Die Darstellung männlicher Gewaltopfer und weiblicher Täter in einem Spielfilm und zwei Kurzfilmen


Hausarbeit, 2017

18 Seiten, Note: 2,6


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Formen der Gewalt
2.1 Physische Gewalt
2.2 Psychische Gewalt

3. Die Filmanalyse
3.1 He took his skin off for me
3.2 Gone Girl
3.3 Majorité Opprimée

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Verwendete Medien

Hinweis: Abbildungen mussten aus urheberrechtlichen Gründen entfernt werden.

1. Einleitung

Nicht selten müssen Frauen mehr einstecken, als Männer. Sei es im Beruf, bei der Entscheidung über die Erziehung der Kinder oder bei der Wahl des Familienautos. Viel öfter sind Frauen die Opfer von häuslicher oder sexueller Gewalt. Wir haben meist nur dieses Männer-Frauen-Bild vor Augen, wenn wir von Gewalt gegen Individuen hören. Jedoch wird häufig vergessen, dass Männer nicht nur die Rolle des Täters, sondern auch die des Opfers einnehmen können. Denn auch Männer können von Frauen Gewalt erfahren.

Mir geht es nun darum, wie Männer als Gewaltopfer (und Frauen als Täter) filmisch inszeniert werden im inner-diegetischen Raum. Da es verschiedene Arten von Gewalt gibt, möchte ich mich auf zwei Arten beschränken: körperliche und vor allem psychische Gewalt. Dies möchte ich anhand folgender Filme tun: dem Spielfilm „Gone Girl“ und den Kurzfilmen „He took his Skin off for me“ und „Majorité Opprimée“. Ich werde herausstellen, wie deutlich wird, wer die Opferrolle und wer die Täterrolle einnimmt und wie die Rollen filmisch jeweils unterstrichen und charakterisiert werden. Was macht die Opfer und Täterinnen filmisch deutlich? Wie werden sie dargestellt? Außerdem möchte ich betonen, inwiefern die Charaktere Schwierigkeiten oder keine Schwierigkeiten haben, sich in ihre unübliche Rolle einzufinden. Inwiefern wird die Opfer- oder Täterrolle eingenommen? Geschieht dies bewusst oder unbewusst? Wie verhalten sich die Charaktere jeweils dabei? Dabei werde ich auszugsweise auch narrativ auf mögliche Motive und Hintergründe der Beteiligten eingehen, um den Kontext zu verdeutlichen. Wie hat sich die Opfer- oder Täterrolle zu jener entwickelt? Welche Umstände haben diese Entwicklung beeinflusst?

Bei der Analyse der jeweiligen entscheidenden Sequenzen der Filme möchte ich mich dem Ästhetikbegriff filmischer Inszenierung von Inès Müller bedienen:

„Licht, Farbe, Kamerastil – das sind wesentliche Aspekte bei der ästhetischen Umsetzung eines Filmstoffs. Ob symbolisch distanziert, poetisch verspielt oder dokumentarisch nüchtern – die visuelle Gestaltung beeinflusst entscheidend die Gefühlslage des Zuschauers und ist damit integraler Bestandteil des Erzählstils: die Kamera als erzählerische Instanz. Alles was im Bild gezeigt wird und wie es gezeigt wird ist für die Bedeutungsbildung elementar. Die filmischen Gestaltungsmittel sind dabei wesentlich für das Gelingen einer Kommunikation zwischen Film und Zuschauer. Sie lenken den Blick des Zuschauers und arbeiten mit spezifischen filmischen Codes, die es zu entschlüsseln gilt. Die filmischen Gestaltungsmittel sind es, die die Ästhetik des Films bestimmen und damit für die Emotionalisierung des Zuschauers verantwortlich zeichnen.“1

2. Formen der Gewalt

Für diese Arbeit sind zwei Arten von Gewalt von Bedeutung: die physische und die pyschische. Der Fokus liegt jedoch stark auf der psychischen Gewalt und deren Ausübung und Wirkungen.

2.1 Physische Gewalt

In dieser Arbeit ist unter physischer Gewalt gemäß Imbusch „direkte Schädigung, Verletzung oder Tötung“2 einer anderen Person zu verstehen. Gemünden (1996) weist in seiner Definition zu physischer Gewalt bezüglich der Intensität außerdem darauf hin, dass es zur Ausübung physischer Gewalt „nicht einmal einer Kraftanwendung“3 bedürfe.

