifik zu beleuchten. Im Gaming-Bereich finden sich unter anderem die Kommunikationswissenschaftler*innen um Y. Dora Cai, die sich mit der Geschwindigkeit des Levelaufstiegs in zwei verschiedenen Mehrspieler-Online-Spielen (respektive MMOs = Massively Multiplayer Online) beschäftigten. Während ihrer Studien zeigte sich, dass Frauen ihr Spiellevel mindestens genauso schnell und hoch steigerten wie ihre männlichen Mitstreiter (Cai et al. 2016: 322f).

Die anfängliche Gaming-bezogene Geschlechtertrennung setzt sich auch im kompetitiven Bereich fort. Da Gaming zunächst eher männliche Gamer anlockte, fanden diese später mit zunehmender Professionalisierung auch zuerst Eingang in den eSport. So war der Anteil der weiblichen Spieler in den Bereichen des Casual- und später auch Pro Gamings seit jeher sehr gering (Sidorov 2014: k.S., Yee 2017: k.S., ESA 2017: 7). Spielerinnen machen demnach seit Beginn des wettbewerbsorientierten Gamings nur einen Bruchteil der Gesamtspielerschaft im gehobenen Leistungsbereich aus. Aus diesem Ungleichgewicht entwickelte sich mit der Zeit der Eindruck, Frauen wären grundsätzlich für das Pro Gaming nicht so geeignet wie Männer (Savage 2014b: k.S.). Zahlreiche kontroverse Diskussionen in Gaming-Foren, im Kommentarbereich unter Youtube-Videos und auf vielen weiteren Kanälen belegen eine Zerrissenheit in der Szene zu diesem Thema (Awsane 2016: k.S., Bering 2017: k.S., Hush_03 2015: k.S., invinzible 2013: k.S., Yahoo Esports 2017: s. Kommentare).

Als sich allmählich das Image von Gaming wandelte und die Community immer weiter wuchs, nahm auch der Frauenanteil stetig zu. Es entstand die Bewegung des Female Gaming, binnen der sich Frauen des Öfteren von den männlichen Konkurrenten abzweigten, um nur „unter sich“ spielen zu können. Im Zuge dessen wurden schließlich eigens für Frauen organisierte Turniere veranstaltet, zunächst im Amateurstadium, daran anschließend jedoch auch im professionellen Bereich, wie etwa bei der eSports World Convention (ESWC 2016: k.S.).

Eine Begründung jener Geschlechtertrennung von offizieller Seite - wie beispielweise von der International e-Sports Federation (IeSF) - lautet oftmals, dass Frauen so zum kompetitiven Spielen motiviert werden sollen, ohne herrschenden Vorurteile in der Community ausgesetzt zu sein (Savage 2014a: k.S.). Thomas Hermansson, eSport-Leiter des schwedischen Gaming Event-Veranstalters DreamHack, hingegen äußerte 2014, dass die Sponsoren nach Female-Turnieren verlangten, um so mehr Aufmerksamkeit zu generieren (DreamHack 2017: k.S., Simon Engstrand 2014: 8:17 Min.). Andere wiederum nennen als weiteren Beweggrund, dass man sich durch die Abspaltung internationalen Sportstandards anpasse, um so das sportliche Ansehen und die Legitimität des eSports weiter zu stärken (Savage 2014a: k.S., Quach 2014: k.S.). Viele Organisator*innen sind jedoch davon überzeugt, dass eSport keine Geschlechtertrennung erfahren sollte, da es auf lange Sicht der falsche Weg sei (DreamHack 2017: k.S., Simon Engstrand 2014: 8:17 Min.).

An der Debatte um die Geschlechterregulierung binnen eines eSport-Turniers 2014 lässt sich erkennen, dass auch die Community besagte Argumente größtenteils als zweifelhaft empfindet (Savage 2014a: k.S., Quach 2014: k.S.). Als Reaktion auf ein male-only Turnier zeigten sich die eSport-Enthusiasten enorm empört und erwirkten mit öffentlichen Diskussionen letztlich die Streichung der männlichen Restriktion (Savage 2014b: k.S., Quach 2014: k.S.). Die Wettkämpfe nur für weibliche eSportler blieben jedoch im Programm.

Einige Pro Gamer*innen empfinden die Entwicklung der „gender segregation“ zwar nicht als optimal, jedoch als zwingend notwendig (Myers 2017: k.S.). Darunter die CS:GO-Profis Stephanie „missharvey“ Harvey von CLG (Counter Logic Gaming) Red, Heather „sapphiRe“ Garozzo von Team Karma und Julia „Juliano“ Kiran von Bad Monkey Gaming. Juliano formulierte 2015 ihre Einstellung zum Thema wie folgt: „I don’t think we should separate genders, but the way things are now you have to“ (Lundgren 2015: k.S.).

