Nahezu jeder deutsche Rapper behauptet heutzutage seine Musik sei persönlich, ehrlich und echt. Doch im Gegensatz zu „persönlichen“ ad-hoc-Aufführungen, in denen „der Darbieter gewöhnlich selbst das Bühnenbild und die Requisiten liefert und vorher kein Programm vorliegt, nach dem die Aufführung stattfinden müßte“ (Goffman 1977: 144), steht Hiphop den Charakteristika des Wettkampfs näher. Trotz kommerzieller Interessen, wie dem Verkauf von Alben oder Konzerttickets, vergleichbar mit dem Eintrittsgeld für einen Wettkampf, hängt alles davon ab, ob sich der Künstler so verhält, als wäre die Musik Selbstzweck (Vgl. Goffman 1977: 144). Außerdem ist Musik nicht ausschließlich zur bewussten Biographieschreibung geeignet, sondern bietet auch die Möglichkeit fiktionale Beschreibungen des Selbst vorzunehmen. Diese Möglichkeit soll ein Rezipient gar nicht in Erwägung ziehen. Genauso wie im Wettkampf „Tabellenplätze, persönliche Punktwertungen und Geldpreise […] zur Stabilisierung des Nicht-Aufführungscharakters bei[tragen]“ (Goffman 1977: 144), so sind innerhalb des Hiphop bestimmte mediale Formen entstanden, die zur Erzeugung des Nicht-Aufführungscharakters, sprich der Authentizität, beitragen. Innerhalb des Hiphop existiert m.E. keine einheitliche Definition von Authentizität. Ich möchte mich zum einen darauf beschränken, dass authentische Musik frei von jeglichem kommerziellen Interesse ist und zum anderen, dass Inhalte von Liedern Bezüge zur Biographie des Rappers darstellen. Obwohl sich Hinweise für Authentizität auch im Liedtext verbergen wird das Urteil über Authentizität längst nicht mehr dem Zufall überlassen. M.E. reicht ein Liedtext, die Aussprache, die Charakteristika und die Verzierungen der Stimme, die üblicherweise als Beweis für die Echtheit von Trauer oder Freude dienen, nicht aus um genügend Authentizität im Hiphop zu erzeugen. Goffmans Begriffe Vorder- und Hinterbühne werden mir helfen die Erzeugung von Authentizität dieses Mediums der Selbstthematisierung näher zu beleuchten.
Außerdem werde ich zu Anfang, der Musik und speziell dem Hiphop, versuchen einen Rahmen zu geben, um dieses Medium innerhalb anderer Medien und speziell der Medien der Selbstthematisierung einordnen zu können. Denn „Die Repräsentation von Wirklichkeit im Geschriebenen ist ein komplexer Gestaltungs- und Veränderungsprozess. Konstruktion der „Authentizität“ wie Gestaltung der Stimme des „Ich“ verlangen spezifische Stilmittel“ (Kraus 1999: 238).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Intermedialer Vergleich
- Anders sein in Facebook und Hiphop
- Panoramakunst und der Schnitt
- Authentizität
- Schluss
- Literaturangaben
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit beschäftigt sich mit der Erzeugung von Authentizität in zeitgenössischer Musik am Beispiel des deutschen Hiphop. Sie analysiert, wie Rapper versuchen, ein Gefühl von Echtheit und persönlicher Bedeutung in ihrer Musik zu vermitteln, obwohl diese oft kommerziellen Interessen unterliegen.
- Der intermediale Vergleich zwischen Musik und anderen Medien der Selbstthematisierung, wie Facebook und Biografien
- Die Rolle von Goffmans Vorder- und Hinterbühne-Konzept bei der Erzeugung von Authentizität
- Die Relevanz von „anders sein“ im Kontext der Konkurrenz im Hiphop
- Die Analogie zwischen der Panoramakunst und dem Musikhören
- Die verschiedenen Faktoren, die zur Konstruktion von Authentizität im Hiphop beitragen
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung beleuchtet die Bedeutung der Authentizität im deutschen Hiphop und stellt die These auf, dass verschiedene mediale Formen zur Erzeugung des „Nicht-Aufführungscharakters“ und damit zur Authentizität beitragen.
- Intermedialer Vergleich: Dieses Kapitel vergleicht die Selbstthematisierung im Hiphop mit anderen Medien wie Facebook und Biografien. Dabei wird die Rolle der Konkurrenz und die Suche nach „anders sein“ im Hiphop beleuchtet.
- Panoramakunst und der Schnitt: Das Kapitel stellt eine Analogie zwischen der Panoramakunst und dem Musikhören her. Der Hörer, so wird argumentiert, bewegt sich während des Musikhörens in einer „360°-Rundumperspektive“, vergleichbar mit dem sich um die eigene Achse drehenden Betrachter eines Panoramas.
Schlüsselwörter
Authentizität, Hiphop, Medien der Selbstthematisierung, Intermedialer Vergleich, Facebook, Panoramakunst, Goffmans Vorder- und Hinterbühne, „anders sein“, Konkurrenz, kommerzielle Interessen.
- Quote paper
- Ivan Logunov (Author), 2013, Über die Erzeugung von Authentizität in zeitgenössischer Musik am Beispiel des deutschen Hiphop, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/494414