Das Verhältnis zwischen Mensch und Medien


Studienarbeit, 2019

15 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1.Einleitung:

2. Kritik der Medien:

3. Die Verderblichkeit des Leibes
3.1 Die Überwindung des Schams
3.2 Frei sind die Dinge unfrei ist der Mensch:

4. Der Mensch als unersetzbarer Defekt

5.Selbstzerstörung und Identitätskriese:

6.Probleme der Identitätsfindung:

7.Schluss:

8. Literaturverzeichnis:

1.Einleitung:

In dieser Abhandlung sollen medienanthropologische Systeme repräsentiert werden, die sich mit der Frage nach dem Verhältnis zwischen Medien und Mensch beschäftigen. Dabei soll der Hauptfokus auf Günter Anders gelegt werden, der sich im Kapitel „Über prometheische Scham“ im Werk „Die Antiquiertheit des Menschen“ kritisch zur Technokratie äußert. Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass der Mensch aufgrund der natürlichen Schwächen, nicht mit der Leistungsfähigkeit der erzeugten Geräte mithalten kann. Ein Taschenrechner rechnet schneller, die Sinneszone wird durch den Blindenstock erweitert und Fabrikmaschinen arbeiten konsequenter. Aufgrund der Begrenztheit der sturen Leiblichkeit, im Gegensatz zu den modifizierbaren, reproduzierbaren und durchkalkulierten Geräten, muss der Mensch in seinem Gefühl der Unfähigkeit und Sterblichkeit verharren. Der Mensch flieht somit in die Ikonomanie, um sich über die Abgründe der Realität hinwegzutrösten (Vgl. Anders 1961, 56). Ausgelöst wird die prometheische Scham so Anders, durch den unmittelbaren Umgang mit den selbstgemachten perfekten Dingen (Vgl. Ebd.).

An dieser Stelle soll im ersten Kapitel der Schwachpunkt des Menschen, in Relation zu Platons Phaidros-Dialog hergestellt werden, dessen Kritik sich an der Schrift, als Gedächtnisprothese richtet. Als nächstes werden physische Einschränkungen des Menschen und weitere Prothesenfunktionen hervorgehoben, damit gezeigt werden kann, dass wir Menschen als Medien-Schöpfer, dem Erschaffenen in Leistung untergeordnet sind. Im zweiten Kapitel dieser Abhandlung soll die Affizierung des menschlichen Körpers durch mediale Artefakte diskutiert werden. Am Rande wird ein Vergleich zwischen den Begriff der Kulturindustrie von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno zu Günter Anders genannten Auswechselbarkeit der Menschen hergestellt. Es soll untersucht werden, ob nicht nur das Produkt einer Kulturindustrie, sondern auch der Mensch einer Nutzen-Relation unterlegen ist, wenn er im Blickfeld der Wirtschaft und Kriegsführung wie ein Massenprodukt ersetzt werden kann (Vgl. Ebd. 54,55). Schlussendlich sollte die Hypothese gerechtfertigt werden, dass durch eine Technokratie, die Selbstermächtigung der Menschen abgeschafft wird. Es steht fest, dass es sich beim Begriff »Medium« um eine verschiedenartige und äußert missverständliche Bezeichnung handelt (Vgl. Mock 2014, 183). Aufgrund der Tatsache, dass die unüberschaubaren Variationen von Medien und der Ausweg aus dem Labyrinth der Medientheorien, nur zur Quelle der Aporien führen würde, soll auf die Klärung des Medienbegriffes verzichtet werden, um einen Tunnelblick zu vermeiden und ein ganzheitliches Denken zu ermöglichen.

2. Kritik der Medien:

Die moderne Medienkritik hat zahlreiche Vorläufer. Zu den ersten bekannten Medien kritischer Schriften zählt Platons Phaidros-Dialog, in dem Platon eine skeptische Haltung gegenüber den Schriften vertrat, da diese seiner Ansicht nach für Vergessenheit sorgt (Vgl. Platon 1994, 275a). Es ist das Vertrauen an die festgelegten Chiffren und Zeichen, in dem das innere Wissen der Menschen zu Grunde geht. Diese These bewahrt ihren Gültigkeitsanspruch nicht nur in der Antike, sondern ist in der Tat noch zeitgemäß. Dies lässt sich anhand der Erfahrung jedes Rezipienten beweisen, indem der Leser in Situationen gerät, sich einzubilden etwas begriffen zu haben und im Nachhinein erst erkennt, dass der Text nicht richtig verstanden wurde, wenn auch nur unbewusst. Dieses Problem, dass der Text nur zur Erinnerung beiträgt, nicht aber das Gedächtnis erweitert, hatte Platon schon erwähnt. Der Lernende erreiche durch die Schrift allein, nicht die Weisheit selbst, sondern nur eine Illusion davon (Vgl. Platon 1994, 604). Die Schrift als Gedächtnisprothese suggeriert somit nur den Ersatz eines Mangels und die Erweiterung des Wissens. An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass Platon die Schrift nicht komplett ablehnte, sondern von ihrer Idealisierung abriet (Vgl. Mersch 2006, S.30). Auch der Mensch des 21. Jahrhunderts verfällt noch immer in den Genuss, sich nicht mehr mit Wissen beschäftigen zu müssen. Viel mehr wird mit wenigen Arbeitsschritten auf Plattformen wie Wikipedia, das Gelesene als selbstverständlich wahr angenommen und dann unmittelbar vom Gedächtnisspeicher wieder verworfen. Im Hinblick auf die medienanthropologischen Systeme, die sich mit dem Verhältnis zwischen Menschen und Medien beschäftigen, ist die Frage nach den Konsequenzen der Techniken, keineswegs uninteressant, wenn es darum geht Informationen über das Verhalten und Denken des Menschen goutieren zu können. Jedoch impliziert eine technische Errungenschaft, wie die Gedächtnisprothese nicht selten auch negative Konsequenzen, die nicht unhinterfragt im Schatten stehen gelassen werden darf.

