Narzissmus am Arbeitsplatz aus wirtschaftspsychologischer Sicht

Eine empirische Analyse mit Fokus auf Geschlechter- und Altersunterschieden


Masterarbeit, 2017

100 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Beitrag fur Wissenschaft und Praxis
1.3 Gang der Arbeit

2 Narzissmus in Organisationen
2.1 Kennzeichen
2.2 Ursachen
2.3 Management Derailment

3 Hypothesenentwicklung
3.1 Narzissmus und kontraproduktives Arbeitsverhalten
3.2 Narzissmus und freiwilliges Arbeitsengagement
3.3 Narzissmus und Arbeitsplatzwechsel
3.4 Narzissmus und arbeitsbezogener Stress
3.5 Narzissmus und Altersunterschiede
3.6 Narzissmus und Geschlechterunterschiede

4 Methode
4.1 Design, Durchfu¨hrung und Stichprobe
4.2 Exkurs: Narzissmus und soziale Erwünschtheit
4.3 Verwendete Skalen
4.4 Statistische Analyse

5 Ergebnisse
5.1 Deskriptive Analyse
5.1.1 Prüfung auf Normalverteilung
5.1.2 Mittelwertsvergleiche
5.2 Hypothesentests
5.2.1 Narzissmus und kontraproduktives Arbeitsverhalten
5.2.2 Narzissmus und freiwilliges Arbeitsengagement
5.2.3 Narzissmus und Arbeitsplatzwechsel
5.2.4 Narzissmus und arbeitsbezogener Stress
5.2.5 Narzissmus und Altersunterschiede
5.2.6 Narzissmus und Geschlechterunterschiede

6 Diskussion
6.1 Zusammenfassung und Interpretation
6.2 Praktische Implikationen
6.3 Limitationen und zuku¨nftige Forschung

Literatur

A Anhang

[Anhang nicht in dieser Publikation enthalten.]

Zusammenfassung

Nicht erst seit Donald Trump seine Präsidentschaftskandidatur bekannt gegeben hat, ist Narzissmus in aller Munde. Dabei ist der Narzissmusbegriff selbst schon alt. Er geht bis in die Antike auf einen griechischen Mythos über einen jungen Mann namens Narziss zurück (Orlowsky & Orlowsky, 1992). Der Mythos erzählt, dass Narziss jegliche Liebe verwehrt und nur sich selbst liebt. Er liebt sich so sehr, dass er sein Leben, beim Versuch sein Spiegelbild im Wasser zu küssen, verliert.

Narzissten besitzen ein ubertriebenes Selbstwertgefuhl, sind uberzeugt von ihrer Grandiosität und dürsten nach Anerkennung. Weiter fordern Sie stetige Aufmerksamkeit und vernachlässigen im Gegenzug die Bedürfnisse anderer Personen (Bierhoff & Herner, 2006). Es gibt vermehrt Beobachtungen darüber, dass Narzissmus im beruflichen Kontext bzw. der Umgang damit, eine immer größer werdende Rolle spielt. So wundert es auch nicht, dass Narzissmus in der Wirtschaftspsychologie einen Bedeutungszuwachs erfährt.

Diese Masterthesis hat zum Ziel Narzissmus im beruflichen Kontext besser zu verstehen. Dabei liegt der Fokus auf Narzissmus im Zusammenhang mit kontra- produktivem Arbeitsverhalten, freiwilligem Arbeitsengagement, arbeitsbezogenem Stress und der Anzahl der Jobwechsel. Dazu werden insbesondere Alters- und Geschlechterunterschiede untersucht. Der Fragebogen zur statistischen Erhebung, der sich unter anderem aus dem Narcisstic Personality Inventar (NPI) zusammensetzte, war für etwa vier Monate online zugänglich. Insgesamt haben 164 Personen teilgenommen; davon 77 (47%) Frauen und 87 Männer (53%). Das durchschnittliche Alter der Stichprobe liegt bei etwa 35 Jahren. Die befragten Personen haben im Schnitt eine Berufserfahrung von etwa 13 Jahren und etwa vier Mal den Job gewechselt.

Die Ergebnisse dieser empirischen Untersuchung waren wie folgt: Es konnten signifikante Zusammenhänge zwischen Narzissmus und freiwilligem Arbeitsenga- gement (r (162) = .16, p <.05) und dem arbeitsbezogenen Stress (r (162) = -.18, p <.01) festgestellt werden. Weiterhin wurde beobachtet, dass der Narzissmus mit zunehmendem Alter signifikant abnimmt (r (162) = -.27, p <.01). Dazu konnten weitere signifikante Geschlechterunterschiede im Narzissmus erkannt werden. So neigen weibliche Narzissten mit zunehmendem Narzissmus zu erhöhtem freiwilligen Arbeitsengagement (r (162) = .25, p <.05); narzisstische Männer hingegen mit zunehmendem Narzissmus zu kontraproduktivem Arbeitsverhalten (r (162) = .25, p <.05).

Abbildungsverzeichnis

1 Altersstruktur der Stichprobe (eigene Darstellung)

2 Anzahl der Führungskräfte (eigene Darstellung)

3 Berufserfahrung der Stichprobe (eigene Darstellung)

4 Anzahl der Jobwechsel (eigene Darstellung)

5 Frage nach der Häufigkeit der Jobwechsel (eigene Darstellung)

6 Prüfung auf Normalverteilung - NPI (eigene Darstellung)

7 Prüfung auf Normalverteilung - PSQ (eigene Darstellung)

8 Prüfung auf Normalverteilung - OCB (eigene Darstellung)

9 Prüfung auf Normalverteilung - WDS (eigene Darstellung)

10 Interaktionseffekt - Narzissmus und Branche (eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

1 Beschreibung der Stichprobe: Altersstruktur

2 Beschreibung der Stichprobe: Verteilung der Fu¨hrungskräfte

3 Beschreibung der Stichprobe: Berufserfahrung

4 Beschreibung der Stichprobe: Anzahl der Jobwechsel

5 Beschreibung der Stichprobe: Branchen

6 Datenaufbereitung: Bildung der NPI-Variablen

7 Datenaufbereitung: Bildung der OCB-Variablen

8 Datenaufbereitung: Bildung der WDS-Variablen

9 Datenaufbereitung: Bildung der PSQ-Variablen

10 Prüfung auf Normalverteilung anhand des Shapiro-Wilk-Tests

11 Deskriptive Mittelwertsvergleiche

12 Moderierte Regression mit der Kontrollvariable Soziale Erwünschtheit

13 Korrelation nach Spearman: Narzissmus und kontraproduktives Arbeits- verhalten

14 Korrelation nach Pearson: Narzissmus und freiwilliges Arbeitsengagement

15 t-Test: Narzisstisches Autoritätsgefühl und Führungsverantwortung

16 Moderierte Regression mit der Kontrollvariable Alter

17 Korrelation nach Pearson: Narzissmus u. Anzahl der Jobwechsel

18 Korrelation nach Pearson: Narzissmus u. arbeitsbezogener Stress

19 Korrelation nach Pearson: Narzissmus u. Alter

20 t-Test: Allgemeine narzisstische Geschlechterunterschiede

21 Mittelwertsvergleiche: Narzissmus in Branchen

22 Zweifaktorielle ANOVA: Narzisstisches Autoritätsgefühl u. Fu¨hrungsverantwortung

23 Korrelation nach Spearman: Narzissmus u. kontraproduktives Arbeitsver- halten bei Frauen

24 Korrelation nach Spearman: Narzissmus u. kontraproduktives Arbeitsver- halten bei Männern

25 Z-Transformation: Geschlechterunterschied Narzissmus u. kontraprodukti- ves Arbeitsverhalten

26 Korrelation nach Pearson: Narzissmus u. freiwilliges Arbeitsengagement bei Frauen

27 Korrelation nach Pearson: Narzissmus u. freiwilliges Arbeitsengagement bei Männern

28 Z-Transformation: Geschlechterunterschied Narzissmus u. freiwilliges Arbeitsengagement

29 Korrelation nach Pearson: Narzissmus u. Anzahl der Jobwechsel bei Männern u. Frauen

30 Korrelation nach Pearson: Narzissmus u. arbeitsbezogener Stress bei Frauen

31 Korrelation nach Pearson: Narzissmus u. arbeitsbezogener Stress bei Männern

32 Z-Transformation: Geschlechterunterschied Narzissmus u. arbeitsbezoge- ner Stress

33 Korrelation nach Pearson: Narzissmus u. Alter bei Männern u. Frauen

34 Z-Transformation: Geschlechterunterschied Narzissmus u. Alter

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

,,Ich könnte mitten auf der 5th Avenue stehen und jemanden erschießen, und ich wür de trotzdem keine W a ¨ hler verlieren. “