2.2 Psychische Gewalt

In dieser Arbeit wird unter psychischer Gewalt Folgendes verstanden: Psychische Gewalt umfasst Verhaltensweisen, welche ohne tätliche Angriffe erfolgen und den Empfänger beleidigen, bevormunden, herabsetzen, entwürdigen, einschüchtern, beängstigen, kontrollieren sowie dessen Gefühle und/oder Würde verletzen.4

3. Die Filmanalyse

3.1 HE TOOK HISSKIN OFF FOR ME(2015)

Dieser Kurzfilm beschäftigt sich mit der Transparenz der eigenen Person und Persönlichkeit innerhalb einer Beziehung. Eine Frau bittet ihren Partner seine Haut abzunehmen, damit sie alles von ihm sehen kann und sie sich sozusagen im übertragenen und körperlichen Sinne näher sind. Doch dies hat einige Konsequenzen zur Folge – physisch, wie psychisch. Das Geschehen wird fast durchgehend von einer Musik aus dem Off begleitet. Außerdem erzählt die Frau die „Geschichte“, auch aus dem Off.

Die erste Szene beginnt mit Musik aus dem Off, während man einen oberkörperfreien, aufgeregt wirkenden Mann in Nahaufnahme sieht (s. Abb. 1). Er schaut an sich herunter, während eine Stimme – die seiner Freundin – aus dem Off erscheint: „Is this what you want, he asked. And I said yes.“. Parallel fängt der Mann an, dessen Brust nun in Detailaufnahme zu sehen ist, sich die Haut von rechts nach links abzuziehen (s. Abb. 2). Es folgt ein Schnitt und ein schwarzer Bildschirm erscheint, während sie aus dem Off sagt: „So he took his skin off for me“. Jedoch tut er dies nicht für sich. Sondern ganz eindeutig für seine Partnerin, wahrscheinlich aus Liebe zu ihr und weil er ihren Wünschen gerecht werden möchte. Man könnte ihn also als Opfer ihrer Wünsche und dem Verlangen diesen gerecht zu werden betrachten. Im weiteren Verlauf sind nun die Folgen dieses Wunsches zu sehen. Eine Detailaufnahme seiner Hand, wie er seinen „Hautanzug“ in den Schrank hängt, ist die erste Szene, in der man ihn „ohne Haut“ sieht (s. Abb. 3). Es folgen weitere Szenen, in denen er bzw. Ausschnitte seines „neuen Körpers“ zu sehen sind, wie er seinen Alltag weiterlebt. Als seine Freundin ihn das erste Mal sieht, ist er außerhalb der Kadrierung, während sie in Nahaufnahme zu sehen ist. Sie lächelt und aus dem Off kommentiert ihre Stimme: „I can see everything. He was beautiful“(s. Abb. 4). Die darauffolgende Szene zeigt nun ihn in Großaufnahme, ohne Haut, am Esstisch sitzend, er lächelt (s. Abb. 5). Im Folgenden sieht man sie noch kritisch beäugend immer wieder kurz ihren Mann ansehend. Bis diese Szene mit einem zufriedenen Lächeln ihrerseits endet. Sie essen, wie gewohnt und tauschen dabei mittels Schuss-Gegenschuss-Prinzips vertraute Blicke aus, nehmen die Hand des anderen in die eigene (s. Abb. 6). Es folgt eine Aufzählung der Off-Stimme über Dinge und Tätigkeiten, die gleich bleiben, sowie über jene, die sich verändern – „just two people showing what they really look like“. Es scheinen beide mit der Situation glücklich zu sein. Doch bald wird das erste ernsthaftere Problem ersichtlich: der Mann friert viel schneller, die Heizung muss also permanent aufgedreht werden (s. Abb. 7). Ihre Off-Stimme kommeniert: „I tried to be understanding. But I was boiling”. Doch man sieht das Paar in der Totalen, wie sie ihm unterstützend ihre Jacke gibt und lächelt. Es folgt das nächste Problem: „He said he wasn’t having much luck with clients”, jedoch versucht sie ihn zu unterstützen, indem sie ihm sagte, es seien die Falschen und dass die Richtigen schon verstehen würden. Beim Betreten des Hauses sieht er schon nicht mehr glücklich aus und als sie ihn daraufhin in den Arm nimmt, wirkt es, als wäre er sehr müde, während die Stimme kommentiert: „He said he’d figure it out“. Dabei ist sein Kopf in Detailaufnahme zu sehen, wie er erschöpft auf ihrem Schoß liegt (s. Abb. 8). In einer folgenden Szene sieht man die Frau, wie sie nach dem Aufwachen einen kleinen Teil des „Hautanzugs“ ihres Partners aus dem Schrank hängen sieht (s. Abb. 9). In der nächsten Szene duscht sie, während man immer mal wieder abwechselnd ihr Gesicht oder ihren Bauch in Nahaufnahme sieht. Im Verlauf der Szene ist sie versucht selbst ihre Haut abzuziehen, bringt es aber nicht über sich (s. Abb. 10). Dies zeigt, dass sie von ihm verlangt bzw. sich von ihm wünscht, was sie selbst nicht über sich bringt. Gewisserweise steht sie damit über ihm, obwohl anzumerken ist, dass er dies nicht von ihr verlangt hat. Trotzdem ist sie die Initiatorin in Bezug auf seine Handlung, die „Täterin“.