Sie nimmt dabei in einem Interview Bezug auf das mit 30.000 US$ dotierte CS:GO female-only Turnier von Intel, welches in Katowice stattfand (Intel Challenge Katowice, Saedler 2015: k.S.). Ihrem Empfinden nach waren Frauen zu dem Zeitpunkt noch nicht engagiert genug, um im eSport mit den Männern mithalten zu können (ebd.). Die Förderung der Female-Szene durch ein derartiges Preisgeld könne zur weitergehenden Professionalisierung derselben führen und sei damit ein Schritt in die richtige Richtung. Auch andere weibliche Profis sind der Meinung, dass Frauen ohne Female-Turniere nicht die Chance bekämen, an Wettkämpfen teilzunehmen, da die männlichen Spieler sie nicht ernst nehmen (GamerHubTV 2014: 1:04 Min., Simon Engstrand 2014: 5:37 Min.). Ein Vorteil, den die getrennten Turniere bieten, sei demnach die Möglichkeit, zu zeigen, dass Frauen das Spiel ebenso gut beherrschen wie die männlichen Konkurrenten (ebd.: 6:12 Min.). Wenn man jedoch die Gestaltung derartiger Turniere betrachtet, lässt sich letzteres Anliegen seitens der Veranstalter*innen durchaus bezweifeln. Denn das Event mit leicht bekleideten Tänzerinnen und damit purem Sexismus zu eröffnen, verleiht dem Ganzen von Vornherein erneut den Fokus auf das weibliche Geschlecht zur reinen Unterhaltung und nicht auf spielerische Leistungen und Professionalität. So beispielsweise 2016 geschehen auf der Videospielmesse Paris Game Week bei den Counter Strike: Global Offensive-Finalspielen der Frauen und Männer (ESWC 2016a: 5:29-7:33 Min., ESWC 2016b: 12:26-14:01 Min.). Unter den Athleten, Moderatoren und den Analysten hingegen, deren Aufgaben eine hohe Kompetenz und Spielkenntnis erfordern, finden sich nur sehr selten Frauen.

Dass die Female Matches nicht denselben Stellenwert erfahren wie ihre „männlichen” Pendants zeigt sich auch an dem gewählten Format der Finalspiele. Bei den Herren der Intel Extreme Masters 2017 wurde Best-of-5 gewählt (Turtle Entertainment 2017c: k.S.). Dementsprechend geht derjenige als Sieger hervor, der zuerst die Mehrzahl und damit drei der Karten gewinnt. Die Damen sind jedoch auf BO3 beschränkt, wodurch sich eine kürzere Spiellänge ergibt, damit weniger Gelegenheit für die Spielerinnen, ihre Leistungen zu zeigen und sogleich weniger Gelegenheit für die Zuschauer*innen, mit ihren Favoritinnen mitzufiebern (Liquipedia 2017: k.S.).

Dasselbe Phänomen spiegelt sich in den Qualitäten der jeweiligen Livestreams wider. Denn auch hier werden Unterschiede gemacht: Bereits das Intro bei den Finalspielen des Intel Extreme Masters Events präsentiert die eSport-Größen vor ihrem Auftritt mit heroisch anmutenden Rückblicken und Zitaten (ESL Counter-Strike 2017a: 12:09-13:08 Min.). Das Spiel selbst wird mit Slowmotions der letzten Abschüsse und spielentscheidender Szenen, dem Spielstand nach Karten (ESL Counter-Strike 2017b: 12:39-12:49 Min.) sowie Statistiken einzelner Spieler (ESL Counter-Strike 2017b: 12:18 Min.) angereichert.

Der Livestream des Intel Challenge-Finales hingegen, welches parallel für die weiblichen Spieler stattfindet, lässt derlei aufwendige und die Übertragung aufwertende Features vermissen (ESL Counter-Strike 2017c: 19:10-50:02). Ein weiteres großes Manko in der Professionalität der female-only Veranstaltung, ausgehend von institutioneller Seite.

Ein Problem dieser Segregation sei laut CS:GO-Profi Timo Prestin alias „Horstor“ außerdem, dass sich wahrhaft talentierte Spieler*innen im Female-Bereich nur bis zu einem gewissen Grad entwickeln könnten (Enge 2015: k.S.). Tatsächliche Förderung könne somit vielmehr durch die Integration jener Spieler*innen in die „allgemeine“ eSport-Szene stattfinden (ebd.).

Dafür plädiert auch League of Legends-Pro-Spieler Finlay Stewart. Er betont, dass sein Team schlichtweg nach Talenten sucht, egal ob weiblich oder männlich (Fnatic 2016: 213, 216): „[...] it’s a discipline [...] that should not discriminate because of gender“ (ebd.: 216).