Diese Worte stammen von Donald Trump aus der Zeit seiner amerikanischen Präsidentschaftskandidatur (Süddeutsche Zeitung, 2016) und unterstreichen, dass Donald Trump zu den bekanntesten Narzissten jüngster Zeit zählt. Weitere belegende Zitate von ihm über sich selbst sind (Focus online, 2015): Der beste Pr a ¨ sident, den Gott je erschaffen hat oder W as i c h leite, l a ¨ uft rund. Es vergeht kaum ein Tag an dem Donald Trump nicht etwas sagt, postet oder tweeted, bei dem sich der Großteil der Welt fragt, ob dies wirklich ernst gemeint ist. So wundert es auch nicht, dass Prof. Dr. Hans-Jürgen Wirth, Trump als einen Narzissten wie aus dem Bilderbuch bezeichnet. Seiner Meinung nach ist Trump ein extremer Narzisst und weist die typischen Merkmale eines Narzissten auf. Merkmale wie die übersteigerte Vorstellung von der eigenen Bedeutung, seine Unfähigkeit sich in andere einzufühlen, Empathie zu entwickeln und Mitgefühl zu zeigen. Zudem kann er mit Kritik nicht adäquat umgehen, ist sofort gekränkt und schlägt zurück. Wirth sagt zudem, dass narzisstische Persönlichkeiten wie Trump, stark nach Macht streben und auf diese Weise andere Menschen dazu bringen bzw. zwingen ihnen Anerkennung und Bewunderung zu geben. So können Sie ihren Drang danach stillen (Holland, 2016). Die amerikanischen Psychologen Mark Young und Drew Pinsky veröffentlichten im Jahr 2006 eine Studie über die Untersuchung des Narzissmus. In dieser Studie befragten Sie amerikanische Prominente mithilfe des NPI und stellten fest, dass Prominente wesentlich höhere Werte erreichten als amerikanische Studenten oder der Durchschnitt der amerikanischen Bevölkerung. Dabei fanden die Autoren zudem heraus, dass TV-Showmaster einen höheren Grad an Selbstverliebtheit zeigen, als beispielsweise Schauspieler oder Musiker (Pinsky & Young, 2009).

Vieles deutet darauf hin, dass Narzissmus nicht nur bei prominenten Persönlichkeiten stark vertreten ist, sondern auch in der Gesellschaft zunimmt. Viele Psychoanalytiker, Psychologen und andere Autoren sprechen davon, dass der Narzissmus Hochkonjunktur hat - dass wir im Zeitalter des Narzissmus leben. Der Narzissmus passe einfach gut in die aktuelle Welt, in der jeder auffallen und sich hervorheben soll. Zugleich ist es auch das Zeitalter der sozialen Medien. Viele sehen darin einen Zusammenhang (Lenzen, 2016). Wir leben augenscheinlich in Zeiten, in denen sich gefühlt alle um sich selbst drehen, sich an den eigenen Facebook-Fotos ergötzen und mit Selfies die eigene Existenz versichert wird (Zeller, 2016). Empirisch untermauert hat dies die Psychologin Jean Twenge an der staatlichen Universität in San Diago. Sie untersuchte die Entwicklung der narzisstischen Ausprägung bei Studierenden. Dabei fand sie heraus, dass sich der Grad der Selbstverliebt- heit im Laufe der Jahre erhöht hat. Hatte 1985 noch jeder Siebte erhöhte Werte, hatte dies im Jahre 2006 schon jeder Vierte. Es fiel insbesondere auf, dass die jungen Frauen, bisher im Bereich narzisstischer Persönlichkeitsstörungen unterrepräsentiert, im Laufe der Jahre aufholten. Sie nannte das die Generation Me (Twenge, 2014). In seinem Buch Narzissmus - die Wiederkehr nennt der renommierte Sozialpsychologe Hans-Werner Bierhoff, von der Universität Bochum, zusammen mit dem Autor Michael Jürgen Herner das Beispiel einer 17-Jährigen, die selbstbewusst und offen davon spricht, ein Superstar werden zu wollen und sich schon im Schulalter von ihren Mitschülern die entsprechende Anerkennung wünscht. Der Narzisst passt sich, seiner Ansicht nach, perfekt dem kulturellen Klima des Individualismus an, indem er andere Menschen durch einen überzeugenden Auftritt auf der Bühne des Lebens beeindruckt. Da die Bindungskraft sozialer Normen in den letzten 50 Jahren in den westlichen Kulturen abgenommen hat, könne sich dieser aggressive Narzissmus gut behaupten, so die These von Bierhoff (Bierhoff & Herner, 2009).

Der heutige Begriff Narzissmus geht auf Sigmund Freud zurück und geht davon aus, dass Narzissten ihre Liebe nach innen richten. Sie zeigen eine schlechte interpersonelle Anpas- sung. Unter einer übertriebenen Selbsteinschätzung bzw. einer U¨ berzeugung der eigenen Grandiosität liegen Gefühle von Furcht, Verlassenwerden und Selbstzweifel verborgen. Der Narzissmus reicht zurück von der Antike bis in die Postmoderne. Heutzutage ist der Narzissmus zum Modewort avanciert und hat somit Hoch-Konjunktur. Diese Feststellung gilt gleichermaßen für die wissenschaftliche, wie für die populärwissenschaftliche Literatur. Diese Aktualität hat sowohl positive als auch negative Effekte. Die positive Seite ist, dass Narzissmus in der Breite und Tiefe immer verständlicher wird, jedoch muss, und das ist die negative Seite, der Narzissmusbegriff für alles und jedes herhalten (Bierhoff & Herner, 2009).

Es ist weiterhin zu beobachten, dass Narzissmus im Berufsleben stetig an Bedeutung zunimmt. Egal ob als Kollege/in oder Führungskraft; jeder erlebt und arbeitet mit Personen, die eine narzisstisch ausgeprägte Persönlichkeitsstruktur besitzen. Wie soll es auch anders sein? In den Stellenausschreibungen werden Persönlichkeitsmerkmale, wie Selbstvertrau- en, U¨ berzeugungsfähigkeit und Charisma gefordert. Diese Anforderungen nehmen mit steigendem Hierarchielevel zu. So ist es wenig verwunderlich, dass insbesondere in den Reihen der Führungskräfte ein großer Anteil an Narzissten vorzufinden ist. Eigenschaften wie Glaubwürdigkeit, Aufrichtigkeit, Empathie oder Kritikfähigkeit stehen dort nicht an erster Stelle des Anforderungsprofils. Zudem legen Narzissten in Vorstellungsgesprächen eine hohe Effektivität an den Tag, bezugnehmend auf Selbstvermarktung und Ausführung der bisherigen Erfolge (Grüttefien, 2017). Dies belegt auch die Studie der Universität von Nebraska-Lincoln. Das Ergebnis dieser Studie ist, dass der Erfolg, den Bewerber in dieser Art von Gesprächen haben, vollkommen unabhängig von der Sympathie ist, sondern vielmehr, dass man sich selbst liebt und das möglichst deutlich nach außen trägt. Es ist diese eine Situation in der die Möglichkeit besteht ohne jegliche negative Konsequenz positiv über sich selbst zu reden. In solchen Situationen wird dies erwartet. Narzissten treten in Bewerbungsgesprächen selbstbewusster auf und wirken fähiger, sodass es oft passiert, dass Personalverantwortliche sich unbewusst für einen Narzissten und nicht für eine weniger narzisstische Person entscheiden (University of Nebraska-Lincoln, 2012). Ein Unternehmen kann auf der einen Seite von den Energien des Narzissten profitieren (Narzissten können etwas bewegen, sind zielstrebig und arbeiten viel). Auf der anderen Seite hingegen können Narzissten das Arbeitsklima bzw. die Arbeitsweise durch ihr egozentrisches Verhalten negativ beeinflussen (Grüttefien, 2017).

Im Rahmen dieser empirischen Forschungsarbeit wird nicht der pathologische Narzissmus untersucht. Vielmehr liegt die Konzentration auf dem normalen bzw. subklinischen Narzissmus (Bierhoff & Herner, 2009). Die Gründe dafür liegen zum einen darin, dass der subklinische Narzissmus auch im Fokus der Wirtschaftspsychologie steht (Bierhoff & Herner, 2009). Zum anderen zielt diese Arbeit auf die Untersuchung im Rahmen des beruflichen Kontext ab. In diesem Rahmen kann vielmehr von einem subklinischen als von einem pathologischen Narzissmus ausgegangen werden.

