Bildungsbenachteiligung an deutschen Schulen


Dossier / Travail, 2017

18 Pages


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Begrifflichkeiten
2.1 Klassismus
2.2 sozioökonomischer Status
2.3 Bildungsbenachteiligung
2.4 Chancengleichheit

3. Bildungsexpansion

4. Selektivität des Schulsystems

5. Ergebnisse der PISA-Studie
5.1 Unterschiede zwischen den Geschlechtern

6. Schichtspezifische Chancenunterschiede

7. Geschlechtsspezifische Chancenunterschiede

8. Theorien der Bildungsungleichheit im Schulwesen
8.1 Makrosoziologische Theorien
8.1.1 Modernisierungstheorie
8.1.2 Konflikttheorie
8.2 Mikrosoziologische Theorien der Chancenungleichheit
8.2.1 Ressourcentheorie
8.2.2 Humankapitalansatz

9. Fazit

Anhang

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts besteht in Deutschland die Schulpflicht und noch immer lässt sich nicht bestreiten, dass nach wie vor Bildungsungleichheiten, aufgrund der sozio-ökonomischen Herkunft der Schüler und Schülerinnen, bestehen. Verschiedene empirische Studien bestätigen die Abhängigkeit der Bildungschancen der Kinder von der sozialen Herkunft ihrer Eltern (vgl. Quenzel; Hurrelmann, 2010, S. 502). Die gesellschaftliche Stellung bestimmt somit noch immer wie wir leben (vgl. Meulenbelt, 1988, S. 63). Beispielhaft ist hier zu nennen, dass Kinder aus ArbeiterInnenklassen häufig in Arbeiterklassen verbleiben, das gleiche gilt für Kinder aus höheren Klassen (vgl. ebd.).

Chancengleichheit für alle SchülerInnen an deutschen Schulen gilt demnach als Fiktion und impliziert, dass Bildung noch immer mit Privilegien verbunden ist. Dabei wird Bildung doch als Menschenrecht legitimiert, da „Bildung für die Enkulturation des Menschen, für seine umfassende Persönlichkeitsentwicklung und gesellschaftliche notwendig ist“ (Heimbach-Steins; Kruip; Kunze, 2009, S.14). Sollte ein bestehendes Menschenrecht dann nicht für alle Menschen gelten, indem Gerechtigkeit und Chancengleichheit innerhalb des Bildungswesens herrscht? Ein gutes Bildungssystem ist schließlich anzunehmen, dass SchülerInnen unabhängig von ihrem sozialen Kontext gute Bildungsleistungen erzielen können (vgl. Jürgens; Miller, 2013, S. 96). Die Praxis sieht leider für viel Schüler und Schülerinnen häufig anders an.

Die hohe Relevanz von Bildung in einer immer leistungsorientierten Gesellschaft ist einleuchtend. Bildungsprozesse beeinflussen das Berufsleben, sowie die Bewältigung gesellschaftlicher Anforderungen und entschieden somit über das Scheitern oder den Erfolg individueller Ambitionen (vgl. ebd., S. 11). Darüber hinaus bestimmt Bildung über die soziale, politische und kulturelle Teilhabe (vgl. Dombrowski; Solga, 2009, S.7). Die Institution Schule stellt dabei die größte Einflussnahme im lern- und sozialisationsbiographischen Prozess eines Menschen (vgl. Jürgens; Miller, 2013, S..10 ff).

Die vorliegende Arbeit soll einen klassismuskritischen Blick auf die Institution Schule geben, indem sie die Benachteiligung von Schülern und Schülerinnen mit einem sozio-ökonomisch niedrigen Status behandelt. Darüber hinaus wird explizit auf die Unterschiede zwischen Schülern und Schülerinnen eingegangen, um eine intersektionale Form von institutioneller Bildungsbenachteiligung zu thematisieren. Unter Anbetracht beider möglichen Faktoren von Bildungsbenachteiligung stellt sich mir hiermit folgende, zu bearbeitende, Fragestellung: Wie beeinflusst die sozio-ökonomischen Herkunft den Bildungserfolg von SchülerInnen und bestehen dabei explizite Unterschiede zwischen den Geschlechtern? Kontextbezogen bezieht sich die Schrift auf das Seminar „KLASSE(N).BILDUNG: Klassenverhältnisse und die feinen Unterschiede im Klassismus“ und soll eine Form von Diskriminierungserfahrung aufgrund von Klassismus darlegen.