Negative Aufmerksamkeit

Stewart weist auf die enorme Barriere hin, der Mädchen bzw. Frauen begegnen, wenn sie versuchen, in der Männerdomäne eSport Fuß zu fassen (ebd.: 214). Er spricht dabei von „negativer Aufmerksamkeit“, die eSportlerinnen seitens der Community erfahren, weshalb sie ein außerordentliches Selbstbewusstsein benötigen (ebd.). Negative Aufmerksamkeit ist dabei im Sinne des eSports gemeint. Frauen erhalten demnach innerhalb der Szene keine Aufmerksamkeit für ihre spielerischen Leistungen, die bei eSportler*nnen im Fokus sein sollten, sondern für andere (meist oberflächliche) Merkmale, wie beispielweise ihr Geschlecht und bzw. oder ihr Aussehen.

Ein eingängiges Beispiel für besagte negative Aufmerksamkeit ist Female Pro Maria „Remi“ Creveling. Sie nahm 2015 mit einem gemischten Team an einem Turnier teil und erlitt daraufhin weitreichende sexuelle Diskriminierungen (ebd.: 215f).

Doch derlei Sexismus begegnet nicht nur den Spielerinnen in der Gaming-Szene. Das macht die #Gamergate-Debatte, die 2014 um Spieleentwicklerin Zoe Quinn entfachte, nur zu deutlich (Freidel 2014: k.S., Schafter 2014: k.S.). Anfang nahm die virale Kontroverse, als Quinns Ex-Freund ihr eine Affäre mit Spiele-Journalist Nathan Grayson vorwarf. Als Spieleentwicklerin Brianna Wu sowie die feministische Medienkritikerin Anita Sarkeesian Quinn öffentlich beipflichteten und Sarkeesian zu diesem Anlass die Gewaltverharmlosungen gegenüber Frauen in Videospielen anprangerte, nahmen verbale Angriffe bis hin zu Morddrohungen ihren Lauf. Schließlich war die Situation so aufgeheizt, dass alle drei untertauchen mussten.

Für Morten Freidel, Redakteur der Frankfurter Allgemeinen, sind derartige feministische Diskussionen in der Gaming-Szene ein klares Zeichen dafür, dass Computerspiele im kulturellen Diskurs angekommen sind (ebd.).

Doch Sexismus begegnet den weiblichen Szenenmitgliedern nicht nur. Zum Teil gestalten sie ihn zumeist unbewusst und unbedacht mit, wie die Darstellungen bzw. Selbstdarstellungen vereinzelter Female Teams illustrieren. Als Beispiel sei hier das Vorstellungsvideo der League of Legends-Frauenmannschaft Team Siren genannt, in dem der Fokus voll auf das Geschlecht gerichtet wird („Men make up 90% of the players and all of the top teams - I’m here to change that“, TeamSirenGaming 2013: 0:59). Die Präsentation eines weiteren Female Teams 2015 geht hier noch einen Schritt weiter. So wird auch in ihrem Video das Geschlecht in den Vordergrund gerückt und die spielerischen Leistungen von Frauen durch Kommentare der Spielerinnen herabgestuft (South China Morning Post 2015: 1:48). Parallel dazu zeigen sich die Mitglieder von Girls HK by Logitech leicht bekleidet allesamt in knappen Röcken oder Shorts (ebd.: 0:40). Mit diesem Bild schließt die Vorstellungsrunde, womit ein explizit sexualisierter Eindruck zurückbleibt (ebd.: 2:10, s. Abb. 2)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: South China Morning Post, Vorstellung Girls HK by Logitech, 2015, © SCMP

Doch wie bei jeder gesellschaftlichen Bewegung treten auch aus dem Female Gaming verschiedene Initiativen hervor. Eine davon ist die Organisation Misscliks, gegründet 2013 (Facebook 2017: k.S.). Die Initiator*innen haben sich das Ziel gesetzt, Frauen in der Gaming-Szene voranzubringen:

„Creating a future where people of all genders can participate in geek and gamer culture without fear of prejudice or mistreatment, enjoying acceptance and opportunity“ (Misscliks 2017: k.S.).

Ein Weg, um diese Gleichberechtigung zu erreichen, ist die Unterstützung positiver Vorbilder aus der Community, wie beispielsweise Spielerinnen, die es in ein gemischtes Pro Team geschafft haben und sich darauf konzentrieren, mit spielerischen Leistungen zu überzeugen (Misscliks 2014: 0:25-12:46 Min.). Gleiche Bestrebungen finden sich bei der Interessensvertretung AnyKey, welche aus einer Partnerschaft zwischen Intel und ESL zustande gekommen ist: Eine diverse Community von eSportler*innen, die einander respektieren und als gleichberechtigt ansehen, gleich welchen Geschlechts oder anderer oberflächlicher Unterschiede (Turtle Entertainment America 2016: k.S.).