In einer weiteren Szene sind Freunde des Paares zu Besuch. Sie berichtet von gestellten Fragen, wie „Do you miss it?“, wobei man seine Reaktion in Nahaufnahme sieht, welche man nicht direkt deuten kann, da die diegetischen Stimmen sehr leise sind und auch die Gestik und die Mimik nichts Eindeutiges verraten (s. Abb. 11). Sie kommentiert: „He’d answer yes, or he’d answered no. Simple answers. It was unlike him. He loved words”, während man immer wieder abwechselnd in Nahaufnahme sieht, wie er ausdrucksleer oder müde lächelnd schaut, während er die Fragen beantwortet und sie mit ernstem Gesichtsausdruck beobachtet. Hier wird eine Wesensveränderung seinerseits deutlich, eine psychische Auswirkung ihres Wunsches. Er zieht sich zurück, wirkt unglücklich, nicht wie er selbst. Einer seiner Freunde berührt seine „nackte“ Hand aus Versehen und lässt daraufhin erschreckt das Glas fallen. Sein Gesicht ist daraufhin in Nahaufnahme zu sehen, wie er traurig und fast schon beschämt auf den Boden schaut, während die diegetischen Geräusche vermuten lassen, dass um ihn herum durch das verschüttete Glas Chaos unter den Anwesenden entsteht (s. Abb. 12). Dieses scheint ihn aber gar nicht zu tangieren. Der Mann ist ein Ausgestoßener unter seinen Freunden, aufgrund des neuen Umstandes. Man sieht ihm an, wie ihn das psychisch belastet. Die vorher dagewesene Nähe des Paares scheint zu bröckeln, als sie die Freunde zur Tür bringt, während er die Treppe hinaufgeht, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Zeitgleich sieht man ihren Blick wieder von ihm zur Tür wandern, wobei deutlich wird, dass sie versteht, was los ist.

In der nächsten Szene wird deutlich, dass er sein „altes Leben“ vermisst, als man in Detailaufnahme sieht, wie er seinen „Hautanzug“ im Schrank berührt, ihn weghängt und sein Outfit durch die fehlende Krawatte ergänzt (s. Abb. 13). Trotzdessen, dass man parallel sieht, wie sie ihn dabei beobachtet und merkt, dass er unglücklich ist, hilft sie ihm nicht aus der Situation heraus. Indem sie beispielsweise sagt, dass er den Anzug wieder anziehen darf. Sie kommt dadurch, dass sie ihre eigenen Wünsche über sein Leiden stellt, immer mehr in die Täterrolle, während er gleichzeitig immer mehr die Opferrolle einnimmt. In diesem Fall bedingen sich die jeweiligen Intensivheitsgrade der Rollen gegenseitig, sie sind proportional zueinander. Auch wenn die Frau sich Gedanken macht und anscheinend auch darunter leidet, dass er leidet, ist sie trotzdem in keiner Opferrolle. Denn sie könnte das Problem erstens sofort beheben (indem er den „Hautanzug“ wieder anziehen „darf“) und zweitens ist sie der Auslöser des Problems. Denn auch wenn die Frau ihm nichts in dem Sinne befiehlt oder ihn zu dieser Handlung zwingt, so ist er ihren Wünschen trotzdem unterlegen und fügt sich ihnen.