Der Aufbau der Schrift gliedert sich in sieben Kapitel, teils mit Unterkapiteln. Nach der Einleitung sollen relevante und häufig auftretende Begrifflichkeiten zum theoretischen Verständnis dargelegt und erläutert werden. Anschließend soll dem Leser/ der Leserin die Bildungsexpansion in Deutschland erläutert werden, was als Einstieg in die Thematik der schichtspezifischen Bildungsbenachteiligung, sowie zum Erlangen von historischem Hintergrundwissen dient. Im dritten Kapitel der vorliegenden Hausarbeit sollen die Missstände des deutschen Bildungssystem in Bezug auf die Selektivität und dessen Auswirkungen auf die SchülerInnen behandelt werden. Bezugnehmend darauf werden in dem nächsten Kapitel relevante Aspekte der Ergebnisse verschiedener PISA-Studien vorgestellt, wobei explizit auf die Unterschiede innerhalb der Geschlechter eingegangen wird. Die dargelegten Ergebnisse der PISA- Studien sollen die bestehende Problematik der Bildungsungleichheit in Deutschland verschärfen. Darauffolgend sollen zur Vertiefung in die Thematik sowohl Schichtspezifische, als auch Geschlechtsspezifische Chancenunterschiede innerhalb des deutschen Bildungssystems vorgeführt werden. Um mögliche Erklärungsversuche für die bestehende Bildungsungleichheit zu finden, werden im nächsten Kapitel makrosoziologischen und mikrosoziologische Theorien von Chancenungleichheit vorgestellt. Abgeschlossen wird die Hausarbeit mit einem Fazit, welches zudem als persönliches Resümee dient und einen Ausblick geben soll.

2. Begrifflichkeiten

2.1 Klassismus

Klassismus beinhaltet die Formulierung von Klasse als Konstruktion und setzt sich mit den bestehenden Macht- und Herrschaftsmechanismen in der Gesellschaft auseinander (vgl. Kemper; Weinbach, 2016, S.13). „Klassismusanalysen hinterfragen die Stereotypsierungen und Herabsetzungen, die mit dem sozialpolitischen Status einhergehen und dadurch legitimiert werden“ (ebd. S. 12).

2.2 sozioökonomischer Status

Der in der vorliegenden Arbeit häufig auftretende Begriff des sozio-ökonomischen Status meint ein multidimensionales Konstrukt, welches die Position eines Individuums innerhalb einer gesellschaftlichen Hierarchie beschreibt (vgl. Hartmann; Hasselhorn; Gold, 2017, S. 32). Die Verfügung über verschiedene ökonomische, kulturelle und soziale Ressourcen determinieren die jeweilige gesellschaftliche Position (vgl. ebd.).

2.3 Bildungsbenachteiligung

Der häufig auftretende Begriff der Bildungsbenachteiligung meint die Art, den Umfang und die Dauer der formalen Bildung von Personen und gesellschaftlichen Gruppierungen. (vgl. Liebau; Zirfas, 2008, S.133). Definiert wird diese Bildung anhand der jeweiligen Bildungslaufbahnen und Bildungsabschlüssen innerhalb bestimmter Bildungsinstitutionen (vgl. ebd.).

2.4 Chancengleichheit

Der Ausdruck Chancengleichheit bezieht sich auf „die Ausgleichung der tatsächlichen Voraussetzungen zum Erwerb materieller und immaterieller Güter, und der damit faktischen Vorbedingungen, die zur Nutzung der Freiheitsrechte notwendig sind“ (Mägdefrau; Schumacher, 2002, S. 35).

3. Bildungsexpansion

Bildungsexpansion meint, den in Deutschland bestehenden Trend, zur Höherqualifizierung der Bevölkerung (vgl. Link, 2011, S. 39 ff.). Dieser ergibt sich aus dem Anstieg von mittleren und höheren erzielten Schulabschlüssen, sowie der Tatsache, dass immer mehr Menschen länger im Bildungssystem zugegen sind (vgl. ebd.). So war zu Beginn 1950er Jahren die Hauptschule noch die Regelschule, welche dreiviertel der SchülerInnen besuchte, was sich im Jahre 2006 auf 22 Prozent dezimierte (vgl. Dombrowski; Solga, 2009, S. 13). Konsequenterweise hat sich der Anteil der SchülerInnen an Gymnasien verdoppelt, die Zahl der SchülerInnen an Realschulen sogar verdreifacht (vgl. ebd.).

Als Antwort auf die bestehenden Ungleichstrukturen in dem deutschen Bildungssystem forderte die Alliierte Kontrollbehörde im Jahre 1947 die Zonenbefehlshaber auf, eine Schulpolitik einzuleiten, welche sich auf die strukturellen und ökonomischen Hindernisse in dem Bildungszugang fokussieren und diese beseitigen sollte (vgl. Mägdefrau; Schumacher, 2002, S. 37). Schulstrukturen sollten vereinheitlicht werden, Lehrmittel unentgeltlich zur Verfügung gestellt werden, sowie bei Bedarf Unterhaltzuschüsse ausgezahlt werden (vgl. ebd.). Jedoch wichen die Westzonen, sowie die Länder der späteren Bundesrepublik von diesem Ansatz ab und konstruierten ein Bildungssystem, welches strukturell auf Selektion angelegt ist und somit für eine expansive Bildungsbenachteiligung prädestiniert ist (vgl. ebd.). In Folge dessen trat im Jahre 1989, unter dem Wiederspruch zwischen einer hierarchisch gegliederte Schulstruktur mit ihren sozial selektiven Wirkungen und dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes, das bis heute bestehende Bildungssystem in Funktion (vgl. ebd.).