2.2 Esport-relevante Fähigkeiten

Um den Sprung von Hobby zu Beruf bzw. von Casual zu Pro Gaming und damit in den eSport zu schaffen, müssen die Spieler*innen Engagement und Durchhaltevermögen beweisen. Etliche Pro Gamer*innen haben bereits konkrete Schritte formuliert, durch die der Einstieg und bestenfalls anschließende Erfolg im eSport maßgeblich beeinflusst werden kann.

So auch im Jahr 2015 die professionellen Spieler Andreas Højsleth and Asger Larsen in ihrem Guide „How to become a Counter-Strike GO pro“. Demnach müsse man, um Profi zu werden, im Allgemeinen sein Leben und damit vorrangig seine Zeit auf den jeweiligen Spieltitel ausrichten (Enge 2015: k.S., Sowersby 2015: k.S., Steinlechner 2016: k.S.).

Die reine Zeitinvestition sei jedoch nicht genug. Am Anfang stehe natürlich professionelles Equipment, wie beispielsweise ein leistungsstarker Computer und Monitor, denn die richtige Hardware habe einen erheblichen Anteil an den Reaktionszeiten.

Indem man an Turnieren teilnehme, könne man als Spieler*in die Aufmerksamkeit größerer eSport-Organisationen erringen. Zunächst online, vorzugsweise jedoch offline auf LAN-Events, da diese wesentlich prestigeträchtiger und damit von Organisationen, Sponsoren etc. höher angesehen sind. Das zeitliche Engagement, das für Profispieler*innen notwendig ist, um konkurrenzfähig zu bleiben, liege in etwa bei dem einer Vollzeitstelle (ebd.).

Hinzu kommen konkrete Fähigkeiten, auch dem jeweiligen Genre entsprechend. Ego-Shooter bzw. First-Person-Shooter zeichnet vor allem ein schnelles Gameplay aus, durchzogen von rasanten Schusswechseln aus der Ich-Perspektive (Chiossi 2013: 2). Einwandfreie Reflexe werden daher genauso wie rasche Entscheidungsfindung als eine Grundvoraussetzung für die einzelnen Spieler*innen des Genres angesehen (Lorber 2015: k.S., Tramah 2016: 2:27 Min.).

Die Turniere im gehobenen Leistungsbereich werden jedoch stets im Mehrspielermodus ausgetragen, zumeist fünf gegen fünf, wie auch im Fall von Counter Strike: Global Offensive (Valve Corporation 2012), bei dem Terroristen gegen Anti-Terroristen antreten.

Für das koordinierte Vorgehen im Team ist ein tiefgreifendes taktisches Verständnis seitens der Akteur*innen gefordert (Fnatic 2016: 4, 167, yannis 2017: k.S.).

Obwohl bestimmte Fähigkeiten unter den Prospieler*innen als Voraussetzungen für Erfolg im eSport angesehen werden, gelten als wahre Schlüssel zum Sieg deshalb Teamfähigkeit, Disziplin und Übung (Yahoo Esports 2017: 5:02, 5:51 Min.). Das bestätigen auch die damaligen League of Legends-Spieler einer der erfolgreichsten eSport-Organisationen weltweit: Fnatic. Fnatic brachte 2016, basierend auf ihren Erfahrungen im eSport, einen League of Legends-Leitfaden namens „How to be a Professional Gamer” heraus. In diesem kommt nicht nur Videospielredakteur Mike Diver zu Wort, sondern auch die Fnatic-Spieler Febiven, Kikis, Rekkles, Spirit, Werlyb und YellOwStaR.

Zentral seien bei der Disziplin vor allem Selbstkritik bzw. Kritikfähigkeit und ständiges Herausfordern (Fnatic 2016: 5, 22, 75, 103). Das Spielen in kompetitiver Umgebung gegen Teams auf analogem Leistungsniveau oder darüber sorge für reichlich Übung und begünstige eine stetige Verbesserung. Nur mithilfe eines derart ausgeprägten Verbesserungswillen könne man aus seinen Fehlern und von anderen lernen und sich so fortwährend weiterentwickeln (ebd.: 97, 135, 169, 194, 200).

„[...] the best players are also the ones that know when to be hard on themselves - because if you’re not able to be critical of yourself, you’re not going to improve at the speed that this game demands“ (ebd.: 103).

Daraus resultiert ein konstanter Lernprozess, den man lediglich mit reichlich Übung und anknüpfenden Analysen verfolgen könne (ebd.: 137, 193, 197, 200). Das Beobachten und Analysieren des Spielverhaltens anderer Mannschaften beispielsweise in Livestreams kann einen zusätzlichen taktischen Input bieten und helfen, die Gegner*innen spielerisch einzuschätzen (Enge 2015: k.S.).