Das Denken von Günter Anders (1902-1992), war untrennbar mit den Schrecken des Nationalsozialismus (Ausschwitz) verbunden, besonders geprägt von den Nachrichten des Abwurfs der Atombombe auf Hiroshima (Vgl. Mersch 2006, 87). Aufgrund dieser epochalen Ereignisse ist es kein Wunder, dass Anders zum Kritiker des industriellen Jahrhunderts wird. Natürlich ist der Mensch durch die heutige Digitalisierung anderen diversen Problematiken ausgesetzt. Für Anders manifestiert sich dieses Problem als Prometheische Scham, er: „ [..] verstehe darunter die Scham, vor der beschämend hohen Qualität der selbstgemachten Dinge“ (Anders 1961, 23) in welcher sich der Mensch in Anbetracht dieser Tatsache, die Unfähigkeit eingestehen muss. Der Autor bezieht sich auf die technisch kritischen Interventionen der Antiquiertheit des Menschen und zieht durch seine essayhaften Streitschrift den Boden der technologischen Kultur, die ganz im Gegenteil kulturfördernd ist, sondern tendenziell antihumanistisch fungiert.

Dies beschreibt Günther Anders (Vgl. Ebd. 51) in seinem Hauptwerk „Die Antiquiertheit des Menschen“. Die Kritik richtet sich gegen den Gegensatz zwischen der Unvollkommenheit des Menschen und der immer größer werdenden Perfektion der Maschinen (Liessmann 2003, 182). Diesen Widerstand benennt Anders als prometheisches Gefälle und meint damit die Schamröte, die dem Menschen angesichts der eigenen Unzugänglichkeit gegenüber seinen technischen Geschöpfen ins Gesicht steigt (Vgl. Ebd.). Er betont, dass aufgrund der raschen Produktion von technischen Innovationen, der Mensch nicht mehr Schritt halten kann und somit psychologisch überfordert wird (Anders 1961, 18). Im Vergleich zu gegenwärtigen Entwicklungen von diversen sozialen Netzwerken, in dessen jede Person anonym und ohne Konsequenzen seine Meinung auf Menschen richten kann, ist die oft einhergehende Strapazierung des Empfängers keine Seltenheit. Um der Konfrontation von Hasspostings in sozialen Medien zu entgehen, hat der Mensch bis heute keine Strategie entwickelt, wie er sich emotional von subversiven, bloßstellenden Kommentaren distanzieren kann, sodass Beleidigungen in ihrer Sinnlosigkeit aufgelöst werden. Anders vermutet, dass im Gegensatz zu den Metamorphose-Stand der von uns Menschen gemachten Dinge, die Überforderung aufgrund der mangelnden Elastizität der menschlichen Seele besteht (Vgl. Ebd.). Der Autor deutet somit auf die begrenzte physische Beschaffenheit des Menschen hin.

3. Die Verderblichkeit des Leibes :

Der Grundgegenstand des prometheischen Schams, ist der Grundmakel des sich schämenden Individuums in seinem „natum esse“ (Vgl. Ebd. 24). Im Gegensatz zu den hergestellten modifizierbaren, reproduzierbaren und durchkalkulierten Geräten, ist das Dasein der Menschheit durch einen altbewährten und unperfekten Prozess der Zeugung geboren worden (Vgl. Ebd.). An dieser Stelle wird der Akzent der Medienanthropologie, welche grundsätzlich die Verbindung von Medien und Körper fokussiert, (Vgl. Burkhardt u. Sandbothe 2014, 383) aus der Ander´schen-Sichtweise deutlich. Während der Mensch bei Immanuel Kant frei ist, sich seines eigenen Verstandes zu bedienen und dadurch der Ausgang aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit gegeben ist, (Vgl. Kant 1994, 20) wird bei Günther Anders durch die identifizierte, aussichtslose Minderwertigkeit und fehlende Autonomie des Subjekts, die kantische Frage „Was ist der Mensch?“ zu einem Negativum um konnotiert „Wer bin ich schon?“ (Vgl. Anders 1961, 24). Bei Anders wird es deutlich, dass das Individuum im unmittelbaren Umgang mit den Eigenproduktionen, danach strebt ein gemachtes Produkt zu werden, nachdem er im Antlitz seiner technischen Vollkommenheit, seine eigene Unvollkommenheit eingesteht (Vgl. Ebd. 25).