Ziel dieser Masterthesis ist es den subklinischen Narzissmus im beruflichen Kontext zu untersuchen. Dabei werden die Aspekte kontraproduktives Verhalten, freiwilliges Arbeitsverhalten, die Anzahl der Jobwechsel und der Umgang mit subjektiv empfundenem arbeitsbezogenen Stress erforscht. Ein Forschungsschwerpunkt dieser Arbeit liegt in den Alters- und Geschlechterunterschieden.

1.2 Beitrag für Wissenschaft und Praxis

Diese quantitative Masterthesis kann einen Beitrag zur Wissenschaft und Praxis leisten.

Diese Thesis kann dazu beitragen, dass der Narzissmus im beruflichen Umfeld besser verstanden wird. Durch die Prüfung möglicher Zusammenhänge von Narzissmus und beispielsweise kontraproduktivem Verhalten am Arbeitsplatz oder freiwilligem Arbeitsengagement können Schlussfolgerungen gezogen werden, welchen Einfluss bzw. welche Konsequenzen narzisstische Personen auf die Organisation und die kollegiale Zusammenarbeit haben. Diese Arbeit kann erste Antworten auf die Fragen geben, ob und wann ein Unternehmen von narzisstischen Personen profitieren kann, wann sie förderlich für die Zusammenarbeit sind oder wann sie dem Unternehmen schaden können bzw. darunter die Teamarbeit leidet. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls beleuchtet, ob Geschlechterunterschiede bei den narzisstischen Verhaltensweisen im Beruf existieren. Weiter kann die Thesis dazu beitragen, dass Narzissten anhand ihres CVs erkannt werden können. Dazu wird ein möglicher Zusammenhang zwischen Narzissmus und der Häufigkeit des Jobwechsels untersucht.

Narzissmus wird häufig im Zusammenhang mit Management Derailment genannt. Vor diesem Hintergrund kann diese Arbeit dazu beitragen, ob Narzissmus als Indikator gelten kann. Narzissten vollziehen oftmals einen raschen beruflichen Aufstieg und machen erfolgreich Karriere (Grijalva et al., 2015b). So ist es interessant Narzissten im arbeitsbezogenen Umfeld zu untersuchen und zu überprüfen, ob sie, typische Kennzei- chen für Personen zeigen, die die Neigung besitzen zu scheitern (Management Derailment).

In der Wirtschaftspsychologie rückt das Thema mehr und mehr in den Fokus und wird unter verschiedenen Aspekten untersucht. Aktuell ist es aber noch unzureichend erforscht. Die Forschung wird unter anderem dadurch erschwert, dass Narzissten, insbesondere Personen die unter pathologischem Narzissmus leiden, sich nur in den seltensten Fällen behandeln lassen und so nur wenig Erfahrung im Umgang mit Therapie und Forschung gesammelt werden kann. Es ist meistens so, dass der Grund für eine Behandlung oder Theorie bei Narzissten meistens nicht Narzissmus selbst ist. Vielmehr sind es die Konsequenzen, wie Probleme in der Beziehung oder am Arbeitsplatz. Außerdem bedarf es weiterer empirischer Forschung, um Geschlechtsunterschiede im Bereich des Narzissmus zu untersuchen (Kernberg, 2006).

1.3 Gang der Arbeit

Diese Masterthesis ist in sechs Kapitel unterteilt. Das erste Kapitel ist die Einleitung, in der die Problemstellung, die Zielsetzung, der Beitrag zur Wissenschaft und Praxis und der Aufbau der Thesis beschrieben werden.

Im zweiten Kapitel Narzissmus in Organisationen wird der Begriff Narzissmus erklärt. Dort wird dargestellt, wie Narzissmus definiert wird, auf die Entwicklung des Narziss- musbegriffs eingegangen und erklärt, was narzisstische Personen kennzeichnet. Danach werden die Ursachen für Narzissmus beleuchtet, wobei insbesondere auf die Ansätze von Kuhut und Kernberg eingegangen wird. Abschließend wird innerhalb dieses Kapitels das Thema Management Derailment behandelt. Dabei werden Ansätze beschrieben inwieweit Narzissmus als Indikator für Management Derailment dienen kann.

Im darauffolgenden dritten Kapitel Hypothesenentwicklung werden die Hypothesen hergeleitet, die für diese Masterthesis bzw. für das Erreichen der Zielsetzung wichtig sind. In diesem Kontext werden entsprechende Theorien, Modelle und Studien auf die jeweilige Hypothese übertragen. Jedes Unterkapitel endet mit den jeweiligen Hypothesen.

Mit dem vierten Kapitel Methode beginnt der empirische Teil dieser Masterthesis. In diesem Kapitel wird beschrieben, wie die Stichprobe erhoben wird, wie die Erhebung umgesetzt wird, welche Skalen zur Erhebung verwendet und welche statistischen Analysemethoden zur Auswertung angewendet werden.

Im fünften Kapitel Ergebnisse werden die Resultate der statistischen Auswertung darge- stellt. Unterteilt ist dieses Kapitel in die Deskriptive Analyse und die Hypothesentests.

Das sechste und abschließende Kapitel Diskussion fasst die Ergebnisse der Masterthesis zusammen und interpretiert diese. Es werden praktische Implikationen erörtert. Zudem werden die Limitationen dieser empirischen Analyse aufgezeigt und Rückschlüsse auf die zukünftige Forschung gezogen.

2 Narzissmus in Organisationen

In diesem Kapitel wird im ersten Schritt der Narzissmusbegriff erklärt, indem auf Narziss- mus eingegangen wird. Danach werden die Ursachen von Narzissmus beschrieben. Dabei werden insbesondere die Theorien von Kohut und Kernberg diskutiert. Abschließend wird in diesem Kapital die Brücke zu Management Derailment geschlagen und beschrieben inwieweit Narzissmus ein Indikator für Management Derailment darstellen kann.

2.1 Kennzeichen

Personen mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur neigen dazu einen gesteigerten Selbstwert zu besitzen und oftmals die Bodenhaftung zu verlieren. Damit sind die Wahr- nehmung der eigenen Großartigkeit, ein geringes Einfühlungsvermögen und das Bedürfnis nach Bewunderung verbunden. Narzissten schätzen ihre Leistung und Fähigkeit höher als der Durchschnitt ein, fordern ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Zuwendung von Anderen ein und vernachlässigen im Gegenzug die Bedürfnisse anderer Personen (Bierhoff & Herner, 2006)

Der Psychoanalytiker Fromm (1980, S.180) definiert Narzissmus wie folgt:

,,Man kann den Narzissmus als einen Erlebniszustand definieren, indem nur die P e r son selbst, ihr Körper, i hre Bedürfnisse, i hre Gefühle, ihre Gedank en, ihr Eigentum, alles und jedes, was zu ihr gehört, als völlig real erlebt wird, während alles und jenes, was keinen Teil der eigenen Person bildet oder nicht Gegenstand der eigenen Bedürfnisse ist, nicht interessiert, keine voll Realität besitzt (... ); affektiv bleibt es ohne Gewicht und Farbe.“

Der Begriff Narzissmus reicht zurück bis in die Antike. Ein griechischer Mythos über einen jungen Mann namens Narziss formt und beschreibt die Begrifflichkeit des Narzissmus. Narziss ist der Sohn des nicht alternden und unsterblichen Flussgottes Kephisos. Kephisos ignoriert die irdischen Gesetze, durchbricht das Inzesttabu und vergewaltigt seine Tochter, die Nymphe Leiriope. Bei diesem U¨ bergriff zeugt er Narziss. Eine Nymphe ist eine Halbgöttin, die nicht ewig, aber viel länger lebt als nach menschlichen Maßstäben üblich. Ihr A¨ ußeres ist so anziehend, dass ihr jeder sofort verfällt. Diese Schönheit hat Narziss von seiner Mutter mitbekommen. Jedoch leidet er unter der Tatsache, dass seine Mutter eine Nymphe ist und dass er ohne Vater aufwächst, mit dem er sich auseinandersetzen und identifizieren kann. Narziss ist weder göttlich wie sein Vater noch halbgöttlich wie seine Mutter. Er ist menschlich und verfügt damit über selbstreflexive Fähigkeiten, an denen er scheitern wird. Der blinde Seher Theiresias sagt die Zukunft Narziss voraus und prophezeit, dass er lange leben werde, solange er sich nicht selbst erkennt. Das hat zur Folge, dass er keinen Kontakt zu anderen Menschen haben darf, denn in der Beziehung zu Ihnen könnte er sich selbst erkennen. So wies Narziss stetig und herzlos, durch seinen trotzigen Stolz auf seine eigene Schönheit, die Liebe von Männern und Frauen zurück. Nur einer Nymphe namens Echo gelingt es scheinbar in Narziss etwas anzustoßen, was niemand sonst vorher geschafft hat. Er versucht sie abzuschütteln, denn er war sich wohl dem Verhängnis bewusst in welches er sich in einer sexuellen Begegnung begeben würde. Das Verhängnis, welches er erahnt, war die Selbsterkenntnis durch Beziehung zu anderen Menschen, das Erkennen der Geschlechtlichkeit und damit des Andersseins. Anstatt die Liebe des jungen Mädchens zu erwidern, verliebt er sich in sein eigenes Spiegelbild. Er entdeckt sein Spiegelbild in der Wasseroberfläche eines Sees. Zuerst versucht er den schönen Knaben (sein Spiegelbild) zu umarmen und zu küssen. Aber bald erkennt er sich selbst und schaut ununterbrochen auf das Wasser. Die Liebe in sein eigenes Spiegelbild drängt ihn sich immer weiter vorzubeugen, bis er in den See fällt und ertrinkt. Narziss‘s Leben endet jung. Die Tragik des Narziss, so sagt man, besteht also darin, als Mensch, und das heißt mit dem Wissen um das eigene Altern und Sterben, nicht leben zu konnen1 (Orlowsky & Orlowsky, 1992, S.71-76).