Das suggeriert auch ein 2012 auf der Webseite des Wirtschaftsmagazins „Forbes“ veröffentlichter Artikel mit dem Titel „The 10 Steps to Becoming a Pro Gamer“ (Forbes 2012: k.S.). Punkt 1, 6 und 10 lauten hierbei „Practice“, Punkt 4 namens „Homework“ thematisiert zudem die „theoretische“ Übung.

Doch Disziplin und Übung helfen nur dabei, seine persönliche Bestform anzustreben.

Zusätzlich müsse jedoch von Vornherein ein gewisses Talent vorhanden sein und auch ausgeprägte Teamfähigkeit sei bei teambasierten Spielen unerlässlich (Sowersby 2015: k.S., Steinlechner 2016: k.S.). Effektiv im Team zusammenzuarbeiten und den Teamgeist zu fördern sei dementsprechend ebenso entscheidend für den Spielerfolg wie die Einzelleistungen (Lorber 2015: k.S., Tramah 2016: 2:27 Min.). Ego-Spieler seien da fehl am Platz (Fnatic 2016: 106, 118, 199). Teamleiter YellOwStaR formulierte es wie folgt: „A team formed of superstars will always have people playing for themselves, not for each other“ (ebd.: 118). Teamkamerad Spirit drückt es noch etwas drastischer aus. Für ihn gilt: „Egal wie gut du einzeln spielst, du gewinnst ein Spiel nicht alleine“ (ebd.: 199). Zum Team Play bzw. Teamzusammenspiel zähle auch die Zuteilung von bestimmten Rollen innerhalb des Teams. Hierbei sei der Spielführer bzw. In-Game Leader zentral, welcher innerhalb des Spiels strategische Entscheidungen trifft und die anderen dementsprechend anleitet (Marake 2017: k.S., Sowersby 2015: k.S., Steinlechner 2016: k.S.). Alle anderen Spieler*nnen sollten aufeinander abgestimmte taktische Rollen einnehmen, sodass jede*r eine explizite Aufgabe übernimmt und innerhalb dieser effektiv agieren kann. Dies beinhalte auch eine einwandfreie Kommunikation zwischen den Teamkamerad*innen während des Spiels, sodass alle als Einheit agieren und zuvor ausgearbeitete Strategien damit zweitrangig werden (Fnatic 2016: 4ff, inwave media GmbH 2017a: k.S., inwave media GmbH 2017b: k.S.). Die Kommunikation im professionellen Bereich setzt sich aus sogenannten „Callouts“ zusammen, also Ansagen der anderen, beispielsweise über Feindkontakt oder allgemein das eigene Vorgehen (inwave media GmbH 2017b: k.S.). Um exakte Callouts geben zu können, die universal verstanden werden, wurden diese für jede Karte festgelegt. Eine einwandfreie Karten- bzw. Map-Kenntnis ist demnach unerlässlich für die Profispieler*innen (ebd.).

Einen Schritt weiter als die Teamfähigkeit reicht die Chemie bzw. Harmonie, die im Team herrscht. Demnach müssen alle Spieler*innen auf einer Wellenlänge sein, damit das Teamzusammenspiel funktionieren kann (ebd.: 73, 157).

Wenn die Teamharmonie nicht stimmt, wird die Mannschaft im eSport letztlich nicht erfolgreich sein können, so Autor Mike Diver:

„Speak to any League professional, from players to coaches, and they’ll tell you that a harmonious atmosphere is so essential to a great team. Working with a player to doesn’t share the ambitions of the rest of the players, or simply has the wrong mindset to fit into the meta in question, will always cause problems“ (ebd.: 5).

2.3 Anerkennung als Sportart

Wie das vorangegangene Kapitel illustriert, sehen sich eSportler*innen lange nicht mehr nur als Spieler*innen oder Gamer*innen, sondern als wahre Sportler*innen bzw. Athlet*innen. Dennoch hat eSport in Deutschland bisher noch nicht die offizielle Legitimität als Sportart erhalten.

Zur Bearbeitung dieses Themas wird im folgenden Abschnitt exemplarisch zunächst das oftmals als „Denksport“ oder „höchste Kunst des Intellekts“ bezeichnete Brettspiel Schach im Detail herausgestellt und für einen Vergleich herangezogen (Bilalić et al. 2009: 1162, str/apr 2013: k.S.).

Dessen Klassifizierung als Sportart wird - wie auch beim eSport - immer wieder auf gesellschaftlicher bis hin zu politischer Ebene diskutiert. Als im Jahr 2014 das Bundesinnenministerium mit der Begründung, Schach erfordere keine eigenmotorische Fähigkeit des Sportlers, die Fördergelder für Schach als Sportart streichen wollte, erfuhr jene Diskussion einen neuen Höhepunkt (Beils 2014: k.S., Schneider 2014: k.S.).