Die Tendenz vom Macher zum Gemachten werden zu wollen, besteht darin, dass der Mensch den Dingen einen höheren Seinsrang zuspricht (Vgl. Ebd.). Durch die Vorteile der Gerätschaften, kaschiert sich der Mensch vor der Unterpositionierung, indem er sich Medien als Prothesen anlegt, um einen Ausgleich zu schaffen. Auch Sigmund Freud hat darauf hingewiesen, dass der Mensch ein prothetisches Wesen ist, dass seine Körperteile durch technische Medien adaptieren und modifizieren kann (Vgl. Burkhardt u. Sandbothe 2014, 387). Jedoch sind diese medialen Prothesen, als Transformationsmöglichkeit des Körpers, nur ein Schutzschild, die den Menschen davor bewahrt, sich selbst als Mangelwesen zu erkennen (Vgl. ebd. 387). Die Gefahr menschliche Sinne durch Medien erweitern zu wollen, hat jedoch noch weitere Konsequenzen. Besonders zu hinterfragen werden Medien als Extensionen des Körpers, wenn wir Marshall McLuhans These heranzieren, die besagt, dass durch die Fokussierung auf einen speziellen Sinn durch die Inbetriebnahme differente Apparate, andere Sinne vernachlässigt werden (Vgl. ebd.387). An dieser Stelle muss hervorgehoben werden, dass McLuhan die Medien, als Ausweitungsmöglichkeit des menschlichen Vermögens betrachtet, (Vgl. Mersch 2006, 109) während Freud die Prothesenhaftigkeit der Technik, als Ausdruck der Jämmerlichkeit versteht und sich der Mensch als „Prothesengott“ nur selbstverherrlicht. Für Freud ist es zwar für den Menschen: „recht großartig, wenn er alle seine Hilfsorgane anlegt, aber sie sind nicht mit ihm verwachsen und machen ihm gelegentlich noch viel zu schaffen.“ (Freud 1930, 451) Die Ausweitung der körperlichen und medialen Begrenzungen durch Werkzeuge ist zwar im Stande den Menschen über seinen eigenen Mängeln hinweg zu trösten, jedoch führen sie nicht zu einer vollkommenen Perfektion. Sie sind eine Aufwertung und Abwertung zugleich. Lediglich die Kompensation für mangelhafte organische Funktionen.

Doch nicht nur das Verschleiern des Mangels und die Vernachlässigung der Sinne des Menschen ist die Folge, sondern es kommt, so Theodor W. Adorno und Max Horkheimer (Vgl. 1981, 154) sogar zu einer Rückbildung der Vorstellungskraft, indem durch Anspannung und fortwährender Repräsentation von Bildern in den Produktionen realistischeren Filmen, die Phantasie und Gedanken der Zuschauer keinen Platz mehr haben. Medien fungieren somit nicht nur als Ermöglichungsbedingungen, mit denen wir unsere Sinneszonen erweitern können, sondern sie können diese auch gleichzeitig einschränken und fungieren auch als Spiegel unseres selbst. Bei Anders werden Medien als Prothesen, die als Hilfsmittel auftreten, nicht verherrlicht im Gegenteil, dessen Anschaffung ist nur Beweis für die menschliche Insuffizienz, der Unfähigkeit und menschlichen Schwäche (Vgl. Anders 1961, 27). Das Erkennen dieses Makels ist die Geburt der ausgelösten Scham.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Das Verhältnis zwischen Mensch und Medien
Hochschule
Universität Wien  (Philosophie)
Veranstaltung
Proseminar: Einführung in die Medienphilosophie
Note
1,0
Autor
Jahr
2019
Seiten
15
Katalognummer
V496681
ISBN (eBook)
9783346009487
ISBN (Buch)
9783346009494
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Medien, Medienphilosophie, Philosophie, Günther Anders, Thomas Mock, Konrad Paul Liessmann, Identitätskrise, Menschen und Medien, Philosophie und Technik, Selbstreflexion, Medienwissenschaft, Medienanthropologie, Medientheorie, Einführung in die Medien, Medienkonzeptionen, Theorienperspektiven, Medienbegriff, Medienkritik, Medienphilosophen, Das Medium, Kulturwissenschaft, Extensionen, Luhmann, Prothesen, Aufklärung, Medienkompetenz, Medienbewusstsein, Mediengeschichte, Medienethik, Gedächtnis, Kommunikation, Schrift, Bild, Machtinstrumente, Kunstwissenschaft, Platons Schriftkritik, Dystopien, Gedächtniskultur, Sinneswahrnehmung, technische Bild und Massenmedien, Technikphilosophie, Horkheimer und Adorno, Antiquiertheit, Reproduzierbarkeit, Medienpädagogik, McLuhan
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Mathias Andrawis (Autor:in), 2019, Das Verhältnis zwischen Mensch und Medien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/496681

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