Die Problemerweiterung nimmt ihren Lauf, während einer Szene in Nahaufnahme, als man das Paar essen sieht, während sie sich anschweigen und keine Nähe aufbauen, obwohl er Nähe sucht, indem er sie anschaut (s. Abb. 14). Sie erwidert seinen Blick jedoch nicht. Es wirkt, als würde er nach Bestätigung suchen, nach ihrer Anerkennung, aber nicht einmal die findet er, denn sie beschließt diese nicht zu geben. Die Frau ist also wieder in der erhabenen Täterrolle, während er weiterhin die Opferrolle verkörpert. Das Befremdliche der Situation wird durch die verstärkten diegetischen Geräusche des Kratzens des Bestecks auf den Tellern noch verstärkt.

Es folgt eine entscheidende Szene: das Paar liegt gemeinsam im Bett, sie greift nach seiner Hand, sie drehen sich zueinander. Er fängt an ihren Körper zu berühren – erst im Gesicht, dann an der Hüfte, zieht an ihrer Haut (s. Abb. 15). Sie atmet erschreckt laut ein und ein Schnitt beendet die Szene und den Kurzfilm. Es ist also unklar, ob sie ihre Haut für ihn abnimmt (womit sich das Rollenbild natürlich verändern würde). Zusammengefasst lässt sich sagen, dass seine Rolle die eines stillen Opfers ist, welches sich notgedrungen den Wünschen seiner Partnerin hingibt und durch die Folgen psychisches Leid erfährt. Außerdem entledigt er sich seiner Außenhülle, welches man im Weiteren als körperliche Gewalt deuten könnte, auch wenn er keine Schmerzen dadurch zu erfahren scheint. Die Täterrolle der Frau ist durch die Macht gekennzeichnet, ihren Wunsch mehr oder weniger gegen seinen Willen beziehungsweise seine Ansicht durchzusetzen. Außerdem ist entscheidend, dass sie diese Durchsetzungsmacht nicht verliert, denn er entscheidet sich ja (für sie) ohne seine Haut zu leben, trotz des Leides, welches dies mit sich trägt. Allerdings gibt es gewisse Schwierigkeiten im Umgang mit den verteilten Rollen. Die Frau wirkt fast so, also würde sie sich selbst als Opfer sehen. Sie leidet mit seinem Leid. Im Gegenzug versucht er keine Hilfe zu erhalten, bittet nicht um „Erlösung“. In meinen Augen spricht dies für die Denormalisierung, die hier dargestellt wird. Die vielen Nah- und Detailaufnahmen verdeutlichen die Emotionen der Charaktere. „By examining how an actor’s performance functions in the context of the overall film, we can also notice how acting cooperates with other film techniques. For instance, the actor is always a graphic element in the film, but some films underline that fact“5, heißt es passend dazu bei Bordwell.

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1 Müller, Ines (2013): Bildgewaltig! Die Möglichkeiten der Filmästhetik zur Emotionalisierung der Zuschauer. In: IMAGE 17 (Ausgabe Januar 2013), S. 1

2 zit. In Jungnitz, Ludgar; Lenz, Hans-Joachim; Puchert, Ralf; Puhe, Henry & Walter, Willi (Hrsg.) (2007): Gewalt gegen Männer. Leverkusen Opladen: Budrich, S. 18.

3 Gemünden, Jürgen (1996): Gewalt gegen Männer in heterosexuellen Intimpartnerschaften. Ein Vergleich mit dem Thema Gewalt gegen Frauen auf der Basis einer kritischen Auswertung empirischer Untersuchungen. Marburg: Tectum Verlag, S. 38.

4 Vgl. Zwenger, G. (1996). Gewalt und Konfliktstrategien bei Liebespaaren. Frankfurt am Main: Lang, S. 66.

5 Bordwell, David; Janet Staiger, Kristin Thompson (1985): The Classical Hollwood Cinema. Film Style & Mode of Production to 1960. London, S. 187

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Details

Titel
Die Darstellung männlicher Gewaltopfer und weiblicher Täter in einem Spielfilm und zwei Kurzfilmen
Hochschule
Bauhaus-Universität Weimar
Veranstaltung
Medien der Normalisierung
Note
2,6
Autor
Jahr
2017
Seiten
18
Katalognummer
V494909
ISBN (eBook)
9783346027382
ISBN (Buch)
9783346027399
Sprache
Deutsch
Schlagworte
darstellung, gewaltopfer, täter, spielfilm, kurzfilmen
Arbeit zitieren
Jennifer Siebert (Autor:in), 2017, Die Darstellung männlicher Gewaltopfer und weiblicher Täter in einem Spielfilm und zwei Kurzfilmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/494909

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