An dieser Stelle zeigt sich ein Bezug zum Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB), da im deutschen Recht keine Definition zum Begriff des Sports existiert. In der Aufnahmeordnung des Deutschen Olympischen Sportbundes ist unter §3 Sportliche Voraussetzung unter Punkt 1 das nachfolgende festgeschrieben:

„1. Die Ausübung der Sportart muss eine eigene, sportartbestimmende motorische Aktivität eines jeden zum Ziel haben, der sie betreibt. Diese eigenmotorische Aktivität liegt insbesondere nicht vor bei Denkspielen, Bastel- und Modellbautätigkeit, Zucht von Tieren, Dressur von Tieren ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen und Bewältigung technischen Gerätes ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen “ (Deutscher Olympischer Sportbund 2014: 2).

Beispielsweise beim Schießen oder im Motorsport ist jene eigenmotorische Aktivität vergleichbar eingeschränkt, was die Rechtmäßigkeit der Definition des DOSB bzw. dessen Differenzierungen der verschiedenen Sportdisziplinen zweifelhaft erscheinen lässt (Beils 2014: k.S., Schneider 2014: k.S.).

Bei der Betrachtung des Diskurses durch die verschiedenen Gesellschaftsschichten und politischen Instanzen hinweg nimmt es jedoch den Anschein, dass vor allem die Akzeptanz der umstrittenen Sportart innerhalb der Sportgemeinschaft ausschlaggebend für dessen Anerkennung ist (Beils 2014: k.S.). So wurde die Streichung der Schach-Fördergelder seitens des Bundesinnenministeriums nach erheblichem Aufschrei innerhalb und außerhalb der Schach-Community ca. einen Monat nach dessen Ankündigung wieder revidiert (Deutscher Schachbund e.V. 2014: k.S.). Bis dato gilt Schach als Ausnahme in Sachen Sport, da der Deutsche Schachbund dem Deutschen Olympischen Sportbund angehört (GrumpyConny 2016: k.S., s. Juris GmbH 2017: Punkt 21 „die Förderung des Sports (Schach gilt als Sport)“).

Als Sportart angesehen, findet sich wie in etlichen klassischen Sportdisziplinen auch hier die Tradition der Geschlechtertrennung. Obwohl keine körperliche Benachteiligung der Frauen gegenüber den Männern nachgewiesen ist, werden Mann und Frau im Wettkampf in der Regel voneinander getrennt. Im Gegensatz zu den Männern dürfen die Frauen zwar an allen Wettkämpfen teilnehmen, können in den gemischten Turnieren indes keine Punkte zum Erwerb der Preisgelder sammeln (Fromm 2016: k.S.).

Initiator derlei Separierungen ist der Weltschachbund Fide, welcher wiederum von den separaten Meisterschaften profitiert, da diese über die Gebühren zusätzliche Einnahmen erzielen (Löffler 2016: k.S.). Von Seiten der Institution wird als Begründung jedoch das Ziel der Frauenförderung genannt.

Aufgrund der stark ausgeprägten finanziellen Förderung (wesentlich höher als in vergleichbaren gemischten Turnieren) leidet das sportliche Niveau derlei Wettbewerbe, was wiederum deren Ansehen in der gesamten Szene senkt (Löffler 2011: k.S.). Die stärksten Spielerinnen der Welt meiden aus diesem Grund Frauenturniere und messen sich vorzugsweise mit ihrer männlichen Konkurrenz.

Nur so können sie nach eigenen Angaben ihr Spiel fortwährend verbessern und verweilen nicht auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau, welches für die weiblichen Titel jedoch ausreiche (Löffler 2011: k.S., Löffler 2016: k.S.).

Trotz dessen ist die Gleichstellung der Frauen im Schach seither kaum fortgeschritten (ebd.).

Der Durchschnittswert des Anteils an Frauen lag Ende 2016 bei ca. 8% und zeigt damit kaum nennenswerte Erfolge der Förderungsmaßnahmen (Fromm 2016: k.S.).

Die ebenso geringe Anzahl an Frauen in den Top-Listen der Schachspieler*innen lässt sich zu 96% mit dem zuvor erwähnten niedrigen Frauenanteil in Schach allgemein und damit statistisch erklären, wie britische Forscher 2009 herausfanden (Bilalić et al. 2009: 1163f). Sie belegten anhand der Daten deutscher Schachspieler*innen, bereitgestellt vom deutschen Schachbund, dass Höchstwerte bei großen Proben (männliche Spielerschaft) wahrscheinlicher sind als bei kleinen (weibliche Spielerschaft). Einem gemeinhin vermuteten Vorteil in den für das Schachspiel relevanten intellektuellen Fertigkeiten auf Seiten der Männer wird damit widersprochen.