Grundsätzlich ist es schwierig zu bestimmen wann Narzissmus anfängt und wo die Grenze zwischen gesundem und pathologischem Narzissmus liegt. Sehr oft hängt die Bewertung, ob gesund oder pathologisch, sehr stark von der Gesamtkonstellation ab. Nimmt man zum Beispiel einen 16 jährigen Jungen, der etwa eine Stunde benötigt, um sich die Haare zu richten, kann man im Allgemeinen von einem altersbezogenen und gesunden Narzissmus ausgehen. Wenn gleiches Verhalten von einem 45 jährigen Familienvater an den Tag gelegt würde, kämen erste Zweifel an einem gesunden Narzissmus auf. Dieses Beispiel veranschaulicht die Schwierigkeit der Deklarierung von gesundem oder pathologischem Narzissmus. Die Bewertung für pathologische narzisstische Verhaltensweisen lassen sich oftmals anhand der Qualität der Beziehungen zu anderen Menschen identifizieren. An dieser Stelle treten die kontroversen konzeptionellen Auffassungen von Kohut und Kernberg in den Vordergrund. Kernberg verstand Narzissmus als Erscheinungsform der Triebentwicklung, wohingegen Kohut im Narzissmus eine Entwicklungshemmung der ge- sunden Entfaltung des Selbst sah (Kernberg, 2006). Verschiedene Autoren versuchten den klinischen und den subklinischen Narzissmus voneinander abzugrenzen und beschäftigten sich mit der Frage, wann der Narzissmus nicht nur ein Persönlichkeitsmerkmal, sondern eine psychische Störung und damit eine Krankheit ist. Der erste Autor, der im Narzissmus eine Krankheit und nicht nur ein Persönlichkeitsmerkmal sah, war der amerikanische Psychiater John C. Nemiah. Nemiah sprach von einer narzisstischen Charakterstörung (Nemiah & Appel, 1961). Kohut und Kernberg folgten Nemiahs Idee der narzisstischen Charakterstörung und implementierten die Begriffe der narzisstischen Persönlichkeitsstruktur (Kernberg, 1995) und der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (Kohut, 2012). Werner Köpp, Facharzt für Psychosomatik und Psychotherapie, spricht von einem pathologischen Narzissmus, wenn die nach außen getragene Selbstsicherheit nur scheinbar vorhanden ist und die Betroffenen zwischen übertriebenen Größenselbst und extremen Gefühlen bzw. A¨ ngsten, klein und unbedeutend zu sein, schwanken (Köpp, 2016).

Gemaß dem US-amerikanischen Psychiaterverband (American Psychiatric Associa- tion oder kurz APA) sprechen die folgenden Symptome für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung; davon müssen mindestens fünf Kriterien erfüllt sein (American Psychiatric Association, 2000):

Die betroffene Person

- hat ein Größengefühl bezogen auf die eigene Wichtigkeit
- hegt Fantasien über unbegrenzten Erfolg, Macht, Brillanz, Schönheit oder ideale Liebe
- glaubt an seine Besondersartigkeit und Einzigartigkeit
- fordert exzessive Bewunderung ein
- besitzt eine Anspruchshaltung, z.B. unbegründete Erwartungen von besonderer Behandlung
- nutzt andere Personen aus
- empfindet keine Empathie
- ist oftmals neidisch
- zeigt arrogantes, hochmütiges Verhalten

Diese Kriterien sind in dem sogenannten DSM 4 (Diagnostic and Statiscal Manual of Mental Disorders), dem Kriterienkatalog der APA, zu finden (American Psychiatric Association, 2000). In der Weiterentwicklung des DSM 4, im DSM 5 existieren weniger eindeutige Kriterien, zielen aber in die gleiche Richtung. Personen mit einer pathologischen Persönlichkeitsstörung sind häufig Klienten in der ambulanten Psychotherapie (American Psychiatric Association, 2013). Jedoch kommen diese Personen zu 98% der Fälle nicht wegen dieser Störung in die Psychotherapie, vielmehr kommen sie wegen der Folgen. Das bedeutet, dass sie aufgrund der Folgen einer narzisstischen Störung zur Behandlung kommen. Als Beispiel dienende Folgen sind: Dauerkonflikte in Partnerschaften und am

Arbeitsplatz, allgemeine Unzufriedenheit, Depressionen, A¨ ngste, Stress, psychosomatische Beschwerden (Sachse, 1997). Die Therapie selbst gestaltet sich im Allgemeinen als sehr schwierig. Patienten mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung verstehen die Therapie oftmals als provokativ, demütigend und bedeutungslos, da in der Beziehung mit dem Therapeuten unerträgliche Gefühle wie allgemeiner seelischer Schmerz, Wut und Minderwertigkeit hervorgerufen werden. Die Prävalenz des pathologischen Narzissmus wurde in vielen verschiedenen Studien mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen determiniert. Es existieren Studien in der die Stichproben keine Personen, die dem narzisstischen Symptombild entsprachen, enthielten (Donald, William, Russell, Bruce & Michael, 1993). Andere Studien wiederum determinieren eine Prävalenz in der Bevölkerung von 0% bis 6,4%, eine Diagnose durch Bekannte von 11% und eine Ver- breitung in klinische Stichproben von 2% bis 36% (Cooper et al 2012; Dhawan et al, 2010).

In seiner Forschung hat Kernberg zwei Gesichter von Narzissten identifiziert. Das Gesicht, welches nach außen sichtbar ist, ist voller Selbstbewunderung. Dahinter findet sich ein Gesicht von Selbstzweifeln und Misserfolgsängsten, welche sich in Verunsicherung äußern. Die im Hintergrund liegende Persönlichkeitsstruktur eines Narzissten ist ängstlich, brüchig und defensiv (Kernberg, 2006). Wink konnte darüber hinaus übereinstimmend zeigen, dass es zwei Dimensionen in der narzisstischen Persönlichkeit gibt. Er bezeichnet diese als offenen und verdeckten Narzissmus. Der offene Narzissmus ist durch die Grandiosität des Selbst gekennzeichnet und ist verbunden mit Selbstbezogenheit, Exhibitionismus und Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen anderer Personen. Diese Ausprägung ist häufig bei erfolgreichen Narzissten zu finden. Der verdeckte Narzissmus korreliert stark mit Misserfolgen. Er fasst Gefühle der Minderwertigkeit und die Sorge, dass andere Personen negativ über einen selbst urteilen, zusammen. Verdeckt narzisstische Persönlichkeiten weisen Eigenschaften wie Defensivität, A¨ ngstlichkeit und Empfindlichkeit gegenüber Kritik auf. In beiden Formen des Narzissmus sind folgende Kernmerkmale enthalten: Arroganz, Intoleranz und Verlogenheit (Wink, 1991).