In diesem gegebenen Spannungsfeld entstand in Deutschland eine Bildungsexpansion, jedoch blieb die mit der sozialen Herkunft variierende ungleiche Verteilung der Bildungschancen weitgehend erhalten (vgl. ebd., S. 37 ff.). SchülerInnen mit einem hohen soziökonomischen Hintergrund haben eine höhere Wahrscheinlichkeit ein Gymnasium zu besuchen als SchülerInnen mit einem niedrigeren sozioökonomischen Hintergrund, trotz nicht bestehender Unterschiede in den Kompetenzen und kognitiven Grundfähigkeiten (vgl. Dobrowksi; Solga, 2009, S.14). Somit ist der Anspruch innerhalb des Sozialstaates auf gleiche Lebenschancen der Mitglieder nichtig, da die gesicherte Feststellung einer schichtspezifischen Zuteilung von Bildungs- und Lebenschancen diesen beeinflusst (vgl. Mägdefrau; Schumacher, 2002, S. 38).

4. Selektivität des Schulsystems

Wohlmöglich etwas plakativ wird dieses Kapitel mit folgender Frage eingeleitet: Ist ein prozentualer Misserfolg von SchülerInnen in der Bildungslaufbahn gewollt? Erklären lässt sich die Herleitung dieser Fragestellung, indem man sich die Missstände des deutschen Bildungssystems vor Augen führt. „Das deutsche Schulsystem ist Weltmeister in der sozialen Auslese und es ist Spitzenreiter in der Produktion von Schulscheitern“(vgl. Liebau; Zirfas, 2008, S.155). Das schulische Wissen ist herrschaftsförmig strukturiert, das Ziel von schulischer Bildung ist das Aneignen und Beherrschen eines kanonisierten Wissensbestands, welches sich an den Erfordernissen für gesellschaftlich verwertbare Kompetenzen und Zwecke orientiert (vgl. Riegel, 2016, S. 82). Viel Platz für Individualität und Kreativität bleibt dabei nicht, die Interessen und Fähigkeiten der SchülerInnen werden außer Acht gelassen. Die schulische Bildung in Deutschland unterliegt einer durch Bildungspläne und Curricula vereinheitlichende Rahmung, die allen SchülerInnen dieselben Voraussetzungen gewähren sollen (vgl. ebd.). Was zählt, sind die Noten und die sich daraus ergebenden Abschlüsse, Zeugnisse und Bildungstitel. Die Leistung der SchülerInnen ist das, worauf es ankommt, wobei nach leistungsstarken und leistungsschwachen SchülerInnen selektiert wird.

Das in Deutschland bestehende mehrgliedrige Schulsystem verdeutlicht das Prinzip der Selektion. Durch die Einteilung in Klassen, Stufen und Schulformen wird der Versuch vorgenommen, einerseits nach Leistungsniveau auszudifferenzieren, andererseits innerhalb dieser Klassifizierung Leistung- und Altershomogenität herzustellen (vgl. ebd. S. 83). „Diese interne Homogenisierung geht mit diskriminierender Unterscheidung und Selektion einher, führt notwendigerweise zu Prozessen der Ein- und Ausgrenzung und legitimiert diese zugleich“ (ebd.). Das Schulsystem in Deutschland geht lediglich unzureichend auf soziale Vielfalt und Diversität, sowie auf unterschiedliche Lebenslagen der SchülerInnen ein und verschärft dadurch die Effekte der sozialen Ungleichheit (vgl. ebd.). Somit lässt sich dieses Kapitel mit der These abschließen, dass das deutsche, selektive Schulsystem soziale Ungleichheit auf institutioneller Ebene reproduziert und somit starke negative Auswirkungen auf SchülerInnen mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status hat.

[...]

Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Bildungsbenachteiligung an deutschen Schulen
Auteur
Année
2017
Pages
18
N° de catalogue
V496651
ISBN (ebook)
9783346009005
ISBN (Livre)
9783346009012
Langue
allemand
Mots clés
bildungsbenachteiligung, schulen, Klassimus, Diskriminierung, Intersektional
Citation du texte
Ricarda Wetjen (Auteur), 2017, Bildungsbenachteiligung an deutschen Schulen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/496651

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