Es ist kaum verwunderlich, dass sich auch Parallelen zwischen der Anerkennung von Schach und der Anerkennung von eSport als Sport sowie diesbezüglichen Diskussionen finden lassen (GrumpyConny 2016: k.S., theScore esports 2017: 4:12-4:33 Min., Tramah 2016: 3:35-6:05 Min.). Denn aus der Ausübung einer Sportart ausgeschlossen werden nicht nur Denkspiele (wie etwa Schach), sondern auch die Bewältigung eines technischen Gerätes ohne Einbeziehung der Bewegung des Menschen (wie etwa bei allen gängigen eSport-Titeln, s. voriges Kapitel).

In besagter Aufnahmeordnung des DOSB ist auch von „Einhaltung ethischer Werte“ und bestimmten Verbandsstrukturen die Rede (Deutscher Olympischer Sportbund 2014: 3f), die als weitere Gründe zum Nichtaufnehmen von eSport in den Bund genannt werden.

Zahlreiche Bemühungen verschiedener Institutionen innerhalb der Szene versuchen jene Argumente aktiv zu schwächen. Beispielsweise mithilfe steigender Transparenz in Form von Aufklärung und Doping-Prävention durch die Kooperation der weltweit größten eSport-Organisation Electronic Sports League (ESL) mit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (Nada), welche 2015 ihren Anfang nahm (Electronic Sports League 2015: k.S.).

Die Notwendigkeit bestimmter Verbandsstrukturen, wie sie bei Sportarten üblich sind, spricht Pro Gaming Director der ESL Ulrich Schulze dem eSport zumindest teilweise ab. Denn eSport benötige zum Beispiel nicht zwingend Vereine und Spielorte, da die Spieler*innen auch von zuhause aus online in relativ losen, unabhängigen Teams gegeneinander antreten können (Reuter 2015: k.S.).

Gesellschaftliche Anerkennung

Laut einer repräsentativen Befragung des Computerverbandes bitkom von 2016 sprechen sich etwa ein Viertel der Deutschen für eSport als olympische Disziplin aus (bitkom 2016: k.S.). Unter den Gamer*innen sind es sogar 40% und in der Altersgruppe von 14 bis 29 Jahren mit 45% nahezu die Hälfte der Befragten.

Die gesellschaftliche Popularität von eSport lässt sich an reihenweise massenwirksamen Entwicklungen ablesen (BIU 2016a: 2, Kresse 2015: k.S.). Denn inzwischen sind TV-Sender wie Sky (sky 2017: k.S.), ProSieben Maxx und sport1 (Ehrenberg 2016: k.S., Presseportal 2016: k.S.) in die Übertragung von eSport-Turnieren eingestiegen. Traditionelle Sportvereine wie der VfL Wolfsburg (VfL Wolfsburg 2017: k.S.) und FC Schalke 04 (FC Schalke 04 2016: k.S., Fnatic 2016: 6) und international Manchester City, Paris Saint-Germain (Hattenstone 2017: k.S.) und Philadelphia 76ers (Mashable 2017: k.S.) haben bereits einzelne Profispieler sowie ganze Teams im elektronischen Sport für ihre Organisation verpflichtet (BIU 2016a: 2). Und auch die Infografik vom BIU zum eSports-Überblick 2016 demonstriert stetig steigende Begeisterung der Massen (BIU 2016b: k.S.). Eindrucksvolle Kennzahlen bieten beispielsweise die Online-Zuschauerzahlen von zuletzt 14,7 Millionen gleichzeitigen Zuschauern bei der Weltmeisterschaft eines der aktuell beliebtesten eSport-Titel, dem Mehrspieler-Strategiespiel League of Legends (BIU 2017b: 38) im Dezember 2016 (Mittweg 2016: k.S.). Und auch in den Vorjahren glänzte Riots Free-to-play-MOBA mit neuen Rekordzahlen (Fnatic 2016: 61-65).

Wirtschaftswissenschaftliche Analysen prognostizieren außerdem bereits seit Jahren ein stetig steigendes Wachstum an eSport-Zuschauer*innen, ob nun offline im Stadion vor Ort oder online beim Livestream vor dem Bildschirm. Zu erkennen beispielsweise an den ermittelten Daten von Gaming-Marktforschungsanbieter Newzoo (s. Abb. 3).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Newzoo, Prognose eSports-Zuschauerzahlen, 2017, © statista

Die Popularität von eSport mündete 2011 in den Launch von TwitchTV (theScore sports 2017: 2:08-3:18 Min., Twitch Interactive 2017: k.S.). Inzwischen hat sich TwitchTV, welches sich vorrangig auf Gaming-Content ausgerichtet hat, mit 15 Millionen täglichen Nutzer*innen zur beliebtesten Streaming-Plattform entwickelt (Twitch Interactive 2017: k.S.).