Die Tendenz zur Uberschätzung der eigenen Person ist nicht nur auf die klini- sche Gruppe beschränkt. Sozialpsychologische Studien zeigen, dass Narzissmus als Persönlichkeitskonstrukt relevante Verhaltenskorrelate hat (Asendorpf & Ostendorf, 1998). Der sogenannte subklinische Narzissmus wird als problematische Variante hoher Selbst- wertschätzung verstanden (Schütz, Marcus & Sellin, 2004). Er ist eher situationsbedingt oder als spezifischer Charakterzug gekennzeichnet (Kernberg, 2006). Diese problematische Variante der Selbstwertschätzung ist gekennzeichnet durch:

- Selbstüberschätzung (Paulhus & Williams, 2002)
- Emotionale Kälte und
- Dominant-aggressives Interaktionsverhalten (Paulhus & Williams, 2002; Twenge & Campbell, 2010)

In aktuellen Diskussionen der Sozialpsychologie führt der Begriff des subklinischen Narzissmus häufig auf die empirischen Arbeiten von Raskin und seinen Mitarbeitern zurück (Raskin & Terry, 1988). Der NPI leitet sich inhaltlich von den Diagnosekriterien des DSM 3 für narzisstische Persönlichkeitsstörung ab. Im Kontext des NPI wird Narzissmus als Eigenschaft der Persönlichkeit betrachtet und erfasst deshalb nur den subklinischen Narzissmus. Aufgrund der Tatsache, dass der NPI anfänglich auf den DSM-Kriterien basierte, wurden viele Forschungen über seine Faktorenstruktur durchgeführt. Raskin und Terry identifizierten im Jahre 1988 sieben Faktoren, die in etwa den DSM-Kriterien entsprechen - Autorität, Selbstgenügsamkeit, U¨ berwertigkeit, Exhibitionismus, Ausbeutungsbereitschaft, Eitelkeit, Anspruch (Raskin & Terry, 1988).

Unter der Berücksichtigung, dass man Narzissmus als normalverteilte Eigenschaftsdi- mension betrachtet, sind Personen mit hohen NPI-Werten als Narzissten und diejenigen mit niedrigen NPI-Werten als Nicht-Narzissten zu klassifizieren. Grundsätzlich liegen die meisten Befragten im mittleren Wertebereich. Lediglich Personen mit sehr hohen NPI-Werten besitzen eine Neigung zum pathologischen Narzissmus in ihrer Persönlichkeit (Bierhoff & Herner, 2006).

Der normale bzw. subklinische Narzissmus hat entgegen des allgemein verbreiteten Nar- zissmusbildes auch positive Eigenschaften. Betroffene Personen besitzen ein hohes Maß an Kreativität, Ehrgeiz und ein hohes Selbstwertgefühl (Konrath, Meier & Bushman, 2014).

Untersuchungsgegenstände in dieser Masterthesis sind ausschließlich Personen mit nar- zisstischen Charaktereigenschaften, also der subklinische Narzissmus.

2.2 Ursachen

Der narzisstischen Persönlichkeitsstörung Ursachen zuzuschreiben steht vor der beson- deren Herausforderung, dass sich Personen mit einer solchen Persönlichkeitsstörung nur selten behandeln lassen. So bekommen Psychiater und Psychologen nur selten die Gelegenheit, Narzissten über einen längeren Zeitraum zu betreuen und zu therapieren. Das ist der Grund warum viele Ursachenzuschreibungen oftmals zu theoretisch und spekulativ erscheinen können (Ashmun, 2015).

Viele Ansätze, die Ursachen des Narzissmus zu erklären, haben einen Gedanken gemein. Sie sehen die Ursache in der frühkindlichen Entwicklung, in der die Eltern das Kind darin gehindert haben aus dem Stadium des frühkindlichen Narzissmus herauszuwachsen. Die Folge ist die dauerhafte Etablierung des kindlichen Narzissmus (Horton, 2011).

Die Autoren sind sich dagegen nicht einig darüber, was die Eltern in dieser frühkindlichen Phase des Kindes im Einzelnen tun oder nicht tun und welche Wirkung dies hat. Heinz Kohut vermutet, dass die Eltern es versäumen dem Kind ein gewisses Maß an Frustration zuzumuten optimal frustrations und dem Kind somit verhelfen im Laufe der Entwicklung aus der kindlichen Grandiosität zu einem realistischen Selbstbild zu kommen (Kohut, 2012). Otto Kernberg dagegen erklärt den Narzissmus als eine Verteidigungsreaktion des Kindes gegenüber den Eltern. In solchen Fällen agieren die Eltern sehr kalt, streng oder sogar feindselig. Das Kind identifiziert sich dann nicht mit den Eltern und idealisiert diese auch nicht. So versäumt das Kind aus der ursprünglichen naiven Grandiosität herauszuwachsen. Das narzisstische Kind bleibt auf sich allein gestellt. Narzisstische Kinder haben häufig Eltern, die besonders hohe Erwartungen und Hoffnungen auf das Kind richten (Kohut, 2012). Arnold Rothstein unterstrich diese These indem er sagt, dass Eltern narzisstischer Kinder diese dazu benutzen, ihre eigenen ehrgeizigen Bestrebungen zu befriedigen (Rothstein, 1979). Einen gänzlich anderen Erklärungsversuch bietet Theodore Millon. Er vermutet, dass Narzissten von ihren Eltern gelernt haben, von anderen Menschen Ergebenheit erwarten zu dürfen (Millon, 1981).

Narzissmus wurde erstmals beschrieben in Freuds Schrift zur Einführung des Narzissmus im Jahre 1914. Er erklärt die Verbindung narzisstischer Libido und Sexualität im theoretischen Kontext des Autoerotismus. In dieser Schrift gab er die bis heute in gängigen Erklärungsansätzen des Narzissmus beibehaltene Richtung vor, indem er den Zusammen- hang zwischen Narzissmus und Selbstwertgefühl herstellt und das Entwicklungsstadium des primären Narzissmus einführt. Er erklärt, dass ein Individuum ein Ideal (Ich-Ideal) in sich aufbaut, an dem er sein aktuelles Ich misst. Folglich entwickelt ein jedes Individuum in seiner Entwicklung ein intensives Bestreben, den verlorengegangenen Idealzustand der Kindheit wiederherzustellen. Gelingt es einem Menschen seinen Idealen nachzukommen, erfährt er den Gefühlszustand der Vollkommenheit. Dies bezeichnet man als primären Narzissmus. Das Ich-Ideal ist laut Freud sozusagen das Erbe des primären Narzissmus (Kernberg, 2006).

Das Konzept des primären Narzissmus nach Freud hat mittlerweile in der heutigen psycho- analytischen Literatur an Bedeutung verloren. Gleichwohl ist die Idee, dass das Ich-Ideal der Idealisierung und Liebe der Eltern entsteht, immer noch äußerst relevant in der aktu- ellen Narzissmus-Debatte. Der Gedanke also, dass ein Individuum, insbesondere bei der Erfüllung dieser ursprünglichen, elterlichen Liebe ein positives Selbstwertgefühl entwi- ckelt. Diese Verknüpfung zwischen Narzissmus, Selbstwertgefühl und Ich-Ideal erläutert der Psychoanalytiker Wolfgang Mertens (Mertens, 1998, S.14) wie folgt:

,,Gest örter oder beeinträchtigter Narzissmus und narzisstische Störungen lassen sich entsprechend dieser Betrachtungsweise als Abweichung von einem individuell unterschiedlichen Idealzustand des Wohlbefindens und der Selbstachtung definier en. “

Die Definition des Psychologen Hartman (Hartmann, 1950), der den Narzissmus als libidin öse Besetzung des Selbst definierte, bildete in der Folgezeit die Grundlage für die weitere Erforschung des Narzissmusbegriffs. Im Laufe der Zeit haben viele weitere Autoren das Verständnis über Narzissmus geprägt. Jedoch waren es Heinz Kohut und Otto Kernberg, die das Konstrukt in den 1970er Jahren maßgeblich weiterentwickelt haben.

Narzissmuskonzept nach Kohut

Heinz Kohut lebte von 1913 bis 1981. Er studierte in Wien Medizin und verließ 1933 O¨ sterreich und ging in die Vereinigten Staaten. Kohut war bekannt im Bereich der Psychoanalyse und leistete besondere wissenschaftliche Beiträge in den Bereichen der Introspektion und Einfühlung (Kohut, 1971).