Politische Anerkennung

Um Anerkennung von politischer Seite muss die Gaming-Branche seit jeher kämpfen. Kulturpolitisch wurde dabei 2008 vom Deutschen Kulturrat ein Meilenstein gelegt: Denn nach weitreichenden Diskussionen zum Thema wurde schließlich die offizielle Anerkennung von digitalen Spielen als Kulturgut beschlossen (Horn 2017: k.S., BIU 2017a: k.S.). Sie seien damit als Kunstwerke angesehen, was die gesamte Branche in den Kulturbereich einbindet (Deutscher Kulturrat 2017: k.S.). Im Zuge der kulturpolitischen Akzeptanz erfuhren Computerspiele in Deutschland auch steigende Förderung, beispielsweise die Einrichtung des Deutschen Computerspielpreises, die kurz darauf folgte (BIU 2017a: k.S., Deutscher Computerspielpreis 2017: k.S.).

2011 eröffnete wenige Jahre später das weltweit erste Computerspielmuseum in Berlin seine Dauerausstellung namens „Computerspiele. Evolution eines Mediums“ (Gamehouse gGmbH 2017: k.S., Museumsportal Berlin 2017: k.S.). Im darauffolgenden Jahr kam es dann aufgrund der Zusammenarbeit des Deutschen Bundestages und der deutschen Games-Branche zur Gründung der Stiftung Digitale Spielkultur (BIU 2017a: k.S., Stiftung Digitale Spielkultur 2017: k.S.). Diese vermittelt nach eigenen Worten „die kulturellen, gesellschaftlichen, technologischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten digitaler Spiele“ mithilfe etlicher Projekte und Kooperationen in den Bereichen Kultur, Bildung und Forschung (Stiftung Digitale Spielkultur 2017: k.S.).

Besonders außenwirksam wurden die kulturpolitischen Erfolge bei der Gamescom 2017, Europas größter Videospielmesse, sichtbar (Gamescom 2017: k.S.).

Eröffnet u.a. durch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (mygamescom 2017: 33:30-48:26 Min.) werden Computerspiele von ihr sowie von den Generalsekretären von CDU, SPD, Grüne, Linke und FDP heute als Kulturgut angesehen, wie in der Gamescom TV-Wahlkampfarena reichweitenstark berichtet (Deutscher Kulturrat 2017: k.S., mygamescom 2017: 33:30-36:05 Min., Rocket Beans TV 2017: 5:50-54:00 Min.). Dennis Horn, Experte für Digitalthemen in der ARD, fasst rückblickend auf die Gamescom 2017 zusammen: „Noch nie konnten sich Gamer und Entwickler so anerkannt fühlen wie in diesem Jahr“ (Dennis Horn 2017: k.S.).

Und auch die Anerkennung von eSport als Sportart wird seitens der Gaming-Szene schon seit Langem gefordert. Denn ähnlich wie bei der kulturpolitischen Anerkennung geht hier ebenso ein allgemein höheres Ansehen sowie die Chance auf weitreichende bundesweite Förderung und damit verbesserte Rahmenbedingun-gen jener Disziplin einher (Bayerischer Rundfunk 2016: k.S., BIU 2017b: 29-33, Kühl 2016: k.S., v. Mauch 2017: k.S.). So auch der bereits erwähnte Bundesverband Interaktive Unterhaltungssoftware e.V. (BIU), welcher sich in seiner Stellungnahme diesbezüglich im Jahr 2016 vorrangig auf das dynamische wirtschaftliche Wachstum von eSport beruft (BIU 2016a: 2f). Anlass der Stellungnahme war der Antrag der Piratenfraktion an das Berliner Abgeordnetenhaus, sich mit der Anerkennung von eSport als gemeinnützige Sportart auseinanderzusetzen, womit zumindest steuerliche Vorteile einhergingen (BIU 2016a: 1, Bayerischer Rundfunk 2016: k.S.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Geschlechtertrennung im eSport
Untertitel
Geschlechtsspezifische Eignung zum kompetitiven Spielen von teambasierten Videospielen
Hochschule
Fachhochschule Kiel  (Fachbereich Medien)
Note
2,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
86
Katalognummer
V494223
ISBN (eBook)
9783668991934
ISBN (Buch)
9783668991941
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Videospiele, Computerspiele, eSport, Esports, E-Sport, Female Gaming, Geschlechtertrennung, Counter Strike, Ego Shooter, Männerdomäne, Gaming, Pro Gaming, Genderforschung, Geschlechterforschung, Kognitive Fähigkeiten, geschlechterspezifisch, Kognitive Sportart
Arbeit zitieren
Jana Möglich (Autor:in), 2018, Geschlechtertrennung im eSport, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/494223

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