Die von Heinz Kohut gegründete Selbstpsychologie kann als einer der wichtigsten Lehren der Psychoanalyse betrachtet werden, obwohl sie vom analytischen Establishment bis heute oftmals nicht anerkannt bzw. ignoriert wird. Er etablierte im Rahmen seiner Bücher Narzissmus im Jahre 1976 und Die Heilung des Selbst von 1979 den Begriff des Selbst als Zentrum des seelischen Universums in der Psychoanalyse. Die Einführung seiner Betrachtung des Selbst wich gänzlich von jeglicher psychologischen Betrachtungsweise ab. Kohut lehnte sich bei der Konzeptionierung an die von Heinz Hartmann, auf den die Unterscheidung zwischen Ich und Selbst zurückgeht, an. Hartmann unterschied in seinem Konzept zwischen (Hartmann, 1953, S.261):

- Ich als strukturelles mentales System
- Selbst als die gesamte Person des Individuums, inklusive Körper und der psychischen Organisation
- Selbst-Repräsentanz als unbewusste, vorbewusste und bewusste endopsychische Repräsentationen des körperlichen und mentalen Selbst im Ich-System

Kohut definierte das Selbst als Selbst-Repräsentation. So sagt er zwar aus, dass es sich um ein Konzept des Selbst handelt, unternimmt aber keinen Versuch es detailliert zu erklären. Stattdessen schreibt er (Kohut, 1971, S.299):

,,Das Selbst [. . . ] ist, wie alle Realität [. . . ] in seiner Essenz nicht erkennbar. W ir können mit Introspektion und Empathie nicht das Selbst per se erreichen; nur seine introspektiv oder empathisch wahrgenommenen psychologischen Manifestationen stehen uns of fen. “

Nach Kohut entsteht ein kohärentes Selbst, also ein zusammenhängendes Selbst, vor allem durch die exhibitionistischen Aktivitäten des Säuglings, welche bei der Mutter auf Freude und eine positive Spiegelung stoßen sollen. Diese Art der Spiegelung seitens der Mutter gegenüber dem Kind, ist für die seelische Entwicklung des Kindes unabdingbar und bildet die Basis für ein gesundes Selbstwertgefühl. Bei mangelnder Empathie der Mutter kommt es nach Kohut zu einer Schädigung des Selbst. Je größer der Mangel an Empathie der Mutter, desto größer ist die Schädigung des Selbst beim Kind. Der Grund liegt in der anfänglichen kindlichen Entwicklung, bei der zwischen Mutter und Kind eine vollkommene Einheit bzw. eine Symbiose besteht. Das Selbstobjekt nach Kohut liegt im Gegenüber des Kindes und stellt die spiegelnde Mutter dar. Im Laufe der kindlichen Entwicklung wird das idealisierte Elternimago und das Größenselbst nach und nach abgebaut und gibt dem Kind die Möglichkeit diese in seine reifende psychische Struktur einzuführen (Kohut, 2012).

Kohut unterscheidet zwischen drei grundlegenden Selbstobjekt-Bedürfnissen (Kohut, 2012):

1. Bedürfnis nach Spiegelung: Die Befriedigung dieses Bedürfnisses führt zu Selbst- wertgefühl und Selbstrespekt, welche wiederum zu Selbstbehauptung führt
2. Bedürfnis nach Idealisierung: Wiederholende positive Erfahrungen beruhigender und beschützender Reaktionen durch die wichtigen Selbstobjekte (meistens die Eltern) resultieren in der Fähigkeit der Selbstberuhigung und zum angemessenen Umgang mit aggressiven und libidinösen Erregungen.
3. Bedürfnis nach Gleichheit und Zugehörigkeit: Durch die gleichen positiven Erfah- rungen mit den wichtigen Selbstobjekten werden die Gefühle der Gleichheit und Zugehörigkeit erzeugt. Dies führt zur Entwicklung von Gemeinschaftsgefühl und Stolz.

In der psychoanalytischen Selbstpsychologie ist das fortgesetzte Bedürfnis nach Selbstobjekt-Beziehung während des ganzen Lebens als Normal angesehen. Nach Kohut können Erwachsene narzisstische Bedürfnisse auf Basis reifer Selbstobjekt-Bedürfnisse besitzen. Kohut begründet eine narzisstische Störung in einer Frustration des klein- kindlichen Bedürfnisses nach Zuwendung. Die Hauptmerkmale einer narzisstischen Persönlichkeitsstruktur sind folglich (Kohut, 2012):

- Grandiosität
- Extreme Beschäftigung mit dem Selbst
- Mangel an Interesse und Empathie für andere, trotz Suche nach ihrer Bewunderung
- Stetige Motivation zur Perfektion zu streben in was er oder sie tut
- Suche nach anderen Personen, die seine/ihre Grandiosität wiederspiegeln und be- wundern

Neben den oben aufgeführten sichtbaren Merkmalen liegen im Verborgenen Gefühle der Leere, Wut und ein stetiger, intensiver Neid. In einer schweren Persönlichkeitsstörung ist ebenfalls Aggression zu finden. Kohut sieht die Ursache dieser Aggression in der Frustration des elterlichen Empathiemangels. Die narzisstische Wut definiert Kohut in seinem Artikel aus dem Jahre 1977 als Reaktion auf ein verletztes Selbstwertgefühl (Kohut, 2012).

Kohut postuliert das Selbst als eigene psychische Struktur. Der Narzissmus ist dabei die psychische Energie, die der Mensch auf sich selbst richtet. So ordnet Kuhut einen Säugling als prim a ¨ r narzisstisch (auf sich selbst bezogen) ein. Durch äußere Einflüsse in der Umgebung und den damit nicht vermeidbaren Begrenzungen mütterlicher Fürsorge, wird das Gleichgewicht dieses primären Narzissmus“ gestört. Ein Säugling kompensiert diese Störung des Gleichgewichts mit einer temporären Idealisierung seiner Selbst (Größen-Selbst) und mit einer Idealisierung der Bezugspersonen. Misslingt nun im Zuge der kindlichen Entwicklung die altersentsprechende Auflösung dieser Idealisierung – oftmals infolge traumatischer Beziehungserfahrungen, können diese grandiosen Selbst- und Objekt-Repräsentanzen in unbewusster Form bestehen bleiben. Diese Repräsentanzen zeigen sich dann folglich in nicht befriedigenden Größenansprüchen und entsprechenden Minderwertigkeitsgefühlen (Kohut, 2012).

Narzissmuskonzept nach Kernberg

Otto Kernberg ist Psychoanalytiker und hat seinen Fokus auf die Objektbeziehungstheorie gelegt. Die Objektbeziehungstheorie umfasst alle psychoanalytischen Theorieansätze, welche die Entwicklung psychischer Strukturen als Konsequenz und als Resultat von Internalisierungsprozessen beschreibt (Kernberg, 2006).

Fur Kernberg sind Objekte der Außenwelt, d.h. die relevanten Bezugspersonen der fruhkindlichen Entwicklung, die Objekt-Repräsentanzen in der inneren Welt. Dabei unter- scheidet Kernberg zwischen drei Arten von Objektbeziehungen (Kernberg, 2006):

1. Objektbeziehungen aus der Selbst-Repräsentanz
2. Objektbeziehungen aus der Objekt-Repräsentanz
3. Objektbeziehung aus dem Affekt, der beide verbindet

Diese drei Arten der Objektbeziehungen, die Triade, bilden die psychische Struktur eines Kindes. Im Laufe der Zeit verschmelzen die verschiedenen Objekt-Repräsentanzen mitein- ander zu einem Objekt-Bild und die Selbst-Repräsentanzen zu einem zusammenhängenden und umfassenden Selbst-Bild. Kernberg (1995) bezieht sich bei seiner Beschreibung des normalen Narzissmus ebenso wie Kohut (Kohut, 2012) auf die libidinöse Besetzung des Selbst. Dabei definiert er das Selbst als eine intrapsychische Struktur, die sich aus verschiedenen Selbstrepräsentanzen, inklusive den damit verbundenen Affektdispositionen, konstituiert. Selbstrepräsentanzen sind in diesem Zusammenhang kognitive Strukturen, welche die Selbstwahrnehmung einer Person in realen Interaktionen mit wichtigen Bezugspersonen wiederspiegeln; Objektrepräsentanzen hingegen sind Wiederspiegelungen phantasierter Interaktionen mit inneren Repräsentanzen anderer Personen. Im Rahmen der Objektbeziehungstheorie hat die psychische Struktur folglich seinen Ursprung im frühesten Stadium eines Prozesses der Internalisierung von Objektbeziehungen. Dieser Prozess findet in den ersten drei Lebensjahren statt und resultiert in einer stabilen und kohärenten Ich-Identität. Nach Kernberg stellt die Ich-Identität die höchste Ebene in der Organisationsform der Internalisierungsprozesse dar (Kernberg, 2006).

Fur Kernberg spiegelt sich eine narzisstische Persönlichkeitsstörung in einer Störung der Selbst- und Objektliebe, als auch in einer Störung der Uber-Ich-Entwicklung wider (Kernberg, 1995). Pathologischer Narzissmus nach Kernberg ist insbesondere gekennzeichnet durch eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, antisozialem Verhalten, Ich-syntonem Sadismus gegen andere oder sich selbst und eine ausgeprägte paranoide Haltung. Dabei stützt sich Kernberg auf Ich-psychologische und klinische Annahmen.

Kernberg ordnet narzisstische Störungen im Kontext der Persönlichkeitsorganisation unter Borderline2 ein.

Nach Kernberg (Kernberg, 1995) geht die narzisstische Persönlichkeitsstörung auf das vierte von fünf Entwicklungsstadien zurück.

1. Stadium: undifferenziertes Primärstadium (1. bis 2. Monat)
2. Stadium: primäre undifferenzierte Selbst-Objekt-Vorstellung (2. bis 6.-8. Monat)
3. Stadium: Differenzierung von Selbst- und Objektvorstellungen (6.-9, bis 18.-36. Monat)
4. Stadium: Integration von Selbstvorstellungen und Objektvorstellungen / Entwick- lung reiferer intrapsychischer, aus Objektbeziehungen abgeleiteter Strukturen (3. Lebensjahr bis über die gesamte ödipale Periode)
5. Stadium: Konsolidierung der U¨ ber-Ich und Ich-Integration

Kernberg wertet das Größen-Selbst nicht nur als pathologische Entwicklungsstörung, sondern als eine Entwicklungshemmung. Seiner Theorie folgend, gibt es kein Kontinu- um von pathologischem und normalen Narzissmus. Dabei ist das Größen-Selbst einer narzisstischen Person ein Rückfall in diejenige Entwicklungsstufe, auf der die unterschied- lichen Selbstkonzepte (reales Selbst, reales Selbst und ideales Objekt) noch getrennt waren (Kernberg, 2006).

2.3 Management Derailment

Management Derailment beschreibt den Prozess bei dem eine Führungskraft langfristig scheitert und über keine Handlungsstrategien verfügt den Zustand des Scheiterns zu ändern. Management Derailment ist folglich mehr als ein kurzfristiges Scheitern, wie zum Beispiel das nicht erfolgreich abgeschlossene Projekt (Bäcker, 2010).

Lambardo und Eichinger (1989) definieren Management Derailment als die Gruppe von Managern, die immer weiter und höher wollen, jedoch abgeschlagen werden, indem sie degradiert oder gefeuert werden. Somit sind Indikatoren für ein Derailment bzw. eine erfolgte Entgleisung die Zurückstufung auf eine niedrigere hierarchische Position, eine Entlassung bzw. ein unfreiwilliges Karriereende von Managern.

In der Literatur existieren viele verschiedene Ansätze Management Derailment zu beschrei- ben und die Ursachen zu erkennen. Alle haben gemein, dass es sich bislang um erfolgreiche Führungskräfte handelt, die unerwartet scheitern und deren Organisation davon überzeugt ist, dass die Leistungen ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr ausreichend sind bzw. waren. Dieses wahrgenommene Leistungsdefizit kann auf der einen Seite die tatsächlich und objektiv schlechtere Leistung des Managers sein. Oder auf der anderen Seite, dass sie die Rahmenbedingungen insofern geändert haben, dass das vormals akzeptierte Verhalten nicht mehr genügend ist. Zusammenfassend herrscht eine Diskrepanz zwischen erwartetem und tatsächlichem Verhalten (Leslie & Van Velsor, 1996).

Ein Kennzeichen von Management Derailment ist eine Art Sonderform destruktiven Verhaltens von Führungskräften. Destruktives Führungsverhalten ist das systematische und sich wiederholende Verhalten eines Managers, welches den Interessen einer Organisation oder einem Unternehmen schadet. Dies kann zum Beispiel Manipulation oder Mobbing gegenüber Personen, Betrug oder hohe Fehlzeiten sein (Leslie & Van Velsor, 1996). Dabei kann sich dieses destruktive Verhalten gegenüber der Organisation selbst in Form von zum Beispiel Diebstählen zeigen oder gegenüber den Mitarbeitern, in dem diese Führungskräfte ein entsprechendes autoritäres bzw. tyrannisches Verhalten an den Tag legen (Einarsen, Aasland & Skogstad, 2007).

Narzissmus kann in diesem Zusammenhang als Anzeichen für Management Derailment gelten. Auf der einen Seite fördert Narzissmus einen schnellen beruflichen Aufstieg. Narzissmus gilt oft als Karrierebooster. Mehrere Autoren berichten, dass es einen Zu- sammenhang zwischen Narzissmus und beruflichem Erfolg gibt. Grijalva und Kollegen konnten das im Jahr 2015 in ihren Untersuchungen bestätigen (Grijalva et al., 2015b).

Auf der anderen Seite weisen Narzissten, wie im Kapitel 2.1 geschildert, einige Eigenschaften auf, wie beispielsweise das Hegen von Fantasien uber unbegrenzten Erfolg, Macht, Brillanz oder Schönheit, die das Scheitern nach schnellem Erfolg zur Folge haben können. Management Derailment wird oft mit der Dunklen Triade als Ursache in Zusammenhang gebracht. Die Dunklen Triade ist ein Merkmalsbündel, das die drei Bereiche Narzissmus, Machiavellismus und milde Psychopathie umfasst. Alle drei dieser Persönlichkeitsstrukturen haben gemein, dass sie relativ unverträglich sind (Jakobwitz & Egan, 2006). Manche Führungskräfte scheitern demnach, aufgrund der Tatsache, dass sie nur auf sich selbst fokussiert sind und sich für grandios und unfehlbar halten (Paulhus & Williams, 2002). Des Weiteren haben O’Boyle, Forsyth, Banks und McDaniel im Rahmen einer Metaanalyse den Zusammenhang zwischen der Wirkung der Dunklen Triade und kontraproduktivem Verhalten untersucht und folgendes festgestellt: Kontraproduktives Verhalten korreliert mit allen drei Merkmalen der Dunklen Triade (O’Boyle, Forsyth, Banks & McDaniel, 2012). Ein weiterer Grund für das Scheitern ist, dass der erste oft positive Eindruck sich jedoch zusehends in einen negativen wendet, wenn die arrogante und selbstverliebte Art der narzisstischen Persönlichkeit stärker zum Vorschein kommt. Die Selbstüberschätzung der eigenen Führungsqualitäten von Narzissten hat oft folgenschwere Konsequenzen. Neuere Forschungsarbeiten haben beispielsweise gezeigt, dass Teams mit narzisstischen Führungspersonen einen reduzierten Informationsaustausch aufweisen, weil Anregungen oder Bedenken der Mitarbeiter von der Führungsperson oftmals abgewertet werden. Dieser reduzierte Informationsfluss kann sich nachteilig auf die Teamleistung auswirken (Schneider & Hell, 2016). Narzisstische CEOs tendieren zudem zu risikoreichen und öffentlichkeitswirksamen Entscheidungen mit weitgreifenden Konsequenzen. Narzisstisch geführte Organisationen neigen zu einer extremen und schwankenden Unternehmensleistung. Auf der anderen Seite sind narzisstische CEOs sehr gut in der Lage, ihr Unternehmen positiv darzustellen und die Stärken geschickt hervorzuheben (Schneider & Hell, 2016).

3 Hypothesenentwicklung

In diesem Kapitel der Masterthesis werden die Hypothesen entwickelt, die als Grundlage der empirischen Analyse dienen. Dazu werden verschiedene Theorien und Modelle wie beispielsweise das Stressmodel nach Lazarus oder die soziale Austauschtheorie verwendet. Weiter werden zur Untermauerung der Hypothesen publizierte Metaanalysen aufgezeigt. Jedes Unterkapitel schließt mit den entsprechenden Hypothesen (H0 und H1) ab.

3.1 Narzissmus und kontraproduktives Arbeitsverhalten

Verschiedene Autoren haben sich mit dem Thema kontraproduktives Verhalten aus- einandergesetzt. Grundsätzlich kann es als das Verhalten angesehen werden, welches einem Unternehmen und/oder ihren Mitgliedern Schaden zufügt (Dalal, 2005; Gruys & Sackett, 2003; Sackett & DeVore, 2002; Spector & Fox, 2002). Dabei steht der potentielle Schaden, der durch das Verhalten einzelner Personen, wie zum Beispiel unvollständige Aufgabenverrichtung, Feindseligkeit, Sabotage oder Diebstahl, entstehen kann im Mittelpunkt (Fox & Spector, 1999).

Die Literatur bietet viele verschiedene synonyme Begriffe, die kontraproduktives Verhalten beschreiben. Dazu zählen

- Aggression am Arbeitsplatz (Neuman & Baron, 1998)
- Antisoziale Verhaltensweisen (Giacalone & Greenberg, 1997)
- Kriminalität im Unternehmen (Hogan & Hogan, 1989)
- Vergeltung am Arbeitsplatz (Skarlicki & Folger, 1997)
- Revanche am Arbeitsplatz (Bies, Tripp & Kramer, 1997) sowie
- Abweichendes Arbeitsverhalten (Robinson & Bennett, 1995).

Zudem haben die Autoren Bennet und Robinson im Rahmen einer konfirmatorischen explorativen Faktorenanalyse zwei Dimensionen identifiziert, die das abweichende Verhal- ten bzw. das kontraproduktive Verhalten beschreiben (Bennett & Robinson, 2000). Zum einen ist es das kontraproduktive Verhalten gegenüber dem Unternehmen Organisational und zum anderen das kontraproduktive Verhalten gegenüber deren Mitgliedern bzw. Mitarbeitern Interpersonal. Organisationsspezifische abweichende Verhaltensweisen sind Tätigkeiten, wie das früher als erlaubte Verlassen des Arbeitsplatzes, übermäßiges Pausieren, absichtliches langsames Arbeiten, Verschmutzung des Arbeitsplatzes, Sabotage,

Bestechung, Betrug und Diebstahl. Zu interpersonellen abweichenden Verhaltensweisen zählen Blamieren, Belästigung, Beleidigung, Bestehlen von Kolleginnen und Kollegen, üble Nachrede und Verhalten, welches andere Personen gefährdet. Weitere Autoren, wie zum Beispiel Dalal und Berry (Dalal, 2005), Ones und Sackett (Berry, Ones & Sackett, 2007) konnten Nachweise dafür finden, dass sich kontraproduktives Verhalten durch diese zwei Dimensionen beschreiben lässt.

Vor dem Hintergrund, dass Narzissten Eigenschaften aufweisen, die Einflüsse auf das Arbeitsverhalten haben können, ist die Frage legitim, ob Narzissten ein höheres oder niedrigeres kontraproduktives Verhalten an den Tag legen. In diesem Zusammenhang macht es Sinn im ersten Schritt zu beleuchten, wie zwischenmenschliche Beziehungen funktionieren. Eine Theorie, die dies beschreibt, ist die soziale Austauschtheorie.

Die soziale Austauschtheorie ist gut dafür geeignet, zwischenmenschliche Beziehungen von Individuen oder Organisationen zu erklären. Verschiedene Autoren haben sich seit den 1950er Jahren mit dieser Theorie auseinandergesetzt. Dabei sind diese Autoren ver- schiedenartig vorgegangen und haben sich auf unterschiedliche Art und Weise dieser Theorie gewidmet. Das hat zur Folge, dass die soziale Austauschtheorie keine einheitliche und abgeschlossene Theorie darstellt, sondern vielmehr als Rahmen mehrerer Konzepte und Ansätze zur Beschreibung sozialer Interaktionen bzw. Austauschprozessen zu sehen ist (Emerson, 1976). Grundsätzlich beschreibt die soziale Austauschtheorie menschliche Beziehungen bzw. Interaktionen auf der Grundlage von Belohnungen und Kosten. Damit wird versucht eine menschliche Beziehung anhand rationaler Verträge zu erklären. Eine wesentliche Annahme der Theorie ist es, dass Personen nur so lange in eine Beziehung investieren, wie der aus der entsprechenden Beziehung resultierende soziale und wirtschaft- liche Nutzen größer ist als der Nutzen einer alternativen Beziehung. Eine Person wägt folglich zwischen Kosten und Nutzen einer Beziehung ab (Bierhoff, 1976; Blau, 1964; Thibaut & Kelley, 1958). Diesem Aspekt folgend ist ein zentrales Postulat der sozialen Austauschtheorie, dass belohnende Interaktionen wiederholt werden und nur solche Bezie- hungen eingegangen werden, die eine Belohnung erwarten lassen. Belohnungen in sozialen Interaktionen sind zum Beispiel Liebe, Status, Informationen, Geld, Güter oder Dienstleis- tungen. Je nach Ausmaß der zwischenmenschlichen Beziehung, kommen unterschiedliche Belohnungsarten zum Tragen. Geld z.B. ist nicht an eine Person gebunden, während Liebe, eine Beziehung zwischen zwei Personen ausmacht (Foa & Foa, 2012).

U¨ berträgt man nun die soziale Austauschtheorie auf zwischenmenschliche Beziehungen zwischen Narzissten und anderen Personen, so kann man feststellen, dass Narzissten nur dann in Beziehungen investieren, wenn für sie ein spürbarer Nutzen dieser Beziehung ersichtlich ist. Es lässt also vermuten, dass ein solcher Nutzen bzw. eine solche Belohnung nur dann als solche angesehen wird, wenn sie zur z.B. Anerkennung in Form von berufli- chem Erfolg oder Aufstieg führt. Alles andere würde für sie als ungerecht gelten (American Psychiatric Association, 2000). Dies führt bei Personen langfristig zu einer sinkenden Arbeitszufriedenheit und zu steigendem kontraproduktiven Verhalten (Greenberg, 1990).

Greenberg (Greenberg, 1990) hat in einem Feldexperiment gezeigt, dass erlebte Ungerech- tigkeit eine sehr gut gesicherte Einflussgröße kontraproduktiven Verhaltens ist. Ebenso zeigt Kisamore (Stone, Jawahar & Kisamore, 2010), dass kontraproduktives Verhalten als eine Reaktion auf interpersonale Konflikte am Arbeitsplatz interpretiert werden können, wobei bisher noch keine Kausalität geprüft werden konnte. So besteht auch die Möglichkeit, dass Personen kontraproduktives Verhalten zeigen und daraus interpersonale Konflikte resultieren (Stone et al., 2010). Die erlebte Ungerechtigkeit kann ein häufig auftretendes Gefühl bei Narzissten sein. Nicht nur in sozialen Interaktionen aufgrund mangelnder Be- lohnung, sondern insbesondere auch durch die narzisstische Erwartung einer besonderen Behandlung aufgrund ihrer Grandiosität (American Psychiatric Association, 2000).

Eine weitere Erklärung dafür, dass Narzissten ein höheres kontraproduktives Arbeitsver- halten zeigen ist ihre niedrige Frustrationsgrenze. Spector (Spector, 1997) bezeichnet Frustration als einen Zustand, in welchem Arbeits- oder persönliche Ziele von Personen behindert bzw. blockiert werden. Kohut’s Theorie folgend haben Narzissten in ihrer Kindheit einen Mangel an gesunder Frustration erlebt, sodass erwachsene Narzissten eine entsprechend niedrige Frustationstoleranz besitzen (Kohut, 2012).

Nimmt man zusätzlich an, dass kontraproduktives Verhalten mit kriminellem Verhalten in Verbindung steht, kann neben dem Ansatz der sozialen Austauschtheorie oder der niedrigen Frustationsgrenze, auch auf Erklärungsansätze aus der Kriminologie zurückgegriffen werden. Gottfredson und Hirschi (Gottfredson & Hirschi, 1990) erklären kriminelles Verhalten in erster Linie durch den Mangel an Selbstkontrolle. Narzissten besitzen eine mangelnde Selbstkontrolle (Grimmer, Dammann & Sammet, 2012), was darauf schließen lässt, dass sie ein höheres kontraproduktives Verhalten zeigen.

Unter Berücksichtigung der sozialen Austauschtheorie in Verbindung mit erlebter Ungerechtigkeit, niedriger Frustrationsgrenze und der Tendenz zum kriminellen Verhalten wird angenommen, dass Narzissten öfter kontraproduktives Verhalten zeigen, als andere Personen. Dazu werden die folgenden Hypothesen gebildet und im Rahmen dieser Masterthesis empirisch untersucht:

HO: Narzisstische Personen zeigen weniger kontraproduktives Arbeitsverhalten als andere P e r sonen.

H1: Narzisstische Personen zeigen häufiger kontraproduktives Arbeitsverhalten als andere P e r sonen.

[...]


1 Zugriff auf U¨ bersetzungen der Ovidschen Narziss-Passage von Prahl und Fetting (Orlowsky & Orlowsky, 1992, S.71-76) und (Renger, 1999, S.45-53)

2 Borderline-Organisation besitzt folgende Merkmale: Identitätsdiffusion, d.h. hier Spaltung des Konzepts des Selbst und Fehlen des integrierten Konzepts des Anderen, Vorherrschen von primitiven Abwehrmechanis- men, die auf Spaltungsmechanismen beruhen (z.B. Verleugnung, Entwertung) und zeitweise geschwächte Realitätskontrolle (Jäger, 2014).

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Narzissmus am Arbeitsplatz aus wirtschaftspsychologischer Sicht
Untertitel
Eine empirische Analyse mit Fokus auf Geschlechter- und Altersunterschieden
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Düsseldorf früher Fachhochschule
Note
1,3
Autor
Jahr
2017
Seiten
100
Katalognummer
V495928
ISBN (eBook)
9783346005274
ISBN (Buch)
9783346005281
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Narzissmus, Geschlechterunterschiede, Altersunterschiede, Narzisst
Arbeit zitieren
Tom Reißberg (Autor:in), 2017, Narzissmus am Arbeitsplatz aus wirtschaftspsychologischer Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/495928

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